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Essener Allgemeine Zeitung

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Mittwoch, den 3. Dezember 1930 Abend=Ausgabe

55. Jahrgang Nr. 335a

Neues vom Tage

Im preußischen Kultursministerium sand eine Kon serenz dermicutreitoren über die Zwischenfälle on den Universitäten statt.

Der sranzöstsche Kriegsminister forderte in der Kammer neue Krcdtie zur Modernisierung des franzö

sischen Heerwesens.

In Jeschlowitz bei Breslau wurde eine national soztalistische Sturmabteilung ausgehoben.

Dic deutsche Note gegen den Polenterror in heute vormittag veröffentlicht worden.

Starker Polizeischutz vor dem Reichstag

Berlin, 3. Dez.(Drahtb.)

Anläßlich des heutigen Reichstags zusammentritts ist, da man Ansammlungen in der Umgebung des Reichstags­gebäudes befürchtel, für den Reichstag wieder ein stär­kerer Polizeischutz bereitgestellt. Schon in den Vormittagsstunden sieht man in der Umgebung des Reichstagsgebäudes überall Polizeipatrouillen. Um 11 Uhr trat der Aellestenrat zu einer Sitzung zusammen. Es wurde beschlossen, mit der heute beginnenden ersten Lesung des Haushaltsplanes für 1931 sowohl die alle als auch die neue Notverordnung sowie die eingehenden Mißtrauensantrage zu verbinden. Es soll versucht werden, die Beratung über diesen Fragen­komplex bis zum Samslag zu Ende zu führen. In der nächsten Woche wird sich dann der Reichstag mit außenpolitischen und anderen Anträgen beschäftigen. Hier­zu gehören auch die Anträge wegen der Hochwasser- und Bergwerkskatastrophen. Die heutige Sitzung des Reichs­tages beginnt mit einer Erklärung der Reichsregierung. die Aufhebung der Verordnung des Reichspräsidenten.

Die rote Fahne des Oberpräsidenten

Berlin, 3. Dez.(Drahtb.)

Wie erinnerlich, hat es unliebsames Aufsehen erregt, daß der sozialdemokratische Oberpräsident Lüdemann in Breslau am 9. November neben der schwarz=rot=goldenen keichsflagge auch die rote sozialistische Parteifahne auf einer Villa gehißt hatte. Sämtliche Parteien, mit Ein­schluß des Zentrums, sprachen sich sehr scharf gegen die Lemonstration eines hohen Staatsbeamten aus, der da­durch die ihm obliegende Neutralität und Zurückhaltung verletzt habe. Im Preußischen Landtage wurde, da die preußische Regierung auf die Angriffe in der Presse nicht reagierte und nur halbamtlich bestreiten ließ, daß der Oberprasident eine Dienstwohnung habe, eine kleine An­frage eingebracht. In der Antwort, die der preußische zinnenminister jetzt erteilt hat, wird darauf hingewiesen, daß Ludemann keine Dienstmohnung habe, daß an sich die Bestimmung über die Beflaggung der Lienstwohnungen keine Anwendung finde. Außerdem wird sedoch betont, daß der Innenminister dem Oberpräsi­denten einen Zweifel darüber gelassen habe, daß er in der Art und Weise des Flaggens nicht den Takt und die Zurückhaltung sehe, die er von einem hohen poli­lichen Beamten verlangen müsse". Lüdemann war zur personlichen Berichterstattung in Berlin aufgefordert worden.

Gemälde von Josef Pieper

Wenn ein junger Maler von 23 Jahren eine Kollektiv­aulsstellung seiner Werke zeigen kann und dann eine Kol­Ttlipgusstellung von solcher Bedeutung, wie es hier der Ffall ist, so steht man vor einem recht seltenen und besonderen künstlerischen Ereignis. Für den Kunstsalon Schaumann nach der großen Greferath=Ausstellung wieder eine Tat. Loch nun zu dem jungen Maler. Er heißt Joseph Pleper, stammt aus Bochum, lernte an der Essener Anstgewerbeschule und der Düsseldorfer Akademie, vor allem bei Junghans, und lebte dann in Südfrankreich, wo er zu sich selbst gefunden hat.

Noch kein Fertiger, aber die Bilder, die er zeigt, sind ertig, sind der schöne und überraschende Beweis eines schr viel versprechenden Talents. Die Entwicklung in Anigen Jahren ist erstaunlich. Sie führt von dem noch mnear aufgefaßten, im Ausdruck starken hessischen Bauern­lungen mit Maske, zu dem Bauernjungen mit Blumen, En Bild, das schon ganz vom Farbigen, Duftigen her eol. Der blaue Kittel, die Blumen herrlich gemalt. Aber das Ganze steckt noch etwas im Genre. Man sehe die dumenstilleben oder die Mädchenakte(Pastell). Wie sicher und mit welcher selbstverständlichen Leichtigkeit ist das komponiert.

on Frankreich erlebte der junge Künstler den Durch­luch zu sich selbst. Sicher, da ist noch eine Erinnerung in dan Gogh und andere französische Malerei in manchem. # Maleriche ist schon vorher selbstverständlicher Besitz.

. die wird nun rein aus der Farbe heraus Raum si9attfen und wie fest stehen in diesem Raum die Dinge, die wiederumgemalt sind, d. h. vom Maler gesehen zu erlebt und damit farbiges Abbild der Natur geworden id. Reineswegs eine Nachbildung. Pieper sucht nicht nach ener eigenen Manier. Er finder zu immer neuen For­57. Da sind Fischerboote, Landschaften mit Meer und Lldenbäumen. Herrlich, denn schon leuchtet die Farbe mit der Transzendenz, dieStraße zum Meer. Und darüber naus, schon in aller Lebendigkeit und Subjektivität be­997, zum Ganzen sich rundend, harmonisch ausgeglichen, *Straße in le Brusc. Welch ein Reichtum und Leben Ffarbe in dem das Bild beherrschenden dämmerig Loestimmten Grün. Die Ausstellung wird in einiger den burch weitere Werke des jungen Künstlers ergänzt.

gleichzeitig zur Schau gestellten Plastiken von Kurt -amann sind qualitätvolle Arbeiten, die ebenso durch * käumliche Beherrschung wie durch Bewegtheit sich aus­

Der Wortlaut der deutschen polennote

Die Reichsregierung erwartet, daß der Völkerbundsrat eingreift- Das Gewaltregiment

des Aufständischenverbandes

Berlin, 3. Dez.(Drahtb.)

Die deutsche Note wegen der polnischen Terrorakte gegen Angehörige der deutschen Minderheit bei den Wahlen in Polen, die heute veröffentlicht wird, bestehl aus einem Begleitschreiben an den Generalsekretär des Völ­kerbundes und einer eingehenden Darstellung der vorgekommenen Gewalttaten.

In dem Begleitschreiben heißt es, daß die in Polnisch­Oberschlesien gegen die deutsche Minderheit verübten Ge­walttaten eine flagrante Verletzung der Bestimmungen der Genfer Konvention vom 15. Mai 1922 darstellen. Die deutsche Regierung. die gemäß Artikel 72. Abs. 2. der Konvention die Aufmerksamkeit des Völkerbundsrats auf diese Vorgänge lenke, bittet den Generalsekretär, veran­lassen zu wollen, daß die Angelegenheit auf die Tages­ordnung der nächsten Taguna des Völkerbunds­rats gesetzt werde.

Die dann folgende dokumentarische Darstellung der Gewalttaten gliedert sich in drei Teile, deren erster die Beeinträchtigung des Wahlrechts der Minderheit behandelt, während der zweite Teil die Terrorakte gegen die deutsche Minderheit und der dritte Teil eine

Zusammenfassung und Schlußfolgerung aus dem vorhergehenden enthält. In zwei Anlagen sind der Note das Wahlplakat des Verbandes schlesischer Aufständi­scher und das Wahlplakat des Westmarkenvereins, Bezirk Schlesien, beigegeben.

Beeinträchtigung des Wahlrechts der Minderheit

Es wird im einzelnen nachgewiesen, daß die deutsche Minderheit in Polnisch=Oberschlesien am 16. November bei der Wahl zum Warschauer Seim und am 23. November bei der Wahl zum Warschauer Senat und zum Schlesi­schen Seim

in weitem Umfang des freien Wahlrechts beraubt

worden ist. Dies ist eine Verletzung des Artikels 67 der Genfer Konvention. Die Einsprüche mit der Begründung, die Betreffenden besäßen nicht die polnische Staatsange­hörigkeit allein im Wahlkreis Kattowitz und Königs­

Nationalsozialistische Sturmabteilung

ausgehoben

Nach Mitteilung der Polizei eine Meuge Waffen festgestellt

Verstärkung der Schutzpolizei in Oberschlesien

Breslau, 3. Dez.(Drahtb.)

Nach einer amtlichen Mitteilung der Polizei wurden in der Nacht zum dritten Dezember in Jeschkowitz. Landkreis Breslau, 150 Mitglieder der national­sozialistischen Sturmabteilung, darunter auch Sanitäter, unisormierl, feldmarschmäßig ausgerüstet und bewaffnet festgestellt. Sie waren im Schloß des Gutshofes des Rittergutsbesitzers von Oelffen untergebracht, wo die Unterkunft in Sälen vorbereitet war. Ein noch in der Nacht hinzukommendes Schutzpolizeikommando stellte eine Menge Wafsen, darunter scharf geladene Karabiner, Pistolen Handgranaten. Munition, und Schußzwaffen aller Art fest. Eine zahlen­mäßige Feststellung war bisher nicht möglich, da die noch in der Nacht weiter angestellten Ermittlungen noch fort­dauern. Die vorläufig festgenommenen Nationalsozialisten wurden in den frühen Morgenstunden durch Lastkraft­wagen der Schutzpolizei dem Polizeipräsidium zugeführt, wo die weiteren Vernehmungen stattfinden. Die Fest­genommenen werden noch heute dem Gericht zugeführt.

Oppeln, 3. Dez.(Drahtb.)

Die noch immer sehr gespannte Lage in Oberschlesien hal, wie dieOppelner Nachrichten" erfahren, den Ober­präsidenten der Provinz Oberschlesien veranlaßt, die schon mehrfach geforderte Verstärkung der oberschlesi­schen Schutzpolizei zunächst während einer Ueber­gangszeit in die Tat umzusetzen. Die erste Hundertschaft traf bereits im Laufe des heutigen Tages in Rosenberg ein. Weitere Verstärkungen folgen in allernächster Zeit. Es handelt sich, wie von zuständiger Seite mitgeteilt wird, lediglich um vorbeugende Maßnahmen zur Abwendung von etwaigen bei spontanen Kundgebungen drohenden Ge­fahren.

hütte sind etwa 30000 derartige Einsprüche er­hoben worden, erfolgten durchweg auf einem vor­gedruckten Formular, woraus sich das plan­mäßige einheitliche Vorgehen ergibt und ohne jegliche Unterlagen, obwohl nach den einschlägigen Be­stimmungen der Einspruch zu begründen und zu belegen ist. Der ganze Vorgang wird durch die Tatsache charak­terisiert, daß der Verlust des Wahlrechts Massen deutscher Wähler betraf, an deren polnischer Staatsangehörigkeit bisher niemals ein Zweifel bestanden hat und die in den vergangenen acht Jahren bei allen Wahlen unbeanstandet mitge­stimmt haben. Zum Teil kleiden die Betroffenen sogar öffentliche Aemter. viele haben schon im polni­schen Heer geoient. Unter den gestrichenen Wäh­lern befinden sich sogar Personen, die selbst schon Abge­ordnete in polnischen Körperschaften gewesen sind. Bei dem Vorgehen gegen die deutschen Wähler haben zum Teil die amtlichen Wahlkommissionen, aus denen man die Deutschen fernzuhalten oder nachträglich zu entfernen ge­wußt hatte, mit der Regierungspartei zusammengearbeitet. Bei der Ausübung der Wahl selbst haben die Deutschen den Schutz vermißt, den die gesetzlichen Bestimmungen für die freie Betätigung dieses wichtigsten staatsbürgerlichen Rechtes vorschreiben. Die bekannten Einzelheiten auf Grund des Erlasses des Innenministeriums, wonach dem Wähler freistehe,offen oder geheim seinen Stimmzettel abzugeben, werden mit genauen Ortsangaben nachgewiesen.

Terrorakte gegen die deutsche Minderheit

Im Teil I wird nachgewiesen, daß seit dem Beginn des polnischen Wahlkampfes die deutsche Bevölkerung im polnischen Oberschlesien unter dem schlimmsten Terror ge­standen hat. In vielen Ortschaften haben Mitglieder des Schlesischen Aufstandischenverbandes

ein wahres Gewaltregiment

ausgeübt. Mit Wafsen aller Art ausgerüstet, durchstreif­ten sie jeden Abend nach Einbruch der Dunkelheit in Uniform die Straßen, ergingen sich in Bedrohung der Minderheit und fahndeten in Gaststätten und Wohnungen nach Deutschen. Tausende von Drohbriefen wur­den an Minderheitenangehorige versandt. In großer Zahl sind Tätlichkeiten und Mißhandlungen aller Art bis zu den schwersten Gewalttätigkeiten vorgekommen. Geschildert werden dann die Vorgänge in einzelnen Ortschaften, besonders eingehend in Hohenbirken und Golassowitz.

Unter II heißt es: Die deutsche Regierung hat durch­aus die Erfahrung in Rechnung gestellt, daß in Zeiten eines politischen Wahlkampfes die Leidenschaften erregt zu sein pflegen. Mit solchen Erscheinungen lassen sich indes

zeichnen. Das verwendete Material wird zu schöner Wirkung gebracht, ohne daß darunter selbst die Gegen­ständlichkeit eines Porträts leidet. Dr. M-Sch.

Ein Brahmsabend

Der dritte der Essener Kammermusik­abende brachte mit dem von den Herren Max Fied­ler, Alexander Kosman, und Fritz Bühling ge­bildeten Trio die beiden Brahmsschen Klaviertrios Op. 8 in H=Dur und Op. 87 in C=Dur. Bei dem ersten, das ich hörte, läßt sich nicht sagen, daß die Wiedergabe besonders glücklich gewesen sei. Denn Max Fiedler, der bei Sän­gern so Rücksichtsvolle, ging am Flügel scharf ins Zeug, so daß seine Partner es auch nicht mit der Zartheit halten konnten. Brahms hat manches dolce, piano und pia­nissimo hingeschrieben, das nun mehr in der Vorstellung lebte als in klingende Erscheinung trat, wodurch denn auch der aus Synkopenrhythmik gewobene Schleier sich mehr­fach zu starkem Nebel verdickte. So wollen wir denn hoffen, den Herren bei nächster Gelegenheit mit einer durchgefeilten und differenziert leuchtenden Musik wieder zu begegnen. Die Hamburger Altistin Edith Nie­meyer spendete eine Reihe der bekanntesten Brahms­schen Lieder mit sehr schönen und wohlgebildetem Organ von echtem Altklang. Sie ist musikalisch und gibt aus solchem Gefühl und gesanglichem Können manche Linie in wundervollem Schwung. während Menschliches we­niger stark mittönt und größere Wärme und Liebens­würdigkeit ihren Vortrag noch mehr runden würde. Vom Technischen her ließe sich durch Klingenlassen der Kon­sonanten manches gewinnen. Von Max Fiedler präch­tig begleitet, gewann sich die Sängerin mit ihrer sehr sym­pathischen Kunst der Hörer lebhaften Dank. H.

Die Ehe

Münchener Uraufführung.

Aus München wird uns berichtet: Niemand wird dem Dichter das Recht bestreiten, heute wie je von der Bühne her sozialpolitische Probleme, die ihn und uns bedrängen, wirklichkeitsnahe zu verkünden, und wenn er Anklage erhebt, so werden ihn auch diejenigen hören und achten, die sein Problem mit anderen Augen betrachten als er selbst. Wenn sich daher Alfred Döblin in

seinen drei SzenenDie Ehe, die er im Münchener Schauspielhaus zur Uraufführung kommen ließ, die Ar­beitslosigkeit und Wohnungsnot unserer Tage zum Vor­wurf nahm und sich gegen den vielumstrittenen Paragra­phen 218 wandte, so könnte man ohne Rücksicht auf irgend­welche Tendenz kaum Anstoß daran neymen, sofern man endlich wieder einmal einem Dichter begegnete. dem eine wahrhaftige dramatische Gestaltung gelungen wäre. Dieser Voraussetzung aber genügte Döblin keineswegs: sieht man von wenigen eindringlichen Versen und ein paar schlag­kräftigen Auftritten ab, so bleibt an Einfällen, neu ge­schauten Bildern und wesentlich gestalteten Sätzen er­schreckend wenig, an Banalitäten und billigen Klischees dagegen auffällig viel übrig. Ueberdies fehlt dem Stück die notwendige dritte Dimension: es ist bessenfalls dramatische Epik, aber keine letztlich an die Spieler gebundene Dra­matik, die sich entwickelt. Wie in seinen ästhetischen Wer­ten, hat das Stück auch in seiner sozialen Tendenz Schwä­chen, die uns zu seiner Ablehnung zwingen: der Prole­tarier allein ist nach Döblins Ansicht fähig, heute noch eine sittlich berechtigte Ehe zu führen: er ist als Unter­jochter eines geldlüsternen Bürgertums hingestellt, das fast

durchweg in bewußt karikierten Typen aufzutreten hat. Ohne daß sich der Autor wohl für eine Partei in Anspruch nehmen ließe, grenzt die Döblinsche Diktion zuweilen an kommunistische Kampfesreden, die bei ungenügender poe­tischer Potenz von der Bühne aus zu halten besonders be­denklich ist! Die Aufführung wurde mit großem Appa­rat von Otto Falckenberg und Julius Gellner durchgeführt, wobei Döblins Worte zuweilen wirksam unterstützt oder unterbrochen wurden durch die Musik von Carol Rathaus, der im Stile von Weill eine polyphone Illustrierung der Szenen vornahm. Die Leistung der Spieler vor und hinter der Rampe war vorzüglich; Kurt Horwitz als ansagender Sprecher, Ewald Balser und Edith Schultze=Westrum über­ragten noch das gute Niveau der mehr als vierzig Rollen­träger. Als im geschmacklos=opernhaften Schluß der Szenen die Döblinschen Proleten dem Bürgertum sein Todeslied und sich selbst den Kampfesruf gesungen hatten, erhoben sich die bravenBourgeois" im Parkett zu be­geistertem Beifall, der, wie wir annehmen wollen, neben den Spielern dem bedeutenden Romandichter Döblin galt. Er aber schien lächelnd die Einsicht reumütiger Sünder zu begrüßen. J. G.

Museen des Spielzeugs

Man plant in Nürnbera ein Spiel­zeug=Museum. Eine alteingesessene Industrie will sich dort eine Gegenwartsschau schaffen, bis dermaleinst nach Lösung des Raumproblems das großeDeutsche Spielwaren=Museum kommt.

Als vor nunmehr zwei Jahren das Märkische Museum in Berlin in einer vielbesuchten Sonderaus­stellung Spielzeug der Vergangenheit zeigte, tat sich eine Kluft auf zwischen der Kindheit derer, die heute Meister, Professoren und Direktoren sind, und dem Ideenkreis des jungen Lebens ihrer Enkel, die mehr oder weniger weit vom Kriege entfernt in diesen Jahren eine kaum mehr spielerisch zu nennende Jugend verleben. Jene Stoffpuppen und Holzschäfchen, Steckenpferde und Blei­soldaten sind den Gedanken der Erwachsenen zum Opfer gefallen, die da meinen, unsere Jungen müßten heute ausschließlich mit Flugzeugen und anderen Maschinerien,

unsere Mädels mit Staubsaugern und ähnlichen Haushal­tungsgegenstandsmodellen spielen, die eine elektrische Seele haben. Das Rationalisierungsprinzip, das Bestreben, selbst das persönliche Leben durch mechanische Vorgänge lebens­werter zu machen, zweckmäßige Sachlichkeit und die Ver­ehrung der Spitzenleistungen einer vorwärtsjagenden Technik hat sich der Seele des Kindes genähert und zwingt seine Phantasie in neue Gleise. Wünsche werden wach, über die der alte Weihnachtsmann den Kopf schüttelt...

Wir bewahren in unseren Museen das in letzter Stunde gerettete Kulturgutjunger" Völker auf, benutzen seine Primitivität zur Erforschung unserer eigenen Kultur und decken damit völker= und volkskundliche Zusammena hänge von hohem wissenschaftlichem Wert auf. Ebenso darf auch, schlagen wir die Brücke vom Kind zum Mann oder zur Frau, dessen Kulturgut nicht übersehen werden; denn wer ein Kind verstehen will, sieht sich sein Spiel­zeug an. In der gesamten Menschheitsentwicklung bildet