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Tür#iie Redaction verantwortlich: I. Beitlich, Ruhrort.
Nr. 15.
Amtliches Kreisblatt für den Kreis Ruhrort.
Anzeiger für den Verwaltungsbezir Hömberg am Rhein.
Verbunden mit der Gratisbeilage:„Illustrirtes Conntagsblatt.“
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Donnerstag, den 18. Januar 1894.
21. Jahrgang.
Die aste Läung der Tohalseurwostage
hat im Reichstage vier ausgedehnte Sitzungen in Anspruch genommen. Am Regierungstische wohnten den Verhandlungen die Finanzvertreter sämmtlicher Bundesstaaten bei, die irgendwie bei der Vorlage interessirt sind; außer dem Reichsschutzsecretär Grafen v. Posadowsky, der als erster Redner das ganze finavzpolitische und stattstische Material erschöpfend darlegte, griffen noch der badische Gesandte v. Jagemann, der reichsländische Unterstaatssecretär t. Schraut, der bayerische Finanzminister Frhr. v. Riedel und der preusische, Herr Miquel, in die Debatte ein.
Faßt man die Aeußerungen, die vom Bundesrathstische kamen, zusammen, so ergiebt sich Folgendes: Den Einzelstaaten kann nicht zugemuthet werden, die Mehrbedürfnisse des Reiches durch Erhöhung der Matrieularnmlagen zu decken, die, nach der Kopfzahl erhoben, zwischen den Staatsverbänden mit ärmerer und denen mit wohlhabender Bevölkerung zu Unbilligkeiten führen würden. Eine Reichseinkommensteuer einzuführen, ist unmöglich, weil in den Einzelstacten die verschiedensten Steuersysteme bestehen, in einzelnen gar keine Einkommensteuer, an die sie sich anlehnen könnte; eine selbstständige und einheitlich geregelte Reichseinkommensteuer aber würde die Selbstständigkei: und Finanzhohett der Einzelstaaten beeinträchtigen. Neue Steuern auf nothwendige Lebensmittel legen, das wollen die verbündeten Regierungen nicht; de bleiben nur solche auf Genußmittel übrig, und von diesen ist der Tabak am geeignetsten, weil er bisher in Deutschland gegenüber andern Ländern, die geringste Belastung zu tragen hatte. Die Form der neuen Tabaksteuer— Fabrikatsteuer anstatt der bisherigen Gewichtsteuer, die feine und schlechte Qualitäten gleich hoch, also den ärmeren Raucher verhältnißmäßig höher belastete— ist so gewählt, daß sie den Fabrikanten trifft, nicht aber den einheimischen Pflanzer. Damit nutzt die neue Steuer auch der Landwirthschaft, indem der einheimische Tabaksbau sich rach der Menge wie nach der Güte des Anbaues wieder vermehren kann. Was endlich die Vertheilung der Steuerlast auf die Taboksverbraucher angeht. so kommen diejenigen, die sich mit den wohlfeilen Sorten von Rauch=, Schnupf= und Kautabok bescheiden, gegen die bisherige Steuer billiger fort, und mehrbelastet werden nur die Verbraucher mittlerer und seiner Sorten. Die bisherige Fünsofennig=Cigarre wird sechs Pfennige kosten. Die Tabaksteuer stellt eine Luxussteuer dar, die allerdings auch die Leute von mittlerer Lebenshaltung in Mitleidenschaft zieht; aber Luxussteuern, die ausschließlich die Bedütfnisse der Reichen belasten, würden nennenswerthe Erträge nicht geben. Ein Rückgang des Tabaksverbrauches endlich, der die Industrie und deren Arbeiter oder den Ectrag der Steuer selbst beeinträchtigte, ist nach den Erfahrungen, die man früher bei uns wie in andern Ländern bei Erhöhung der Tabaksteuer gemacht hat, nicht zu besorgen.
Aus dem Hause, das an den drei ersten Verhandlungstagen überaus schwach und nur am vierten leidlich besetzt war, sprachen 16 Redner, davon 6 für die Vorlage— wobei natürlich ein jeder Redner noch seine besonderen Vorbehalte hatte— und 10 dagegen. Von den Deutschconservativen trat als Fürsprecher Herr Gescher auf, der sich auf seine practischen Erfahrungen als früherer finanzieller Berather der Türkei berufen kann, ferner Zorn v. Bulach, der als Reichsländischer mit besonderem Nachdruck darlegen konnte, in welchem Maße der Tabakbau eine Agrarfrage für die süddeutsche Landwirthschaft geworden ist. Freiherr v. Hammerstein sprach als Gegner des Gesetzes, wobei die Sonderinteressen seines westfälischen Wahlkreises— die Verarbeitung amerikanischer Tabake spielt daselbst eine Rolle— vorwiegend zum Ausdruck kamen. Für die Reichspartei äußerte sich Frhr. v. Stumm=Halberg unbedingt zustimmend, aus dem Centrum— diese große Partei schickte nur diesen einen Redner ins Feld— Herr Fritzen ablehnend gegen den Entwurf,„wie er hier vorliege"; das letzte Wort hat die Fraction also noch nicht gesprochen. Von den Nationalliberalen äußerten sich drei Herren: Bassermann, Clemm und Weber, und zwar sämrtlich der Vorlage wohlgesonnen. Die übrigen Redner erklärten sich gegen das Gesetz: von der Freisinnigen Vereinigung Herr Frese, der Bremen nicht seine Stellung als Tabaksweltmarkt verkümmern lassen will; von der Freisinnigen Volkspartei mit der bekannten„Unentwegtheit" die Herren Richter und Schneider; von den Wilden Herr Rösicke, von den Weisen Herr v. Arnswaldt=Hardenbostel, von der antisemitischen Resormpattei Herr Böckel; endlich von den Socialisten die Herren Meister und Molkenbuhr, denen natürlich die berühmte progressive Reichseinkommensteuer nach Bebelschem Recept im Kopfe spukt.
Die Vorlage ward schließlich derselben Commission überwiesen, welche gegenwärtig das Börsensteuergesetz beräth. So schnell abgethan wird der Entwurf daselbst nicht werden, wie es namentlich seine Feinde auf der äußersten Linken wünschten; die Darlegungen des Reichsschatzsecretärs, des
prei ßischen und des dayerischen Finanzministers und diejenigen des Freiberen
v. Stumm haben, wie im Lande, so auch im Hause gar Manchen zum Nachdenken darüber gebracht, daß, wo ein Wille ist, auch ein Weg gefunden werden muß Der Wille aber ist die Deckung der Heeresvermehrung; der Weg ein angemessenes System indirecter Reichssteuern. Und wer zur Zeit eine bessere weiß, als die Tabaksfabrikatsteuer, der stehe auf und sage es den Heiren von der Opposition im Reichstage, denen das Latein ausging, als sie irgend einen practischen Gegenvorschlag machen sollten.
* Das Beispiel Frankreichs.
Noch in den letzten handelspolttischen Debatten des Reichstags ist das ganze System, auf dem die neuere Handelspolitik beruht, angegriffen worden Erstlich sollte die deutsche Regierung bei ihren Bemühungen, die schweren mit dem Ablauf aller Handelsverträge 1892 drohenden Schädigungen und namentlich die unausbleibliche Unsicherheit der Zollverhältnisse für den Waarenverkehr zu vermeiden, nicht genug Zugeständnisse von den Vertragsstaaten erlangt haben Wetter wurde ihr auch entgegengehalten, daß sie überhaupt nicht den Weg des gütlichen Uebereinkommens mit anderen Staaten in gleicher Lage hätte einschlagen, sondern zunächst den deutschen Zolltarif hätte erhöhen und dann erst von einer solchen Kampfstellung aus die anderen Staaten an sich herankommen lossen sollen. Darin liegt also die Empfehlung einer Art Meistbeschädigungssystems im Gegensatz zum System der Tarifverträge mit Meistbegünstigung. Die unmittelbare Folge wäre gewesen, daß an Stelle der Stetigkeit der Zollverhältnisse, auf den der Handel und die für das Ausland arbeitende Production den größten Werty legt, für ein großes Wirthschaftsgebiet der Zustand der Unsicherheit und des Kampfes getreten wäre. Außerdem ist nicht zu vergessen, daß unser Zolltarif in den Positionen, in denen nachher Zugeständnisse gemacht wurden, schon eine ansehnliche Höhe erreicht hatte, und daß namentlich bei der letzten Erhöhung der Getreidezölle von 30 auf 50 Mark für die Tonne Weizen und Roggen im Jahre 1887 schon die Absicht geltend gemacht worden war. damit ein Ausgleichungsmittel für spätere Unterhandlungen mit anderen Staaten herzustellen.
Unter den Ländern, die nach den Wünschen der deutschen Gegner unserer Handelspolitik verfahren sind, steht Frankreich obenan. Es faßte beim Herannahen des handelspolitischen Kometenjahres(1892) zunächst nicht Handelsverträge ins Auge, sondern setzte auf seinen Tarif ein neues Stockweik und verhandelte von dieser höheren Warte aus mit fremden Staaten, indem es seinen alten Tarif als Minimaltarif anbot. Welche Geschäfte hat nun Frankreich mit diesem System gemacht? Wie jetzt gemeldet wird, betrug in den ersten elf Monaten des Jahres die französische Ausfuhr 1891 noch 3293 Millionen Francs, 1892 3220 Millionen und 1893 nur 2917 Millionen Francs. Der Rückgang der Ausfuhr im letzten Jahre gegen 1892 beläuft sich danach auf 303 Millionen Francs oder mehr als 9 pCt. Von besonderer Bedeutung ist es, daß darunter auf die Minderausfuhr an Fabrikaten 114 Millionen Francs entfallen. Nicht minder wichtig ist es, daß die Abnahme der Ausfuhr im Verkehr mit nahezu allen Ländern eingetreten ist, welche die Hauptabnehmer französischer Eczeugnisse sind; am Meisten mit der Schweiz mit der Frankreich durch sein System in wirthschaftlichen Kriegszustand gerathen ist. Umgekehrt weist die deutsche Waarenstattstik für 1893 eine bedeutende Verbesserung unserer Handelsbilanz durch Vermehrung der Ausfuhr auf.
Man braucht nun nicht so weit zu gehen, daß man behauptet, der Rückgang der französischen Ausfuhr sei lediglich durch das System der dortigen Zollpolitik verschuidet. Unter einer Welthandelsstockung, wie sie auf die Zeit der Ueberproduction der Jahre 1888 90 gefolgt ist und folgen mußte, leiden eben alle Kulturstaaten; die Zollpolitik eines einzelnen Staates kann ihre Folgen für diesen Staat nur mildern oder verschärfen. Aber jedenfalls liegt in den Erfahrungen Frankreichs ein schlagender Beweis dafür, daß die im Allgemeinen auch bei uns noch nicht ganz geschwundene Ungunst der Geschäftslage mit Unrecht auf die deutsche Tarifpolitik geschoben wird, und daß die Befolgung des Rathes, wir hätten es machen sollen wie Frankreich, jene Ungunst nicht verbessert, sondern wahrscheinlich verschärft hätten.
Nachskags=Behandlungen.
* Berlin, 17. Jan.
Präsident von Levetzow eröffnet die Sitzung um 1½ Uhr. Das Haus ist schwach besetzt.
Am Bundesrathstische: v. Bötticher und Commissare.
Der Reichstag erledigte in seiner heutigen Sitzung zunächst ein lange Reihe von Wadlprüfungen fast ohne Dedatte. Nur an einem Punkte verlangte Abg. Rickert(sreis.) Zurückweisung an die Commission, was indeß abgelehnt wurde. Alsdann gelangte der Antrag des Centrums betreffend die Erwerbs= und Wirthschaftsgenossenschaften zur Verhandlung. Es handelt sich dabet um Einfügung einer Strafbestimmung in Consequenz der in dem Gesetz von 1889 enthaltenen Bestimmung, daß Consumvereine an Richtmitglieder Waaren nicht verkaufen dürfen. Der Antrag schlägt vor, daß Personen, welche in Consumvereinen mit dem Verkaufen der Waaren beauftragt sind, wenn sie an Nichtmitglieder verkaufen, mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. bestraft, und daß die Mitglieder des Vorstandes von dem Gerichte zur Befolgung der fraglichen Vorschrift des Gesetzes durch Ordnungsstrafen im Betrage von 20 bis 600 Mk. angehalten werden sollen. Abg. Wattendorf(Ctr.) begründete den Antrag, indem er lebhafte Klagen über die Concurrenz der Consumvereine gegenüber dem kleinen Kaufmann führte und den Antrag als zur Erhaltung des Mittelstandes schlechthin nothwendig erklärte. Die Abgg. von Stumm(freicons.) und Kropatschek(cous) traten dem Antrage bei, da ohne denselden das, Gesetz von 1889 eine Lücke habe; ebenso befürworteten die Abgg. Clemm=Sachsen (Antisemtt) und von Czarlinski(Pole) den Antrag, der anderseits von den Abgg. Schneider(freis. Volksp.) und Bock(Soc.) als die Existenz der im Interesse der weniger bemittelten Klassen nothwendigen Consumvereine untergrabend bekämpft wurde. Die nat=lib. Abgg. ElemmLudwigshafen und Osann stimmten zwar dem Grundgedanken des Antrags zu, hegten aber gegen die Gestaltung desselben große Bedenken und beantragten Commissionsberathung. Abg. Clemm wies auf die Schwierigkeit hin, daß der Verkäufer in einem großen Consumverein jeder Zeit die Legitimation des Käufers prüfen solle, und Abg. Osann war der Ansicht, daß eine Bestrafung doch nicht auch dann eintreten könne, wenn der Verkänfer nicht das Bewußtsein der Gesetzesverletzung gehabt habe. Gegenüber verschiedenen Hinweisen auf die schlimme Concurrenz, welche der Officier= und der Beamtenverein dem Privatgeschäft bereiten, unternahm Abg. v. Poddieldkt (cons) eine Vertheidigung des Officiervereins, der eine mit Corporationsrechten ausgestattete Vereinigung sei und mit Consumvereinen gar nicht verglichen werden könne. Dewgegenüber hob Abg. Hammacher(natl.) hervor, gerade der Umstand, daß derartige große Organisationen, auch soiche, welche mit gewerdlichen Anstalten verbunden seien, Organisationen, die dem Mittelstande schwere Concurrenz bereiten, nicht unter das vorliegende Gesetz fielen, mache eine gründliche Commissionsberathung über die Frage noihwendig. Der Antrag auf Commission wurde jedoch abgelehnt, und die Weiterberathung wird demnächst im Plenum erfolgen.
Die nächste Sitzung findet Donnerstag Nachmittag 1 Uhr statt.(Erste Berathung der Weinsteuer.)
Landtags=Verhandlungen.
Herrenhaus.
V. Gerlin, 17. Jannar.
Das Herrenhaus hatte heute eine kurze Sitzung, worin der Präsident
die Anfrage an die Staatsregierung richtete, ob und wann dieselbe die Interpellation v. Manteuffel über den landwirthschaftlichen Rothstand zu beantworten gedenke. Nachdem der Landwirthschaftsminister von Heyden sich bereit erklärt hatte, die Interpellation in der nächsten Sitzung zu beantworten, wurde dieselbe auf morgen anberaumt.
Politische Nachrichten.
Deutschland.
* Berlin, 17. Jan. Unser Kaiser arbeitete heute Vormittag mit dem Chef des Ciotlcabinets. Mittags hielt der Kaiser im Capttelsaal ein Capttel des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler ab. Diesem ging im Rittersaale die Javestitur der schon früher ernannten Ritter, zunächst des Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern und des Fürsten zu Schaumburg=Lippe, sodann des Ministerpräsidenten Grafen Eulenburg voraus, worauf die neu investirten Ritter an diesem Capitel Theil nahmen.
— Gestern Abend fand zu Ehren der hier anwesenden fürstlichen Gäste in königlichen Schlosse eine größere Tafel zu 42 Gedecken statt, wozu u. A. auch der bayerische Gesandte Graf von Lerchenfeld, der bayerische Militärbevollmächtigte Ritter v. Haag, Finanzminister Dr. Frhr. v. Riedel, der Reichskanzler, der Staatssecretär des Auswärtigen geladen waren.
Der Hüttenmeister.
Roman von Gebhardt Schätzler=Perasini.
(64. Fortsetzung.)
„Arme Mutter!“ rief sie, auf die alte Frau zueilend.„Du hast vergeblich gewartet. Nein, ich will offen sein, auch ich stand am Fenster und schaute nach dem Dorse. Wie hätte ich es nicht thun sollen in einem Augen blick, wo es sich um so Vieles handelt. Aber laß das Traurigsein, Mutter." bat sie herzlich;„morgen kommen sie gewiß nach Hause. Fretlich liegen wieder Stunden dazwischen, lange Stunden, wenn man bange wartet. Wir wollen sie uns wenigstens etwis verkürzen, deshalb kam ich sogleich. Willst Du, Mutter?“
„Wie gut Du bist, Leopoldine!“
„Wir verleben den Tag im Herrenhause!“ plauderte Leopoldine.„Dort ist Dir Alles neu, ich freue mich. Dir's zeigen zu können. Und wenn es Dir recht ist, machen wir gegen Abend eine Ausfahrt nach dem Buchenwald. Ich kann Dir die verbleibenden Stunden nicht wegnehmen, wie ich gern möchte, aker verkürzen kann ich sie vielleicht. Willst Du?“
„Alles, Leopoldine!“ antwortete die alte Dame, trübe lächend.„Sage, wann wir geben wollen.“
„Gleich, Mutter, es ist nicht welt zu meinem Gut und der Weg ganz reizend, ich selbst habe dafür gesorgt. Lege Deine tieftraurige Miene eine kurze Weile ab, denke, daß Alles gut, am Besten werden muß. Selost Marlechen wird Franz wiederfinden. Dafür ist mir nicht bange, so wie ich ihn kenne—“
Sie stockte plötzlich und ihre Hand suchte einen Stützpunkt.
„Wat ist Dir. Leopoldine? Du wirst bleich!“ rief Frau Anna erschrocken.
„Nichts— ich muß fort; es war nur ein momentanes Ueberraschen—“
„Mahame,“ rief in diesem Augenblick die etwas entfernter stehende Lisbetb. sehen Sie doch dor:— dort sind sie!“
„Wer?“ fragte die Mutter und wandte sich hastig um
„Rein Bruder und ein großer Herr mit langem Bart. Sie sind schon ein gut Theil vom Dorfe weg und kommen näher.“
„Franz!“ schrie die alte Frau, in Schluchzen ausbrechend.„Da ist er — siehst Du, Leopoldine?“
„Das war es, was mich erschreckte!“ antwortete Leopoldine eilig.„Wir haben die Herren übersehen.“
Einen raschen Blick sandte sie nach der Straße— wie ruhig und fest er daherkommt!
Dann in äugstlicher Hast Frau Auna die Hand dietend, sagte sie:
„Adien— diesmal für länger. Dein Sohn wird Dich wieder schützen. Mutter. Ich wünsche Euch alles Glück!:
„Du willst uns jetzt verlassen, Leopoldige?“ frigte die Mutter.
„Ih muß!“ antwortete sie und wies auch die Berleitung Lisbetds zurück.
„Bleiden Sie nur,“ sagte sie, ich kenne den Weg durch die Kirche. diesen geh: ich. Adien!“
Sie war sort und Frau Aana haute nur noch Sian und Angen für
den ankommenden Sohn.
Mit Lisbeth eilte sie an den Garten=Eingang
Er sollte sie gleich sehen, ihr Franz, die Mutter als ersten grüßenden Boten der Heimath.
Die beiden Männer waren aus dem Dorfe getreten zu derselben Zeit, da Frau Annz und Lisdeth sich nach der Baronin wendeten und mit dieser sprachen.
Von da an hatte keine der Frauen sich dem Dorse zugewendet; sie hofften ji nicht mehr auf die Ankunft der Beiden
So war es möglich, daß die Herren näher kommen konnten, ohne von den im Garten Anwesenden bemerkt zu werden, bis Leopoldine einen zufälligen Blick nach dieser Richtung that und Lisbeth ihr dann folgte.
Als der Postwagen vor dem Posthause anhielt, hatte es großer Beredtsamkeit von Seiten des Pastors bedurft, um den Hüttenmeister zu bewegen, ihm nach dem Pfarrhause zu folgen.
Es hatte längere Zeit in Anspruch genommen, ehe sich Franz entschloß.
Daher die Verspätung.
Der Hüttenmeister hatte nur noch Gedanken für die Heimath.
Zum ersten Mal athmete seine Brust wieder frei nach der langen Haft.
Die Sonne schien so hell und warm, der laue Wind wehte ihm ums Haupt, und all' dies machte ihm erst recht klar, wie viel er entbehrte, wie Viel ihm geschenkt ward.
Nun aber wollte er heim, ohne Aufenthalt, ohne Ablenkung.
Der Hüttenmeister hatte sich vorgenommen, im Posthause einen kleinen Imbiß einzunehmen und dann, wenn möglich, mit der Extra=Post weiter zu reisen.
Daß kaum hundert Schritte davon seine Mutter harrte, konnte er nicht ahnen.
Er hatte dem Pastor unzählige Mal. für seine Bemühungen gedankt, ihn zugleich aber gebeten, wetterreisen zu dürfen.
Wußte er doch aus vorsichtigen Aeußerungen desselben, wie es um sein Hüttenwerk stand.
Dies machte ihm zwar im gegenwärtigen Augenblick nicht viel Kummer, er fühlte sich frei, undehtndert und im Volldesitz seiner ganzen Kräfte.
Es drängte ihn, so rasch als möglich wieder die Zügel in die Hand zu nehmen und das Geschäft zu letten.
Und mochte es noch so dergad gegangen sein mit dem Hüttenwerk, er konnte sich in den Weg stellen und mit seinen beiden starken Armen den Sturz vermeiden.
Auch der Gedanke an sein armes Kind kam ihm. Es war noch nicht gefunden, wie der Pastor sogte.
Ader der Hünenmeister verzweifelte nicht mehr, ihm ward es zur Gewißhett, daß er jegt seinen Liedling fand.
Wer thn eigentlich defreite?
Der Pastor schwieg dirüder hartnäck'g
Daß ihm ohne diesen geheimutßvollen Einspruch noch manchen Tag die Zellenthür verschlossen geblieden, wußte er wohl.
Und nun errieth er auch langsam die Person, schwieg jedoch dem Pastor gegenüber.
Schließlich war er Baumann doch gefolgt.
Es hatte den Anschein, als betrachte es dieser mehr als eine bloße Höflichkeit, daß ihm der Hüttenmeister den Gefallen that und im Pfarrhaus eine Stunde ausruhte.
Als die Beiden aus dem Dorfe traten, zeigte der Pastor dem Befreiten das Pfarrheim.
Mit der kleinen Kirche daneben, lag es reizend da im sonnigen Licht, wie ein blühendes Bouquet legte sich der Garten vor das Haus.
Weiter zurück, inmitten eines Parkes, sah man ein Herrenhaus. Franz Burgdorf fragte nicht nach dem Namen des Besitzers.
Seine Ahnung schien sich zu bestätigen.
„Sie wohnen hier herrlich!“ sagte er zu dem Pastor. Dieser nickte.
„Ja, es ist ein sonniges, grünes Plätzchen. Es war nicht immer so, erst im Verlauf der letzten beiden Jahre durfte ich es mit Hülse einer edlen Gönnerin so umwandeln.
„Ich bemerke in ihrem Garten Frauen?“ sagte Burgdorf.
„Nur meine Schwester bewohnt mit mir das Haus,“ erwiderte Baumann etwas unvorsichtig.„Indeß— Sie haben Recht! Jetzt treten sie von der Laude weg—“
Er deschattete die Augen mit der Hand.
„Eine Dame entfernt sich eben hastig," versetzte der Hüttenmeister auffällig erregt.„Man hat uns bemerkt.“
„Ganz Recht!" bestätigte der Pastor.„Meine Schwester eilt mit einer fremden Dame zum Gartenthürchen.“
Der Hüttenmeister wendete sich, stehen bleibend, an seinen Begleiter. „Eine Bitte, Herr Pastor. Steht jene Dame, welche sich so rasch entfernte, mit meiner Befretung in irgend welchem Zusammenhange?“ Schwankend erwiderte Baumann:
„Ich kann es nicht leugnen— doch fragen Sie nicht mehr!“
„Ich danke Ihnen.“
Franz Burgdorf ging schneller und richtete sein Auge wieder nach dem Garten
„Allmächtiger!“ rief er plötzlich überlaut.„Dort ist meine Mutter! Pastor, weshald haben Sie mir das nicht gleich gesagt?“
„Ich hatte davon keine Ahnung,“ sagte Baumann überrascht.
Dem Fortstürmenden zu folgen, war fast unwöglich.
Schon nach zvei Minuten hatten sie das Pfarrbaus erreicht und der starke Mann sank mit einem Aufschrei vor der alten Mutter in die Kniee.
Die beiden Geschwister begrüßten sich herzlich und traten dann discret bei Seite, um Mutter und Sohn ihre Gedanken und Empfindungen austauschen zu lassen.
„Deine Mission ist Dir gelungen, Bruder, wie ich sehe?“ fragte Lisbeth erkreut
„Wis diesen Theil betrifft, ja. Der Advokat hatte Recht, des Hütten,