Nr. 248.
Samstag, den 6. October.
1883.
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Sppeaitior Remigustratze Nr. 16.
Agenturen:
Rheinische Landeszeitung.
Für die Achastonr vrautnerlich. 3 k. Carthau.— Lusk und Lostag von 3. k. Cartho. Cxpzedtion: Neuiginsseate Nr. 16.
füte Venel, I. F. Had, Juskrumenteumacher; Obereassel, Peter Ach; Godesberg, Th. Dietz, Rart 94; Mussendorf, J. Mauschaw; Vornheim, Gebr. Groß; Sechtem, Gottfr. pieck; Rösberg, Aloys Esser; Hersel, I. Voosen, Nr. 107.
Der Pariser„Figaro" über das
Niederwald=Denkmal.
Es interessirt, eine französische Preßstimme über unser Nationaldenkmal zu hören. Der Berichterstatter des„Figaro“ schreibt in seinem Blatte:
„Deutschland auf dem Niederwald".
Bingen, 25. Sept. Ein großer Tag zieht herauf. In 72 Stunden, am 28. September, werden die Augen von ganz Deutschland auf die malerische Biegung des Rheines, welche sich zwischen Rüdesheim, dem Lande des berühmten weißen Weines, und Bingen, der alten Stadt mit ihren nicht weniger berühmten Ruinen, hinzieht, gerichtet sein. Dort auf dem Plateau des Niederwald erhebt sich auf einer vorspringeuden Anhöhe die kolossale„Germania“ genannte Statue, die Repräsentantin des einigen Deutschlands, einig gemacht und geheiligt durch die Vereinigung unter einem Kaiser.
Man muß es sehen, mit welchem patriotischen Eifer die Deutschen sich vorbereiten auf die Feier der Enthüllung des Monuments, welches zum Ruhme der Armee von 1870 errichtet ist, und der Statue, erinnernd an die Wiederherstellung des deutschen Bundes. Die Blätter führen eine erhabene Sprache. Es ist eigenthämlich, daß diese kriegerische Feierlichkeit, wo der Kaiser Wilhelm erscheinen wird, umgeben von seinen Marschällen, wo die alten Soldaten des französischen Feldzuges, von denen der eine noch mehr dekorirt ist als der andere, auf den Ehrenplätzen sich befinden werden, beinahe zusammenfällt mit den unzeitigen Drohungen der„Nordd. Allg. Ztg.“ Man bemüht sich, der Feier des nächsten Freitags einen mystisch friedlichen Charakter zu geben, welcher stark absticht gegen die Art der Entstehung des Denkmals selbst.
Faßt man die Aussprüche der Deutschen von heute den 25. September zusammen, so sind dieses große Monument und diese riesige Statue, welche mit großen Kosten auf der den westlichen Lauf des Rheines beherrschenden Höhe errichtet worden, nur eine philosophische Verherrlichung des zu einem großen Kaiserreich wieder hergestellten Deutschlands. Es ist lange her, sagen sie(die Deutschen), daß Deutschland den Wunsch hegte, diese granitne Schildwache am Ufer des Rheines zu errichten, als Symbol der innigen, dauernden und siegreichen Einigung seiner verschiedenen Stämme. Die Dichter hatten sie vorhergesagt, Koerner mit einbegriffen, und seit 1840, dem Jahre, welches Nikolaus Becker, den badischen Insurgenten, Deutschland zu den Waffen rufen sah, zum Schutze des Rheines, bis zu Friedrich Wilhelm IV., welcher den Kölner Dom wieder aufrichtete, betrachtete der deutsche Geist alles Geschehene als eine Gewährleistung der Einheitsidee. Am Ufer dieses alten Stromes, dem Vater des Vaterlaudes, bedurfte es einer starken Wache seines so oft verlorenen und wieder eroberten Laufes. Die Statue der Germania verwirklicht die theuersten Träume des deutschen Patrioten. Sie scheint bereit zum Sprechen, gerade wie die des Memnon, um von der Höhe ihres Piedestals über die Wälder, die Weinberge und die verfallenen Burgen, welche in der dämmernden Ferne verschwinden, den Ruf der Wacht am Rhein ertönen zu lassen, diesen prophetischen Ruf des seines Triumphes sich erfreuenden Deutschlands: Garde au Rhin.
Auf diesem Berge, von wo aus man das lebendige und historische Panorama, worin die Entstehungsgeschichte Deutschlands sich abspielt, überblickt, von wo aus man wie aus der Vogelschau die glücklichen und schwierigen Phasen der vergangenen Jahrhunderte sich berzählen kann, auf diesem Berge werden sich der Kaiser Wilhelm und die Kämpfer von 1870 den glorreichen, für uns so traurigen Tag ins Gedächtniß zurückrufen, an dem die Einigung Deutschlands sich vollzog, wo der ehrgeizige Traum Friedrich Barbarossas Wirklichkeit wurde.
Ich komme eben in Bingen an; von dem linken Rheinufer aus bemerkt man auf dem rechten den vorgelagerten Niederwald, wie eine Krone die noch verschleierte Figur der Germania tragend. Morgen fruh werde ich meine traurige Pilgerfahrt nach dem Kapitol machen und mit mir die Menge der zahlkeich Ankommenden, aus allen Schichten der Bevölkerung, um dort oben einen Hauch des nationalen Stolzes zu athmen.
Politische Chronik.
Deutschland.
Berlin, 4. Okt.(Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths) für Handel und Verkehr und für Justizwesen traten heute zu einer Sitzung zusammen.
—(Der Bundesrath) ist auf Freitag, den 5. Oktober, zu einer Plenarsitzung berufen. Auf der Tagesordnung steht zunächst eine Mittheilung über die Ernennung eines stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrath. Es folgen dann drei Vorlagen: der Entwurf eines Gesetzes über die Kommanditgesellschaften auf Actien und ActiengeSischaften, der Entwurf eines revidirten statistischen souarenverzeichnisses und die Entwürfe eines internationalen Uebereinkommens über den EisenbahnFrachtverkehr und eines Reglements über die Errichtung eines Centralamtes; den Beschluß bilden Anträge, Oerreffend die Wahl von Mitgliedern mehrerer Dis
ciplinarkammern und die Feststellung des Ruhegehalts 2c. von Reichsbeamten.
—(Aus spanischen offiziellen Kreisen) wird folgender Wortlaut des von Kaiser Wilhelm an König Alfonso gerichteten Telegramms bekannt gegeben:„Ich beklage die Ihnen in Paris zugefügte Beleidigung. Ich weiß übrigens, daß sie sich weit mehr an mich, als an Sie wendet.“
—(In den jetzt stattfindenden Sitzungen des Staatsministeriums) dürften nur die Vorfragen über die dem Landtage vorzulegenden Materien Seitens der verschiedenen Ministerien besprochen werden. Daß bereits in der vorgestrigen Sitzung der Termin für die Einberufung des Landtags festgesetzt sei, muß bezweifelt werden. Erst nachdem im Kreise des Staatsministeriums Klarheit über die Vorlagen herrscht, wird dem Reichskanzler von den verschiedenen Chefs Vortrag gehalten werden, und von seiner Ansicht wird es abhängen, wann der Termin zur Eröffnung des Landtages festzusetzen sei.
—(Ueber die Verhaftung des lothringischen Reichstagsabgeordneten Antoine) schreibt der Metzer Korrespondent der„Post“:„Die durch den Polizeiinspektor Cudom erfolgte Verhaftung des Reichstagsabgeordneten Thierarztes Antoine, welche am 1.., Abends gegen 7 Uhr, in seiner Wohnung erfolgte, wird in hiesigen eingewanderten wie einheimischen Kreisen eifrig besprochen. Man war allseitig über die vom Reichsanwalt zu Leipzig ausgesprochene Verhaftung überrascht, da man an eine solche nicht mehr recht glaubte. Besonders war dies bei der protestlerischen Partei der Fall, da diese, mit Antoine an der Spitze, die ganze Angelegenheit durch die Veröffentlichung eines Theiles der Antoine'schen Korrespondenz in der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" als erledigt ansah. Jetzt noch Erörterungen in dieser Sache vorzunehmen, muß zum Mindesten als ungeschicklich bezeichnet werden, nachdem dieselbe der Beurtheilung der höchsten richterlichen Behörde anheimgefallen ist. Nach der Verhaftung Antoine's wurde abermals in seiner Wohnung eine Haussuchung vorgenommen, über deren Ausfall natürlicherweise nichts verlautet. Innerhalb der Protestpartei herrscht eine gewisse Bestürzung, da diese Verhaftung ganz unverhofft und unerwartet gekommen ist.
—(Die Beschwerden in der letzten Reichstagssession über verschiedene Mißstände beim Kantinenwesen der Truppen) haben doch einen praktischen Erfolg gehabt, wie aus folgendem auf kgl. Befehl erfolgten Erlaß des Kriegsministeriums hervorgeht: Die Kantinen sind Privateinrichtungen der Truppen und haben den Zweck, nur den Angehörigen des Heeres gegen sofortige Bezahlung die gewöhnlichen Lebensbedürfnisse und Gebrauchsgegenstände in bester Beschaffenheit und zu den billigsten Preisen zu liefern. Der Vertrieb anderweitiger Waaren ist nicht gestattet. Die Kantinen können selbst bewirthschaftet oder verpachtet werden; die Entscheidung hierüber steht dem Truppenkommandeur zu. Unter seiner oberen Leitung und Aufsicht stehen auch die Kantinen mit Selbstbewirthschaftung. Die Führung des speziellen Verwaltungsgeschäftes kann einer besonderen Kommission übertragen werden. Für Verluste der Kantine ist derjenige, welchen hierbei ein vertretbares Verschulden trifft, haftbar; trifft Niemand ein Verschulden oder ist der Haftpflichtige zahlungsunfähig, so tritt das Kantinenvermögen ein. Als leitende Norm ist festzuhalten, daß diejenige Kantine ihrer Aufgabe am vollkommensten entspricht, welche bei und in Erfüllung ihres Zweckes möglichst geringe Ueberschüsse liefert. Die Ueberschüsse haben in Rücksicht auf vorbezeichnete Haftbarkeit des Kantinenvermögens und auf etwa anderweite Bedarfsfälle zunächst zur Bildung eines angemessenen Reservefonds zu dienen. Die dann noch verbleibenden Ueberschüsse sind im ausschließlichen Interesse der Unteroffiziere und Mannschaften zu verwenden, so daß sie möglichst direkt und gleichmäßig den Betheiligten wieder zu Gute kommen. Die alljährliche Vertheilung der Ueberschüsse bis zur Entlassung der Reserven erscheint daher am zweckmäßigsten. Bei Verpachtung der Kantine hat der Kommandeur des Truppentheiles dafür zu sorgen, daß der Pächter den abzuschließenden Kontrakt und im Besonderen die vereinzelten Preisfestsetzungen genau einhält. Zur speziellen Ueberwachung des Kantinen=Betriebes kann eine Aufsichts=Kommission ernannt werden. Die Verwendung der Pachtgelder hat ebenso zu erfolgen, wie die der Ueberschüsse bei eigenem Betrieb. Mannschaften des aktiven Dienststandes und Oekonomen von Offizier=Speiseanstalten sind als Pächter ausgeschlossen.
Leipzig, 4. Okt.(Das„Tageblatt" meldet: Gegen Autoine, Metz,) ist vom Reichsanwalt auf Grund des vorliegenden Belastungsmaterials die Einleitung der Voruntersuchung angeordnet. Die Verhaftung desselben ist vom Untersuchungsrichter in Metz verfügt. Ueber die von Antoine gegen die Verhaftung erhobene Beschwerde werde das Reichsgericht zu entscheiden haben.
Dresden, 4. Okt.(Der deutsche Sparkassentag) hat unter dem Vorsitz von Lammers (Bremen) heute seine Verhandlungen eröffnet.
Karlsruhe, 4. Okt.(In der Abgeordnetenwahl) für den Bezirk Sinsheim wurde der bisherige Abgeordnete, Oberamtmann Frey(nat onalliberal), mit großer Mehrheit wiedergewählt.
Hostemreichelugen.
Wien, 2. Okt. Graf Herbert Bismarck trifft heute, von Aussee kommend, in Wien ein und wird an den Jagden auf den Rothschild'schen Besitzungen theilnehmen.
— Fast die gesammte unabhängige Presse Oesterreichs konstatirt, daß Ungarn auf der ganzen Linie vor Kroatien zurückgewichen ist.— Als künftiger Banus von Kroatien wird der Baron Rauch genannt; derselbe war bereits unter dem Ministerium Andrassy Banus von Kroatien. Dieser kroatische Staatsmann gilt als Anhänger der engern„Union“ Kroatiens mit dem Königreich Ungarn und ist in dieser Eigenschaft den Radikalen zu Agram vielleicht nicht ganz genehm.
Steyr, 2. Okt. Der Direktor der Waffenfabrik Werndl hat heute in Wien mit mehrerem Firmen vereinbart, daß 1884 in Steyr eine Ausstellung stattfinde, bei welcher die Anwendung der Wasserkräfte für elektrotechnische Zwecke in großartigstem Maße veranschaulicht werden soll.
Schweiz.
— Aus Zürich schreibt man der„Voss. Ztg.“: An derselben Stelle bei Horgen, wo schon früher einmal ein großes Stück des Seeufers versank, ist wieder einmal eine große Uferstrecke in die Tiefe gesunken. Am 2. d. früh 4 Uhr verschwanden die alten und neuen Anlagen von der Suhl bis zum Meiershof in den See. Das Eisenbahngeleise der linksufrigen Zürichseebahn ist gejährdet. Hart an den Schwellen zeigen sich Risse im Boden und wahrscheinlich stürzt die Eisenbahn nach. Die Tiefe, von der das Land verschlungen wurde, mißt 60 Klafter, ein Umstand, der einen Nachsturz nur zu wahrscheinlich macht. Der Bahnverkehr ist unterbrochen und die nächsten Bewohner flüchten. Eine Menge Materials aller Art, das auf dem betreffenden Terrain lag, ist mitfortgerissen worden.
Frankreich.
— Nachstehend noch einige interessante Einzelheiten aus dem Pariser Aufenthalt des Königs Alfons. Als der König am Sonntag mit dem General Blanco auf den Boulevards promenirte, blieb er einen Augenblick vor einem Zeitungskiosk stehen, um einige Blätter zu kaufen. Die Verkäuferin bemerkte hierbei: „Kaufen Sie doch dieses Blatt, den„Ulanenkönig", es ist das Allerneueste und handelt vom König von Spanien.“„Ah“, machte der König,„dieser König von Spanien muß also wohl eine traurige Persönlichkeit sein.“„O, durchaus nicht,“ erwiderte die Verkäuferin,„er ist ein hübscher, junger Mann, ich sah ihn gestern hier vorüberfahren." Der König lachte von ganzem Herzen, kaufte den„Roi Ulan“ und erzählte den Zwischenfall bei seiner Rückkehr nach der spanischen Botschaft in heiterster Stimmung.
Niederlande.
— Der König der Niederlande hat am 28. September, wie dem„Standard“ aus dem Haag gemeldet wird, den Kommissär des Transvaal bei der Amsterdamer Kolonial=Ausstellung, Herrn Bell, in Audienz empfangen. Nach einer kurzen an den König gerichteten Anrede, welche die Liebe der Boeren für ihr altes Heimathsland und ihre Achtung für Se. Majestät betonte, bat Herr Bell den König im Namen der Bevölkerung des Transvaal, als eine Erinnerung an die Ausstellung einen Goldklumpen von großem Gewicht anzunehmen, der in den Transvaaler Goldfeldern aufgefunden worden war und von einem Glasdeckel eingeschlossen wurde, auf dem sich eine passende Inschrift befand. Der König nahm das Geschenk an und dankte in sehr schmeichelhaften Ausdrücken.
Spanien.
Madrid, 5. Okt. Die Sympathiekundgebungen für den König dauern sort. Gestern gab es eine enthusiastische Ovation beim Spaziergang des Königs in Buen Retiro. Eine Frankreich feindliche Demonstration von Studenten vor der französischen Botschaft wurde durch die Gendarmerie verhindert. Die Journale aller Parteien sprechen sich in schärfster Weise über die Pariser Vorgänge aus. Hier wohnende Franzosen wollen einen bereits zahlreich unterschriebenen Protest gegen die Vorgänge überreichen. Zahlreiche Telegramme mit dem Ausdruck der Sympathie und Theilnahme sind eingetroffen.
— Aus Madrid meldet man der„Times“, daß die öffentliche Erregung sich sehr gelegt habe; die Presse empfehle meist eine würdige Zurückhaltung als beste Antwort auf das Benehmen des französischen Pöbels.
England.
London, 2. Okt. Die Hinrichtung des fünffachen Kindermörders William Gouldstone ist in Folge eines Berichts, den zwei renommirte Irrenärzte dem Minister des Innern über den Geisteszustand des Mörders erstattet haben, abermals verschoben worden und wird wahrscheinlich niemals vollzogen werden.— In Bellevue Gardens, einem Vergnügungslokale in Manchester, dessen Hauptanziehungskraft ein großartiges, die Schlacht von Tel=el=Kebir darstellendes Panorama bildet, brach in verflessener Nacht ein Feuer aus, durch welches das erwähnte Panorama, welches einen Flächenraum von 5000 Quadratmeter bedeckte, ein fast völliger Raub der Flammen wurde. Während des Brandes explodirten einige Raketen,
wodurch die Verwirrung erhöht wurde. Eine in der Nachbarschaft befindliche Menagerie und Fabrik von Fenerwerkskörpern schwebten eine Zeit lang in großer Gefahr. Der angerichtete Schaden wird auf über 30,000 Pfd. St. geschätzt.
Rußland.
— Einem Telegramme der„Daily News“ zufolge ist in Petersburg eine Anzahl politisch compromittirter Offiziere verhaftet und in der Nähe von Charkow ein großes Depot entdeckt worden, welches Waffen aller Art, große Quantitäten Schießpulver, Dynamitbomben und eine neue Druckerpresse enthielt. Zu gleicher Zeit kamen revolutionäre Schriften und ein in Chiffreschrift gepflogener Briefwechsel zum Vorschein, welcher die Existenz einer weitverzweigten Verschwörung ergibt, die über reichliche Geldmittel verfügt und unter ihren Mitgliedern hauptsächlich Offiziere zählt. Es ward entdeckt, daß Dynamit in dem nahe bei Petersburg gelegenen Kolpino, wo die in der russischen Hauptstadt stationirten wissenschaftlichen und technischen Branchen der Armee täglich ihren Uebungen obliegen, fabrizirt wird. In Petersburg wurden mehr als 132 Flotten=Offiziere und 17 Artillerie=Offiziere verhaftet und nach der Peter=PaulsFestung abgeführt. In Simbirsk wurde ein Artillerie=Oberst verhaftet, der sich einen sehr großen Einfluß in bäuerlichen Kreisen erworben und die Bauern zu revolutionären Thaten aufgewiegelt hatte. Besonders unangenehm hat es berührt, daß so viele Offiziere in reiferem Alter sich der Revolutionspartei angeschlossen haben.
Afrika.
Alexandrien, 4. Okt. Wie einheimische Journale melden, sandte der Sultan einen Kommissar nach Sudan, um über die Lage dieser Provinz Bericht zu erstatten.— Nachrichten aus Konstantinopel zufolge soll die Pforte beabsichtigen, einen kaiserlichen Kommissar nach Egypten zu senden.
Asien.
— Nach einer Depesche des„Standard" aus Hongkong arbeiten dort(oder in Canton?) wohnende Engländer und Offiziere der Kanonenboote einen Plan zur Vertheidigung des Fremdenviertels aus; der Verkehr zwischen diesem und der Stadt ist eingestellt. Es werden noch immer chinesische Truppen angesammelt, und eine Flotte chinesischer Kanoneuboote ankert vor den Forts. Dem„Newyork Herald“ wird aus Hongkong gemeldet, daß an den Wänden des Palastes des Vicekönigs zu Canton aufreizende Plakate angeschlagen worden sind, mit der Drohung, daß die Europäer massakrirt werden sollen, falls die französische Flotte einen Angriff versuchen sollte. Der Pöbel sei täglich zu einem Aufstande bereit, die Mandarinen werden öffentlich auf den Straßen beleidigt und in Hongkong seien Vorsichtsmaßregeln zum Schutze der Fremden getroffen.
Neueste Nachrichten.
Pest, 4. Okt. Die Konferenz der Unabhängigkeitspartei nahm einen im Reichstag einzubringenden Antrag an, der das Vorgehen der Regierung in der kroatischen Frage entschieden tadelt.
Bern, 4. Okt. Der neue Gasthof der Gebrüder Hauser am Giesbach ist heute Morgen abgebrannt.
Paris, 4. Okt. Vormittags wurde ein Ministerrath abgehalten, dem der Kriegsminister beiwohnte. Es bestätigt sich, daß die Regierung die Untersuchung über die bei der Ankunft des Königs von Spanien vorgekommenen Zwischenfälle angeordnet habe. Dieselbe wird nicht auf die zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Maßregeln, sondern auf die Urheber der Demonstrationen sich erstrecken, um deren Bedeutung danach zu bemessen.
Paris, 4. Okt. Außer Thibaudin wohnten heute alle Minister dem Ministerrathe bei. Bei dem Zusammentritte der Kammern will Waldeck=Rousseau einen Antrag über Vereinsfreiheit einbringen. Der Minister des Innern will einen weiteren Artikel zu dem Preßgesetz einbringen, wonach den Ausrufern
auf den Straßen untersagt werden soll, mehr als den Titel des Blattes anzupreisen. Der Justizminister beabsichtigt, einen Antrag zu stellen, nach welchem eine honorirte Stellung mit einer legislativen unverträglich sein soll und zu untersagen ist.
Paris, 4. Okt. Die ottomanische Gesandtschaft dementirt das Gerücht von einer Erkcankung des Sultans.
Brüssel, 4. Okt. Wie die Independance meldet, haben gegen 2000 Kohlengrubeuarbeiter im Kohlenbecken bei Mons die Arbeit eingestellt.
London, 4. Okt. Bei der Ersatzwahl in Manchester wurde Houldsworth(konservativ) gewählt.
Christiania, 4. Okt. Das Reichsgericht hat auf Verlangen des Vertheidigers die weitere Verhandlung auf den 19. Oktober verschoben.
New=York, 4. Okt. Bei dem Aufstande in Port=au=prince(Haiti) sind gegen achthundert Häuser durch Feuer zerstört. Der durch Niederbrennen der Ausstellungsgebäude in Pittsburg angerichtete Schaden beträgt nach neueren Depeschen nicht 2½, sondern 1 Million Dollars.
X Eine nahezu dreipfündige Kartoffel kommt auch nicht alle Taze vor. Eine solche wurde in dem, Herrn Baumeister Engelskirchen gehörigen Felde an der Schillerstraße gefunden.