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Nr. 121. Fernsprech=Auschluß Nr. 39.

Samstag, den 28. Mai 1898.

24. Jahrgang.

* Welche Vortheile bringt uns Prinz Heinrichs

Besuch in Peking?

Am Mittwoch hat Prinz Heinrich von Preußen die chinesische Hauptstadt verlassen, nachdem er vorher noch dem Kaiser von China einen Abschiedsbesuch gemacht hatte. Damit hat ein Ereigniß seinen Abschluß gefunden, dessen Be­deutung von der Presse aller Culturländer gewürdigt worden ist. Was vorher Niemand für möglich gehalten hatte, ist nun zur Thatsache geworden: Der Sohn des Himmels hat einen anderen Bewohner der Erde als gleichberechtigt empfangen, ohne daß dieser sich dem chinesischen Hofeeremoniell unterzuordnen brauchte. Daß dieser Kaiser, dem die höchsten Würdenträger des Reiches niemals in aufrechter Haltung nahen dürfen, dem Gaste sogar seinen Gegen­besuch gemacht hat, steht einzig da in den Annalen der Geschichte.

Was ist es nun, das den Kaiser und den chinesischen Hof veranlaßt hat, mit der uralten, immer heilig gehaltenen Hofetiquette zu brechen? Auch Ver­treter anderer Höse sind bereits in Peking eingekehrt, ohne daß sich der Empfang so herzlich und ausgedehnt gestaltet hätte. Haben auch die Chinesen die Be­deutung des mächtig aufstrebenden Deutschen Reiches voll erkannt? Das muß doch wohl sein, denn schon die ganze Erledigung der Kiautschou=Angelegenheit hat gezeigt, daß man im äußersten Osten mit uns als mit einem maßgebenden Factor rechnet, der nicht umgangen werden kann. Berechtigte Ansprüche, das müssen wir uns immer eingedenk sein lassen, hatten wir nicht an irgend einen Gebietstheil Chinas, und der erste Act der Besitzergreifung der Kiautschoubucht erfolgte mit Waffengewalt, wenn auch vielleicht vorher eine Verständigung über den geplanten Schritt mit den anderen betheiligten Mächten stattgefunden hatte. Aber der deutsche Name hat jetzt Ansehen in der Welt, und auch die Vertreter der gelben Rasse sehen ein, daß wir in politischer und wirthschaftlicher Be­ziehung mit anderen Nationen zu wetteifern ein Recht haben.

Wir Deutsche wollen keine Eroberungen machen und auch die Erwerbung der Kiautschoubucht ist keine Eroberung im landläufigen Sinne des Wortes. Aber darum ist doch die Bedeutung des Erwerbs nicht zu unterschätzen. Und durch den Besuch des Prinzen Heinrich beim Herrscher Chinas, durch die über­aus zuvorkommende Weise des Empfangs ist der zwischen Deutschland und China abgeschlossene Vertrag gleichsam legalisirt worden. Das Ausland sieht nun, daß Alles in rechtmäßigster Form zugegangen ist, und kein Vorwurf darf mehr laut werden, daß Deutschland sich auf dem Wege der Gewalt, auf un­rechtmäßige Weise jenes Gebiet in China angeeignet hat. Das ist der directe Erfolg des Besuchs in Peking. Aber auch in wirthschaftlicher Beziehung dürfte dieser Früchte tragen. Die Chinesen haben gesehen, mit welcher ungewöhnlichen Aufmerksamkeit ihr Kaiser den Vertreter des deutschen Herrschers aufgenommen hat. Sollten sie da nicht Verlangen tragen, mit einem Volke, das solcher Aus­zeichnung würdig erachtet worden ist, in Geschäftsverbindung zu treten? Die Erfahrung wird lehren, welche Vortheile uns noch gedeihen werden, und wir sind der Meinung, daß dieselben nicht zu gering veranschlagt werden dürfen. Der chinesische Absatzmarkt ist groß, nicht minder aber das Bedürfniß unserer Industrie nach der Erschließung dieses Marktes.

Hoffen wir, daß unsere Erwartung nicht getäuscht wird!

Folitische Nachrichten.

Deutschland.

* Berlin, 27. Mai. Der Kaiser und die Kaiserin, der Kronprinz und die Kronprinzessin von Griechenland sowie die kaiserlichen Prinzen trafen um ½10 Uhr von Berlin in Potsdam ein und begaben sich zum dortigen Schloß. Auf dem Schloßhofe war die Leibcompagnie des I. Garde=Grenadier=Regiments zu Fuß mit Fahnen und Musik aufgestellt und das Officiercorps des Regiments versammelt. Der Kaiser hielt eine Ansprache und stellte den Prinzen Oscar in das Regiment ein. Die Anwesenden brachten ein dreifaches Hurrah auf den Kaiser aus. Die Kaiserin und die Kronprinzessin von Griechenland sahen von einem Fenster des Schlosses dem Acte zu. Die allerhöchsten Herrschaften begaben sich dann zum Lustgarten, um die Parade abzunehmen.

Heute Vormittag 10 Uhr fand im Lustgarten die Frühjahrsparade der hiesigen Garnison statt. Zum Schluß hielt der Kaiser die Kritik ab und nahm militärische Meldungen entgegen. Nach der Parade begab sich der Kaiser nach dem Stadtschloß, wo ein Paradefrühstück stattfand. Um 1 Uhr

Sste ie Aaeste ie. asen. al e ise Kinder nach Berlin, während das griechische Kronprinzenpaar noch in Potsdam verblieb und sich nach der Friedenskirche begab. Als die Aufstellung der Truppen beendet und die aus den ehemaligen Wohnge­mächern König Friedrich Wilhelms III. geholten Fahnen und Standarten unter den üblichen Honneurs eingestellt waren, marschirte die Leibeompagnie des 1. Garderegimenis zu Fuß im inneren Schloßhof auf und nahm dort mit der Fahne des ersten Bataillons Paradeaufstellung, Front nach dem Fahnenportal. Vom Bahnhofe kamen in zweispännigen offenen Equipagen der Kaiser, welcher die Paradeuniform des Regiments der Gardes du Corps mit dem Orangeband des Schwarzen Adlerordens über dem schwarzen Küraß trug, in Begleitung des Kronprinzen von Griechenland, dieser in der Uniform des 2. Garde­Regiments zu Fuß. Es folgte die Kaiserin in heliotropfarbener Robe, über der Brust das Band vom Schwarzen Adler, mit der Kronprinzessin Sophie von Sriechenland. Weiter kamen die kaiserlichen Prinzen und das große Gefolge. Im Schlosse angekommen, trat Kronprinz Wilhelm als Zugführer des ersten Zuges bei der Leibcompagnie des 1. Garde=Regiments ein, Prinz Eitel Friedrich als Schließender des ersten Zuges, Prinz Friedrich Wilhelm, Sohn des Prinzen Albrecht, als Führer des zweiten Zuges. Vor der Front stand das gesammte Officierccrps des 1. Garde=Regiments mit den directen Vorgesetzten. Der Kaiser kan mit seinem fünften Sohne, dem Prinzen Oskar, um diesen in seierlicher Weise als Officier bei dem 1. Garde­Regiment einzustellen. Prinz Oskar wird zwar erst am 27. Juli 10 Jahre, doch da an diesem Tage das Kaiserpaar nicht in Berlin ist, so erfolgte die Eiz­stellung des Prinzen gelegentlich der heutigen Parade. Der Kaiser, begleitet vom Kronprinzen Konstantin, ließ die Offieiere einen Kreis um sich bilden und hielt eine Ansprache an seinen Sohn, den Prinzen Oskar, und dann übergab er ihn dem Commandeur des Regiments, Oberst v. Kalckstein, welcher auf die kaiser­lichen Worte erwiderte und mit einem dreimaligen Hurrah auf Se. Majestät den Kaiser schloß. Die ganze Feierlichkeit geschah unter präsentirtem Gewehr. Die Parade nahm den üblichen glänzenden Verlauf.

DerReichsanzeiger meldet die Verleihung des Schwarzen Adler=Ordens an den Prinzen Oscar von Preußen.

Zum Empfange des Kaisers in Palästina werden von den türkischen Behörden bereits Vorkehrungen gerrosfen. Auf Befehl des Vali von Beirut erschien der Pascha von Acco in Haifa, um Anordnungen zum Empfang des deutschen Kaisers zu treffen, da derselbe in Haifa zu landen gedenke, um danach über Nazareth, Djennin und Nablus nach Ferusalem zu reisen. Es soll u. A. ein neuer Landungssteg diret bei der dentschen Colonie Haisa gebaut und alle Wege sollen verbessert werden. Diese Nachricht steht nicht im Einklang mit der Thatsache, daß auch in Jassa Vorkehrungen zum Empfang des Kaisers auf Befehl des Sultans getroffen werden. Hieraus ist zu schließen, daß die Landung in Haifa nur dann stattfinden wird, wenn das Meer eine solche in Jafsa erschweren sollte. Der deutsche Consul von Jerusalem, Herr v. Tischen­dorf, reist in dieser Woche nach Berlin, und es dürfte dessen Rath hinsichtlich des Landungsplatzes den Ausschlag geben. Der Landweg don Haifa bis Jerusalem erfordert sehr beschwerliche zwei Tage und muß von Nazareth aus zu Pferd gemacht werden. Nach Ueberwindung der sechs Stunden breiten, sehr heißen Jesrelebene beginnt beim Dorfe Dsennin der Gebirgsweg über Nablus=Zerusalem auf unbeschreiblich schlechten Straßen, welche auch beim besten Willen des Sultans nicht gut hergestellt werden können.

DerReichsanzeiger veröffentlicht das Gesetz betr. die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen.

DerN. L. C. zu Folge ist nach dem Stande der bezüglichen Vorar­beiten im Cultusministerium an der Erwartung festzuhalten, daß in absehbarer Zeit auch für die Apotheker eine Standesvertretung in's Leben gerusen wird gleich derjenigen der Aerzte in den Aerztekammern.

. Nachdem das Geschäftshaus für das Abgeordnetenhaus baulich soweit fertig gestellt ist, daß der Umzug der Bureaux u. s. w. in das neue Gebäude erfolgen kann, werden alsbald die Räume des bis­herigen Abgeordnetenhauses für die Aufnahme des Herrenhauses her­gerichtet werden. Die Dispositionen sind so getrosfen, daß am I. September der Umzug des Herrenhauses in sein interimistisches Heim beendigt und von diesem Zeitpunkt an mit dem Abbruch des jetzigen Herrenhauses begonnen werden kann. Für den Beginn der Abbruchsarbeiten an dem alten Reichstagsgebäude ist der erste Juli in Aussicht genommen. Die Arbeiten sollen so gefördert werden, daß gegen Anfang December mit der Fun­damentirung für das neue Dienstgebäude des Herrenhauses und die beiden an der Leipzigerstraße zu erbauenden Präsidial=Dienstwohnungen vorgegangen wird.

DerReichsanzeiger schreibt: Die seit Jahren erörterte Frage des Er­lasses eines Reichsgesetzes über die Hypothekenbanken wird

Beusnicit e eie Sest eiete ier chteich birner Ur bisherigen Versuche der reichsgesetzlichen Regelung war stets erfolglos. Geset­liche Ordnung ist nach wie vor dringendes Bedürfniß, namentlich auch nach wirthschaftlicher Seite hin. Nach Abschluß des Bürgerlichen Gesetzbuches kam die Angelegenheit alsbald von Neuem in Fluß. Der vorjährige, vom Reichs­iustizamt ausgestellte Entwurf eines Hypothekenbankgesetzes ging kürzlich den Bundesregierungen zu, zur vorläufigen Prüfung. Von dem Ausfall dieser Prüfung hängt es ab, ob und in welcher Gestalt der Entwurf an den Bundes­rath gelangt. Neben dem Entwurf des Hypothekenbankgesetzes ist vom Reichs­justizamt ein besonderer Gesetzentwurf über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von gleichartigen Schuldverschreibungen ausgestellt und den Bundesregierungen mitgetheilt worden. Der Entwurf soll neben dem allgemeinen Zweck auch zur Ergänzung des ersteren Entwurfes dienen. Der Reichsanzeiger veröffentlicht den Entwurf des Hypothekenbankgesetzes neben einigen erläuternden Bemerkungen. Der Gesetzentwurf über die Schuldverschreibungen wird gleichfalls verösfentlicht werden.

DerVorwärts schreibt, daß, obwohl neun Zehntel der Wähler aus Bauern, Handwerkern, Kleinkrämern und Arbeitern bestände, im Reichstage neun Zehntel der Mitglieder zu den reichen Klassen gehörten,abgesehen von der Socialdemokratie. Letzteres ist eine wunderbare Behauptung, denn in Wirklichkeit hat die Socialdemokratie keinen einzigen wirklichen Arbeiter in ihrer Vertretung, wohl aber Millionäre, Schloßherren, Advokaten, Schriftsteller, Redacteure, Parteibeamte, von denen nur ein kleiner Bruchtheil die Arbeiterverhältnisse aus eigener Erfahrung kennt. DerVorwärts so bemerkt hierzu treffend dieM. Ztg. richtei an die Bauern und Handwerker die Aufforderung, wenigstens Kandidaten aus ihrer Mitte aufzustellen, keine Renommirbauern, keine handwerksmäßigen Geschäftspolitiker, keine judenfresserischen Hanswürste! Dieselbe Aufforderung sollten sich auch die Arbeiter zu Herzen nehmen und nur echte Arbeiter als Kandidaten aufstellen, keine Renommirarbeiter, die sich blos zum Scheine Arbeiter nennen, keine handwerksmäßigen Geschäftspolitiker, keine zukunfts­staatlichen...!

In der fünfstündigen Berathung, welche Minister Thielen am 23. Mai in Essen mit den hervorragendsten Beamten der Eisenbahnverwaltung abge­halten, hat wichtige Entschließungen in Bezug auf die bauliche Ausgestaltung des westlichen Eisenbahnnetzes zur Folge gehabt. Wie dieKöln. Ztg. weiter hört, hat der Minister mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß auch in diesem Herbste mit einem weitern großen Verkehrsaufschwung zu rechnen sei, und daß deshalb unermüdlich weiter gearbeitet werden müsse, um demselben vollauf gerecht zu werden. Insbesondere soll die Erweiterung der Geleise mit allem Nachdruck und mit großen Mitteln in die Hand genommen werden, nicht minder die Vergrößerung und Vermehrung der Güterschuppen. Auch der Neubau von Eisenbahnstrecken zur Entlastung der jetzt übermäßig in Anspruch genommenen Linien, wofür im diesjährigen Staatshaushalt ein außerordentlicher Betrag von 50 Millionen Mark zur Verfügung gestellt ist, wurde gründlich berathen. Doch wurde im Laufe der Besprechung auch darauf hingewiesen, daß bei den Hauptabnehmern die Einrichtungen für die rasche Beladung und Entladung der Massengüter vielfach zu wünschen übrig lassen und der Verbesserung und Ergänzung dringend bedürftig seien. Es wurde sestgestellt, daß an Wagen und Locomotiven so viel bestellt worden ist, wie mur irgend die deutschen Fabriken mit Aufbietung aller Kräfte abzuliefern im Stande sind. Die Staatseisenbahnen sollen nach den abgeschlossenen Verträgen in der Zeit vom 1. Ocetober 1897 bis zum 30. September 1898 rund 20000 Güter­wagen, also jede Woche 400 Waggons von den Wagenbauanstalten neu er­halten. Ebenso sind Vorkehrungen getroffen worden, daß mit der Vermehrung des Fuhrparks auch die Zahl der Beamten und Arbeiter entsprechend erhöht und ergänzt wird. Endlich sollen auch die Hauptabnehmer dringend ermahnt werden, schon in der stilleren Sommerzeit, soweit das irgend thunlich ist, ihren Bedarf zu decken, damit die Verkehrsvermehrung auf eine möglichst lange Zeit des Herbstes vertheilt werden kann. Die getroffenen Vorbereitungen zur Be­herrschung des Verkehrsaufschwungs beschränken sich übrigens nicht blos auf das rheinisch=westfälische Verkehrsnetz, sondern erstrecken sich selbstverständlich auf den ganzen Staatsbahnbetrieb.

Seit dem Jahre 1896 sind in der Stadt Wiesbaden Schulärzte zunächst versuchsweise, dann dauernd angestellt. Diesen liegt die ärztliche Unter­suchung aller neu aufgenommenen Schulkinder ob, soweit dieselben nicht einen anderen ärztlichen Ausweis über ihren Gesundheitszustand beibringen; sie haben ferner für jedes kränklich befundene Kind einen Personalbogen aufzustellen und fortzuführen, alle 14 Tage eine Sprechstunde in der Schule abzuhalten, die hygienische Revision und Ueberwachung der Schulräume, ihrer Ausstattung, Be­leuchtung, Lüftung, Reinigung vorzunehmen und endlich in den Lehrervereins­versammlungen kurze Vorträge über schulhygienische Fragen zu halten. Die in

* Im Eulenthurm.

Roman von O. Elster.

(17. Fortsetzung.)

Aber Sie närrischer Mensch, entgegnete Mia unter Thränen lächelnd, Sie wissen doch selbst, daß wir uns nicht lieb haben dürfen! Daß es wenigstens von mir Unrecht wäre, wollte ich meinem Gefühl nachgeben, welches für Sie von den größten nachtheiligen Folgen sein müßte.

Conrad starrte sie an, als sähe er ein Gespenst.

Sie sprechen in Räthseln.

Aber, mein Gott, Sie selbst haben mir doch einmal von dem Testament Ihrer verstorbenen Tante erzählt.

Was hat denn das Testament meiner Tante mit unserer Liebe zu thun?

Nun, die Verstorbene hat Ihnen ja bereits die Braut bestimmt!

Da wissen Sie wahrhaftig mehr als ich!

Aber verstellen Sie sich doch nicht so. Fräulein Olga Grottler hat es mir selbst erzählt!

Was hat Ihnen Fräulein Grottler erzählt?

Daß Tante Conradine in ihrem Testament bestimmt hat, Sie sollten Fräulein Olga Grottler heirathen, widrigenfalls Sie der Erbschaft verlustig gingen. Be­greifen Sie nun, daß ich Sie nicht lieb haben darf? Daß es ein Unrecht von mir ist, wenn ich zwischen Sie und Ihre Braut treten wollte. Ja, daß der Gedanke mich erniedrigen muß, daß ich Sie der Erbschaft der Verstorbenen nicht berauben darf noch will!

Sie wandte sich ab und weinte leise vor sich hin.

Ueber Conrad's Antlitz ging ein seltsames Zucken und Zittern. In diesem Augenblick hatte das Gesicht des Hauptmannes a. D. und Schlachtenmalers eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem des Justizrathes, das halb lachen und halb weinen konnte.

Olga Grottler soll ich heirathen? Und nur, weil es die Großtante so bestimmt hat? Nur, weil ich sonst die elenden hunderttausend Thaler verliere? Und Olga Grottler hat es Ihnen selbst gesagt? Und Sie nehmen natürlich sofort an, daß ich mit beiden Händen zugreise und Olga Grottler und die hunderttausend Thaler heirathe? O, Mia, das hätte ich von Ihnen nicht ge­glaubt! Für so schlecht, für so niedrig denkend haben Sie mich gehalten?

Die Thränen Mia's flossen reichlicher. Sie verhüllte ihr Gesicht in die Hände und vermochte nichts zu erwidern. Er trat auf sie zu und legte sanft den Arm um ihre schlanke, unter seiner leichten Berührung erschauernde Gestalt,

Mia, sprach er mit bewegter Stimme,ich glaube es selbst, daß Tante Conradine in ihrem Testamente so bestimmt hat, wie Sie und Olga Grottler sagen. Aber bei Gott, ich kehre mich nicht an diese Bestimmung und habe nie daran gedacht, mich daran zu kehren. Vom ersten Augenblicke an, da ich Sie gesehen, habe ich Sie lieb gehabt und diese Liebe ist mit jedem Tage stärker geworden, so daß sie mich, den alten schlachten= und lebenserprobten Welt­bummler fast zu einem sentimentalen Jüngling, jedenfalls aber kreuz­unglücklich gemacht hat. Ich liebe Dich, Mia, was kümmert mich

die Welt, wenn Du mich wieder liebst? Kennst Du nicht den Spruch

über der Thür des alten Eulenthurmes?Ach Gott, wie geht das

immer zu, daß Die mich hassen, d nen ich nichts thu'? Die uns nichts gönnen und nichts geben, müssen dennoch teiden, daß wir leben. Siehst Du, mein liebes, theures Mädchen, das ist auch mein Wahlspruch gewesen mein ganzes Leben lang. Und wenn Du klug wärest und nicht ein so thörichtes

kleines Mädchen, dann sagtest Du auf der Stelle:Conrad Uhle, Du närrischer Kauz, ich habe Dich von Herzen lieb und will bei Dir bleiben, so lange ich lebe.

Da schlang Mia aufschluchzend die Arme um seinen Nacken und flüsterte: Conrad Uhle, Du närrischer, lieber, seltsamer, herzensguter Kauz, ich habe Dich von Herzen lieb und will bei Dir bleiben, so lange ich lebe.

Laut jubelte er auf, nahm sie in seine starien Arme und schwang sie hoch

shese aen aie ae, ecate ase ae dale ae n. inniger Betonung:Mia, meine liebe, füße Mia!... sprang wieder auf, preßte sie an sein Herz und küßte ihr Augen und Lippen.

Erröthend entzog sie sich seinen Liebkosungen.

Verzeih mir, bat er.Ich bin zu wild ich bin ein Bär, ich weiß es ... aber Deine Worte haben mich ja so glücklich, so unendlich glücklich gemacht! O, sag es mir noch einmal, daß Du mich lieb hast!

Ja, ja, Du närrischer Kauz, ich habe Dich lieb, von Herzen lieb und oh! schon so lange so lange.

Wieder wollte er sie in die Arme ziehen Doch sie wehrte ihm.

Laß mir Zeit, flüsterte sie.Es ist=Alles so rasch gekommen, so rasch, daß ich nicht weiß, was ich denken soll. Haben wir nicht Unrecht gethan, Conrad, in dieser Stunde von unserer Liebe zu sprechen?

Die Stunde ist die rechte gewesen, meine Mia. Ihr heiliger Ernst hat auch unsere Liebe geheiligt. Die Seligen dort oben haben unsere Worte gehört und werden uns segnen.

Arm in Arm betraten sie den Garten. auf den sich die Schleier des Abends niedersenkten. An dem Platz, an dem sie sich zuerst gesehen, ließen sie sich nieder und sprachen von der Zukunft ihres Lebens.

Wird Dich meine Liebe nicht Deines Erbes und auch dieses Hauses be­rauben, Conrad?; fragte Mia.Und wirst Du nicht dereinst bedauern, um meiner Liebe willen Alles das aufgegeben zu haben?

Ich würde es nicht bedauern, wenn ich wirklich alles Das verlieren müßte. Aber dieses alte Stammhaus meiner Familie vermag mir Niemand mehr zu nehmen. Und dieses Haus, dieser Garten, das soll unsere Heimath werden. Das Geld mögen die Grottlers hinnehmen, es ist wenigstens eine kleine Ent­schädigung, setzte er lachend hinzu,daß sie mich nicht als Schwiegersohn erhalten. Wir aber nehmen gemeinsam Besitz von dem alten Eulenthurm.und# werden dirin wohnen und ihn in Ehren halten. Ist das nicht auch Deine Meinung, meine Mia?

Ich würde glücklich sein, wenn wir hier bleiben könnten, entgegnete sie leicht erröthend.Aber Conrad, vorerst muß ich doch noch nach Berlin zurück­kehren, denn ich habe hier Niemanden, bei dem ich bleiben könnte, bis...

Sie stockte und neigte verschämt das Haupt.

Conrad küßte ihre Hand.Du hast Recht und auch wieder Unrecht. Wir werden doch nicht Jahr und Tag vergehen lassen, bis Du mein kleines, liebes, süßes Weib wirst?

Was würden die Leute sagen!

Die uns nichts gönnen und nichts geben, müssen dennoch leiden, daß wir leben! rief er fröhlich.Ich will Dir einen Vorschlag machen, mein süßer Schatz! Du nimmst auf einige Tage Wohnung bei dem Justizrath.

O, Conrad, scherze nicht!

Nein, nein, ich scherze nicht! Du nimmst auf einige Tage Wohnung bei dem Justizrath Quensel. Er wird Dich mit Freuden empfangen. Er ist zwar auch Junggeselle, ich denke aber, die Leute werden seine siebzig Jahre respectiren. Ich rüste Alles zur Hochzeit und bereite Alles zu unserer Hochzeitsreise vor. Bald bindet uns des Priesters Wort und dann ja, dann treten wir die schon lange geplante Nordlandsreise an, um mit Eintritt des Winters in den alten Eulenthurm zurückzulehren und unserem Glück und unserer Arbeit zu leben. Ist der Plan nicht herrlich?

Laß mich mit dem Justizrath sprechen, entgegnete sie nach einer Weile. Er hat mich so freundlich und theilnahmsvoll empfangen, daß ich volles Ver­trauen zu ihm gefaßt habe. Wenn er Deinen Plan billigt, dann mag es so sein, wie Du bestimmt hast.

Ich bin's zufrieden. Der Justizrath wird Dir gewiß keinen anderen Rath geben, als den mit mir sofort den Ehebund zu schließen.

Sie hielt ihm den Mund zu und zupfte ihn am Ohr.

Aber Conrad behielt im Allgemeinen doch Recht. Denn wenn auch der Zustizrath nicht zur sofortigen Hochzeit rieth, so billigte er doch den Plan Conrad', wenn erst einige Wochen mindestens vierzehn Tage verflossen

piten. Die desen Leicted gad sch denr auch das Heuchar uftahen und beschloß, bis zur Heirath auch den neugierigen Mitmenschen nichts von ihrem Herzensbunde zu sagen.

*

*

Die Bewohner des Eulenthurmes und noch mehr die der guten, alten winkeligen Stadt waren sehr erstaunt, als sie einige Wochen später im Intelli­genzblatte die Anzeige der Vermählung des Hauptmanas a. D. Conrad Uhle mit Fräulein Mia Ruland lasen. Ganz besonders kluige Leute hatten aller­dings dieses Ereigniß schon längst vorausgesehen; vor Allem die alte Cathrine wußte jetzt nicht genug zu erzählen, wie sie seit dem ersten Tage geahnt habe, daß Conrad Uhle und Mia Ruland ein Paar würden.Es ist ja Alles schön und gut, sprach sie mit wichtiger Miene,und ich gönne Fräulein Mia den braven Mann, aber Eines scheint sich der Herr Hauptmann doch nicht recht überlegt zu haben, daß er nämlich jetzt des Vermögens meines alten Fräuleins verlustig geht. Denn ich weiß es ganz bestimmt, daß Fräulein Uhle den Grott­lers das Geld vermacht hat, im Falle der Hauptmann sich nicht mit Fräulein Olga Grottler verheirathen würde. So mit einem Schlage dreimalhundert­tausend Mark zu verlieren, ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Die guten Leute waren im Allgemeinen derselben Ansicht, besonders alle diehonetten Leute, die nicht begreifen konnten, wie man dreimalhunderttausend Mark für die treue Liebe eines braven Mädchens eintauschen konnte. Mia Ru­land gehörte doch nun einmal nicht zur Gesellschaft, ihr Vater war ein Trunken­bold gewesen und sie selbst hatte sich den Lebensunterhalt durch Malerei und Handarbeit mühsam genug erworben. Professor Rönneberg meinte sogar, daß sich sein Jugendfreund durch diese Heirath selbst aus der Liste der Gesellschaft gestrichen habe, was Julchen Mittenzweig indessen auf das Entschiedenste bestritt. Julchen Mittenzweig war überhäupt fast die Einzige, welche Partei für das Fjunge Ehepaar nahm. Sehr entrüstet zeigten sich die Grottlers, welche inzwischen von Norderney zurückgekehrt waren. Indessen mischte sich bei ihnen doch in das Gefühl der Entrüftung eine gewisse Schadenfreude, daß Conrad nunmehr das baare Erbtheil der Tante verloren habe.

Es ist am Ende am Besten, meinte Frau Commercienrath,daß Alles so gekommen ist. Du, Olga, hättest doch nicht recht zu Conrad gepaßt. Tröste Dich. Mit dem Vermögen der Tante wirst Du eine weit bessere Partie machen.

Olga vergoß einige Thränen der Enttäuschung, denn sie hatte Vetter Con­rad in der That gern gehabt. Als aber ein neuernannter Regierungsassessor, der sogar einen adeligen Namen trug, sich sehr um ihre Gunst bemühte, vergaß sie den treulosen Vetter sehr bald.

Der Commercienrath fragte den Notar Quensel fast jeden Tag, ob er das Testament, der Tante Conradine noch nicht öffnen wolle. Der Justizrath lächelte indessen geheimnißvoll und meinte, man müsse die Rückkehr des jungen Paares abwarten, da Fräulein Conradine Uhle bestimmt hatte, daß alle Verwandten bei der Eröffnung des Testamenks gegenwärtig sein sollten.

Wie aber jeder Tag im Jahre kommt, so auch der Tag der Rückkehr des neuvermählten Paares. Ein festlicher Empfang wurde ihm durch die Bewohner des Eulenthurmes bereitet. Die große Eule über dem Haupteingang war neu vergoldet worden, sbenso, der alte Spruch auf dem so seltsam verschlungenen Bande. Der Hausslur, Treppen, Thüren und Fenster waren mit Blumenguir­landen geschmückt und die Bewohner unter Führung des alten Justizrathes standen in seiertäglichem Gewande auf dem breiten Flur zum Empfange bereit. Der Materialwaarenladen und das Eulennest strahlten im hellen Kerzenlicht. Cathrine hatte ihre schönste, weißeste Spitzenhaube aufgesetzt und Herr Friedrich Wilhelm Nettemeyer, sowie der Besitzer des Materialwaarenladens batten sich reine weiße Schürzen umgebunden. Auch die Stammgäste des Eulennestes waren fast vollzählig unter der Anführung des dicken Pianofortefabrikanten Holzwes und des Stadtphysicus Doctor Witte versammelt.

(Fortsetzung folgt.)

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