Volkswacht : Organ der Sozialdemokratie für das östliche Westfalen und die Lippischen Freistaaten
BESTANDHALTENDE INSTITUTION
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld
BESCHREIBUNG VERFASST VON
Dr. Jochen Rath (2018), Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld
GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG
Die sozialdemokratische „Volkswacht – Organ für das arbeitende Volk“ erschien am 1. Juli 1890 erstmalig, die Auflage umfasste 15.000 Exemplare, die schnell vergriffen waren und mittels einer Rückrufaktion einer noch breiteren Leserschaft zugänglich gemacht werden sollten. Möglich geworden war die Gründung dieser ersten sozialdemokratischen Zeitung in Bielefeld mit der Aufhebung des Sozialistengesetzes im Januar 1890. Emil Groth avancierte zum ersten Chefredakteur, erster Verleger war Gustav Slomke (1861–1939), der mit den anderen privaten Anteilseignern das erforderliche Startkapital bereitgestellt hatte. Noch im August 1891 ging die Zeitung in SPD-Eigentum über. Die SPD gründete hierfür den als offene Handelsgesellschaft betriebenen Gerisch-Verlag mit Druckerei und Buchhandlung, Gesell-schafter waren Bielefelder Parteimitglieder. Die „Volkswacht“ adressierte ihre Berichterstattung an die organisierte Arbeiterschaft und war Sprachrohr der streikenden Arbeiter. Redakteure ließen sich für ihre Berichterstattung 1905 als Streikbrecher anwerben, um Machenschaften der Unternehmer zu entlarven. Polizei und Staatsanwaltschaft hemmten die Arbeit der Redakteure und Gesellschafter, von denen einige in den Parlamenten Karriere machten: Carl Severing, Carl Hoffmann, Albert Siggelkow, Karl Eilers. An der Arndtstraße in Bielefeld entstand 1912 ein repräsentatives Gebäude für Redaktion, Druckerei und Buchhandlung. In der Weimarer Republik fiel der Tenor der „Volkswacht“ moderater aus, dennoch blieb es bei der sozialdemokratischen Grundlinie der Zeitung, die ausführlich über Veranstaltungen der Arbeiterorganisationen und Streiks berichtete, für genossenschaftliche Modelle (Konsumvereine) warb und sich intensiv an Wahlkämpfen beteiligte. Der Einzug der Nationalsozialisten in das Bielefelder Stadtparlament schlug sich auch in der redaktionellen Arbeit nieder, die vermehrt auf die NS-Propaganda reagieren musste, sich zu einem Kampfblatt „gegen die braune Flut“ entwickelte und im Dezember 1931 das regionale Presseorgan der „Eisernen Front“ wurde, die ein Zusammenschluss der Sozialdemokratie mit Gewerkschaften, dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ sowie Arbeitersport- und Arbeitergesangvereinen im Kampf gegen den Nationalsozialismus war. 1932 erreichte sie eine Auflage von 18.000 Exemplaren. Nach einem kurzzeitigen Verbot vom 23. bis 25. Februar 1933 erschien die letzte Ausgabe der „Volkswacht“ am 27. Februar 1933.
VERBREITUNG
Die „Volkswacht“ war über die Stadt und den Kreis Bielefeld hinaus in Ostwestfalen verbreitet und versorgte das sozialdemokratische Milieu der Region. Die Startauflage betrug 15.500 Exemplare, 1932 lag die Auflage bei 18.000 Exemplaren.
POLITISCHE AUSRICHTUNG
Die „Volkswacht“ war von Anfang an und bis zu ihrem Verbot 1933 sozialdemokratisch.
KONKURRENZBLÄTTER
- Der Wächter (liberal)
- Bielefelder-General-Anzeiger (bürgerlich-liberal, später konservativ)
- Westfälische Zeitung (konservativ)
LITERATUR
- Kruke, Anja, Kommunikationsstrukturen in der Arbeiterbewegung im östlichen Westfalen, unveröffentlichte Magisterarbeit, Universität Bielefeld 1999
- Lüpke, Reinhard, „Spiegel der Gesellschaft“. Entstehung und Entwicklung der Bielefelder Presse von 1811 bis heute, in: Andreas Beaugrand (Hg.), Stadtbuch Bielefeld. Tradition und Fortschritt in der ostwestfälischen Metropole, Bielefeld 1996, S. 660–663
- Meier, Gerd, Zwischen Milieu und Markt. Tageszeitungen in Ostwestfalen 1920–1970, Paderborn 1999
- Wagner, Bernd J., 1. Juli 1890: In Bielefeld erscheint mit der „Volkswacht“ zum ersten Mal eine sozialdemokratische Zeitung (Online-Ressource: https://www.stadtarchiv-bielefeld.de/HRK/01072010.html. Erstveröffentlicht am 1.7.2010)
- ders., 28. Februar 1933: Verbot der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volkswacht“ (Online-Ressource: http://www.bielefeld.de/de/biju/stadtar/rc/rar/01022013.html - erstveröffentlicht am 1.2.1933)