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r. 25

Freitag, den 28. Oktober

1927

Die Lage der deutschen Wirtschaft.

Beruhigende Ertlarungen des Reichswirtschaftsministers und des Reichsbankpräsidenten­

VDZ. Berlin, 27. Okt. Im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde heute die Aussprache über die Finanz= und Wirtschaftslage fortge­setzt. Abg. Dr. Hilferding(Soz.) hielt es für notwendig, bei der Aufstellung des nächsten Etats die gegenwärtige gute Koniunktur nicht als absolut sicher zugrundezulegen und auch für Deckung der außerordentlichen Ausgaben zu sorgen. Die Ver­waltungsreform müsse nun endlich einmal mit Beschleunigung in Angriff genommen werden. Die Selbstverwaltung der Kommunen dürfe nicht aufgehoben werden. Die deutsche Wirtschaft bedürfe notwendigerweise zu ihrem Ausbau der Anleihen. Um diese abzustoßen, habe leider der Reichsbankprä­sident eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die eine Börsenpanik erzeugt hätten. Solche Maß­nahmen seien auch wegen ihrer Wirkung auf das Ausland zu verurteilen. Darauf ergriff

Reichswirtschaftsminister Dr. Curtins das Wort. Er begrüßte die Gelegenheit, im Haupt­ausschuß im Zusammenhang mit der Besoldungsvor­lage über Wirtschaftsfragen sprechen zu kön­nen, da diese Frage von der Finanzfrage nicht zu trennen sei. Der Minister erklärte, daß es ihm fern liege, etwa den Konjunkturpropheten zu spielen. Er hält es für gefährlich, in der Oeffent­lichkeit mit Schlagworten die Konjunktur zu klassi­fizieren. Unsere Konjunktur hänge sozusagen in zwei Angeln, auf der einen Seite der Kaufkraft, auf der anderen Seite der Kapitalsversor­gung. Was die Kaufkraft anlange, so glaubte der Minister, daß von dieser Seite der Konjunktur die geringste Gefahr, drohe. Die Wiederaufnahme von fast zwei Millionen Arbeitsloser in den Wirt­schaftsprozeß, die Lohnerhöhungen, auch die Er­höhung der Beamtengehälter, sichere von der Seite der Kaufkraft aus die Konjunktur noch auf längere Zeit. Die Preisbewegung hat sich keines­weges geändert. Sie bewegt sich vielmehr im großen und ganzen nur langsam auswärts. Ebenso scheint auch die Depression des Auslandes, das für unseren Export in Frage kommt, allmählich einer gewissen Aufwärtsbewegung entgegen zu gehen, so­daß, wenn unser Exvort wieder stärker werden muß, auch das Ausland wieder kaufkräftiger wird. Aber auf der anderen Seite drohen der Konjunk­tur Schwierigkeiten aus der Frage der Kapi­talsbeschaffung.

Der deutsche Kapitalmarkt allein ist keineswegs mehr in der Lage, die Konjunk­tur zu finanzieren. Es wird auch weiterhin eine Zufuhr von Auslandskapital zur Durch­führung der Aufgaben, die die Konjunktur stellt, notwendig sein. Jedenfalls scheint es mir unerläß­lich zu sein, daß wir uns unser Auslandskreditvo­lumen erhalten. Wir müssen aber die allergrößte Disziplin üben, damit nicht auf dem Gebiete des Vertrauens, das bei jedem Kredit eine Rolle spielt, eine Krisis eintritt. Es ist selbstverständlich, daß für unsere kurzfristigen und langfristigen Schulden eine Vertrauenskrise die verheerenden Wirkungen haben würde. Die Auslandsverschuldung als solche wird ihrer drohenden Gefahr entkleidet. Die lang­fristigen Anleihen betrugen für Oktober 3,95 Milliarden, die kurzfristigen Kredite 3,6 Milliarden. In den 3,95 Milliarden Anleihen stecken rund 2 Mil­liarden, die die Privatwirtschaft aufgenommen hat. Wenn man bedenkt, daß das Eigenvermögen der In­dustrie 34,2 Milliarden beträgt, so wird man zuge­ben müssen, daß die Auslandsverschuldung in Höhe von 2 Milliarden für die gesamte deutsche Wirtschaft verhältnismäßig gering ist. Es wird auch das Eine klar, daß unsere Wirtschaft in gar keiner Weise gewertet ist, daß die Sicherheit über al­len Zweifel erhaben ist. Das gleiche gilt auch für die von der Oeffentlichen Hand aufgenom­menen Anleihen, da hinter ihnen die ganze Steuer­kraft der Bevölkerung steht.

Unsere Auslandskredite sind im großen und ganzen produktiv verwandt worden. Die größte Gefahrenquelle wird immer in der kurzfri­stigen Verschuldung gesehen, die ich mit 3,6 Milliarden Mark angegeben habe. Ich halte es für ausgeschlossen, daß irgendwelche Schwierigkeiten auf dem kurzfristigen Auslandsmarkt eintreten, wenn wir nicht selbst das Vertranen des Auslandes stö­ren. Mit der weiteren Entwicklung unserer Wirt­schaft werden wir eine Umwandlung der kurz­fristigen Auslandskredite in Auslandsanlei­hen vornehmen können und es wird wieder ein Rückfluß ohne Störungen der deutschen Wirt­schaft möglich sein. Die Passivität der Han­delsbilanz ist nur die Folge der Kapitals­bewegung. Im einzelnen wird man feststellen dürfen, daß wir in eine andere Bewegung ein­treten, als noch vor wenigen Monaten zu erwarten war. Wir haben in der Inlandkonjunktur anscheinend schon einen gewissen Sättigunas­punkt erreicht, und unsere Fertigwarenindustrie sucht jetzt die Auslandsmärkte mehr auf, als es von Anfang bis Mitte dieses Jahres nötig gewe­sen ist. Was die Umorganisierung der Beratungs stelle für Auslandsanleihen angeht, so werden au­genblicklich noch Verhandlungen mit den Länderre gierungen gepssogen, um die Richtlinien in sach­licher und organisatorischer Beziehung abzuändern. Es handelt sich darum, daß wir die währungs- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte mehr in den Vordergrund stellen, als es bisher geschehen ist, daß wir ihnen gegenüber die Produktivität und die Dringlichkeit der Aufnahme der Ausland­anleihen avwägen. Es wird vor allem darauf

ankommen, daß wir in der neu organisierten Bera­tungsstelle zu einem vertrauensvollen Zusammenar­beiten kommen. Zum Schluß betonte der Minister, daß es darauf ankomme, in der gegenwärtigen Lage die Nerven zu behalten und sich allerseits in dem Ziele zu vereinigen, die Entwicklung der Wirt­schaft weder noch weiter anzufeuern, noch auch sie durch Paniken und Krisenmachereien zum Absinken zu bringen. Auch der Reparationsagent stehe, so viel er wisse, auf dem Standpunkt, daß die Lage noch nicht kritisch geworden sei. Wir könnten deshalb durch gemeinsame Anstrengungen und Disziplin die Konjunktur halten.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht

führte aus: Die Beratungsstelle ist ein Notbe­helf. Ich bin weit davon entfernt, zu leugnen, daß die Gemeinden in Deutschland große produk­tive Aufgaben hätten. Aber das Problem selbst: liegt garnicht bei der Beratungsstelle, sondern in der

zentralen Kontrolle über die lokalen Finanzen.

Man sollte auch für unsere künftige loyale Finanz­gebarung eine Form zu finden versuchen, die dem englischen Beispiel näher kommt. Ich darf betonen, daß die Reichsbank sich niemals und in keinem Fall einer Aufnahme von Auslandsanleihen durch die Privatwirtschaft widersetzt hat. Die Sperre für Auslandsanleihen war nur gedacht, um aus­zuprobieren, wie die Senkung der inländischen Zinssätze zu Ende 1926 und zu Beginn 1927 sich aus­wirkte. Wir haben in der Begründung der Dis­kontermäßigung im Januar ausdrücklich er= klärt, daß es sich hier um ein Experiment han­dele, das man nun einmal ausprobieren müsse, in welchem Umfange der inländische Markt geeigner sei, den Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft zu befriedigen. Daß der inländische Kapitalmarkt nicht so ganz steril war, sehen wir aus der Statistik über die inländischen Emissionen. Wenn der Reichsbank ein Fehler vorzuwerfen ist, so ist es der, daß wir den Diskont nicht früher heraufsetzten. Aber wir konnten, als wir den Diskont ermäßig­len, nicht wissen, daß das Reich Ende Januar ganz plötzlich mit einer 500 Millionenanleihe an den deut­schen Kapitalmarkt appellieren würde. Wenn wir von der Absicht der Begebung der Anleihe gewußt hätten, hätten wir vielleicht überlegt, ob wir den 5 Prozent=Diskont etablieren sollten. Die Reichs­bank hat pflichtgemäß darauf hingewiesen, daß der dem Publikum zugemutete Betrag nach unserer Auf­fassung, ein zu großer sei aber wir konnten unmög­lich selber unsere Bedenken in der Oeffentlichkeit äußern und mußten stillschweigen zu den Vorwür­fen, die auf die Reichsbank herunterhagelten. In den nächsten Monaten haben wir gesehen, daß eine Ausschöpfung des inländischen Kapi­talmarktes nur eine eng begrenzte sein konnte. Wir bemerkten, daß die Banken erhebliche Beträge vom Auslandsmarkt herreinnahmen. Ich habe Ende Februar bereits die Banken darauf aufmerksam ge­macht, daß der Aufbau einer Börsenkonjunktur, der ja im stärksten Maße im ersten Halbjahr 1927 statt­fand, lediglich auf dem Wege des Kredits und noch dazu eines ausländischen, eine Sache sei, die Ge­fahren bringen müsse, hinsichtlich der Liquidität. Der Minister hat die kurzfristigen Auslandsschul­den mit 8,6 Milliarden angegeben. Unsere Gesamt­schätzung der ausländischen Verschuldung ist nicht un­ter 10 Milliarden.

Die Reichsbank hat sich nicht gegen Aus­landsanleihen für die Wirtschaft und für die Gemeinden an sich gewandt, sondern le­diglich gegen das Tempo und gegen die Gesamt­böhe der Verschuldung weil die Rückwirkungen der Währung doch ein sehr erhebliches Gewicht habe. Die Anträge der Kommunen und zum Teil auch der Länder sind für die Beratungsstelle garnicht richtig einzuschätzen. Man legt hier Anträge vor, die für produktive Zwecke bestimmt sind, aber was daneben in der Gemeinbeverwaltung sonst für unproduktive, unerwünschte, entbehrliche oder nicht dringende An­lagen ausgegeben wird, entzieht sich der Beurtei­lung der Beratungsstelle. Dabet ist sie nicht im­stande, das Problem zu lösen. Sie muß so rasch wie moglich beseitigt werden. Ich verstehe nicht, warum man über die Diskontheraufset­zung der Reichsbank so viel Geschrei macht. Die Reichsbank will keine Konjunkturpolitik treiben, aber wir können auch unmöglich die Konjunktur dadurch fördern, daß wir künstlich Geld machen. Die Reichsbank hat nicht nur konjunkturpolitische, sondern auch währungspolitische Aufgaben. Sie hat die Kaufkraft der Mark nicht nur gegen­über dem Auslande, sondern auch im Imlande in einer gewissen Stabilitat zu erhalten. Darum ist es auch unberechtigt, ihr einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie nicht mehr Devisen hereingenom­men hat. Unsere Noten sind zur Zeit in Gold und Devisen gedeckt. In den weitesten Kreisen des Laienpublikums und der Käuferschichten werden im­mer wieder Befürchtungen laut, in der Richtung daß wir vor einer Inflation von der Geld­seite ber ständen. Solange die Reichsbank unab­bängig ist, wird sie sich nicht dazu hergeben, irgend­eine Inflation entstehen zu lassen. Wir haben dieses Theater einmal gehabt und eine zweite Vorstellung dürfte wohl nicht stattfinden.(Beifall.)

Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius führte dann verschiedene Zahlen an, um zu zeigen, daß seine Schätzung der Auslandsschulden praktisch gar­

nicht weit abweiche von der des Reichsbankpräsi­denten.

Abg. Dr. Fischer, Köln(Dem.) erklärte, die De­mokraten würden die Besoldungsvorlage annehmen. Sie müßten sich Anträge vorbehalten über eine ge­rechtere Verteilung der Erhöhung und zum Aus­gleich von Härten. In der Darstellung des Finanz­ministers über die Finanzlage fehle die Vorsorge für die Erfüllung unbedingt notwendiger Ansprüche und Verpflichtungen. Das Kriegsschädenschlußge­setz erfülle nicht die berechtigten Ansprüche der Ge­schädigten. Hierfür müßten mindestens 100150 Millionen in den Etat neu eingesetzt werden. Die Regierung müsse sich auch zu dem demokratischen Antrag auf bessere Kleinrentnerfürsorge äußern. Die Lohnsteuer müsse gemildert werden. Es bestehe auch noch immer Unklarheit über die Kosten des Reichsschulgesetzes. Die Regierung müsse erklären, was sie getan hat, um den geforderten Abbau der

Realsteuern in Ländern und Gemeinden durchzu­setzen. Das Steuervereinheitlichungsgesetz bringe in dieser Richtung nichts.

Die Beratungen wurden dann auf Frei­tag vertagt.

Die Koalitionsparteien zur Finanzpolitik.

Berlin, 28. Okt. Donnerstagnachmittag trat der interfraktionelle Ausschuß der Regierungsparteien im Reichstag zusammen, um auf Grund der Reden Dr. Köhlers, Dr. Curtius' und Dr. Schachts zu der Finanz= und Wirtschaftspolitik der Regierung Stellung zu nehmen. Die Bespre­chungen, in denen naturgemäß das Schicksal der neuen Gesetzesvorlagen die Hauptrolle spielt, wur­den noch nicht zum Abschluß gebracht. Es konnte aber, laut D. A. Z., die weitgehende Uebereinstim­mung auf den in Frage stehenden Gebieten festge­stellt werden.

Um die Abschaffung der Todesstrafe.

Der Strafrechtsausschuß Beratung über die To­

VDZ. Berlin, 27. Okt. des Reichstages setzte die desstrafe fort.

Abg. Höllein(K.): Die Kommunisten sind grundsätzliche Gegner der Todesstrafe im kapitalisti­schen Staate.(Aha=Rufe und große Heiterkeit!) In Sowjetrußland ist die Todesstrafe ein Unterdrük­kungsmittel der ungeheuren Mehrheit des Volkes gegenüber der Konterrevolution und deshalb noch notwendig.(Abg. Landsberg=Soz.: 700 000 zu 30 Mil­lionen! Große Heiterkeit,) Der Antrag seiner Partei wolle die Todesstrafe durch soziale Maßnah­men ersetzen.

Vorsitzender Dr. Kahl(DVP.): Die Frage der Aufrechterhaltung oder der Abschaffung der Todes­strafe ist mir heute keine Prinzipienfrage. Ich bin kein glühender, noch weniger begeisterter Anhänger der Todesstrafe. Die Frage ist eine Frage der geschichtlichen Entwicklung und der Evolution. Andererseits muß ich es auf das Bestimmteste ablehnen, daß diese Frage als eine Kulturfrage behandelt wird, und daß man als Träger der Barbarei bezeichnet wird, wenn man heute noch Anhänger der Todesstrafe ist. Für mich ist die ganze Frage eine Frage der Zweckmä­ßigkeit, gemessen an dem Maßstab des Gesamt­staates. Soll man es verantworten können, daß der Staat schon heute auf das äußerste Strafmit­tel in äußersten Fällen verzichtet? Der Stand der Kriminalität ermöglicht es mir nicht, jetzt für den Verzicht auf dieses äußerste Strafmittel einzutreten. Gegen den Vollzug an Leuten unter 21 Jahren habe ich bereits gesprochen.

Reichsjustizminister Hergt begründet Vorschlag, die Todesstrafe für das Verbrechen Mordes beizubehalten. Es handele sich um Frage, ob die Zeit gekommen ist, schlechthin auf ses Strafmittel zu verzichten. Ein solcher Entschluß berge schwerste Verantwortung in sich. Man dürfe ihn nur fassen, wenn man sicher sei, daß die Abschaf­sung der Todesstrafe nicht zu einer Steigerung der Mororat en, nicht zu einer Vernichtung des Lebens Unschuldiger führt. Die Gegner der Todes­

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strafe seien daher verpflichtet, den Beweis bafur zu erbringen, daß die Todesstrafe keine abschreckende Kraft habe. Ein solcher Beweis lasse sich mit stati­stischen Zahlen nicht führen. Das eine gehe aber aus der Statistik für Deutschland unzweideutig her­vor, daß man bis in die Neuzeit hinein in der Praxis der Begnadigungen in einer Reihe von Fällen den Vollzug der Todesstrafe für unerläßlich erachtet hat. Aber auch vom Standpunkte der ge­rechten Vergeltung und der Sühne sei die Todesstrafe zurzeit nicht entbehrlich. Zur­zeit müsse man sich begnügen, die starre Strafan­drohung des geltenden Gesetzes, wonach bei Mord unbedingt auf Todesstrafe erkannt werden muß, durch Zumessung mildernder Umstände zu mildern. Daneben werde auch in Zukunft das Gnadenrecht fortbestehen, dessen Handhabung schon unter derHerr­schaft des geltenden Rechtes jede Gewähr dafür biete, daß die Vollstreckung eines Todesurteils nur in den allerschwersten Fällen und nur da erfolge, wo jede Gefahr eines Iustizirrtums nach mensch­lichem Ermessen ausgeschlossen sei.

Preuß. Ministerialrat Schaefer, gibt eine Sta­tistik der Justizirrtümer; in den letzten acht Jahren sei 51 Personen eine Entschädigung wegen Justiz­irrtums gewährt, darunter sei nur in vier Fällen auf Zuchthaus erkannt gewesen.

Abg. Dr. Barth(DN.) erklärt, der Abg. Rosen­feld habe keinen objektiven Bericht erstattet, sondern eine Parteirede gehalten. Zum Schluß erklärte Dr. Barth, seine Freunde wollten Oesterreich nicht annektieren. Sie wollten aber dazu helfen, daß ein künftiges Großdeutschland ein gutes, volkstümliches, einheitliches Recht besitze. In diesem Bestreben trete aber die Sozialdemokratie als Störerin auf.

Abg. Dr. Hanemann(DN.) wendet sich dage­gen, daß die Verhängung der Todesstrafe vom 22. Jahr nicht befürwortet werden könne angesichts des Falles, daß kürzlich zwei 18= und 19jährige eine Fa­milie kaltblütig und mit Vorsatz ermordeten. Die Todesstrafe sei in Deutschland nicht zu entbehren. Die weitere Aussprache wurde auf Freitag ver­tagt.

Wie die Mafalda unterging.

Mit Volldampf auf die Klippen.

Bahia, 26. Oktober 1927.

Allmählich beginnt etwas Klarheit in die bisher widerspruchsvollen Berichte über den Untergang des italienischen Schnelldampfers Principessa Mafalda zu kommen. Die Annahme, daß der Dampfer auf ein Riff gelaufen sei, scheint nicht mehr haltbar zu sein. Es handelt sich vielmehr, wie bereits gemel­det, um einen Bruch der Schraubenwelle, die von so ungünstigen Umständen begleitet war, daß die Stücke der Welle den doppelten Boden des Schiffs durchschlugen. Durch das Leck drangen die Wasser­massen mit elementarer Gewalt in den Schiffskör­per ein. Alles Pumpen war vergeblich, das Wasser erreichte den Maschinenraum. Der Kapitän Guli hatte versucht, nachdem das Leck entstanden war, sein Schiff noch auf Grund zu setzen und deshalb mit Volldampf auf die Küste zugehalten. Dieses Ren­nen mit dem Tode war aber zuungunsten des Schif­fes entschieden worden. In dem Augenblick, als die Wasser den Maschinenraum erreichten, platzten die Kessel, und durch die Gewalt der Explosion zerbarst der ganze Schiffsrumpf in zwet Teile. Die Trüm­mer liegen nunmehr in einer Tiefe von nur 20 Faden auf dem Meeresgrund, woraus hervorgeht, daß der rettende Strand bereits in dichter Nähe war.

Sos

Der verhängnisvolle Bruch der Schraubenwelle erfolgte, als die Fahrgäste gerade zur Abendmahl­zeit Platz genommen hatten. Es war 7 Uhr, wo in dieser Gegend schon finstre Nacht herrscht. Plötz­lich gab es einen furchtbaren Stoß, dem bald ein gewaltiger Krach folgte. Die Reisenden wurden von panischem Schrecken ergriffen, alles stürzte schreiend und weinend durcheinander. Den Offi­zieren und Mannschaften, die beruhigend einzugrei­fen versuchten, gelang es nicht, der Panik Herr zu werden, zumal das Schiff nach wenigen Minuten sich auf die Seite legte und es auch jedem Laien klar sein mußte, daß der Untergang bevorstand. Der Funkoffizier, der nach allen Berichten bis zuletzt ausgehalten hat, sandte ununterbrochen SOS.=Hilfe­

rufe aus. Zum Unglück herrschen in fenen Gegen­den um diese Zeit besonders starke magnetische Stö­rungen, die besonders nach Sonnenuntergang auf­treten. Dadurch wurde die Herbeiholung von Hilfe wesentlich erschwert. Indes fing doch der Dampfer Formosa der Messagerie Maritime als erster bald einen Hilferuf auf und eilte mit Volldampf zur Un­fallstelle, indem er gleichzeitig andre Schiffe, dar­unter den Frachtdampfer Athene und den Hapag­dampfer Baden sowie die Engländer Avelone und Empire Star, benachrichtigte. Gleichzeitig gab die brasilische Regierung dem Kreuzer Rio Grande, der im Hafen von Bahia lag, Befehl, sofort mit Voll­dampf zur Hilfeleistung abzugehen.

Die Opfer.

Die Opfer sind in erster Linie das Maschinenper­sonal, das beim Platzen des Kessels den Tod gefun­den hat, und ein Teil der Zwischendeckreisenden, die nicht mehr schnell genug den Weg zu den obern Decks finden konnten. Soweit bisher feststeht, scheinen keine Fahrgäste erster und zweiter Klasse das Leben ver­loren zu haben.

Die Musik spielt.

Newyork, 27. Oktober 1927.

Nach einer Meldung des Associated Preß aus Per­nambuko gab der Kapitän der Principessa Mafalda, als kein Zweifel mehr darüber bestand, daß das Schiff untergehen würde, Befehl, mit Volldampf Kurs auf die Abrolhos=Klippen zu nehmen, die nur wenige Meilen von der Küste entfernt sind. Wäh­rend dieser Zeit spielte die Schiffskapelle zur Be­ruhigung der etwa 800 Zwischendecksahrgäste die ita­lienische Nationalhymne und die Offiziere und Mannschaften mischten sich unter die von panischem Schrecken ergriffenen Auswanderer und sprachen ihnen Mut zu. Die Principessa Mafalda hielt meh­rere Stunden lang unter Volldampf den Kurs nach der Küste zu ein und wurde dann in den Küstenge­wässern von den zur Rettung herbeigeeilten Damp­