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dittonen Rudoif Mosse in Köln, Haasenstein u. Vogler m Köln, G. L. Dande u. Co. in Fraukfurt a. M.

15. Jahrgang.

Nr. 280

Für den Monat September

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amtliches Kreisblatt für den Kreis Ruhrort

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Die Expedition.

Geschscht= Kolender.

30. Aug. 1757. Der preußische General Lehwald kämpft gegen die Russen in der unentschiedenen Schlacht bei Großjägerndorf.

1759. Wiedereroberung der Festung Torgau durch die Preußen.

1829. Einnahme von Adrianopel durch die Russen unter General

Dieditsch.

1831. Ausbruch der Cholera in Berlin.

1870. Die 4. Armee unter dem Kronprinzen von Sachsen siegt über die Armee Mac Mahon's in der Schlacht bei Beaumont.

* Zur politischen Lage.

Von verschiedenen Seiten gleichzeitig wird nun officiös zugestanden, doß bei den Berathungen Crispis in Friedrichsruh und Eger die Orientfrage am Rothen Meer die Hauptrolle gespielt habe und daß die­selbe in Zusammenhang gebracht worden sei mit demGleichgewicht im Mittelmeer." Daß Italien seit Jahren gern Tripolis und Spanien Marokko als Schutzgebiete haben möchten, ist kein Geheimniß, auch ist be­kannt, daß Frankreich bisher den beiden strebsamen Colonialmächten den Weg dazu verlegt, ja sogar selbst versucht hat, in Nordafrika das französische Gebiet über Algier und Tunis hinaus zu erweitern. Die Eisersucht auf Italien ist in Frankreich, das seinen Theil in Afrika reichlich weg hat, genug hervorgetreten und die gleichzeitige Mobilisirung eines Theiles französischen und der italienischen Flotten ist nur ein neues Beispiel, daß

die französische Republik den Italienern nicht einmal die bescheidensten Niederlassungen an der afrikanischen Küste gönnt. Trotz der Gespanntheu der Beziehungen zwischen Italienern und Franzosen dürfte übrigens ein

Friedensbruch von keiner Seite zu erwarten sein.

Oesterreich wird bei der Türkei, Deutschland in Paris und Petersburg die gerechte Sache der Italiener vertreten. Von Wien meldet man: Der italienische Botschafter in Wien, Nigra, ist nach Mailand

gereist, um dort mit dem italienischen Ministerpräsidenten Crispi zusammen­

zutreffen und in einigen Tagen nach Wien zurückzukehren. Man darf in der Besprechung Kalnokys mit Nigra die Fortsetzung der Berathungen von Eger erblicken. Herr Crispi hat inzwischen mit König Humbert conferirt und Botschafter Nigra wird voraussichtlich wichtige Dinge mit sich nach Wien

Herr v. Giers gedenkt noch nach Franzensbad zu reisen, doch verlautet nichts über eine Zusammenkunft des russischen Staatsmannes mit seinem deutschen oder österreichischen Collegen.

Man hält im Allgemeinen trotz der französisch=italienischen Spannung den Weltfrieden nicht für gefährdet. Auch in Bulgarien ist, nachdem wieder eine Annäherung Stambuloffs an den Fürsten Ferdinand statt­gefunden hat, die Stimmung ruhiger geworden. Die bulgarischen Militär­schüler sollen nicht mehr in Belgien, sondern in italienischen Akademien ihre Ausbildung erhalten. Früher vor der Herrschaft des Battenbergers erhielten sie in Rußland den letzten Schliff.

Die veränderten Ansichten der preußischen Officiösen über Boulanger, wie sie in derNordd. Allg. Ztg. hervortraten, erregen überall Aufsehen, am meisten in Petersburg. Dort vermuthet man in den freundlichen Worten des Kanzlerorgans die versteckte Absicht, Boulanger durch Unterstellung fried­licher Gesinnungen in den Augen der Franzosen zu schaden. DieNowoje Wremja meint, der Artikel derNordd. Allg. Ztg. sei mehr als ein Hieb gegen die Ocleanisten, die schlimmsten Feinde Deutschlands, zu be­trachten. Jedenfalls beginne Berlin mit Boulanger als dem schließlichen Sieger in Frankreich zu rechnen. In Paris dagegen hat das Lob Boulangers durch diePreußen natürlicher Weise ebenfalls allgemein und

( Müller, in ggsobeide be. J. Ee

ür Inserate: eie Annonren=Expeoitionen

dn 6

meist unangenehm überrascht. Die boulangistischen Blätter sind verstummt, die opportunistischen begleiten den Artikel mit Ausfällen gegen Boulanger. DerTemps bemerkt, die Schwenkung Dérouléde's bei der Wahl in der Charente haben ihre Früchte getragen und die Lärmherolde des aggressiven Patriotismus ständen jetzt in gutem Geruche in Berlin, wo man Alles liebe,

Man sieht übrigens aus allen Zeitungstimnen über die Lage, daß man, was sich ereignet, mehr als Zwischenfälle auffaßt, denn als

Die Situation gilt für bewegt, aber nicht als bedrohlich. Der BrüsselerNord zweifelt nicht daran, daß Bismarck zu Crispi eine Sprache geführt habe, welche die Verwandlung der Differenz in einen Conflict zu verhüten geeignet sei. Das Blatt beharrt bei dem Glauben, daß die Annäherung der Staatsmänner der Triplealliance an Bismarck zu Gunsten der Mäßigung und Correctheit der Politik derselben ausschlagen das sei die logische Folge der durch die Besuchsreisen des deutschen Kaisers geschaffenen Lage.

Poiitische Nachrichten.

Deutschland.

* Berlin, 30. Aug. Im Lustgirten zu Potsdam fand am Mittwoch Vormittag die Uebergabe der vom Kaiser gestifteten neuen Standartenbänder an das Leib=Husaren=Regiment statt. Das Regiment war im Viereck auf­gestellt. Um halb 9 Uhr erschien der Kaiser zu Pferde, umgeben von seiner

militärischen Begleitung, und ritt unter den Klängen des Präsentirmarsches die Fronten ab. Sodann nahm der Monarch in der Mitte des Aufstellung und überreichte die neuen Bänder unter kernigen Worten. Er sagte, es sei sein Wille gewesen, dem Regimente zur Erinnerung an die Zeit, wo er Commandeur gewesen, ein bleibendes Andenken zu verleihen, welches gleichzeitig zur Erinnerung der Anerkennung dienen solle, welche sein

hochseliger Großvater dem Regimente bei allen Gelegenheiten habe zu Theil werden lassen. Er hoffez, das Reginent werde ur., gueg Beszeg, keingen alten Ruhm bewahren. Der Regiments=Commandeur, Epe#s v. Goltberg, brachte darauf ein Hoch auf den Kaiser aus, währenv die MusikHeil Dir im Siegerkranz! spielte. Es folgte sodann Parademarsch unter den Klängen desTorgauer Marsches, worauf sich der Kaiser an die Spitze des Regi­mentes setzte und dasselbe nach seiner Caserne zurückführte. Später empfing der Kaiser im Marmorpalais den Chef des Generalstabes Grafen Waldersee und nahm zahlreiche militärische Meldungen entgegen. Am Nachmittage stattete auch die Kaiserin Friedrich einen Besuch ab. Heute Donnerstag ge­denkt der Kaiser zum Empfange des Königs Okkar von Schweden nach

Kaiser Wilhelm soll vor einiger Zeit, derNat. Ztg. zu Folge,

dem Grafen Herbert Bismarck gegenüber folgende Aeußerung gethan haben: Ich kenne nur Vaterlandsfreunde und Gegner unserer gesunden Entwick­lung. Niemand wird mir zutrauen, das Rad der Zeit zurückschrauben zu wollen. Im Gegentheil, es ist der Hohenzellern Stolz, über das zugleich edelste und gereiftetste, wie gesittetste Volk zu regieren. Und in dies Lob schließe ich Alldeutschland ein. Unsere ganze Gesetzgebung ist von humanen Grundanschauungen dictirt, wer dies verkennt und die Geister gegen ein­ander hetzt, gehöre er welcher Richtung immer an, hat auf meinen Beifall nicht zu rechnen. Es giebt wahrlich Ernsteres zu thun.

Nach der auf Specialbefehl des Kaisers erlassenen Hofansage findet die Taufe des jüngsten kaiserlichen Prinzen am Freitag Nachmittag 2 Uhr im Potsdamer Stadtschlosse statt. Das Arbeitszimmer des alten Fritz ist zur Taufkapelle eingerichtet, die Taufe vollzieht, wie schon bei den vier älteren Söhnen des Kaisers, der Oberhofprediger Dr. Kögel. Während der Taufrede hält die Königin Carola von Sachsen den Täufling, im Augen­blick der Taufe selbst übernimmt König Okkar von Schweden den Knaben. Nach der Tause findet vor der Kaiserin Victoria die hergebrachte Gratula­tionscour und sodann im Marmorsaal Galataf! Katt. Nach derselben be­geben sich die hohen Herrschaften nach Berlin, wo Abends vor dem Schlosse großer Zapfenstreich, von allen Capellen des Gardecorps ausgeführt, statt­findet. Am Sonnabend wird auf dem Tempelhofer Felde die Kaiserparade über das gesammte Gardecorps abgehalten.

Tauspathen des jüngst geborenen Sohnes des Kaisers werden der König von Schweden und der König und die Königin von Sachsen sein. Zur Taufe werden ferner noch Potsdam kommen der Erz­herzog Carl Ludwig von Olsterreich und seine Gemahlin Erzherzogin Maria Theresia und der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg­Schwerin.

Der Kaiser hat eine Büste seiner Person zum Geschenk für den Czaren bestimmt. Dieselbe wird jetzt in einem Stadtbahnbogen

des Ausstellungsparkes in Marmor ausgeführt.

Ueber die Route bei der großen Reise des Kaisers nach dem Süden sind in den letzten Tagen irrthümliche Meldungen ver­breitet worden. Nach den bereits feststehenden Bestimmungen besucht der Kaiser zuerst Carlsruhe, Stuttgart, München, dann Wien und geht erst zum

nach Rom.

Kaiser Wilhelm hat dem Dresdener Oberbürgermeister Dr. Stübel 1000 Mk. für die Armen Dresdens überwiesen.

Die kürzlich verbreitete Nachricht, daß die Kaiserin Auzusta einen Theil des Winters auf Schloß Belvedere bei Weimar zubringen würde, ist nicht zutreffend. Die Kaiserin wird allerdings auf ihrer Reise von Babelsberg nach Baden=Baden in dem ersten Drittel des Septembers einen Aufenthalt von einigen Tagen auf Schloß Belvedere, wo sie einen Theil ihrer Kind­heit und ihrer Jugend zugebracht, nehmen, aber dann nach Baden=Baden gehen. Ihren Geburtstag wird die hohe Frau möglicher Weise auf der Insel Mainau verbringen. Ende November wird die Kaiserin nach Berlin zurückkehren, um im Palais während des Winters zu wohnen.

Zum Abschiede der kaiserlichen Prinzen aus Oberhof in

Thüringen haben viele dortige Personen Gnadenbeweise erhalten. Den beiden nach Oberhof commandirten Gendarmerie=Wachtmeistern Wönne und Nußpieker, welche durch die Natur ihres Dienstes am häufigsten mit den Prinzen in Berührung kamen, war es vorbehalten, von der Hand des Kronprinzen selbst eine belohnende Auszeichnung für die während der ganzen Zeit bewiesene Treue und Wachsamkeit zu erhalten. Während der letzten Exercierstunde hielt der Kronprinz eine kleine Ansprache, in welcher er her­vorhob, daß sein kaiserlicher Vater ihn beauftragt habe, den beiden Beamten einen Orden für die bewiesene Pflichttreue zu überreichen. Gleichzeitig über­gab der Kronprinz den überraschten und hocherfreuten Beamten das all­gemeine Ehrenzeichen. Wie sehr die beiden Prinzen an ihren Exerciermeistern

hingen, zeigte sich bei der Abfahrt, wo sie ihnen unzählige Male die Hände schüttelten.

Der König von Griechenland ist am Mittwoch Abend von Berlin in Kovenhagen eingetroffen... Li, B.4-i4: bes

Aus Füssen bei Hohenschwangau rommt die Nachricht, baß der Prinz=Regent Luitpold von Bayern dort bei seiner Reise ins Allgäu mit großem Enthusiasmus begrüßt ist. Die Bewohner der Gegend von Füssen standen der neuen Ordnung der Dinge in Bayern bekanntlich sehr feindlich gegenüber und dachten bei der Entmündigung König Ludwig's II sogar an offenen Aufstand.

Der schweizerische Bundesrath hat der Regierung des Cantons Solothurn von einer Note der deutschen Gesandtschaft in Bern Kenntniß gegeben, in welcher die Entfernung der französischen Hoheitszeichen und Inschriften auf den Grenzsteinen zwischen den deutschen Reichslanden und der Schweiz, sowie der Ecsatz derselben durch ein D. gewünscht wird. Nach Fertigstellung der Arbeiten soll dann durch Commissare beider Re­gierungen eine Revision stattfinden, um die neue Bezeichnung und die veränderte Lage der Grenzzeichen festze stellen.

Den Dienstag und Mittwoch in Fulda stattgehabten Bischofs­conserenzen wohnten alle preußischen Bischöfe mit Ausnahme des hoch­betagten Bischofs Dr. Drobe von Paderborn bei, der sich durch seinen Generalvikar vertreten ließ. Der Inhalt der Berathungen wird geheim

ie Aus dem Reichslande, Metz, gehen derKöln. Zig. folgende

interessante Zeilen über neue Maßnahmen der deutschen Regierung gegen vir weungr###r zu:Bekanntlich besuchen noch immer zahlreiche junge

gegen die Feanzöselei zu:Bekanntlich besuchen noch Leute beiderlei Geschlechts aus dem Reichslande französische Schulanstalten. In manchen Fällen handelt es sich dabei um Kinder, welche aus geschäftlichen Rücksichten sich schneller und besser, als dies in deutschen Schulanstalten möglich ist, mit dem Französischen vertraut machen sollen. Häufig genug verbinden die Eltern damit den Zweck, ihre Kinder dem erziehlichen Einflusse der deutschen Schule zu entziehen und sie als richtige Franzosen heranbilden zu lassen. In den siebziger Jahren sind der französischen Grenze entlang zahlreiche Lehranstalten entstanden, welche fast ausschließlich ihre Schüler oder Schülerinnen aus dem Reichslande erhalten. Durch Bestimmung, wo­nach in schulpflichtigem Alter stehenden Kindern der Besuch ausländischer Schulen nur mit Genehmigung der Kreisdirectoren und unter der Bedingung gestattet ist, daß sie in einer alljährlich abzuhaltenden Prüfung die Kenntnisse ihrer im Lande verbliebenen Altersgenossen nachweisen, ist jenen Schulen erheblicher Abbruch gethan worden. Diese Beschränkung fällt natürlich für

Die Lieb' blüht nur einmal.

Novelle von M. Josephy.

(3. Fortsetzung.)

Das Gespräch wurde immer belebter und allgemeiner, jeder trug seine Bemerkung bei, nur Bernhard Dronsky und Fred Harding betheiligten sich mit keinem einzigen Worte. Mama, der die Discussion wohl allmählich zu lebhaft und ungenirt zu werden drohte, versuchte nun ein paarmal dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, aber es gelang ihr nicht. Ein allgemeines großes Interesse an dem einmal eingeschlagenen Thema war in der Gesellschaft erwacht, man kam immer wieder darauf zurück, disputirte darüber, halb im Eenst und halb im Schecz; die Herren begannen, meist lächerliche Episoden aus ihren frühen Jugendjahren zu erzählen, die Damen zeigten sich halb entrüstet und hörten doch mit lachenden animirten Gesich­tern zu.Nun, mein lieber Fred Harding, und wie stehts mit Ihnen? ließ sich da wieder das trompetengleiche Organ der Baronin Tenzin ver­nehmen.Sie sitzen dakei, stumm wie ein Fisch, haben Sie uns denn nichts zu sagen und zu beichten?Nein, Frau Baronin, entgegnete Fred Harding ziemlich kühl; ich hatte es ihm die ganze Zeit über angesehen, daß ihm das Gespräch nicht recht war.So, so, sagte die Baronin, stützte den Arm auf und fixirte ihn über den Tisch hinüber also gar nichts! Nun, ich habe bisher geglaubt, man wird nicht fünf oder sechsundzwanzig Jahre, oder wie alt sind Sie denn eigentlich, Baron?"Siebenunzwanzig Jahre, drei Monate, entgegnete Fred lächelnd.Nun also, was ich sagen wollte, man wird für gewöhnlich nicht siebenundzwanzig Jahre, drei Monate alt, ohne in dieser Sache aus eigener Erfahrung mitreden zu ton­nen. Ich sah, wie Fred Harding das Blut ins Gesicht stieg.Bös zu werden brauchen Sie nicht, wenn eine alte Freundin Ihnen das sagt, fuhr die schreckliche Baronin fort,Sie werden ja roth, als ob Sie in

Wahrheit der siebzehnjährige Student wären, der über seiner ersten Liebe schluckt. Dann wandte sie sich sogar an mich:Haben Sie schon etwas Lächerlicheres gesehen, wie diesen großen, schüchtern erröthenden Menschen, liedes Kind, und glauben Sie es ihm, daß sein Herz noch keine Kreuz= und Quersprünge gemacht hat, von denen er uns so manches berichten könnte, wenn er nur wolte! E. 16 ur: 6-4.

Ich glaube, ich ecröthete noch viel tiefer als Frev sie int eine furch­terliche Frau, diese Baronin! Ich war froh, als wir bald darauf vom Tische aufstanden, und ich denke, Mama war es auch, obgleich sie es eigentlich gewesen, die das Gespräch ursprünglich auf das gefährliche Thema geleitet hatte. Die Schönsteins versicherten mir, es wäre zu amüsant gewesen, und sie hätten sich lange nicht so unterhalten, wie bei diesem Diner; ich lachte mit ihnen über die verschiedenen Aeußerungen, die gefallen waren, aber es kam mir nicht recht von Herzen. Später trat Fred Harding an mich heran.Sie waren heute während des Diners so still, sagte er zu mir.

Ich habe klügere und erfahrene Leute reden und mich von ihnen belehren lassen. Er schwieg einen Augenblick still.Ja, sagte er dann,es klang einiges ganz gut, sost als ob es die Wahrheit wäre, aber Irene(es ist das erste Mal, daß er mich mit meinem Namen angeredet hat, und alles Blut strömte mir zum Herzen), lassen Sie sie reden, diese klugen, erfahrenen Leute und glauben Sie mir, es giebt darin für einen jeden von uns nur einen einzigen Lehrmeister, das eigene Herz! Ich schaute zu ihm auf

und begegnete seinem tiefen, warmen Blick. Ja, Fred Harding, auf nichts und Niemand will ich hören, wie auf das eigene Herz und dieses sagt mir, daß ich dein din jetzt und für immer!-.8

Es ist sehr spät geworden; die Lampe erlosch mir plötzlich und ich habe die Kerzen angezündet um fertig zu schreiden, was ich noch zu schreiben habe.

Das Ende des Diners hatte dem unerschöpflich scheinenden Thema also schließlich doch auch ein Ende gemacht; wir vertheilten uns in die Salons und dann später, nachdem schwarzer Kaffee und Tschibuk vorüber war, spielte Graf Bernhard Dronsky. Er spielt wundervoll; ich kenne Niemand, dessen Spiel so zu Herzen gehi, der die Zuhörer so fortzureißen vermag.Sie müssen ihn spielen hören, um ihn zu verstehen, hat Fred Harding einmal zu mir gesagt,seine Seele, sein ganzes Sein liegt in seinem Spiel; so wie er spielt, so ist er. Wenn das wirklich so ist, dann gäde es kaum einen Menschen, der ihm gleicht! Fred Harding lehnte neben mir an der Wand, während sein Freund spielte, er beugte sich plötzlich zu mir nieder:Solche Töne nehmen die Seele gesangen, Gräfin, sagte er leise,ich kann mich auf einmal des Wunsches nicht erwehren, daß Sie sie nicht hören moch­ten! Was bleibt uns armen Anderen neben solchem Gottbegnadeten?

Ich fühlte, wie meine Augen voller Thränen standen, aber ich schaute doch zu ihm empor und sah seinen Blick mit innigem Ausdruck auf mich gerichtet und da da streckte ich ihm plötzlich wortlos meine Hand ent­gegen. Wie ich es gewagt, woher ich den Muth genommen, ich wüßte es jetzt nicht mehr zu sagen; ich war ohnehin bewegt und erschüttert, dazu diese leise, geliebte Stimme, diese Worte, ich handelte wie im Traume, und wie im Traume ist es mir, wenn ich an diesen Moment zurückdenke

Wie übervoll mir das Herz is! Zwei Uhr, jetzt ist er wohl

gerade zu Hause angelangt, und ich will mich zur Ruye degeven, an

denken und im Traume werde ich dann wieder bei ihm sein!

den 15. November.

Nun ist es still bei uns geworden; Gustav ist fort, Anna und Egon

sind nach Wien zurückgekehrt und so hat auch das Hin und Her zwischen

Tettau und Fürstenau sein Ende erreicht. Wenn es etwas gäbe, das mich mit dem Gedanken an Wien aussöhnen könnte, so wäre es die Aussicht, mit ihnen und Gustav dort wieder vereim zu sein, aber doch, mir graut vor diesem Wiener Fasching, wie gern bliebe ich ruhig in unserem

Gestern ist Papa in Klatten gewesen bei dem alten Baron Hardiag, der sich seit Jahren nicht mehr von Klatten fortrührt. Papa hatte ihn seit dem Sommer nicht gesehen und ihn nun sehr verändert gefunden, so daß er fast erschrocken war über sein Aussehen sowohl als über seine Stimmung. Der arme Fred soll schwere Stunden verleben bei dem alten, wunderlichen Herrn, der den Sohn durch sein seltsames Wesen quält. Ich hörte Papa erzählen, er habe einer Scene beigewohnt, die ihm eines Sberazs Pezalige

Eindruck gemacht; er könne sich des Gedankens nicht erwehren, bug der alte Herr sich schwer beunruhigt fühle, wie durch das Bewußtsein irgend eines Unrechtes, das er, vielleicht seinem Sohne, vielleicht sonst Jemand zugefügt haben mag, und das ihn nun, da er sich seinem Ende nahe glaubt, quält

und dnchegt hin 2a. Nosembr.

Baron Harding ist gestorben. Gestern bekamen wir die Nachricht und heute wohnt Papa seinem Begräbniß bei. Armer Fred, er hat mit ganzem Herzen an seinem Vater gehangen! Nun ist er allein in seinem einsamen

Klatten, ich denke an ihn, ich fühle und ich leide mit ihm; dürfte ich nur bei ihm sein, seine lieben Hände in die meinen nehmen und ihn trösten mit allen Trostesworten, die meine grenzenlose Theilnahme und meine arenzenlose Liebe mich würden finden lassen!:

Freugenlos. den 20. Dezember.

Vier tödtlich lange Wochen sind vorüber gegangen, waren es wirk­lich nur Wochen! Es kommt mir vor, als müßten es ebenso viele Jahre gewesen sein, so ganz anders scheint mir in dieser kurzen Spanne Zeit Alles geworden! Und ich selbst fühle mich so anders, daß ich mich manchmal fragen möchte, ob ich in der That noch dieselbe bin, vor der vor Kurzem die Welt und das Leben im hellsten Sonnenschein gelegen hat. Ich habe Fred Harding lange nicht gesehen, aber das ist es nicht allein, was so schwer auf mir lastet, mit einem Druck, unter dem ich mich vergeblich emporzurich­ten strebe, auch meine Trauer um Freds Vater, mein inniges Mitfühlen ist es nicht allein, ach, ich weiß ja selbst nicht, was eigentlich mit mir ge­schieht, warum mir oft zu Muthe ist, als sollte ich nun und nimmer mehr froh werden! 3 gte en

Mit Fred soll eine große Veränderung vorgegangen sein, ich horte es von Vielen, die ihn in seinem einsamen Klatten aussuchten, und auch Papa sagt es. Ich hörte darüber reden, daß bei all' seiner Liebe zu dem alten Vater eine soiche Trauer um ihn, auf dessen Verlust er denn doch seit Jah­ren vorbereitet sein mußte, eine Trauer, die ihn ganz und gar verwandelt hätte, unbegreiflich und fast unnatürlich wäre.

Alle Versuche, ihn zu zerstreuen und aus dem Zustande dumpfen, wort­losen Schmerzei aufzurütteln, in dem er seit dem Todestage seines Vaters versunken ist, sind vergeblich. Als Papa ihm neulich zuredete, nun doch wieder einmal zu uns zu kommen, hat er ihn wie geistesabwesend angestarrt, dann plötzlich so erzählt Papa seine beiden Hände gefaßt, sie ge­drückt, daß es schmerzte, und mit einer Stimme, als koste jedes Wort ihm Anstrengung, hervorgestoßen:Ja, ja, ich komme schon einmal! Ich

komme schon einmal, wann wird dieses einmal sein?

Graf Dronsky ist vor einigen Tagen bei uns gewesen. Er sprach kein Wort über Fred, und ich warte doch mit Sehnsucht und tausend Aengsten auf den Augenblick, wo er den Namen aussprechen würde; nur deswegen, um diesen Moment nicht zu versäumen, habe ich mich ja in all' den langen Stunden, die er bei uns gewesen ist, nicht von seiner Seite fort gerührt. Endlich fragte Papa, ich fühlte, daß ich die Frage nicht über die Lippen gebracht hätte, ob Fred sich auch gegen ihn so völlig abschlösse.Wir sind oft beisammen, erwiderte Graf Dronsky kurz.

Weihnachten steht vor der Thür; morgen sollen die Brüder für paar Tage kommen, aber auch darüber kann ich mich nicht freuen. Ih hade das Weihnachtsfest noch nie anders als mit frohem und dankbarem begrüßt, und ich fühle es fast wie ein Uarecht, daß ich es

kann, der schwere Druck auf meinem Herzen aber läßt es nicht zu. Und Mitte Januar geht es dann fort nach Wien; ich soll bei Hofe vorgestellt

werden, tanzen, den Fasching genießen und mich amüsiren,

Muthe, als könnte das nicht sein, als müßte bis dahin noch etwas geschehen irgend etwas!

(Fortsetzung folgt.)