Neue Westfälische Zeitung
BESTANDHALTENDE INSTITUTIONEN
Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse e.V. (MFA), Institut für Zeitungsforschung, Stadtarchiv Dülmen, Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Gütersloh, Stadtarchiv Gelsenkirchen/Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv Ahaus, Stadtarchiv Lüdenscheid, Stadtarchiv Höxter
BESCHREIBUNG VERFASST VON
Mariella Mona Spilke (2025), Westfälische Hochschule Gelsenkirchen
GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG
Bei der „Neuen Westfälischen Zeitung“ handelte es sich um eine sogenannte Heeresgruppenzeitung, die von den britischen Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in Teilen ihrer Besatzungszonen herausgegeben wurde, bevor sie Anfang des Jahres 1946 begannen, Lizenzen an deutsche Zeitungen zu vergeben. Im Titelkopf war sie als „Nachrichtenblatt der alliierten Militärbehörden“ ausgewiesen.
Die „Neue Westfälische Zeitung“ mit ihren verschiedenen Ausgaben wurde im gleichnamigen Verlag in Oelde hergestellt und war die damals auflagenstärkste regionale Zeitung in Deutschland, bis sie wieder durch deutsche Lizenzzeitungen ersetzt wurde. Die erste Ausgabe erschien am 19. Mai 1945 zunächst nur mit Ausgaben für Münsterland, Minden-Ravensberg-Lippe, Osnabrück und den Niederrhein. Mit jeder nachfolgenden Nummer wurde das Verbreitungsgebiet erweitert und neue Bezirks- und Teilausgaben eingerichtet. Ab der achten Nummer vom 6. Juli wurde mit Alfred Hausknecht ein deutscher Chefredakteur eingestellt, der vor der Machtergreifung, zusammen mit August Rennebohm, die katholische Tageszeitung „Der Turm“ (1920-1933) herausgegeben hatte. Er sollte 1946 für die Westfalen-Zeitung in Bielefeld schreiben.
Mit Beginn der Vergabe von Zeitungskonzessionen durch die britische Besatzung wird das Verbreitungsgebiet der Neuen Westfälischen Zeitung verkleinert, wenn diese Bereiche durch eigenständige Zeitung abgedeckt werden konnten. Auch die Auflagenhöhe wurde schrittweise zurückgefahren. So konnte zum Beispiel Alfred Hausknecht ab März 1946 die Westfalen-Zeitung in Bielefeld herausgeben.
Am 30. Juli 1946 wurde die letzte Ausgabe unter der Chefredaktion von Hans Contzen herausgegeben . Als ihr Nachfolger wurden die Westfälischen Nachrichten bekanntgegeben, die am 3. August 1946 erscheinen sollten.
Historische Einordnung
Bereits vor Kriegsende berieten Briten und Amerikaner in gemeinsamen Gremien über ein mögliches zukünftiges Weiterverfahren mit den Besiegten. Nach Kriegsende wurden dann verschiedene Modelle zur „Umerziehung“ entwickelt („re-education“), um demokratische Werte an das besiegte Deutschland zu vermitteln und zu verankern. Ein weiteres Vorhaben war die Entnazifizierung. Nationalsozialistische bzw. militärisch propagandistische Gesinnungen und Prägungen unter den Deutschen sollten dabei verändert und stattdessen demokratische bzw. humanistische Werte vermittelt werden. Es sollten außerdem Möglichkeiten geschaffen werden, demokratische und unabhängige Meinungsbildungsprozesse zu fördern. Ein Modell der überparteilichen Gruppenzeitungen wurde von den Amerikanern entworfen, an dem sich die anderen Siegermächte wohl zunächst orientieren wollten. Bei der tatsächlichen Neugestaltung des deutschen Journalismus kam es allerdings in den Zonen der einzelnen Besatzungsmächte zu sehr unterschiedlichen Umsetzungen. Diese Umgestaltung sollte in mehreren Phasen stattfinden. Kernpunkt der ersten Phase war es, dass für eine bestimmte Zeit die deutschen Medien durch Medien der Alliierten ersetzt werden sollten. Die meisten der auch als Zonenzeitungen bekannten Blätter überlebten auch nach dem Wiedereintritt der sogenannten Altverleger (ab 1949) in den Markt.
Im Juni 1945 übernahmen die Briten einige ursprünglich von den Amerikanern besetzten Gebiete und führten daraufhin mit den zum damaligen Zeitpunkt bereits existierenden Heeresgruppenzeitungen auch die „Neue Westfälische Zeitung“ ein.
Durch die Heeresgruppenzeitungen, Zonenzeitungen und über die Nachrichtenagenturen konnten die Besatzungsmächte noch einige Zeit lang einen gewissen Einfluss auf journalistische Entwicklungen in Deutschland nehmen und zumindest teilweise eine nachhaltige Modernisierung journalistischer Strukturen und Prozesse bewirken.
Inhalte und politische Ausrichtung
Anspruch der Britischen Besatzungsmächte generell an Heeresgruppenzeitungen, wie auch an die „Neue Westfälische Zeitung“, war: Es sollte keine explizite politische Ausrichtung vertreten werden. Dieses Vorhaben hat bis heute Auswirkungen auf journalistische Arbeitsprozesse. Die „Neue Westfälische Zeitung“ brachte internationale Nachrichten, ebenso wie nach einiger Zeit auf den sogenannten Wechselseiten auch lokale Nachrichten. Darunter Berichte über Kriegsfolgen, Prozesse für Kriegsverbrecher, Bekanntmachungen der britischen Militärbehörde, Novelle. Ca. ab Nr. 3 auch Anzeigen, Familienanzeigen, andere Bekanntmachungen.
Ab Nr. 9 veröffentlichte die Freitagsausgabe ab S. 4 örtliche Nachrichten, Rubrik „Für die Hausfrau“, „Welt der Kunst“, dienstags landwirtschaftliche Fragen und Leserbriefe. Auf Seite 3 Aufsätze „von allgemeinem Interesse“.
Periodizität, Auflage und Format
Preise:
Die erste Ausgabe wurde kostenlos herausgegeben. Die späteren Ausgaben kosteten 15 oder 20
Pfennig.
Erscheinungsweise:
1-2x wöchentlich, samstags, ab Nr. 3 freitags. Ab Nr. 9 dienstags und freitags, 4-6 Seiten
Auflage
- 45.000 (19. Mai 1945)
- 108.150 (vom 26.5.1945)
- 321.350 (vom 1.6.1945)
- 454.377 (vom 15.6.1945)
- Gesamtauflage 861.681 (Nr. 7, vom 29.Juni 1945), Oelde 328.980, Bielefeld 532.701 (Minden-Ravensberg-Lippe-Ausgabe)
- 974.532 (5.7.1945)
- 1.111.291 (27.7.1945)
- 998.737 (28.8.1945)
- 527.000 (12. April 1946)
- 102.844 (31.05.1946)
- 63.484 (18.6.1946)
Lokale Ausgaben
Um einer möglichsten breiten Bevölkerungsgruppe den Bezug von aktuellen Nachrichten zu ermöglichen, wurde das Verbreitungsgebiet der NWZ mit jeder Ausgabe vergrößert. Sobald eigenständige Zeitungen den Nachrichtenbedarf der Regionen abdecken konnten, zog sich die NWZ dort wieder zurück. Die Bezirks- und Lokalausgaben unterschieden sich lediglich durch die Aufnahme von lokalen Nachrichten, Anzeigen und Bekanntmachungen ab der vierten Seite.
Nr 1, 19. Mai 1945 (soweit aus den Digitalisaten ablesbar) - Niederrheinische Ausgabe - Nordwestfälische Ausgabe
ab Nr. 7, 29. Juni 1945
Bezirksausgabe Münsterland:
- Teilausgaben A: Münster, Beckum, Warendorf,
- B: Recklinghausen, Lüdinghausen
- C: Bocholt, Borken, Coesfeld, Ahaus
-
D: Steinfurt, Tecklenburg Bezirksausgabe Minden-Ravensberg-Lippe:
-
Teilausgabe A: Bielefeld, Halle, Wiedenbrück, Paderborn, Büren, Höxter, Warburg
- Teilausgabe B: Minden, Lübbecke, Herford, Bücheburg, Stadthagen, Detmold, Lemgo
Bezirksausgabe Arnsberg
Bezirksausgabe Niederrhein
Ab Nr. 8 mit 14 Ausgaben. Lokale Nachrichten ab der 4. Seite
- Münsterländische Ausgabe mit Teilausgaben A, B, C, D, E
- Ausgabe Minden-Ravensberg-Lippe mit F, G, H, I
- Arnsbeger Ausgabe mit K, L, M
- Niederrheinische mit N, O
ab 17. Juli 1945
Bezirksausgabe Münsterland
- Teilausgabe A: für Stadt- und Landkreis Münster
- Teilausgabe B für die Kreise Warendorf, Bekkum und Wiedenbrück
- Teilausgabe C für den Stadt- und Landkreis Recklinghausen und den Kreis Lüdinghausen
- Teilausgabe D: für die Kreise Ahaus und Coesfeld
- Teilausgabe E: Für die Kreise Steinfurt und Tecklenburg
- Teilausgabe N: für den Stadtkreis Bocholt und den Kreis Borken
Bezirksausgabe Minden-Ravensberg
- Teilausgabe F: für den Stadt- und Landkreis Bielefeld und den Kreis Halle
- Teilausgabe G für den Stadt- und Landkreis Herford und die Kreise Lübbecke und Minden
- Teilausgabe H für die Kreise Paderborn, Höxter, Warburg und Büren
- Teilausgabe I: für die Kreise Detmold, Lemgo, Bückeburg und Stadthagen
Bezirksausgabe Arnsberg
- Teilausgabe K: für den Stadt- und Landkreis Iserlohn, Stadtkreis Hamm und die Kreise Lippstadt, Soest und Unna.
- Teilausgabe L: für die Kreise Arnsberg, Brilon, Meschede und Olpe
- Teilausgabe M: für den Stadt- und Landkreis Siegen, Stadtkreis Lüdenscheid, Kreise Altena und Wittgenstein
Bezirksausgabe Niederrhein
- Teilausgabe O für Abonnenten bis Ende Juli
ab 6. Juli 1945 Ausgabe in Osnabrück eingestellt. „dort wird in Zukunft eine Zeitung, die in Oldenburg gedurckt wird, erscheinen“.
Ab 18. Juli 1945 Neue Rheinische Zeitung in Düsseldorf, entsprechend Ausgabe der NWZ eingestellt.
Ab 2. April 1946 Westfälische Rundschau, entsprechend Ausgabe der NWZ eingestellt
Literatur und Quellen
- Koszyk, Kurt: Presse unter alliierter Besatzung, in: Jürgen Wilke (Hg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, S.31-55, Köln 1999