Nro. 96.
Sonntag, den 23. September 1849.(9. Jahrg.)
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auf das Intelligenz-Blatt für das vierte Quartal(ersten Oktober bis Ende d. Jahres) wolle man baldigst (auswärts bei den nächsten Postämtern) machen. Die Redaktion.
Politische Rundschau.
Deutschland.
Berlin. Kammer=Verhandlungen.
Sitzung der ersten Kammer vom 13. September.
Die Artikel 85 und 97 der Verfassung werden mit geringen Abänderungen angenommen. Dagegen wird der Artikel 95 gestrichen, welcher lautet:
Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche Civil= und Militärbeamte wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübten Rechtsverletzungen zu belangen.
Dafür setzt die Kammer:
Die Bedingungen, unter welchen öffentliche Militärund Civilbeamte wegen durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübter Rechtsverletzungen gerichtlich in Anspruch genommen werden können, bestimmt das Ge
setz.
Wieder ein Stück Revision der Verfassung. Unter dem Absolutismus hing es von der Genehmigung der vorgesetzten Behörde der Beamten ab, ob gegen dieselben wegen Ueberschreitung der Amtsbefugnisse die gerichtliche Verfolgung zulässig sei; wir Alle erinnern uns noch sehr wohl, daß Jedermann gegen die Uebergriffe selbst der geringsten Unterbeamten fast rechtlos und schutzlos da stand. Die Behörden fanden höchstens„zu lebhaft geäußerten Amtseifer" selten aber Ueberschreitung der amtlichen Befugnisse. Diese gesetzliche Bestimmung war ein Wall, aufgethürmt zum Schutz der Beamtenwillkür gegen das Gesetz.— Der Richter allein ist befugt und fähig, zu entscheiden, ob das Gesetz verletzt wird oder nicht, niemand darf in seiner Sache eigener Richter sein, also auch nicht die Behörden. Das Letztere war aber bisher der Fall.
Diesen schreienden Uebelstand hatte der Artikel 95 endlich beseitigt; Minister Manteuffel hat selbst die Verfassung mit entworfen, und jetzt ist derselbe Minister gegen sein eigenes Werk aufgetreten. Er hat in der Kammer die Abänderung des Aitikels vertheidigt; er sagt:„der Richter würde ein Uebergewicht erlangen, der Beamte muß das Gefühl der Abhängigkeit von seinem Vorgesetzten haben; die Behörde muß ihren Beamten Schutz gewähren.“
Schutz! wogegen denn? Ist der Beamte schuldlos, so ist der Richterstuhl sein bester Schutz. Aber nein! Die Beamten sollen nicht vom Rechte, sondern von den allmächtigen Behörden Schutz erhalten, dafür soll das Gefühl der Abhängigkeit sie zu einem blinden Werkzeuge herabdrücken, das Volk soll wieder ganz der Beamtengewalt überantwortet werden.
Wir haben also noch erst ein Gesetz zu erwarten, welches bestimmen soll, unter welchen„Bedingungen“ man einen Konstabler oder wachthabenden Gefreiten gerichtlich belangen kann, wenn sie in Ausübung des Amtes sich Uegriffe zu Schulden kommen lassen.
Sitzung der zweiten Kammer vom 15. September.
Die Sitzung ist ohne Erheblichkeit; verschiedene Kommissions=Anträge werden besprochen, der Minister Manteuffel meldet die Aufhebung des Belagerungszustandes von Posen, der Präsident theilt mit, daß die Verfassungs=Kommission mit ihrer Arbeit zu Ende ist und sogleich an die Berathung gehen werde. Nächste Sitzung Mittwoch.
Baden. Aus Baden hört man nicht viel mehr, als von Hinrichtungen, Untersuchungen, Zeitungsverboten. Den Kriegszustand für das ganze Land hat der gnädige Großherzog neulich wieder auf einen Monat verlängert.
— Dieser glückliche Zustand des Landes erheischt den wärmsten Dank aller Gutgesinnten, und es ergehen zahlreiche Schreiben an den gnädigen Landesherrn, welche von Versicherung unendlicher Liebe und Ergebenheit überfließen.
— Es mag sein; daß die Unterschriften zu diesen Schreiben zum Theil durch höhern Einfluß erzwungen sind, zum Theil von Theilnehmern an der Revolution herrühren, die sich gern weiß brennen möchten; sicherlich sind aber auch nicht wenig Subjekte dabei, die ihre Freude an der allgemeinen Unterdrückung haben. Es gibt geborene Sclavenseelen, welche wie die Hunde den Fuß lecken, der sie tritt.
Stadt=Verordneten
von Prüm.
In den jüngsten Tagen werden nach dem Gesetze der Gemeinde=Ordnung die Hälfte der Gemeinde=Räthe durchs Loos austreten, an deren Stelle wieder eben so viele neue Mitglieder gewählt werden.—
Mitbürger! Dieses ist Gegenstand ernster Erwägung und Prüfung,— wie ohnlängst ein Inserat in Nro. 71 d. Bl., über die Pensionirung des Herrn Eskens, richtig bemerkte.— Es gibt also hier sechs neue Mitglieder zum Gemeinde=Rath für unsere Stadt zu wählen.
Diesen Männern vertrauen wir mit einem Wort das Wohl und Wehe unserer selbst an. Mitbürger! Darum lassen wir prüfen und zusehen, wo wir jene Männer finden, die das Vertrauen, welches ihnen geschenkt werden soll, auf eine würdige und gerechte Weise im Stande sind zu rechtfertigen, aber auch wirklich rechtfertigen werden. — Darum wiederhole und sage ich nochmal, lasset uns prüfen und sehen, wo wir die würdigen Männer unseres Vertrauens finden.
Lassen wir uns dabei aber nicht bethören(wenn welche kommen in Schaafpelz) die, beim Glas Branntwein das Maul groß aufthun, von Vielem sprechen, aber von Wenigem kennen, höchstens Land und Leute ins Unglück helfen bringen.— Vertrauet aber anderen eben so wenig, die beim Schoppen Wein in honigzuckersüßen Worten, oder heillos großthuenden Redereien wähnen die Weisheit allein gefressen zu haben, und dann, wenn es darauf ankommt, das Gemeindewohl zu vertreten— Verstand und Weisheit