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Verantwortlicher Redakteur W. Joppen

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Samstag den 6. Mai.

5. Jahrgang. 1882.

Volkszeitung.

(Organ der Centrumspartei des Kreises Heinsberg.)

Insertionspreis: die Petitzeile oder deren Raum 15 Bei öfterer Wiederholung sowie bei großen Inseraten wird entsprechend Rabatt bewilligt. Reclamen werden mit 25 Pf. pro Petitzeile berechnet.

Druck und Verlag von W. Joppen.

Zur gefl. Beachtung.

Die verehrl. Inserenten, besonders aus hiesiger Stadt, werden noch mals dringend gebeten, die Anzeigen doch frühzeitiger und nicht erst Freitags Morgens einsenden zu wollen.

Die Expedition.

Deutsches Reich

Die Tabakmonopol=Vorlage ist nun­mehr den Reichstagsabgeordneten zugegangen. Es wäre überflüssige Zeit= und Raumverschwendung, wenn wir uns jetzt schon weiter mit ihr befassen wollten, da ihre Ablehnung seitens des Reichstages unzweifelhaft ist.

Freiburg(Baden), 2. Mai. Herr Dr. Orbin, Domdekan und Erzbisthumsverweser, wurde heute Morgen einstimmig zum Erzbischof von Freiburg gewählt.

Belgien

Zu der berühmten und oft genanntenSchul­untersuchung wurden bekanntlich von der Kommer nur liberale Deputirte zu Ingutsitoren (Untersuchungsrichter) ernannt. Die Kosten dieser freimaurecischen Maßregel betragen jetzt schon eine Million Francs. In dem Kostenverzeichnisse figuriren die Inquisitoren mit 100,000 Francs, welche sie außer ihren Diuten als Deputirte em­pfingen. Mehrere derselben haben nur zwei= bis viermal den Sigungen der Kammer beigewohnt, das trug ihnen 1000 Franes für die einzelne Sitzung ein; anbere haben an keiner'Sitzung theilgenommen und doch dieselde Summe erhalten. So theuer kommen dem kleinen Lande die thörichten Lieb­habereien des Logen=Ministeriums zu stehen. Wie weit die Loge in ihrem Hasse gegen alles Katholische in Belgien geht, erhellt klar aus fol­gender Notiz desCourrier de Bruxelles." Vor einigen Tagen, schreibt das Blatt, fand eine Ver­sammlung der Loge,der wahren Freunde der Eintracht und des Fortschrittes in der Straße des Hühnermarktes statt, um ein Urtheil über einen hohen Würdenträger, M. 3., zu fällen, der von sei­nim Logen=Vorgesetzten wegen eines ungeheuren Ver­brechene denunzirt war. Ersterer, ein hoher Be­amte, erhielt auf Beireiben der Loge den Ab­ied. weil er seiner Tochter erlaubt hatte, zur ersten hl. Communion zu gehen!

In Betreff des Unterrichtsgesetzes haben weitere Hirtendriefe erlassen die Bischöfe

von Belley, Ciermont, Orleans, Rheims, Avignon und Albi. Es braucht wohl kaum sbemerkt zu werden, daß sie alle in demselben Sinne und Geist gehalten sind, wie das schon früher erwähnte Hirtenschreiben des Erz­bischofes von Paris

Was die französischen Katholiken zur Rettung des gefährdeten Glaubens ihrer Kinder dem athe­istischen Unterrichtsgesetz gegenüber zu thun haben, das hat der hochw. Episkopat, als wach­samer Glaubenshüter, in überein stimmenden Hirten­briefen des Nähern klar und überzeugend dargelegt. Solcherart kennt ein Jeder den von Pflicht und Gewissen ihm vorgezeichneten Weg genau, und Nie­mand, so weit er noch katholisch ist, kann zu seiner Entschuldigung die faule Ausflucht vorschützen, daß es ihm an Verhaltungsmaßregeln fehle. Nach die­ser Richtung hin ist die Sachlage klar. Die Bi­schöfe haben gesprochen; die Gläubigen werden diese Sprache verstehen und sich danach zu richten wissen. Wenn nun nach all diesen freimüthigen Kundgebungen des Episkopats etwas geeignet ist, einen jeden Katholiken noch ganz besonders ange­nehm zu berühren, so ist das das muthige Her­vortreten einzelner Laienstimmen, welche durch keinerlei Rücksicht gebunden, als unerschrockene Rufer im Streit, für sich und andere den Kampf gegen das gehässige Unterrichtsgesetz aufnehmen und hier­in mit gutem Beispiel auch selbst vorangehen. So hat der wackere Deputirte der Vendee, Baudry­d'Asson, in einem Brief an den Unterichtsminister neulich erklärt, daß er unter keinen Umstän­den und nie und nimmer dem atheistischen Unterrichtsgesetze Folge leisten, und lieber alle an­gedrohten Strafen über sich ergehen lassen werde, als dem freien Selbstbestimmungsrecht über die Erziehung seiner Kinder, bzw. deren Unterricht. auch nur das geringste zu vergeben. Ein solches Beispiel muthiger Entschlossenheit konnte nicht ohne würdige Nachahmer bleiben. Soerklärt ferner der Direktor eines katholischen Pariser Blattes, daß er als gewissenstreuer Jomilienogter das neue Unter­richtsgesetz, welches den lieben Herrgott aus der Schule verbanne, der Unterrichtsfreiheit Gesseln an­lege und dem Glauben des Kindes Fallstricke lege, für sein Theil als null und nichtig betrachte und demgemäß zu handeln entschlossen sei. Die vom Gesetz vorgeschriebene Erklärung bezüglich des Schulbesuchs seiner Kinder werde er nicht ab­geben, unter dem Hinweis, daß dies den Staat nichts angebe. Ueber eine etwaige Aushängung seines Namens auf der Gemeindetafel werde er höchstens die Nase rümpfen; zur Bezahlung etwa nachfolgender Geldstrafen habe er nicht die geringste Lust, und wenn man mit der Verhängung einer Haftstrafe gegen ihn herausrücke, so wolle erzu Ehren republikanischer Freiheit" lieber sitzen, so lange und so oft als man nur wolle bzw. thun könne alles eher, als dein schändlichsten Ge wissenszwang sich unterwersen. Er sei überzeugt, daß er in der Sache schließlich doch das letzte Wort behalten und eher die Republik, als er ihr

nachgeben werde. Wenn 10,000 Hamilienväter vorkommenden Falls ähnlich handeln und lieber sich selbst gefangen geben, als den Glauben ihrer Kinder der Gefahr atheistischer Lehrer auszuliefern, dann dürfte der verlogen:Freiheitsstaat für die wahren Vertheidiger der Freiheit d.i. der Unterrichtsfreiheit bald nicht mehr genug Gefäng­nisse aufweisen, und dann könnte es leicht gesche­hen, daß nicht das Volk nach dem Gesetz, sondern das Gesetz nach dem Volk sich zu richten haben wird. Jedenfalls wäre das neue Unterrichtsgesetz dann von keinem langen Bestand. Zu diesem Be­hufe genügt es, daß vorstehende Beispiele zahlreiche Nachahmer finden. Probatum est!

Bekanntlich war die Wahlbetheili­gung bei den Gemeinderathswahlen eine über alle Erwartung schlechte. Am meisten hat sich in dieser Beziehung die bekannte Krönungsstadt Rheims hervorgethan. Sie zählt 22,601 ein­geschriebene Wähler. Nun erhielt aber der Höchst­bestimmte, ein Hr. Lagrive, volle 433 Stimmen! An ihn schlossen sich mit durchschnittlich je 240 Stimmen die Burger Ilorian, Founier und Fourniere. Ilorian ist jener Arbeiter der eigens nach Paris gekommen um Gambetta, den damaligen Minister=Präsidenten, zu tödten, und der, da er sein Opfer nicht erreichen konnte, auf den erstenBourgeois(Bürger) schoß, der ihm eben unter die Hand kam. Er ist augendlicklich auf dem Wege nach der Strafkolonie Neu=Caledonien. Jounier ist der junge Wevergeselle von Roanne, wercher seinen Brodherrn umzubringen suchte, weil dieser auf die Forderungen der Stri­kenden nicht eingehen wollte. Er harrt hinter Schloß und Riegel seines Urtheils. Fourniere end­lich ist wegen der mehr als verdächrigen Umtriebe, deren er sich während des Striks von Grand Combe schuldig machte von dem Gericht von Niemes zu acht Monaten verurtheilt worden. Das sind die Männer, denen eine Stadt von mehr als 100,000 Einwohner, eine der reichsten Städte Frankreichs ihre Intressen anvertraut hat! Die Wahl des Klee­blattes wirb allerdings aus gesetzlichen Gründen anullirt werden.

Die kommunistischen Blätter haben eine Subskription eröffnet, um dem obengenannten Attentäter Fournier, der seinen Brodherrn ermorden wollte, amen Ehrenrevolver zu schenken! Unter den Unterschriften finden sich u. A. folgende bemerkenswerthe:Ein Messerliebhaber,ein Freund des Nitro=Glycerine,(bekanntlich ein Sprengmaterial)ein Brodherrenmötder, zweizukünftige Scharfrichter",ein Verzwei­felter einanarchistischer Henker." Jeder dieser Bourgeoisfresser hat 10 Centimes gezahlt. Der Klub deranarchistisch=revolutionären Jugend des Creuzot hat überdies seine Spende mit fol­gendem Brief begleitet:Gefährten! Der Studien­klub der anarchistisch=r volutionären Jugend des Creuzot bezeugt seine Sympathieen für die Ge­fährten Florian und Fournier, deren letzterer jene

Canaille Brehardt, einen der eilf Aushungerer von Roanne, ersterer dagegen den opportunistischen Diktator hinrichten sollte. Die Gefährten Florian und Fournier mögen an uns denken, denn wir verbinden uns solidarisch mit ihnen, um sie zu rächen; hoffen wir, daß ihre kühnen Thaten nicht die letzten seien. Das Jahr 1793 sah das Haupt des Königs Ludwig XVI. und diejenigen seiner Helfershelfer fallen. Bei der nächsten Revolu­tion werden wir hoffentlich die Häupter unserer gemeinen Aussanger durch alle Mittel, über die wir verfügen, fallen sehen. Dieser Brief, der für den unter dem Proletariat(armen Arbeiter­bevölkerung) herrschenden Geist richt bezeichnerd ist, wurde ungestraft in revolutionären Blättern veröffentlicht. Und nun behauptet man noch, daß die Republik den inneren Brieden gebracht habe!

Rom, 27. April. Der Papst hat die Adresse, welche der sicilianische Eviskovat bei Ge­legenheit der 600jährigen Gedächtnißfeier der fiei­lianischen Vesper an ihn richtete, in einem Schreiben beantwortet, worin er ausspricht, daß die Veranlasser dieser Feier die Päpste verleumdeten, um das Volk zum Hasse gegen die Kirche aufzu­stacheln. Der Papst zählt sodann unter Hinweisung auf die Geschichte die Wohlthaten auf, die Italien den Päpsten zu danken habe, durch welche es so oft von der Fremdherrschaft befreit worden sei; daher hätten ehemals die dankbaren Völker ihr Schicksal den Päpsten anvertraut. Was aber Sicilien insbesondere betresse, o hätten die Päpste ihm Wohlthaten erwiesen, indem sie es vom Joche der Sarazenen befreit hätten. Der Papst schließt mit der Vertheidigung der Päpste Martin IV., Clemens IV. und Urdan IV., weiche Zeitgenossen Karls von Anjou waren.

Wie demMontagsblatt aus Rom ge­schrieben wird, hat jüngst der katholisch=italienische Congreß in Turin unter dem Vorsitze des romi­schen Fürsten Salviati getagt und angesichts des vom Fürsten Bismarck angebahnten Friedens mit dem Vatikan folgende Resolution beschlossen:

Der katholisch piemontesische Provinzial=Congreß glaubt heute am Tage des h. Leo und unter dem Schute des h. San Secondo die kathottschen Gefühle von ganz Italien auszusprechen, indem er beschließt:

Erstens: Eine Danksagung gegen Gott, in dessen Hand sich die Schlüssel zum Herzen der Macht­haber auf dieser Erde befinden, weil er dieselben zu menschlichen und gerechten Gefühlen gegen die deutschen Katholiken neigte, indem er dieselben davon überzeugte, daß weder Kaiserreiche noch ihre Völker Frieden und Wohlfahrt genießen können, so lange sie gegen die Ge­setze und Prinzipien ankämpfen, welche der Nachfolger Petri, als Stellvertreter von Jesus Christus auf Erden, von der Höhe des Vatikans verkundet

Zweitens: Eine herzliche Beifallsbezeigung an alle katholischen Abgeordneten Deutsch­lands, im ganz Besondern aber sowohl für den De­putirten Windthorst, als dem Andenken Mailin­ckrodts, welche Beide mit unübertroffener Klugheit, mit heroischem Muthe und mit unbezwinglicher Ausdauer die

30 Der Wahnsinnige.

Original=Novelle von Mario Adelmi

Ich verfiel in eine lange schwere Krankheit. Wochenlang raste ich in wilden Zieberphantasten, aber meine kräftige Natur behielt den Sieg und ich genaß. Das Bewußtsein and mit ihm die Er­innerung waren mir nur allmälich zurückgekehrt. Nun aber faßte mich eine namenlese Anzst. Mein guter Onkel, der Tag und Nacht bei nur gewacht, theilte mir so schonend als möglich mit, daß Hendrik an den Folgen meines Stiches gestorden. Ich war also ein Mörder und diese furchtbare Erkennt­niß hätte mich fast zum zweiten Male an den Rand des Todes gebracht.

Beruhige Dich, mein Sohn! suchte mein Onka mich zu beschwichtigen.Ich habe bereits mit Hendrik's Eltern ein befriedigendes Abkommen ge­troffen. Dem Tod zwar ist seine Beute nimmer zu entreißen, die alten Hermes wollen sich jedoch mit einer jährlichen Rente zufrieden geben, die ihnen ein sorgenloses Auskommen gewährt und ihnen mehr einträgt, als des Sohnes Jahresver­dienst ausgemacht haben würde. Wenn sie auch Hendrik schmerz:, betrauern, so tragen sie Dir doch nichts Böses nach und sprechen Dir durch mich ihre Vergedung aus.

Wie ein Alp siel es von meiner Brust. Ich drückte dem Onkel gerührt die Hand. Wie war er so gut, wie vergalt er meinen Haß und Zorn mit Liebe! Nie werde ich vergessen was er damals an mir gethan

Aber die Gerichte, Onkel!" begann ich nach einer Pause, aufs neue geängstigt.Sie lassen sich nicht mit Geld zum Schweigen bringen.

Auch dafür ist gesorgt, entgegnete er gütig. Durch Guren Hausarzt, einen im ganzen Lande rühmlich bekannten Mann, ist festgestellt worden,

daß der in Eurer Familie erbliche Wahnsinn nun auch bei Dir zum Ausbruch gekommen, in Folge dessen. Du bei Ausführung der That in unzurech­nungsfähigem Zustand gewesen.

Aber es ist nicht wahr!, rief ich entsetzt,ich bin nicht wahnsinnig. Ich wei bei vollem Be­wußtsein, als ich das Messer ergriff und zum Stoße ausholte.

Still, mein Junge, still! mahnte mein Onkel. Und wenn dem so gewesen willst Du Dich absichtlich unglücklich, ehrlos machen? Fasse Muth, Georg! Sobald deine Gesundheit es ge­stattet, reise ich von hier ab und nehme Dich mit in meine Heimath.

Ich soll fort von hier, jammerte ich erschrickt.

Ja, mein Kind,, fuhr er fort;schon um den Schein zu wahren, muß Du Dich eine Zeitlang unter meine vormundschaftliche Obhut begeben und in strengster Abgeschlossenheit leden.

Ich seufzte schwer aber was konnte ich thun! Die Krankheit hatte mich so entkräftet, daß ich, als der Arzt mir das Aufstehen erlaubte, wie ein kleines Kinderst wieder lernen mußte, zu laufen. Auch geistig fühlte ich mich so matt, daß ich an gar keinen ernstlichen Widerstand zu denken vermochte.

Und doch ging mir's stets wie ein Stich durchs Herz, wenn ich daran dachte, meine theure schöne Heimat verlassen zu müssen, und unter solchen Umständen! Mir grauste vor der unbekannten Ferne mir bangte vor den unbekannten Ver­wandten. Trotzdem hatte ich den Onkel lieb ge­wonnen und versprochen, ihm in allen Stücken gehorsam zu sein.

So reisten wir endlich ab. Es war inzwischen Herbst geworden und das Wetter kalt und trüde. An einem unfreundlich neblichen Tage langten wir in des Onkele Hause an.

Mein perz zieht sich noch heute zusammen, wenn ich an den mir gewordenen Empfang denke.

Frau von Buchen, durch ihres Gatten Briefe von allem Vorgefallenen unterrichtet, sah in mir wirk­lich nur einen Wahnsinnigen und Mörder. Sie wies mich in ein kahles ungemüthliches Zimmer mit vergitterten Fenstern und der nothdürftigsten Ausstattung. Sie schnitt mich unabweisbar von allem Umgang mit der Familie ab und bestellte den bisherigen Hausknecht Steffen zu meinem alleinigen Gesellschafter und Wächter.

Auf die Dauer hätte ein solches Leben mich wirklich wahnsinnig zu machen vermocht. Das Heimweh regte sich von Tag zu Tag mächtiger in mir, ich fühlte mich unglücklicher denn je zuvor in meinem Leden. Meine alte Heftigkeit erwachte Es gab Tage und Stunden, in denen ich wirklich raste und mich geberdete wie ein Irrsinniger.

Mein Onkel hatte indessen im oberen Theile des Hauses eine Wohnung für mich einrichten, und mit allem Comfort ausstatten lassen, den ich im elterlichen Hause gewohnt war. Er versah mich mit Büchern und einer neuen prächtigen Geige, meinem Lieblingeinstrument. Er kam von Zeit zu Zeit, um nach meinen Bedürfnissen und Wunschen zu fragen, und das Dasein begann von da ab mir wenigstens erträglich zu werden.

Dennoch litt ich oft unsäglich. Von meinem Fenster aus sah ich meine Vettern und meine Cou­finen im Garten spielen. Felizitas namentlich war ein reizendes Kind. Unnennbare Sehnsucht zog mich zu ihnen hinad. Ich hätte Jahre meines Lebens darum gegeben, nur einmal unter jenen glücklichen Kindern weilen, nur einmal die kleine Felicitas auf meine Arme heben und mit ihr spielen zu dürfen.

Aber die Frau Präsidentin blied unerdittlich Sie hatte ein Herz wie Stein, und der Onkel, der gute liebe Onkel, hatte keine Stimm in gewissen häulichen Angelegenheiten

Als mein Bitten nichts fruchtete, legte ich mich

aufs Drohen und Toden. Ich brachte das ganze Haus in Alarm, ohne aber meinen Wünschen da­durch auch nur einen Schritt näher zu kommen.

Unter meinen Büchern befanden sich auch ei­nige religiös erbauliche Schriften. Ich hatte sie anfangs kaum beachtet. In einer Stunde schweren Trüdsinnes fielen sie mir von ungefähr in die Hand nein, ich glaube vielmehr, es war eine Schickung von Oden. Ich las aufangs gleichgiltig, doch mit allmählich steigendem Interesse.

Bald wurde diese Lectüre Meine liebste. Der Onkel mußte dieselben immer aufs neue ergänzen, und je ernster, je strenger die Forderungen der Religion an mich herantraten, desto heller erkannte ich von der anderen Seite die Guade Gottes und die Macht des versöhnenden Blutes Jesu.

Ich wurde ruhiger; versöhnter mit meinem Ge­schick. Ich lernte mich in Gottes Willen ergelen und unterwarf mich ohne ferneres Murren der Ruthe, die der allliebende Vater mir auflegte. Meine Reue wurde tiefer und aufrichtiger, als sie je gewesen, und mit derselben gelobte ich Gott, ein neues Leben zu beginnen.

Jahre waren darüber vergangen. Wohl regten sich noch hie und da altes Heimweh, alte Sehn­sucht, neues Hoffen. Aber im Ganzen hatte ich mich in die Verhältnisse eingelebt; und ich suchte, meist mit gutem Erfolge, Herr meiner Gefühle zu bleiden. Da kreuzten Sie meinen Weg, Leonore. Ich las in Ihren Augen, daß Sie Theil­nahme für mich empfanden, und diese Wahrneh­mung war seit zehn Jahren der erste Sonnen strahl des Glückes, der in mein Herz fiel.

Ich lernte Sie im Kreise meiner Zumilie nähr kennen; ich beobachtete Sie unausgesetzt, wenn ich es auch nie merken ließ. Ich lauschie auf jedes Ihrer Worte und alles, was Sie sagten und thaten, bekundete mir, daß Ihr Gemüth den so rein, als edel war