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Ruhrord
Reichstags=Verbandlungen
W. Berlin, 16. Jon.
Uhr mit ge
Am Bundesrathstische: Dr. von Stephan u. A. Präsident von Leveßow eröffuet die Sitzung um 121 ebstichen Winrdelungen. Wwurf betteihend Ghesdunfen: Gur a. erhacht
Eingegangen ist der Gesetzentwur veirenfend Berampfung der Tiuntsuchl.
Die zweite Berathung des Etats des Reichsamts des Innern wird bei den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats fortgesetzt.
Tit. 3 wirft an Kosten der Betheiligung des Reiches an der Welt ausstellung zu Chicago im Jahre 1893 900000 Mark aus.
Abg. Fritzen richtet an die Regierung die Frage, wie sich die Be
theiligung Deutschlands an dieser Ausstellung gestaltet hat.
Unterstaatssecretär Dr. von Rottenburg erwidert, nach einem Bericht des Commissars für die Ausstellung sei von einer großen Anzahl von Branchen der deutschen Industrie eine Collectiv=Betheiligung gesichert. Nicht erreicht aber sei das Ziel, daß die deutsche Industrie geschlossen in Chicago auftrete. Mehrere Industrien verhalten sich dauernd ablehnend, darunter die Sammet= und Seiden=, ein Theil der Leder= und die Eisentndustrie,
weil sie annehmen, daß sie doch kein neues Absatzgebiet erobern könnten. Darum handele es sich aber gar nicht, sondern darum, den disherigen Besitzstand, der sehr bedeutend sei, zu erhalten. Wir exportiren nach Nordamerika etma für 400 Millionen Mark Waaren, etwa ½ unseres
gesammten Exports. Außerdem aber komme doch auch noch Betracht und da müsse man besonders auf der Hut sein, weil die Vereinigten Staaten mit größter Energie den Zweck verfolgen, Südamerika in wirthschaftliche Abhängigkeit von sich zu bringen. Es handele sich da um eine Art von Monroe=Doctrin, die die Vereinigten Staaten sogar auf Asien ausdehnen wollen. Die ablehnende Industrie sage ferner, die Kosten der Ausstellung würden zu groß sein. Aber gerade für einige der ablehnenden Industrien, wie z. B. die Sammet=Industrie werde das nicht der Fall sein;
außerdem aber müßte man den englischen Grundsatz befolgen, das Pfuno nicht zu scheuen, wenn man damit 100 Pfund einnehmen könne. Als dritter Grund der Ablehnung werde angeführt, daß man mit Amerika wegen der Mac Kinley Bill schmolle. Das sei völlig ungerechtfertigt; denn man könne keinem Staate übeinehmen, wenn er seine Interessen wahrzunehmen bemüht ist. Ueberhaupt sei Schmollen niemals angebracht. Die Gründe der Industriellen könne er also als durchschlagend nicht auerkennen. Die Regierungen hätten das Ihrige gethan, um die Industrgeigz eun#bgergenger, daß es in ihrem Interesse läge, die Ausstellung zu dankenswerth, wenn jetzt die einflußreichen Leute, besonders die Reichstagsmitglieder, in ihrem Kreise auf die Industrie einwirken wollten, sich in Chicago zu betheiligen.
Referen: Abg. Singer(Soc.) constatirte, daß der Regierungsvertreter in der Commission erklärt habe, die Regierung nehme jetzt vorläufig eine
abwartende Stellung ein.
Abg. Goldschmidt giebt ebenfalls der Hoffnung ausoruck, daß unsere gesammte Industrie sich an der Chicagoer Ausstellung betheiligen möge. Es handle sich da nicht nur um den amerikanischen Markt; unsere Interessen gingen viel weiter und er begrüße die Bemöhungen der Regierungen mit Freuden; die deutsche Industrie habe allen Grund, nachdem sie sich in Paris nicht betheiligt hatte, nun nicht wieder zurückzustehen, sondern ihre Leistungsfähigkeit zu zeigen. Die Erkenntniß dieser Nothwendigkeit werde sich hoffentlich auch darin zeigen, daß man in Berlin endlich eine deutsche Weltaus
stellung veranstaltet.
Abg. Dr. Witte(dfr.) äußert sich ebenfalls im Sinne einer recht regen Betheiligung der deutschen Industrie. Wenn auch für einzelne Industrien die Kosten hoch sein mögen, sei doch die Haltung anderer Zweige geradezu unbegreiflich. Es wäre tief bedauerlich, wenn in Chicago kein Gesammtbild unserer Industrie gegeben werden könnte. Der Schaden wäre zweisellos;
er empfiehlt der Regierung, nach Maßgabe der vorhandenen Mittel, die Betheiligung auch der kleineren Industriellen materiell zu fördern. Der Reichstag werde gern bereit sein, eine größere Summe als die in den Stat eingestellte zu bewilligen. Betreffs der Weltausstellung in Berlin möchte er bitten, den Zeitpunkt nicht zu früh zu wählen, um Zeit für die Vordereitungen zu lassen. Das Jahr 1900 halte er für das richtigste.
Unterstaatssecretär Dr. von Rottenburg bemerkt, daß gerade die, welche jetzt auf eine Weltausstellung in Berlin hinarbetten, die Ausstellung in Chicago beschicken müßten. Eine Berliner Weltausstellung könne nur dann großartig ausfallen, wenn Amerika daran Theil nimmt. Schmolle man jetzt mit Amerika, so könnte leicht Amerika dann mit Berlin schmollen. Was die Mehrforderungen, die der Vorredner erwähnte, betreffe, so werden diese nicht ausbleiben.
Abg. Dr. Bachem(Ctr.) spricht sein Bedauern über die Zurückhaltung der Crefelder Sammet= und Seiden=Industrie aus, die dadurch möglicher Weise den amerikanischen Markt verlieren werde. Schmollen würden die Amerikaner nie, das thun sie nicht, wo Geld zu verdienen ist. Schon im Interesse der nothleidenden Arbeiter hätten die Crefelder Fabrikanten die sittliche Pflicht, Arbeit zu schaffen und das könnten sie durch eine Betheiligung in Chicago. Er bitte die Regierung, ihre Bemühungen bei der Crefelder Industrie sortzusetzen und dabei zu berücksichtigen, daß sie nur wegen ihrer Nothlage sich nicht betheilige. Es möchte daher die Regierung alle Vortheile, die irgend geboten seien, der Crefelder Industrie zuwenden.
Unterstaatssecretär Dr. v. Rottenburg erwidert, die Regierung habe angesragt, welche Unterstutzung die Creselder Industrie wünsche; sie habe sich aber absolut arlehnend verhalten.
Abg. Dr. Hammacher(natl.) schließt sich dem Wunsche des RegierungsCommissars an, daß alle einflußreichen Männer ihr Ansehen im Sinne einer Betheiligung in Chicago einsetzen möchten. Was die Berliner Ausstellung angehe, so bedaure er die bisherige abwartende Haltung der Regierung. Ohne daß nur das Reich, die Einzelstaaten und die Commune Berlin die Sache in die Hand nehmen, komme bei der Eigenart des deutschen Wesens keine Weltausstellung zu Stande. Eine solche müsse aber aus wirthschaftlichen und politischen Gründen noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts stattfinden. Deutschland, das auf den Schlachtfeldern gesiegt, müsse die Völker der Welt um sich versammeln, um zu zeigen, in welcher Weise sich deutscher Fleiß und deutsche Thätigkeit entwickelt haben. Das würde nicht nur wirthschaftlich, sondern auch politisch unser Vaterland stärken, das von allen größeren europäischen Culturstaaten fast der einzige sei, der noch keine Weltausstellung gehabt (Lebhafter Beifall.)
Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. wied der Titel einstimmig bewilligt.. Mös.27z. 66.
Die Forderung, 40000 Mk. zur Auforaung und wissenschaftlichen Beschreibung des„römischen Grenzwalles“ in Süddeutschland beantragt die Budgetcommission aus Sparsamkeitsrücksichten zu streichen.
Nach einer längeren Dedatte, in welcher die Abgg. Oechelhäuser(natl.). Trölßsch(natl.). Lieder Ctr.), Birchow(freis.), sowie Unterstaatssecretär von Rottenburg und der württembergische Gesandte von Moser für die Bewilligung sprechen, während der Abg. Fritzen(Ctr.) den Standpunkt der Budgetcommission vertritt, wird die Forderung, abweichend von dem Commisiensbeschlusse, genehmigt... Mdahle 1. 9 Smg ein Wäche
Bei der Position„6. Rate für den Norvostseecanal“ 2 Millionen erhebt der Abg. Lingens(Ctr.) erneut Klage über die angeblich unzureichende Seelsorge für die am Canalbau beschäftigten Arbeiter.
Abg. Münch(freis) regt an, der Reichstag möchte einmal in corpore die Caval Arbeiten in Augenschein nehmen.
Die Position wird hierauf bewilligt und der Rest des Etats des Reichsamtes des Innern angenommen.
Beim Erat des Reichkeisenbahnamtes verlangt der Abg. Schrader(freis.), daß diese Behörde ausführlichere öffentliche Mittheilungen über ihre Thätigkeit mache. Namentlich sei es nöthig, zu erfahren, wie sich diese Reichsbehörde stelle zu der plötzlichen Sistirung aller Tarifreformen, die nach dem Vor
gange der preußischen Staatsbahnverwaltung jetzt überall in Deutschland
Präsident des Reichs=Eisenbahnamtes Schul;: Das Reichs=Eisenbahn= Amt wirkt heute theils als Verwaltungs=, theils als Aufsichtsbehörde. In ersterer Beziehung ist seine Thätigkeit eine nicht öffentliche, hingegen wird die Aufsichtsthätigkeit stets öffentlich dargelegt. Die Wünsche des Herrn Vorredners betreffend die Eisenbahn=Tarifreform gehören gegenwärtig vor die Parlamente der Einzelstaaten. Hier können sie nicht eingehenderörtert werden. Abg. Graf Kanitz(cons.) hält eine zu weit gehende Verbilligung der Eisenbahntarife für einen entschiedenen Fehler. Der Zonentarif, auf welchen immer hingewiesen wird, hat in Ungarn keineswegs so günstige Erfolge für die Bahnverwaltungen gehabt, wie seine Anhänger behaupten. Auch die Gütertarife sind in Ungarn zu sehr ermäßigt und bringen keinen nennenswerthen Nutzen. Was die im letzten Jahre zahlreich vorgekommenen Eisenbahnunfälle betrifft, so kann man der preußischen Staatsbahnverwaltung Vorwürfe wegen mangelhafter Instandhaltung der Bahnen nicht machen. Die Unfälle, die bei uns vorgekommen, haben ganz andere Ursachen, als mangelnde Betriebssicherheit.
Abg. Schrader(freis.) wünscht, daß der fiskaltsche Gesichtsponkt für die Verwaltung der Bahnen in Preußen nicht der allein maßgebende werden möchte. Der Vervollständigung des Betriebsmaterials namentlich müsse mehr Aufmerksamkeit als bisher zugewendet werden.
Präsident Schultz erwidert, daß nach den vorliegenden Uebersichten diese Nothwendigkeit schon berücksichtigt sei. Vorkommender Wagenmangel wird nicht so sehr durch Materialmangel, sondern wett mehr noch durch die Witterungsverhältnisse verursacht.
Abg. Hammacher(natlid.): Ich bin Herrn Schrader dankbar für seine Anregungen. Er steht ja dem Reichseisenbahnamte nicht feindselig gegenüber, sondern wünscht ihm blos größeren Einfluß Ntemand zweifelt daron, daß es seine Pflichten thut und z. B. über die Beschaffung des nöthigen rollenden Materials wacht. Wenn man jetzt so häufig Klagen über den Eisenbahnbetrieb hört, so kommt dies daher, daß das Reichseisenbahnamt seinen Zweck nicht erreichen kann, denn es steht im Wesentlichen nur auf dem Papier. Das wird erst mit dem Erlaß eines Reichseisenbahngesetzes aufhören, und hoffentlich entnehmen die verbündeten Regierungen diesen Anregungen den Anlaß, den Stein ins Rollen zu bringen. Ich stimme mit Herrn Schrader darin überein, daß man in der Finanzlage der preußischen Eisenbahnen keinen Grund für die Hintanhaltung der nöthigen Reform erblicken kann. Aber leider kann man nicht über die Ueberschüsse aus dem Eisenbahnetat verfügen. Die Kalamität, welche in der Entwickelung des Staatseisenbahnwesens in Preußen eingetreten ist, ist herbeigeführt durch die unzutreffende Behandlung der Eisenbahn=Finanzen Als wir für die Verstaatlichung eintraten, geschah dies in der Ueberzeugung, daß die Eisenbahnen lediglich in den Dienst der öffentlichen Verkehrsinteressen treten müssen. Das Garautiegesetz, das die Verwendung der Ueberschüsse für Eisenbahnzwecke sichern sollte, hatte aber nur einen calkulatorischen Effekt; die Ueberschüsse wurden für dauernde Staatsausgaben verwandt, und dies hat unser ganzes Finanzwesen deroutirt. Man hat so die Voraussagen der Gegner der Verstaatlichung wahr gemacht. Ich gehe darauf nicht ein. Alles in Allem bin ich der Meinung, daß die Anregung des Herrn Schrader eine sehr nützliche war. Es wäre in der That zu wünschen, daß das Reichseisenbahnamt kräftiger eingriffe und daß ein Reichseisenbahngesetz erlassen würde.
Der Etat des Reichseisenbahnamtes wird hierauf angenommen.
Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr.(Etat der Reichspost= und Telegropbezverwolung
Abg, Dr. Lieder(Ctr.)
Lieber(Ctr.) fordert Alle zur thätigen Mitwirkung daran
auf, daß Deutschland seine Bedeutung als Industriestaat in Chicago zur Anschauung bringe, das sei eine nationale Pflicht.
Abg. Dr. Bachem bittet die Regierung nochmals, die Crefelder dustrie zur Betheiligung zu bewegen; es wäre erwünscht, ihr Mittel zur Herstellung neuer Muster zu gewähren.
Abg. Frhr. v. Stumm(Rp.) meint, die Eisenindustrie stelle nicht aus, nicht weil sie schmolle, sondern weil sie nicht in der Lage sei, irgend etwas Neues auszustellen. Sie würde also nur Kosten davon haben. Als EisenIndustrieller bleide er also der Ausstellung fern, als Weinproduzent werde er sich betheiligen.(Heiterkeit.)
Unterstaatssecretär Dr. v. Rottenburg stellt in Abrede, daß es darauf ankomme,„Neues“ auszustellen, sondern es handele sich darum, zu zeigen daß die deutsche Industrie auf der Höhe ihrer Aufgabe stehe. Von diesem Gesichtspunkte aus habe er die Beschickung der Ausstellung befürwortet.
Abg Schrader(freis.) betont, gerade an der guten Vertretung der EisenIndustrie habe Deutschland ein hervorragendes Jnteresse, weil diese die größte und leistungssahigste Industrie Deutschlands sei. Unsere Maschinen=Industrie müsse den südamerikantschen Markt, den sie sich mühsam erworden, unter allen Umständen erhalten. Ebenso kämen Ostasien und Australten in Frage.
Pesithische Rachrichten.
Deutschland.
Berlin, 17. Jan. Unser Kaiser, der am Freitag Abend von seinem Jagdausfluge nach Bückeburg nach Berlin zurückgekehrt war, hatte nach Entgegennahme der lausenden Vorträge eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler, der auch zur Tafel geladen wurde. Heute wohnten beide Majestäten dem Ordensfest im Schlosse bei und unternahmen Nachmittags eine gemeinsame Spazierfahrt.
Im Berliner Schlosse ist heute das Ordensfest begangen worden durch Cour, Gottesdienst und Festtafel. Bei der letzteren fiel wegen der Hoftrauer um den Herzog von Clarence die Tafelmusik aus. Der Kaiser brachte selbst den Toast auf die neu ernannten Ordensritter aus. Aus der Zahl der Ordensverleihungen sind hervorzuheben folgende Auszeichnungen: Das Großkreuz des Rothen Adlerordens an den commandirenden General von Lewinski; den Rothen Adlerorden 1. Kl. an den früheren Botschafter Keudell; der Stern zum Rothen Adlerorden 2. Kl.
Ministerialdirector Dr. Bartsch im Berliner Cultusministerium, Reitsbank=Präsident Dr. Koch. Oberlandesgerichtspräsident Dr. Struckmann=Köln und eine Anzahl höherer Officiere; der Rothe Adlerorden zweiter Klasse an Oderforstmeister Danckelmann in Eberswalde, Prof. Dr. Dernburg in Berlin, den deutschen Gesandten Graf Dönhoff in Rio de Janeiro, Geh. Rath und Abg. Gamp in Berlin, Propft Frhr. v. d. Goltz in Berlin, Contre=Admiral Mensing. Fror. v Plessen, Gesandter in Darmstadt, Regierungspräsident v. Puttkamer in Frankfurt a. O., Contre=Admiral von Reiche, Consistorial=Präsident Dr. Richter in Stettin, Unterstaatssecretär Frhr. von Rotenhan in Berlin, Contreadmiral Thomsen, Geh. Rath von Woedlke aus dem Reichsamt des Innern; der Rothe Adlerorden 3. Kl. an den Director des Kunstgewerbemuseums Professor Dr. Lessing in Berlin, den Abg. Dr. Graf=Elberfeld; der Rothe Adlerorden 4. Klasse an Professor von Könen in Göttingen, Superintendent Dr. König in Witten; Kronenorden 1 Kl. an den commandirenden General von Blombeig; der Stern zum Kronenorden 2. Kl. an Vice=Admiral Schröder und den bekannten Großindustriellen v. Tiele=Winkler; den Kronenorden 2. Kl. an den General=Auditeur Ittenbach.
— Auf dem Ordensfeste in Berlin sind verliehen worder: Großkreuz des Rothen Adlerordens 1, Rother Adlerorden I. Kl. mit Eichenlaub 1, Stern zum Rothen Adlerorden 2. Kl. mit Eichenlaub und Schwertern am Ringe 4, Stern zum Rothen Adlerorden 2. Kl. mit Eichenlaub 14. Stern zum Rothen Adlerorden 2. Kl. 1, Rother Adlerorden 2. Kl. mit dem Stern 2, Rother Adlerorden 2. Kl. mit Eichenlaub und Schwertern 9, Rother Adlerorden 2. Kl. mit Eichenlaub 56, Schleife zum Rothen Adlerorden 3. Kl. 1. Rother Adlerorden 3 Kl. mit Schleife und Schwertern 11, Rother
Adlerorden 3. Kl. mit Schleife 110, Rother Adlerorden 4. Kl. 509, Kronenorden n Kl. 3,
3, Kronenorden 2. Kl. mit dem Stern 4, Kronenorden 2. Kl. mit Schwertern 1, Kronenorden 2. Kl. 1, Kronenorden 3. Kl mit Schwertern 111, Kronenorden 4. Kl 108, Hausorden von Hohenzollern(Adler der Ritter) 5, Hausorden von Hohenzollern(Kreuz der Inhaber) 1. Hausorden von Hohenzollern(Adler der Inhaber) 20, Allgemeine Ehrenzeichen in Gold 91, Allgemeine Ehrenzeichen 550.
— In Vertretung des Kaisers bei den Beisetzungsfeierlichkeiten wird sich Prinz Friedrich Leopold in Begleitung des Flügeladjutanten des Kaisers, Oberstlieutenants v. Bülow, Commandeur des Königs=Ulanen=Regiments
(1. Hannover) Nr. 13, nach London begeben. Die Kaiserin Friedrich wird durch ihren Kammerherrn, Grafen Seckendorff, vertreten sein.
— Der neue Volksschulgesetzentwurf umfaßt, wie bereits mitgetheilt, 194 Paregraphen in neun Abschnitten. Die wesentlicheren Unterschiede gegen den vorjährigen Goßler'schen Entwurf sind folgende:
1. Aufgabe und Einrichtung der öffentlichen Volksschule. Neu aufgenommen ist folgende Bestimmung: Der Regel nach soll ein Kind
den Unterricht durch einen Lehrer seines Bekenntnisses empfangen Soweit nicht an einem Ort bereits eine anderweite Schulverfassung besteht, sollen neue Volksschulen nur auf confessionekler Grundlage eingerichtet werden. Die vorhandenen Volksschulen bleiben, vorbehaltlich anderweiter Anordnung im einzelnen Falle in ihrer gegenwärtigen Verfassung bestehen.— Während im früheren Entwurf eine besondere confessionelle Schule erst für eine Minderheit von 60 Kindern eingerichtet werden konnte, ist diese Einrichtung im neuen Entwurf obligatorisch und außerdem fakultativ beim Vorhandensein einer Minorität schon von 30 Kindern.— Ganz neu ist die Bestimmung, daß Kinder, welche nicht einer vom Staat anerkannten Religionsgesellschaft angehören, an dem Religionsunterricht der Schule Theil nehmen müssen, wenn der Regierungspräsident nicht die Befreiung verfügt. Letztere muß nur erfolgen, wenn settens der zuständigen Organe der betreffenden Religionsgesellschaft ein bezüglicher Antrag gestellt und der Nachweis erbracht wird, daß den Kindern in der ihrem Bekenntnißstande entsprechenden Form und durch einen nach der Lehre ihres Bekenntnisses vorgebildeten, auch im Uebrigen befähigten Lehrer Religionsunterricht ertbeilt wird. Demnach können also Kinder freireligiöser oder religionsloser Eltern gezwungen werden, beispielsweise an einem katholischen Religionsunterricht Theil zu nehmen.—
Gleichsalls ganz neu ist auch folgende Bestimmung: An confesstonell eingerichteten Schulen dürfen nur Lehrer der betreffenden Confession beschäftigt werden. Diese Vorschiift findet auf den für die Kinder einer anderen Confession anzustellenden Religionslehrer keine Anwendung. Letzterem kann, wenn die Beschaffung der Lehrkräfte mit erheblichen Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist, ausnahmsweise nach Andörung des Schulvorstandes die Ertheilung anderer religiösen Fragen fernstehender Lehrstunden übertragen werden.
In dem zweiten Abschnitt„Träger der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Volksschulen“ findet sich die neue Bestimmung, daß zwar die dürgerlichen Gemeinden die Kosten der Schulen übernehmen, das Vermögen der einzelnen Schulsocietäten und Schulen aber den betreffenden einzelnen Schulen als besondere Schulstiftung verdleiben soll. Die besonderen confessionellen Schulvorstände für die einzelnen Schulen sollen auch in allen Städten gebildet werden, was bisher in den alten preußischen Provinzen niemals der Fall war. Die Stadtschulbehörde als Aufsichtsinstanz über den einzelnen Schulvorständen besteht aus dem Bürgermeister und dem betheiligten Kreisschulinspector, denen in einzelnen Fällen noch zwei Stadtverordnete und ein Magistratsmitglied hinzutreten. Den Stadtsen, die Zahl der gewählten und ernannten Mitglieder dieser Art in gleichem Verhältniß bis auf das Dreifache zu erhöhen. Bestehen in einer Gemeinde mehrere Schulen derselben Confession oder derselben Schulverfassung, so kann für dieselben durch Gemeindebeschluß ein gemeinsamer Schulvorstand eingesetzt werden.
Neu sind die Bestimmungen für Privatunterricht(§ 81 und 82). Darnach wird zur Ertheilung von Privatunterricht, welcher die Ziele der Volksschule verfolgt, sowie zur Begründung und Leitung von Unterrichtsanstalten jeder Preuße zugelassen, welcher seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat. Als Leiter(Leiterin) von Privatschulen dürsen insbesondere nur Lehrpersonen, welche die Rectoratsprüfung(Schulvorsteherinnenprüfung) vor einer preußischen Prüfungscommission bestanden haben, zugelassen werden, als Lehrer(Lehrerinnen) nur solche Lehrversonen, welche den für die Lehrthätigkeit an einer Volksschule erforderlichen Befähigungsnachweis besitzen. Für Hauslehrer wird die Befähigung ohne Weiteres als vorhanden angenommen: bei Geistlichen(Predigern, Predigtamtscandidaten beziehungsweise Priestern) der vom Staate anerkannten Religionsgesellschaften, bei Lehrern und Schulamtscandidaten, bei Studirenden, und sofern es sich nur um Nachhülfeunterricht eines eine öffentliche Schule besuchenden Kindes handelt, bei Schülern der beiden oberen Klassen höherer Lehranstalten.
Bei der Gründung von Unterrichtsanstalten ist ein Lehrplan einzureichen, welchen der Regierungspräsident setzzusetzen hat. Treffen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr zu, so kann die Befugniß zur Ertheilung von Privatunterricht oder der Leitung von PrivatunterrichtsAnstalten im Verwaltungsstreitverfahren entzogen werden.
Die finanzielle Dotation der Gemeinden ist dieselbe wie im vorjährigen Entwurf. Zur Bestreitung der Kosten sollen 9 Millionen der Mehrerträge aus der neuen Einkommensteuer verwandt werden.
— In dem neuen Volksschulgesetzentwurf ist u. A. bestimmt, daß, wenn Kinder verschiedener vom Staate anerkannter Religionsgesellschaften in einer Volksschule vereinigt-sind, möglichst für die Angehörigen einer jeden von ihnen ein besonderer Religionsunterricht einzurichten ist, wenn ihre Zahl 15 übersteigt. Unter den im Staate anerkannten Religionsgesellschaften sind nach der geschichtlichen Entwicklung zu verstehen einmal die öffentlich ausgenommenen bevorrechteten Kirchengesellschaften, nämlich die evangelische und katholische Kirche, sodann die aufgenommenen concessionirten Kirchengesellschaften, wie die Herrenhuter, die böhmische Brüdergemeinde und die Altlutheraner, endlich die früher sogenannten geduldeten Religionsgesellschaften wie die Mennoniten, Quäker, Baptisten, die unirten Griechen, die Anglicaner und die Juden. Für die Zukunft werden, wie es in der Begründung des Entwurfs heißt, außer diesen Religionsgesellschaften im Hinblick auf Artikel 13 der Verfassungsurkunde hierher nur diejenigen zu rechnen sein, welche durch besonderen Akt des preußischen Staats Corporations= rechte erhalten.
— Ihren Leitartikel„Zum Volksschulgesetze“ leiten die„Hamb. Nachr.“ wie folgt ein: Das Characteristische des neuen Volksschulgesetzentwurfs ist die Tendenz, den kirchlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Vorlage ist hierin so weit gegangen, daß die freisinnigen Blätter behaupten, sie athme den Geist der Raumer und Mühler, während selbst gemäßigte liberale und conservative Organe sie für unannehmbar erklären. Wir wissen uns frei von jeder Voreingenommenheit gegen die Erhaltung des reltgiösen
die Duge
und confessionellen Characters der Volksschule, betrachten aber die Jugeständnisse, die der Entwurf der Geistlichkeit macht, als übermäßig und in der Zukunft gefährlich.
— Das Schicksal des Volksschulgesetzes wird vorzugsweise von den Conservativen abhängen. Sie können ohne Zweisel mit Hülfe des Centrums das Gesetz im Wesentlichen nach dem Zedlitz'schen Entwurf zu Stande bringen. Wenn man die„Kreuzzig" hört, so wäre dieser Versauf der Angelegenheit schon so gut wie sicher. Das hochreactionäre Blatt ist ganz begeistert von dem Entwurs, warnt das Centrum nur vor noch weitergehenden Forderungen und bemängelt die sinanzielle Grundlage, die Ver
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