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R59. Düsseldorf, Donnerstag den 21. Dezember. 1848.
Wie viel Uhr ist's.
Wir haben bei wichtigen Ereignissen im Leben des Volkes schon oft diese Frage gethan. Niemand wird sie heute daher für eine müßige, überflüssige erachten und wir unserseits halten uns verpflichtet, wenn auch auf vereinzeltem Posten stehend, von Zeit zu Zeit die Stunde der Nacht unseren Lesern nicht nur zuzurufen, sondern auch die Geschichte der letzten Zeit in kurzen Abrissen ihnen vorzuführen. In der That das einzige Mittel, in dieser Zeit der Finsterniß, ohne Weg= und ohne Stundenweiser, in diesen Zeiten des Schiffbruches, ohne Kompaß, ohne Ruder, ohne Segel sich aufrecht zu erhalten auf den sturmgepeitschten Wogen, unter einem unheilschwangeren, wolkenüberladenen schwarzen Horizont. In der That das einzige Mittel, sich selber zurecht zu finden in den politischen Wehen, in der permanenten Revolution unserer Tage.
Im März dieses Jahres, als das alte Todtenbeingerippe des Absolutismus des Polizei= und Beamtenstaates vor dem jugendlich begeistert heranstürwenden Geiste des Volkes, vor dessen vorzeitigem Siegesrausche, schlotternd und bebend in sein Grab sich zurückzog; als das Volk den alten Spuk für immer von der Erde verscheucht wähnte, weil überall in ganz Deutschland zum erstenmale das Volk eine Ahnung der ihm innewohnenden göttlichen Machtvollkommenheit, seiner eigenen Souveränität überkam, weil überall, mehr oder minder klar, der Grundsatz der Volkssouveränität sogar von seinen Fürsten anerkannt wurde; als der König von Preußen sogar eine constituirende, vereinbarende, gleichberechtigte Versammlung der Volksvertreter, freilich mit hemmenden indirekten Wahlen einberief und dieser Versammlung jedenfalls das Steuerbewilligungsrecht zuerkannte: damals freilich schien die Morgenröthe einer neuen Zeit hereingebrochen, und wir durften getrost auf den nahen Tag hoffen. Seit jenen Tagen ist die Enttäuschung nur zu schnell, zu bitter, zu schmerzlich über uns hereingebrochen. Scit jenen Tagen haber wir schon oft und laut hier ausgesprochen: die Uhr der Geschichte steht still, ihre Zeiger sind zurückgestellt; die Geschichte des Volkslebens ist bedroyt und in ihrem Gange zurückgeschleudert.
Der gegenwärtige Augenblick aber, in dem wir leben,— mögen früher unsere Gegner uns der Uebertreibung, des
Mangels an Vertrauen und so weiter, wie die alten abgenutzten Redensarten alle heißen mögen, auch beschuldigt haben — der gegenwärtige Augenblick läßt keine Täuschung, keine Verblendung mehr zu. Die Nacht, die Nacht des alten Regimentes ist vernichtend über das eben erst erblühende Völkerleben, über die knospenden Keime der Freiheit hereingebrochen; mag sie auch sich hinter schönen Phrasen, hinter Paragraphen und Artikel verschanzen, und in der eigenen Dunkelheit sich unerkennbar glauben; mag die reaktionäre Partei auch ihre heulenden„Te deum laudamus“(Herr Gott dich loben wir) in Dank= und Vertrauensadressen, und in Zustimmungsakten ertönen lassen. Die Gegenwart läßt keine Täuschung, nicht einmal die allerunschuldigste, die Selbsttäuschung mehr zu. Die Thatsachen sprechen zu laut, zu offenbar. Wer heute die Geschichte nicht versteht, der will sie nicht verstehen, oder wird sie nie verstehen lernen. Wer heute die Zeit nicht begreift, wer heute nicht weiß, wie viel Uhr es ist, der wird es nie erfahren.
Die Thatsachen sprechen zu laut und offenbar. Die Nationalversammlung, berufen, die künftige Verfassung des Landes mit der Krone zu vereinbaren, ist gegen ihren Willen, gegen ihren Protest, vertagt, verlegt und aufgelöst worden, von einem Ministerium, welches— man kann nicht weniger sagen— das Vertrauen des Landes nicht besitzt. Eine Verfassung, welche jene Versammlung zum mindesten als gleichberechtigter Theil mit der Krone vereinbaren sollte, ist von der Krone octroyirt, wie der neue Kunstausdruck heißt, d. h. zu deutsch, als Gnade bewilligt worden. Das Recht ist also in eine Gnade umgewandelt, und wie scheinbar liberalen Geistes diese Verfassung mit zwei Kammern, mit Censur und indirekten Wahlen, mit Uebereinstimmung beider Kammern und dem Veto obendrein auch seyn mag, das Recht der Steuerbewilligung, der eigentliche Nerv jeder Verfassung, dieses Recht fehlt in der ganzen Verfassung, und läßt die letzte Illusion schwinden. Wir haben dürr und trocken gesagt: eine octryirte Verfassung, also eine Verfassung die keine Verfassung ist, sondern eine Wiederholung des Lichtenbergischen Messers ohne Heft und Klinge.
Brauchen wir die Begleitung dieser octropirten Verfassung unsern Lesern noch vorzuführen? Brauchen wir sie an die Liebenswürdigkeit der Belagerungszustände in Berlin, Trien,