Ns 216. 52. Jahrgang.

Freitag, 14. Septbr. 1900.

Druck und Verlag von Julius Joost in Langenberg.

Redaktion unter Verantwortlichkeit von H. Krieger.

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Langenberg, Rheinland.

Berlin. DieNordd. Allg. Ztg. meldet: In­

folge des telegraphischen Glückwunsches des Kaisers ist von dem Gesandtschaftssekretär v. Below in Peking nachstehendes, vom 1. September datiertes Telegramm beim Auswärtigen Amte eingetroffen:Ich erhalte soeben Allerhöchstes Telegramm und beehre mich, ge­horsamst zu bitten, meinen allerunterthänigsten Dank für die mir in Gnaden zuteil gewordene hohe und außergewöhnliche Auszeichnung Sr. Majestät dem Kaiser und Könige hochgeneigtest zu Füßen legen zu dürfen. Sämtliche Mitglieder der Gesandtschaft schließen sich meinem unterthänigsten Dank für die huldvollen Worte kaiserlicher Anerkennung unseres Verhaltens in ernster Gefahr an. Jeder von uns ist von freudigem Stolze erfüllt, seinen Posten halten und verteidigen zu können. v. Below. Ferner telegraphierte v. Below am 2. Sept. an den Staatssekretär v. Bülow:Die Mitglieder der Gesandtschaft danken Eurer Excellenz ehrerbietigst für die gütigen Glückwünsche und die hohe Anerkennung, die ihrem Verhalten in so ernsten Zeiten seitens der kaiserlichen Regierung zuteil geworden ist. Dolmetscher Cordes ist wieder hergestellt, das Befinden der übrigen Gesandtschaftsmitglieder ist gut, wenn auch durch die Ereignisse der letzten Monate beeinflußt. Baronin v. Ketteler ist sehr angegriffen, aber fähig, in den nächsten Tagen nach Tientsin zu reisen.

Kurz vor seiner Abreise ist bekanntlich Graf Waldersee in Wilhelnishöhe vom Kaiser empfangen worden. Bei einer Privatunterhaltung kam nach der Post nun die Rede u. a. auch auf die Sicherheit des Grafen, und der Kaiser sagte:Mein lieber Graf! Ihr Leben wird von dem Vaterlande und mir sehr hoch eingeschätzt. Zum Beweise dafür will ich Ihnen zur ständigen Begleitung zwei meiner Leib­gendarmen zur Verfügung stellen! In der That be­finden sich in der Begleitung des Feldmarschalls die beiden Vice=Wachtmeister Müller und Nauer, ersterer von der Kaiserin, letzterer von des Kaisers Leib­Gendarmerie. Der Monarch hat die beiden persönlich aus dem Verbande der Leib=Gendarmen ausgesucht und ihnen mitgeteilt, daß sie für das Leben des Grafen Waldersee persönlich haftbar seien. In ihrer Instruktion befindet sich denn auch ein Passus, daß sie den Grafen Waldersee stets und ständig zu be­gleiten haben, es sei, wo es wolle, und zwar mit scharf geladenem Revolver. Sobald dem Feldmar­

schall nur die geringste Gefahr droht, haben sie die Waffe zu ziehen und gegebenenfalls sofort auf etwaige Angreifer scharf zu schießen. Die beiden Wachtmeister erhalten demzufolge ihr Qnartier in unmittelbarer Nähe des Feldmarschalls, über dessen Befinden dem Kaiser fortlaufend Spezialbericht erteilt wird.

Das Londoner BlattTruth" berichtet, Kaiser Wilhelm und sein ältester Sohn würden noch vor Ende Oktober einen streng privaten Besuch bei der Königin Viktoria in Balmoral machen, falls die Königin ihren Besuch bei der Kaiserin Friedrich aufgeben sollte. Der Kaiser und der Kronprinz werden mit derHohen­zollern von Kiel direkt nach Aberdeen fahren und nach einem Aufenthalt von wenigen Tagen in Balmoral auf demselben Wege nach Deutschland zurückkehren. Die Königin werde eigenhändig dem Kronprinzen die Insignien des Hosenbandordens verleihen und zwar entweder in Balmoral oder in Friedrichshof.

Von München aus wird folgende anscheinend bayerisch=offiziöse Beschwichtigungsnote verbreitet: Durch einen Teil der Presse ging in letzter Zeit die Nachricht, daß in Bayern eine gewisse Verstimmung bestehe wegen der vom Reiche befolgten Chinapolitik. Daß man es hier wieder einmal mit einerfaustdicken Lüge" zu thun hatte, war dem Kenner der wirklichen Verhältnisse von vornherein klar und jeder Schritt, den das auswärtige Amt zu Berlin in der Chinafrage that, hat Bayerns volle Zustimmung gefunden. Ja, es wurden sogar von München aus mitunter Vor­schläge unterbreitet, die in Berliu entsprechende Be­achtung fanden und jene Situation mit herbeiführen halfen, in der sich heute das Reich in der chinesischen Angelegenheit befindet. Von einer Mißstimmung Bayerns über die gegenwärtige Lage kann aber auch um so weniger die Rede sein, als sich trotz einzelner Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mächten inbe­zug auf die Endziele der Chinaexpedition Deutschlands nichts geändert hat, und man sowohl in Berlin als auch in München nach wie vor vollständig darüber einig ist, daß China in erster Linie für die Ermor­dung des deutschen Gesandten entsprechende Genug­thuung zu geben und für dauernde Herstellung ge­sicherter Zustände eine vollständige Gewähr zu leisten hat.

Ueber den Beschluß des Staatsministers wegen der Kohlen=Tarife wird offiziös geschrieben: Wäre der Staatsministerialbeschluß ausschließlich unter dem Gesichtspunkte der Abhilfe gegen die augenblialiche Knappheit und den hohen Preisstand der Kohlen zu fassen gewesen, so wäre der Zeitraum für die Ein­

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führung des Rohstofftarifs erheblich kürzer zu bemessen gewesen. Allein es kamen für die Entscheidung noch indere Erwägungen in Betracht. Zunächst fiel für die Festsetzung eines längeren Termins der Umstand entscheidend ins Gewicht, daß man dem Kohlenhandel, in dem bekanntlich langfristige Lieferungsverträge die Regel bilden, die Möglichkeit gewähren muß, sich auf die veränderten Frachtverhältnisse einzurichten. Mag ferner auch dahingestellt sein, ob die vielfach hervor­tretende Auffassung zutrifft, daß die Verhältnisse des deutschen Kohlenmarktes sich auf lange Zeit für den Kohlenkonsum ungünstiger, als bisher, gestalten werden und daß sich somit auf lange Zeit hinaus die Er­leichterung der Zufuhr fremder Kohle empfehlen werde, so darf doch als sicher angenommen werden, daß jedenfalls für die nächsten zwei Jahre das Verhältnis von Kohlenproduktion und Kohlenabsatz so bleiben wird, daß die Nachfrage das Angebot überwiegt und deshalb ohne Schaden für die heimische Kohlenproduktion billigere Frachten für die Kohleneinfuhr gewährt werden können. Erwägungen dieser Art dürften für die Fest­setzung eines zweijährigen Zeitraumes für die be­schlossenen Frachterleichterungen entscheidend gewesen sein. Man wird auch in der Annahme nicht fehl­gehen, daß man in der Staatsregierung zu einem ungleich früheren Zeitpunkte die Beseitigung der jetzigen anormalen Verhältnisse des heimischen Kohlenmarktes mit Bestimmtheit erwartet.

DerReichsanz. veröffentlicht das Gesetz betr. Aenderungen des Gesetzes über die Rechtsver­hältnisse in den deutschen Schutzgebieten. Ferner veröffentlicht derReichsanz. bie Bekanntmachung betr. Erlöschen des Postvertrages zwischen dem Nord­deutschen Bunde, Bayern, Württemberg und Baden einerseits und der Schweiz andererseits.

Am blauen Mälar.

Von Herbert Nivulet(Freifrau G. von Schlippenbach.)

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Von Drottningholm begaben sie sich bis Erkerö und bestiegen dort ein vorüberfahrendes Dampsschiff. Die Fahrt ging durch den romantisch schönen Bock­holmssund und von dort nach Gripsholm, wo das Schloß in wundervoller Umgebung liegt.

Welch' schönes Land Schweden ist! sagte Stella bewundernd.Schon das Wenige, das ich kenne,

entzückt mich!. 1. zng Gand Luit.

Wenn Sie erst weiter ins Lano oringen, wenn

Sie den Wettern und seine Wasserfälle, den herrlichen Trollhätta erblicken, dann würden Sie noch weit mehr meine Heimat lieben, die ja auch zum Teil die Ihre ist! Und ich wünschte, sie sähen die Steppe! er­widerte Stella.Man muß sie von klein auf kennen, um ihre Poesie zu verstehen, man sehnt sich ewig nach

Schnell und wie selbstverständlich hatten sie sich darin gefunden, sich wie alte Freunde zu begegnen, beide fühlten sich mächtig zu einander hingezogen und wußten es vom ersten Tage an, daß sie nicht spurlos aneinander vorübergehen konnten und kein bloßer Zufall sie zusammengeführt hatte. Lebt, Ihre Mutter noch?, fragte Stella.

Ja! erwiderte Geerd Erit.Sie ist in Lilje­kron, und ich möchte Sie gern mit ihr bekannt machen!

Auch ich wünsche es von Herzen. Ich beab­sichtige, wenn unsere Gesellschaft Stockholm verläßt, eine Reise durch das Land zu machen!

Auf der ich Sie begleiten darf, nicht wahr? bat Brokenhielm.Wir gehen erst nach Liljekron, und meine Mutter begleitet uns später!

Ja, das wäre herrlich! rief Stella aus.Aber sehen Sie, wie wunderschön die Stadt im Abendrot

vor uns liegt!. 4 Sisasham

Beide schwiegen und blickten auf Sioaholm, dem sie sich rasch näherten, und dann plötzlich tauchten die blauen Augen tief in die braunen. War ein heißer Strahl der scheidenden Sonne in sie gesunken? Wie ein elektrischer Schlag ging es von Herz zu Herz. Ein Funke war darin entfacht, der zur Flamme an­wachsen und über beide zusammenschlagen mußte, um sie in seliger Liebe auf ewig zu vereinen.

VI.

Sie war wie ausgetauscht, die kühle, ruhige Stella Royer. Die Marmorstatue lebte und atmete, warmes, rotes Blut pulsierte in ihr, und alle bisher schlummernde Glut ihres Herzens war erwacht und ließ sie noch schöner erscheinen. Jeden Abend trug sie seine Blumen an der Brust, die er ihr brachte, wenn er sie besuchte, und die Menschen sagten ent­weder:Sie ist mit Brokenhielm verlobt, oder sie klatschten:Sie ist doch wie alle andern!

Stella hatte den Grafen gebeten, nie während der Vorstellung nach den Ställen zu kommen, und so

Wien. DemD.. wird am 3. Septbr. aus Trautenau geschrieben: Bis jetzt war das Manöver­leben ziemlich ereignislos, was sich aber heute, vor­mittags auf den Schlachtfeldern von 1866 bei Traute­nau ereignete, das spottet jeder Beschreibung. Die 8. Kompagnie des Landwehr=Infanterie=Regiments Nr. 9 war im Vormarsche, in Plänklerkitten aufge­löst, um den Gegner bei Altrognitz zu vertreiben. Plötzlich erschien links Reiterei, und ehe die Infante­rietruppe gegen dieselbe Front machen konnte, wurde sie schon niedergeritten und die Soldaten bekamen die Hufe der Rosse zu spüren. Doch nicht genug an dem.

saß er jeden Tag auf seinem abonnierten Platz, und ein süßes Einverständnis verband sie miteinander.

Wenn sie beide frei waren, durchstreiften sietz die Stadt oder machten Ausflüge in die reizende Um­gebung. Es war Geerd Erik eine besondere Lust, seiner Cousine Schwedens landschaftliche Schönheiten zu zeigen und sie sein Vaterland lieben zu lehren. Anna Alexandrowua begleitete sie, hielt sich aber meist diskret fern, so daß die jungen Leute viel allein waren. Oft verglich Stella ihre beiden Vettern miteinander den zügellosen, rohen Boris und den ritterlichen, zart­fühlenden Schweden, und immer tiefer neigte sich die Wage zu des letztern Guusten.

Eines Tages fuhren sie nach Riddarholm hin­über und besuchten dort die schöne Kirche, in der sich viel Interessantes befindet, Fahnen und Siegestrophäen des dreißigjährigen Krieges und die prachtvollen Mar­mor=Sarkophage der schwedischen Könige. Die Wände der Riddarholmkirche zieren die Wappenschilder der Adelsgeschlechter und der verstorbenen Ritter des Seraphim=Ordens.

Auf blauem Feld, die beiden gekreuzten silbernen Schwerter und der gebrochene Helm, das ist mein Wappen, sagte Geerd Erik,es besteht eine alte, hochromantische Sage darüber. Wollen Sie sie hören, Sonnia?

Und als siedarum bat, hub er an:Der Grün­der Stockholms, der streitbare Häuptling Birger Jarl, lebte im dreizehnten Jahrhundert. Sein Standbild, ein Meisterwerk Fogelbergs, sehen wir im vollen