Nr. 41.—, Ruhrort=Homberg=Moers.
Samstag
Touheoverr
3. April 1886. 13. Jahrg. Meiderich=Oberhausen
A
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Ueber Mißstände,
unter welchen das deutsche Handwerk schwer leidet, hat das ständige Comite des deutschen Innungstages dem Fürsten Bismarck eine Denkschrift überreicht. Es heißt darin u. A.:„Es sind dieses Beschwerdepunkte, welche, man könnte sagen, seit Dezennien auf Handwerkercongressen immer wieder auf's Neue behandelt sind, und welche alle die Schleuderconcurrenz betreffen, unter welcher der solide, reelle Waare liefernde und deshalb auf entsprechende Preise haltende Handwerker decimirt wird. So bedarf das Hausiergewerbe zum Schutze des Handwerkes einer schärferen Ueberwachung, so ruimiren die modernen Consumvereine verschiedenster Gattung das Kleingewerbe und zersetzen den bürgerlichen Mittelstand, so leiden ferner unsere baugewerblichen Branchen unter einer unglaublichen schwindelhaften Misere im Bauwesen, so daß darin Uebelstände zu Tage getreten sind, welche ein thatkräftiges Eingreisen der Gesetzgebung zum Schutze des ehrlichen Baugewerbes nothwendig machen. Auch das Submissionswesen gab auf dem deutschen Innungstage Veranlassung zu eingehenden Debatten, welche zu dem Beschlusse führten, es möchte das hohe Reichsamt des Innern ersucht werden, dafür einzutreten, daß von allen von den Staatsbehörden ausgeschriebenen Submissionen den Vorständen der einzelnen Fachverbände Kenntniß gegeben würde, damit die deutschen Handwerker in den betreffenden Fachblättern oon derartigen Submissionen Kenntniß erhalten. Zugleich wird als wunschenswerth hingestellt, daß bei Vergebung von Sudmissionen der Zwischenhändler oder der sogenannte Unternehmer von allen Submissionen überall da ausgeschlossen werde, wo gelernte Handwerker sich bereit erklären, die Arbeiten zu übernehmen, mindestens aber sollte dem gelernten Handwerker bei gleichen Bedingungen der Vorzug gegeben oerden. Endlich beschäftigten den deutschen Innungstag die den Handwerkerstand schädigenden gesetzlichen Bestimmungen und bestehenden Einichtungen in Bezug auf die Gefängnißarbeit und die Militärwerkstätten und führten die hierüber gepflogenen Berathungen zu der Erklärung, daß der deutsche Handwerkerstand durch die demselben in den Strafanstalten und Militär rerkstätten gemachte Concurrenz auf das Schwerste geschädigt werde, und wird hier eine gesetzliche Neuregelung für dringend nothwendig gehalten.“
Die vorstehenden Klagen enthalten manches Wahre; diese Mißstände könnten aber zum Theil längst beseitigt sein, wenn nicht so viele Handwerker ihren eigenen Weg gingen und Projecten nachstrebten, welche für unsere heutige Zeit nicht mehr passen. Es wird auf den Hausierer gescholten, der dem Publikum Minderwahre ins Haus bringt. Ist denn aber nur der Hausierer am Verkauf solcher Artikel schuld? Das Publikum will billige Waare haben, und es würde diese auch vom Hausierer eines Handwerkers kausen! Weshalb nutzt denn der Handwerkerstand nicht ebenfalls das Hausiergewerbe aus? Man würde die fremden Hausierer schon aus dem Felde schlagen und könnte nebenbei noch darauf hinarbeiten, das Publikum über den wahren Werth von Schleuderwaare auszuklären. Sind es denn aber nur Hausierer, welche Minderwaare anbieten? Wir können diese Frage nicht bejahen. Leider treibt auch die gewerbliche Concurrenz zur ganz unnöthigen Preisreduction, ja es giebt Gewerbtreibende, welche ihr ganzes Unternehmen auf die Idee basiren, ihre Collegen
zum
Roman von Ewald August König. (20. Fortsetzung.)
„Ich hege keine Hoffnung mehr,“ sagte sie,„der Justigrath, mit dem ich vor einigen Tagen sprach, sagte mir, ich müsse mich auf das Schlimmste gesaßt machen, und das trotzige Benehmen unseres Dienstpersonals liefert die Illustration zu dieser Erklärung. Nur einen nehme ich aus: den Inspector; könnte ich ihn für seine Treue belohnen, wie er es verdient, wie gerne wollte ich es thun!“
„Er hofft noch immer, daß Haus Friedheim einst in unseren Besitz zurückkommt.“
„Hofft er das wirklich? Es ist eine Thorheit, nur an die Möglichkeit zu denken; jene Papiere sind vernichtet, und war bisher alle unsere Mühe vergeblich, einen Beweis zu finden, so wird sie es auch später sein. Ist Baron Julius erst im Besitz des Gutes, wer soll ihn dann wieder daraus verdrängen? Die Feindschaft Friedrichs wird den Inspector stürzen, ich sehe das voraus, Baron Julius muß ja in seinem eigenen Interesse jeden Diener entfernen, der uns seine Treue bewahrt.“
Sie brach ab, die Thür war ziemlich ungestum geöffnet worden, Friedrich siand auf der Schwelle und meldete den Justizrath an. Schon der unehrerdietige Ton, in dem er das that, ließ die Baronin erkennen, daß ihre Sache verloren war; hätten die Richter zu ihren Gunsten entschieden, er wäre sicherlich noch demuthiger aufgetreten, als er es früher zu thun pflegte. So war der Schlag gefallen, und die Baronin ertrug ihn mit voller Fassung: kein Zug in ihrem stolzen, schönen Antlitz verrieth den Sturm, der in ihrem Innern tobte.
Sie hatte ja Zeit genug gehabt, sich auf diesen Schlag vorzubereiten, und seitdem die Hand des Schicksals so schwer auf ihr ruhte, war sie gewohnt, nur dunkle Schatten auf ihrem Lebenspfade zu finden.
Der Justizrath war mit einer Verbeugung eingetreten, voll warmer Theilnahme blickte er der Baronin in die blitzenden Augen.
„Muth, gnädige Frau!“ sagte er.„Konnte ich auch nicht Alles retten, so ist doch auch nicht Alles verloren.“
Baronin Gisela deutete mit einer einladenden Handbewegung auf einen Sessel.
„Wie lautet das Urtheil? fragte sie.
„Wie wir es erwarten mußten! Haus Friedheim ist dem Baron Julius v. Hochberg zugesprochen.“
„Giebt es noch eine Instanz, bei der man gegen dieses Urtheil appelliren könnte?“
„Nein, gnädige Frau, wir haben heute den Proceß in der letzten Instanz verloren.“
„Wohlan, dann muß ich mich fugen! Bis wann muß ich das nunmehrige Eigenthum memes Nessen räumen!“
Der Justizrath schüttelte das weiße Haupt, er schien diese stolze, kalte Ruhe nicht zu billigen.
„Das Gericht hat Ihnen eine Frist von acht Tagen bewilligt,“ sagte er,„erst nach Ablauf dieser Frist ist Baron Julius derechtigt, hier Besiz zu ergreifen.“
„Ich werde morgen schon Haus Friedheim verlassen,“ sagte die Baronin, und ein herber Zug umzuckte ihre Mundwinkel,„vieler Vorbereitungen bedarf es ja nicht dazu, und in der Stadt sind Gasthöfe genug, in denen ich eine Wohnung finde.“
„Ader werhalb wollen Sie so sehr eilen!" erwiderte der Justizrath, „Sie werden überdies hier noch Vieles zu besorgen haben, wozn Sie immerhin einiger Tage bedürfen. Das Gericht hat entschieden, daß Baron Julius zu dem Gute nur jenes Inventar beanspruchen darf, welches beim Ableden seines Großraters vorhanden war, alle Ersparnisse und Anschaffungen, die Ihr Herr Gemahl gemacht hat, bleiden Ihr Eigenthum. So
bezüglich der Preise zu unterbieten. Ein solches Verfahren ist nicht geschäftsklug, aber es wird angewendet und die Folgen sind die bekannten. Aehnlich stehen die Dinge beim Baugewerbe. Warum lassen sich die Handwerker denn ausbeuten? Wenn alle Collegen in einem Bezirk in Bezug auf die Preise einig wären, so würden Alle besser fahren und von Spottpreisen und Nichtbezahlen könnte keine Rede sein. Aber der Eine beginnt zu drucken und der Andere muß folgen. Daraus entspinnen sich dann die traurigen Verdienstverhältnisse. Wird das nicht allgemein eingesehen, so kann keine Regierung der Welt helfen, werden die Klagen nie verstummen.
Die Beschwerde über die Consumvereine trifft wohl nur in vereinzelten Fällen zu, denn diese Vereine haben sich vielfach sehr segensreich erwiesen und gerade auch kleinen Handwerkern geholfen. Man muß die Dinge von beiden Seiten betrachten und Vortheil und Nachtheil sorgfältig abwägen. Die Forderung bezüglich der Sudmissionen ist gewiß empfehlenswerth, wenn die Arbeiten, welche vergeben werden sollen, der Leistungsfähigkeit eines Handwerkers entsprechen und keine größere Preisdifferenz bei gleicher Güte obwaltet. Nicht nur der Staat, sondern auch die Gemeindeverwaltungen können hier viel thun, indem sie bei städtischen Arbeiten Handwerker berücksichtigen und zwar aus der eigenen Stadt. Dadurch wird nicht nur städt isches Geld am Orte gehalten, auch die Steuerkraft der Bewohner wird gefestigt. Unternehmer ganz und gar von Sudmissionen auszuschließen, ist unmöglich. Es kommen da oft Geldfragen in Betracht, und nicht jeder Industrielle ist im Stande, die nöthige Capitalgarantie zu bieten. Auch diese Schattenseite hat eben ihr Gutes; würde es keine Unternehmer geben, so würde schon mancher Bau unterblieben, weniger Geld unter Industrie und Handwerk gekommen sein. Was endlich die Beseitigung der Concurrenz der Militärwerkstätten und Gefängnißarbeit anbetrifft, so ist die Berechtigung dieser Forderung allgemein anerkannt, und ihre Erfüllung steht vielleicht nicht mehr im weiten Felde.
Keichslags=Verhandlungen.
Berlin, 1. April.
Der Reichstag, der mit Rücksicht auf die wichtige Verhandlung des Abgeordnetenhauses seine Sitzung heute erst um 2 Uhr begann, genehmigte zunächst den von Hamburg beantragten Entwurf betreffend Ergänzung des der Civilproceßordnung(Zustellung des Arrestbefehls an ausländische Schuldner) in zweiter Lesung in der von der Commission beschlossenen Fassung und nahm sodann das Gesetz betreffend die Verleihung der Rechte einer juristischen Person an Innungsverbände in dritter Lesung endgültig an. Bei den hierauf folgenden Wahlprüfungsberichten wurde die Wahl des Abgeordneten Bürklin(Neustadt a. H.) entgegen einem von freisinniger Seite ausgehenden und hartnäckig vertheidigten Antrag auf Aussetzung der Beschlußfassung für gültig erklärt, während bezüglich der Wahlen der Abgeordneten Groß(Speyer) und Hellwig(Hanau) kein Beschluß gefaßt, sondern die Beweiserhebung über verschiedene Wahlvorkommnisse angeordnet wurde. Morgen findet die dritte Lesung des Gesetzes betreffend die Verlängerung des Socialistengesetzes statt.
Landtags=Verhandlungen.
Abgeordnetenhaus.
Berlin, 1. April.
In der Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde die polnische Ansiedlungsvorlage in zweiter Lesung berathen. Zunächst knüpfte sich eine Art von Generaldebatte an den§ 1 der Vorlage, durch den bekanntlich der Regierung ein Fonds von hundert Millionen Mark zur Stärkung des deutschen Elements gegenüber den polonisirenden Bestrebungen in Westpreußen und Posen zur Verfugung gestellt werden soll. Die Stärkung des Deutschthums soll erfolgen 1) durch Ankauf geeigneten polnischen Grundbesitzes und 2) durch Einrichtung und Regelung neuer Gemeinden, Kirchen und Schulen. Die
weit ich darüber urtheilen kann, sind die Ersparnisse keineswegs unbedeutend, die Capitalien allein, die ich im Auftrage des seligen Herrn Barons hypothekarisch angelegt habe, repräsentiren eine namhafte Summe.“
„Beanspruchte mein Neffe auch diese Capitalien!“ fragte die Baronin, in deren Augen es zornig aufblitzte.
„Allerdings, sein Vertreter behauptete, diese Summen röhrten aus den Einkunften des Gutes her, somit bildeten sie einen Theil desselben: mit dieser Auffassung ist er gründlich durchgefallen. Unter den Papieren Ihres Gemahls fand ich ein genaues Verzeichniß des Inventars, welches damals vorhanden war, es kann bei der Uebergabe des Gutes zu Grunde gelegt werden.“
„Dieses Geschäft will ich meinem Inspector überlassen, in seinen Händen sind meine Interessen vortrefflich gewahrt. Sollte dabei eine Streitfrage entstehen, so haben Sie wohl die Güte, sie zu lösen.“
„Sehr gern, gnädige Frau!“
„Und welche Garantien habe ich dafür, daß mir der dritte Theil der jährlichen Einkünfte pünktlich gezahlt dird!“
„Baron Julius muß Ihnen in i ersten Decemberwoche eines jeden Jahres eine genaue Aufstellung dies: Einkünfte vorlegen, Sie haben das Recht, selbst oder durch einen Bevolmachtigten diese Aufstellung mit den Verwaltungsbüchern zu vergleichen und zu prüfen.“
„Sehr wohl; aber der Fall könnte und wird auch voraussichtlich eintreten, daß das Gut durch schlechte Verwaltung ruiirt wird.“
„In diesem Fall sind Sie berechtigt, auf gerichtlichem Wege gegen solche Verwaltung zu protestiren!"
„Und wenn mein Nesie das Gut verkauft!“
„Dann muß der Käufer alle Lasten, die auf demselben ruhen, übernehmen,“ sagte der Justizrath.„Ich habe jeden möglichen Fall vorgesehen, und das Gericht is auf meine desfallsigen Antrage ohne Zögern eingegangen, Sie werden das erkennen, wenn Sie die Abschrift des Urtheils erhalten.“
Baronin Gisela nickte befriedigt.
„Ich danke Ihnen,“ erwiderte sie,„ich wußte ja, daß ich Ihnen die Wahrung meiner Interessen mit aller Ruhe anvertrauen durfte. Und dennoch deharre ich bei der Behauptung, daß mir großes Unrecht widerfahren ist, jene verschwundenen Papiere, die mir den vollen Besitz dieses Gutes sicherten, waren beim Tode meines Gatten noch vorhanden.“
Der Justizrath drückte die Brille dichter vor die Augen und warf einen verstohlenen Blick auf die Baronesse, die das Ende dieses Gesprächs mit Ungeduld zu erwarten schien.
„Die Nachferschungen nach dem Verbleib jener Papiere ruhen auch jetzt noch nicht,“ sagte er mit gedämpfter Stimme,„sie führen später vielleicht dennoch zum Ziele. Ich kann Ihnen Genaueres darüber jetzt noch nicht mittheilen, seien Sie versichert, daß Ihre Freunde im Stillen unermüdlich sich damit deschäftigen.“
„Jene Nachforschungen werden, wie bisher, so auch fernerhin resultatlos verlaufen,“ antwortete die Baronin, zweifelnd das Haupt wiegend,„es läßt sich je mit Sicherheit annehmen, daß die Papiere längst vernichtet sind.“
„Wer weiß, gnädige Frau!“
„Können Sie mir beweisen, daß ich mich in dieser Vermuthung irre, so wird mir das gewiß sehr angenehm sein, aber ich glaube erst dann daran, wenn diese Beweise mir vorliegen.“
„Wir werden sehen!“ erwiderte der alte Herr.„Große Hoffnungen will ich Ihnen freilich nicht machen, um Sie vor unangenehmen Gnt
täuschungen zu bewahren—“
„Und Sie selbst hegen Sie auch nicht, Herr Justigrath!“ unterbrach die Baronin ihn.„Ich habe mich,“ fuhr sie fort,„wenn auch mit schwerem Herzen, in das Unadänderliche gefunden, und im Grunde genommen ist es gut, daß die Ungewißheit, dieses Schweben zwischen Färchten und Hoffen, ein Ende genommen hat.“
„enste erscenite en e e deantragt aber einen Zusatz, dahingehend, daß Grundbesiskäufe nur in solchem Umfang erfolgen, daß die nöthigen Mittel für die unter Nr. 2 angeführten Ausgaben übrig bleiden. Frhr. v. Hüne deantragte, die Berathung bis zur Vorlegung einer Stattstik über das behauptete Verdrängen des Deutschthums durch das Polenthum und über die Erfolge der bisherigen Germanisirungsversuche auszusetzen. Gegen diesen Antrag, der lediglich den Zweck hatte, die Entscheidung der ganzen Frage zu verschleppen, wendeten sich die Abgeordneten v. Rauchhaupt, Wehr und Sattler als Vertreter der die Majorität bildenden drei Parteien, sowie der landwirthschaftliche Minister Lucius in entschiedener Weise. Der letztere erklärte eine Vorlegung neuen Materials für gänzlich überflüssig, nachdem beide Haoser des Landtags in ihrer großen Majorität ihr Vertrauen zu dem Vorgehen der Regierung in der polnischen Frage kundgegeben haben. Gegen die Vorlage sprachen außer dem Abg. Frhrn. v. Hüne, der Pole Kantak und von den Deutschfreisinnigen der Abg. Dirichlet, ohne jedoch etwas vorzubringen, was nicht schon d.i der ersten Lesung der Polenvorlagen zur Sprache gekommen. Herr Dirichlet betonte besonders die Auffassung, daß die Vorlage der Versassung widerspreche und behielt sich vor, dei passender Gelegenheit auf diesen Punkt zurückzukommen.
Das Ergebniß der Abstimmung war die Ablehnung des Antrages von Hüne, die mit 218 gegen 120 Stimmen erfolgte und die Annahme des§ 1 in der Commissionsfassung. Gegen den Paragraphen stimmten Centrum, Freisinnige und Polen. Um 4 Uhr wurde die Weiterberathung auf Freitag 11 Uhr vertagt. Auf der Tagesordnung wurde außerdem noch die zweite Berathung des Gesetzes betr. die Errichtung von Fortbildungsschulen in Preußen, Pose. und Oberschlesien gesetzt.
Folitische
* Berlin, 1. April. Der heutige 71. Geburtstag des Reichskanzlers Fürsten Bismarck nahm erklärlicher Weise einen stilleren Verlauf als der vorigjährige, mit dem unser großer Staatsmann in sein 70. Lebenjahr trat. Trotzdem aber zeigten die auch heute zu hunderten eingelaufenen Glückwunschschreiben, Telegramme, Adressen, die Geschenke und Gaben aller Art, welch hoher Verehrung und Liebe der Feiernde uberall genießt. Schon in frühe: Morgenstunde erschienen die Musikcorps des 2. Garderegiments und des Alexanderregiments, um dem Geburtstagkinde Ständchen und Serenade zu bringen; ihnen schlossen sich in dichter Reihe Deputationen von Vereinen, Verbindungen und Corporationen, die Staatsminister, an erster Stelle Herr v. Bötticher und Herr v. Goßler, die Staatssecretäre des Reichs, Mitglieder der parlan entarischen Körperschaften, hohe Reichs= und Staatsdeamte zur Gratulation an. Kurz nach 12 Uhr erschien der Kronprinz, der längere Zeit bei dem Fürsten verweilte, gegen 1 Uhr Prinz Wilhelm und Prinz Georg, und um 2¼ Uhr beglückte auch der Kaiser seinen obersten Beamten mit seinem Besuch.
— Der preußische Gesandte beim Vatikan, Herr v. Schlözer, der am Dienstag Abend von Rom abgereist war, ist zu kurzem Aufenthalte hierselbst eingetroffen. Es verlautet, daß derselbe zwar nicht der Träger bestimmter Vorschläge der Kurie ist, daß er aber die hiesigen Regierungskreise über die Einzelheiten der in Rom gehegten Wünsche in der kirchenpolitischen Frage aufklären soll. Inzwischen ist der Bericht der Herrenhauscommission erschienen; derselbe ist sehr kurz und beschränkt sich auf den einfachen Vorschlag, die Anträge des Bischofs Kopp abzulehnen.
— Auf der Werft des Stettiner Vulcan ist heute Mittag der erste für den Lloyd bestimmte Dampfer der subventionirten Linie Japan=Australien glücklich vom Stapel gelaufen. Derselbe erhielt in der Taufe den Namen„Stettin.“
— Der„Reichsanzeiger" veröffentlicht heute, nachdem der Landtag noch knapp vor Thoresschluß mit dem Erat fertig geworden ist, das preußische Etats= und Anleihegesetz.
Naunchte Ranun donte der daghtalht uch inuer gehdam. „Darf ich fragen, ob Sie auch mir eine Nachricht bringen!“ wandte sie sich zu dem alten Herrn, der jetzt die klugen Augen voll herzlicher Theilnahme auf sie hestete.
„Leider nein,“ erwiderte der Justizrath bedauernd,„die Beweiskette scheint sich immer enger um den Herrn Assessor schließen zu wollen, und die Lücken, die sie noch enthält, sind so zweifelhafter Natur, daß man nur geringe Hoffnung auf sie bauen kann.“
„Und wann wird der Proceß zur Verhandlung kommen?“ fragte die Baronin.
„In dieser Schwurgerichtsperiode noch nicht, es ist sogar noch fraglich, ob die Sache im Herbst spruchreif sein wird.“
„Gütiger Himmel, denkt man denn gar nicht daran, daß Herr von Weilen völlig schuldlos sein könnte!“ sagte Marianne, und der Ausdruck der Entrustung spiegelte sich in ihren schönen Zugen.„Ist es nicht schrecklich, wenn ein Schuldloser ein ganzes Jahr in einsamer Haft zubringen muß, um erst nach dieser Zeit zu erfahren, daß der Verdacht, der auf ihm ruhte, unbegründet war? Mußte man nicht, wenn die Untersuchung sich so lange hinauszog, seinem Antrage Folge geden und ihn auf freiem Fuß lassen?“
„Die Richter durften es nicht,“ erwiderte der Justizrath;„bewilligten sie es ihm, so hatte jeder andere Untersuchungsgefangene das Recht, dasselbe zu fordern. Vor dem Gesetz sind alle Personen gleich, gnädiges Fräulein—.“
„Ich verlange ja auch nicht, daß gerade in diesem Falle eine Ausnahme gemacht werden sollte, Herr Rath, ich meine nur, Jeder, dessen Schuld nicht erwiesen ist, müsse fordern können, daß er während der Untersuchung auf freiem Fuße bleibt.“
Ein bedeutsames Lächeln glitt über das Antlitz des alten Herrn. Mit wie vielen schlagenden Gründen hätte er diese Behauptung widerlegen können! Aber es wäre thöricht gewesen, zu glauben, daß diese Gründe Anerkennung finden würden, Baronesse Marianne hatte ja in dieser Sache nur ein sudjectives Urtheil, sie zurnte Jedem, der an die Schuldlosigkeit des geliebten Mannes nicht glauben wollte.
„Die Vorschriften des Gesetzes müssen befolgt werden,“ sagte er,„dem Richter ist kein Vorwurf zu machen, er hat nur seine Schuldigkeit gethan.“
Die Baronin wollte das Gespräch abbrechen, sie zog an der Glockenschnur und befahl dem Kammerdiener, den Inspector zu rufen.
Marianne richtete noch einige Fragen an den Justizrath; aber die Antworten, die sie darauf erhielt, defriedigten sie nicht, der alte Herr war zu ehrlich, um Hoffaungen in ihrer Seele zu wecken, deren Erfüllung, wie er selbst wußte, nicht in der Möglichkeit lag.
„Der Proceß ist entschieden,“ sagte die Baronin, als der Inspector eingetreten war.„Sie werden in meinem Auftrage Haus Friedheim sammt dem Inventar dem Herrn Baron Julius von Hochberg überzeben, der Herr Justizrath steht Ihnen dabei mit seinem Rath und den nothigen Aktenstücken zur Seite. Es ist der letzte Dienst, den ich von Ihnen fordere, ich weiß, daß Sie ihn mit gewohnter Treue und Gewissenhaftigkeit erfüllen werden. Butte, kein Wor: des Bedauerns,“ fuhr sie fort, als sie bemerkte, daß Otto sprechen wollte,„ich din überzeugt, daß Sie den innigsten Antheil an diesem Verlust nehmen, ader ich wünsche nicht, daß Sie mir gegenüber diese Theilnahme äußern. In Bezug auf das Geschäft selbst wenden Sie sich, sobald ich Haus Friedheim verlassen habe, an den Herrn Justizrath, er wird Ihnen sagen, wann und in welcher Weise die Ueberlieferung stattfinden soll.“
Sie winkte ihm mit der Hand, daß er sich entfernen möge; er gisg hinaus, nur mit einer stummen Verbeugung andeutend, daß er bereit sei, ihr diesen letzten, schweren Dienst zu erzeigen.“
Im Begriff, in sein Zimmer zu treten, sah er sich dem Kammerdiener gegenüber, der mit hämischem Lücheln ihm einen Brief überreichte.
(Fortsetzung folgt.)
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