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Mettmann,

Mittwoch, den 7. Juli.

die vierspaltige Garmonszeile oder derm Raum 1 Sgr.

RedactionDruck und Verlag von Heiur. Buchmüller in Mettmann.

1869.

Bestellungen auf das Mettmanner Kreis­platt werden noch fortwährend entgegengenommen.

* Mettmann, den 6. Juli. Aus der in unse­rer vorigen Nummer angedeuteten Nachricht der Povinz.=Corrsp. geht hervor, daß es sich dieses Mal nicht um einen bloßen Urlaub, sondern um eine specielle Dispensation von den Geschäften als Mi­nisterpräsident handelt. Früher, wenn Graf Bis­marck beurlaubt wurde, blieb er in Bezug auf alle wichtigen Angelegenheiten in fortwährendem Rapport mit den Ministern und ohne seine Mitwirkung wur­de keine Entscheidung von Wichtigkeit getroffen; jetzt soll ihm auch dies während der nächsten Zeit abge­nommen werden und es wird das Staatsministe­rium seine Beschlüsse ohne Graf Bismarcks Zuthun fassen. Es hat sich diese vorübergehende Erleichte­rung als nothwendig herausgestellt, damit er bei seinem Landaufenthalt sich wirklich gründlich erho­len könne, was früher nicht geschehen. Eine be­stimmte Stellvertretung scheint nicht angeordnet wor­den zu sein, also wird sie wohl in der gewöhnli­chen Weise stattfinden, nämlich nach der Ancienne­tät durch den Finanzminister, und da dieser näch­stens in ein Bad geht, durch den Kriegsminister. Bei Sachen, welche im Staatsministerium zur Be­rathung gelangen, aber den Bund betreffen, soll der Präsident Delbrück Theil nehmen, um dann den Grafen Bismarck zu vertreten. In den aus­wärtigen Angelegenheiten wird wieder der Unter­staatssekretär von Thiele dies thun; unterdeß geht der Geheim. Legationsrath Abeken mit dem Könige nach Eins, um ihm wieder Vortrag über die aus­wärtigen Angelegenheiten zu halten.

In der Steuer und-Finanzfrage melden einige Blätter, die Regierung halte neue Steuern oder Steuerzuschläge nicht mehr für nöthig. Von ande­rer Seite macht man aber darauf aufmerksam, daß dies eine Auffassung sei, welche nur neue Enttäu­schungen hervorrufen könne; da wir jedoch und, wie wir glauben, unsere Leser diese Auffassung nie und nimmer getheilt haben, so bleibt uns glück­licherweise die neue Enttäuschung erspart. Wenn es im Schooße der Zukunft überhaupt was Si­

cheres gibt, so sind es neue Steuern und Steuer­zuschläge.

Bekanntlich leugneten die österreichischen und die mit Oesterreich liebäugelnden preußischen Blätter, daß vor 1866 gewisse Abmachungen zwischen Oesterreich und Frankreich vereinbart worden seien. Neuerdings gesteht einwohlunterrichteter, wenn nicht garof­fiziöser Correspondent derHamb..=Halle ein, daß ein geheimer Vertrag allerdings und zwar in der zweiten Woche des Juni 1866 zwischen Oester­reich und Frankreich abgeschlossen und daß in dem­selben auch von Compensationen in Deutschland die Rede gewesen sei. In jenem Vertrage, schreibt der Correspondent.iter, trat der Kaiser Franz Joseph Venetien dem Kaiser Napoleon vor Eröffnung der Feindseligkeiten ab, um sich dessen günstige Neutra­lität zu erkaufen; deßhalb konnte die Cession auch unmittelbar nach der Schlacht bei KKöniggrätz publi­zirt werden. Oesterreich gedachte sich für den Verlust Venetiens durch Schlesien schadlos zu erhalten. Napoleon gedachte Preu­zen dafür durch Mediatisirung der norddeutschen Kleinstaaten zu arrondiren; so sollte der kaiserliche Brief an Drou'n de Lhuys vom 11. Juli wahr werden, wonach Oesterreich seine große Stellung in Deutschland behalten und Preußenhomogen und stark im Norden werden sollte. Es war ein Sieg der überlegenen preußischen Staatskunst, daß sie sich von jedem bindenden Engagement gegen Frankreich freihielt, indem sie den Kaiser bei seinem Glauben an der militärischen Inferiorität Preußens ließ. Ja, Bauer, das klingt freilich ganz an­ders. Darnach scheint es, als hätte dasalte ehr­liche" Oesterreich, und nicht dasperfide Preußen feue Abmachungen getroffen. Schlesien an Oester­reich schlecht eingefadell war vie Sache nicht

Berlin, 3. Juli. Unmittelbar anschließend an die Berathung der nunmehr publizirten Gewerbe­ordnung für den Norddeutschen Bund welche mit Annahme des 3. Titels, den Gewerbebetrieb im Umherziehen betreffend, am nächsten 1. Oktober im ganzen Bundesgebiete in Kraft tritt, während der erwähnte.Titel erst am 1. Januar k. J. Geltung

erhält, hat der Reichstag den Bundeskanzler auf­gefordert, derselbe möge bis zur nächsten Sitzung des Reichstages eine amtliche Untersuchung über den Einfluß der Zuchthausarbeit auf die Lage der freien Arbeiter im Norddeutschen Bunde anordnen.

Von verschiedenen Seiten ist die Frage angeregt worden, ob mit Eintritt der Stempelpflichtigkeit der bis jetzt frei gewesenen Wechsel unter 50 Thlr. auch die betreffenden Proteste stempelpflichtig werden. Dem gegenüber ist daran zu erinnern, daß diese Frage in der Commission des Reichstags, welche sich mit dem betreffenden Gesetzentwurf beschäftigte, angeregt und von dem anwesenden Bundeskommissar dahin beantwortet wurde, daß die Höhe des zu einem Proteste zu verwendenden Stempels von dem Betrage des Stempels des protestirten Wechsels vollständig unabhängig sei und daß der Protest­Stempel, auch wenn der Wechselstempel der Bundes­gesetzgebung unterworfen würde, was nun faktisch der Fall ist, der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibe.

Das General=Postamt erläßt eine Verfügung, wo­nach Briefcouverts, deren Rückseite noch mit Em­pfehlungen oder Ankündigung verschiedener Ge­schäftsfirmen bedruckt sind, bei Postsendungen nicht zugelassen werden. Nach§ 3 des zum Gesetze über das Postwesen des Norddeutschen Bundes erlasse­nen Reglements vom 11. Dezember 1867 darf auf der Außenseite von Postsendungen außer den auf die Beförderung oder Bestellung bezüglichen Angaben und außer dem Namen oder der Firma des Absenders keine einer brieflichen Mittheilung gleich zu achtende Notiz enthalten sein.

In hiesigen juristischen Kreisen vernimmt man daß in die einzusetzende Commission für Prüfung des norddeutschen Strafgesetz=Entwurfs Professor Gneist und Obertribunalrath Goldammer in Berlin, sowie General=Staatsanwalt Schwarze von Dresden berufen werden sollen.

Die große und weithin bekannte Möbelfabrik von Neuhaus in der Heidestraße ist mit sämmtlichen bedeutenden Vorräthen ein Raub det Flammen ge­worden. Das Feuer brach am 1. Juli gegen 6 Uhr auf eine noch unermittelte Weise aus, und

Bonaparte der

Eine historische Skizze

Wenige Meilen von Florenz liegt auf einem bewaldeten Hügel das Städtchen St. Casciano, und in einer seiner en­gen Straßen befindet sich das berühmte Wirthshaus der Campana, in dem Macchiavel wohnte. Auf der Schwelle desselben pflegte er sich in Holzschuhen und bäuerlicher Tracht zu zeigen, die Reisenden über die Neuigkeiten ihrer verschie­denen Heimathsländer ausfragend und mit dem Wirth, dem Müller oder Bäcker spielend, lachend und sich herumstreitend. Der große Schriftsteller putzte selbst seine Bäume aus und beaussichtigte das Fällen derselben; kurz, er beschäftigte sich mit ganz gewöhnlichen Dingen, um, wie er sagte, die Gäh­rung seines Feuerkopfes zu besänftigen. Wieder eine Strecke von nicht vielen Meilen entfernt liegt Certaldo, welche Stadt sich rühmt, der Geburtsort Boecaccio's zu sein; er wurde aber in Paris geboren und lebte nur lange Zeit in Certaldo, wo er auch starb. Zwischen diesen beiden, durch das An­denken jener zwei großen Männer zur Berühmtheit gelangten Städten liegt, etngeschmiegt in dem Grün eines lieblichen Thales, ein unbekanntes Dörfchen. Ebenso unbekannt ist seine von keinem Kunstschmuck gezierte Kirche.

Im Jahre 1807 lebte dort ein Pfarrer, Namens Bona­parte. Er war so arm und ohne irgend welchen Ruf, als ob niemals Einer seiner Familie den Papst genöthigt hätte, den Vatican zu verlassen, um ihn in der Kirche Notre Dame von Paris zu krönen. Er war so mild und allen Ehrgeizes bar, als ob er nicht der Onkel Lätitias gewesen und der Großonkel des jungen Generals, welcher Italien rrobert, die Pyramiden Aegyptens begrüßt und Könige geschaffen und entthront hatte. Der gute Geistliche in seinem Pfarrgarten war ein zweiter Alcinous, der seine Reben um die fünf oder sechs Ulmen, die auf dem kleinen Gebiete wuchsen, aufband und gleich Ulysse's Vater trug er einen zerrissenen Mantel und geflickte Schuhe. All der Lärm den sein Großnesse in der Welt machte, zog über seinem Haupte hin, ohne daß er etwas davon hörte oder bemerkte. Niemand in seiner Um­gebung ahnte, wer er durch Verwandtschaft eigentlich war; er hatte Corfica vergessen, um sich, nur seiner gleich ihm

Hamniosen und unskuchduten Parkuder zut eriumern, Seige

Flinte, die er zuweilen mit sich nahm, versah seinen Tisch mit Wildpret und in seinem kleinen Wohnzimmer waren An­gelruthen aufgehängt. Diese Beschäftigungen nebst der Pflege einiger Blumenbeete und dem Einsammeln von Zehnten zwei­mal im Jahr bildeten die weltliche Thätigkeit des guten Bonaparte. Was seine geistlichen Pflichten anlangt, so un­ternahm er niemals eine Neuerung; zweimal wöchentlich las er die Messe und jeden Sonntag nach der Vesper hielt er eine Predigt. Drei Gegenstände jedoch fesselten das Interesse mehr als die übrigen Mitglieder seiner geistlichen Heerde; die drei waren ein junges Mädchen, ein Jüngling und eine zahme weiße Henne. Das junge Mädchen Mattea hatte er getauft und für den ersten Abendmahlsgenuß vorbereitet, er hatte ihr den heiligen Kelch gereicht und mit stiller Freude beobachtet, wie sie sich zu einer zauberhaft=schönen Jungfrau entwickelte, Ihre strahlenden dunkelen Augen, die anmuthige Gestalt, ihr unschuldiges natürliches Benehmen gewannen die Herzen aller. Sie war der Stolz des Dorfes. Bona­parte, der Cure, kümmerte sich sehr um ihre Zukunft und hielt die Aussicht, sie mit Tomaso, seinem Sacristan zu ver­heirathen, fest im Ange. Dieser war ein schöner, großer, junger Mann, der bestandige Gast im Pfarrhause, des Prie­sters Factotum; er war es, der den Garten in Ordnung hielt, die Mahlzeiten zubereiten half, den Meßdienst verrich­tete, im Chor sang, die Altäre schmückte, kurz, er war Alles in Allem. Ein guter Bursche, wenn auch nicht der manier­lichste, und stets der erste und letzte bei den Händeln der Dorfjugend, war er der Bewerber, den der Cure Bonaparte vor allen Anderen seinem Beichtkinde Mattea zugedacht hatte, und Tommaso liebte seine imaginäre Zukünftige so gut er konnte.

Des Priesters Leben verlief friedlich inmitten seiner Ge­meinde mit den drei Wesen, die er am Junigsten in sein warmes Herz geschlossen hatte. Da wurde eines Tages ein ungewöhnliches Geräusch im Dorfe laut; Pferdehufe tram­pelten auf dem Pflaster, Waffengeklirr dröhnte in der Luft, der stille Hof der Pfarrei war von einem Haufen Cavallerie belebt. Ein Offizier des Kaisers, goldverbrämt, weiße Fe­dern auf dem Hut, stieg ab, schritt in das einfache Wohn­

immer und stellte sich dem Dorfpfarrer vor. Dieser kreuzte

schüchtern die Arme über der Brust und schien sich auf nichts Geringeres, als ein echtes Märtyrthum gefaßt zu machen. Kaum daß er noch so viel Geistesgegenwart gehabt hatte, dem stolzen Besucher einen Stuhl anzubieten.

Beruhigt Euch, ehrwürdiger Herr, sagte der General, beruhigt Euch, ich bitte sehr. Heißt Ihr Bonaparte und seid Ihr der Großonkel Napoleons, des Kaisers von Frank­reich und König von Italien?

Ja, Euer Gnaden, murmelte der Cure, der, wenn er überhaupt irgend einen verworrenen Begriff von der welt­lichen Größe des Sohnes seiner Nichte hatte, Alles das doch wie Dinge und Begebenheiten betrachtete, von welchen er durch viele Länder und unermeßliche Entfernungen getrennt war.

Seiner Majestät Mutter. fuhr der Offizier fort.

Lätitia!, fiel der Cure ein:

Madame hat mit Seiner Majestät von Euch gesprchen, ergänzte Jener.

Mit dem kleinen Napoleon?

Mit dem Kaiser, ehrwürdiger Herr. Es ist nicht passend, daß ein so naher Verwandter Seiner Majestät und daß ein Mann von so vortrefflichem Charakter in einer unbedeuten­den Stellung fortleben sollte, indeß seine Familie Europa beherrscht und Euer Neffe die Welt mit seinem Ruhme er­füllt. Der Kaiser hat mich zu Euch geschickt; Ihr habt nur ein Wort zu sagen, nur einen Wunsch zu äußern, und er wird augenblicklich erfüllt werden. Welcher Bischofssitz wäre Euch genehm? Würdet Ihr Frankreich oder Italien dafür vorziehen? Gewiß möchtet Ihr gern Euere schwarze Sou­tane gegen den violetten Mantel eines Cardinals tauschen? Der Kaiser liebt und schützt Euch zu sehr, um Euch irgend etwas zu verweigern.

Nun aber war der vornehmste Mann, den der arme Cure in seinem Leben gesehen hatte, der Bischof von Fiesola, der manchmal im Dorfe firmte. Wochenlang nachher noch fühlte er sich wie geblendet durch die Erinnerung an die Spitzen­ärmel, die goldene Mitra und das Funkeln des heiligen Petrusringes. Er schwieg einen Augenblick um seine Ge­danken zu sammeln, und sagte dann:

Ist das Alles wahr, gnadiger Herr? Ist meine Richte