Die Lippische Landes=Zeitung==

erscheint mit Ausnahme der Sonn= und Festtage täglich und werden in derselben die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsblattes für das Fürstenthum Lippe in besonderer Rubrik veröffentlicht.

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Detmold, Leopoldstraße Nr. 117.

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Ae 52.

Dienstag, 7. Februar.

180.

Verantwortlicher Redacteur August Klingenberg. Druck und Verlag der Meyer'schen Hofbuchdruckerei(Gebr. Klingenberg) in Detmold.

Zur allgemeinen politischen Lage.

Der Staatsminister v. Puttkamer hatte bekanntlich in der Reichstagssitzung vom 25. Januar auf die be­denklichen Wetterwolken hingewiesen, welche seit einiger Zeit am Völkerhimmel aufgestiegen seien. Offiziöser­seits suchte man freilich diese Aeußerung auf die Ge­fahren zu deuten, welche der Ruhe und Sicherheit Europas seitens der internationalen Umsturzbestrebungen drohten. Die öffentliche Meinung ließ sich indeß durch solche Beschwichtigungsphrasen nicht beruhigen, sie deutete jene Worte vielmehr auf auswärtige Verwickelungen.

In der That hatte sich der politische Himmel Europas, seitdem der Exdiktator Gambetta das Steuer­ruder Frankreichs in die Hand genommen, nicht un­erheblich verdüstert. Man glaubte von dem wüthenden Narren, wie Thiers ihn einst genannt hatte, mit Recht

annehmen zu dürfen, daß er die Revanche an Deutsch­land als Hauptziel seiner Politik betrachte. Mit Ruß­land hatte er sofort Verbindungen zur Herstellung eines eventuellen Bündnisses angeknüpft, indem er den noto­rischen Deutschenfeind, Grafen Chaudordy, zum fran­zösischen Botschafter in Petersburg machte und seine intime Freundin, die preußenfresserische Frau Edmond Adam, dorthin sandte, um den Haß gegen die Deuschen in Rußland zu verstärken. Gleichzeitig hatte er die englische Regierung in der ägyptischen Frage zu einem abenteuerlichen Schritt zu verlocken gewußt, um im Orient zu gelegener Stunde einen Weltkrieg zu ent­zünden. Italien hoffte er im entscheidenden Augenblick auf seine Seite ziehen zu können, um im Bunde mit ihm und den beiden anderen Großmächten Deutschland und Oesterreich erfolgreich bekämpfen zu können.

Mit Gambetta's Sturz sind diese den Weltfrieden bedrohenden Projekte aber gescheitert. Das neue fran­zösische Kabinet hat es für seine Pflicht gehalten, in seiner Erklärung über die Richtung seiner Politik zu betonen, daß es die Pflege des Friedens nach außen wie nach innen als seine Hauptaufgabe betrachte. Graf Chaudordy geht nunmehr gar nicht nach Petersburg und Frau Adam ist auf die Nachricht von Gambetta's Rücktritt sofort nach Paris zurückgekehrt, um ihr Vater­land zuretten. England fühlt sich, seitdem es Gam­betta's Lockungen nicht mehr ausgesetzt ist, wie von einem Alpdruck befreit und freut sich, an der Hand der übrigen Mächte aus der Sackgasse, in welche es sich verrannt hatte, bald in anständiger Weise wieder her­auszukommen, um die ägyptische Frage nöthigenfalls auf internationalem Wege zu lösen. Italien ist durch die bitteren Erfahrungen, die es während der kurzen

Regierung Gambetta's gemacht hat, hinreichend ge­witzigt worden, um sich in Zukunft noch enger als bis­her an Deutschland und Oesterreich anzuschließen.

Unter diesen Umständen wird auch der Brand, der sich seit Kurzem auf der Balkanhalbinsel entzündet hat und den Frieden Europa's in ähnlicher Weise wie vor einigen Jahren zu gefährden drohte, bald glücklich ge­löscht sein. Oesterreich bietet die erforderlichen Kräfte auf, um den Aufstand in Süddalmatien und der zegowina so bald als möglich zu ersticken, und Graf Kalnoky hat soeben in den Delegationen versichert, daß er von allen Seiten her die beruhigendsten Erklärungen erhalten habe, also keine weitere Schürung des Auf­standes von außen her zu befürchten habe Vor Allem betonte er die Friedensliebe der russischen Regierung. Mögen daher die russischen Panslavisten wie General Skobeleff ihre Sympathie für die Sache ihrer süd­slavischen Brüder noch so offen durch Wort oder Geld bezeugen, das offizielle Rußland wird sich um so mehr hüten, sich mit Oesterreich zu verfeinden, da es selbst mit inneren Schwierigkeiten genug zu thun hat und Oesterreich aufs wirksamste von Deutschland geschützt weiß. Andererseits ist das zwischen diesen beiden Staaten bestehende innige Freundschaftsbündniß auch Bürgschaft genug dafür, daß die Pforte den Bemühun­gen Oesterreichs, auf der Balkanhalbinsel Ruhe und Ordnung herzustellen, kein Hinderniß in den Weg legen wird. Kaiser Wilhelm würde dem Sultan gewiß nicht den höchsten Orden seines Reiches schicken, wenn er nicht sicher wäre, daß derselbe nicht heimtückisch gegen seinen besten Freund, den Kaiser von Oesterreich, han­deln wird.

Die allgemeine politische Lage ist daher, nachdem sie kurze Zeit getrübt war, heute wieder so geworden, wie Kaiser Wilhelm sie bei der Eröffnung des deutschen Reichstags am 17. November v. J. zeichnete, als er sagte, daß er nie mit dem gleichen Vertrauen auf die Fortdauer des Friedens geblickt habe, als gerade jetzt. Die Freundschaftsbande, welche Deutschland mit den beiden anderen Kaisermächten verbinden, sind und bleiben auch fernerhin ein sicheres Pfand für die Erhaltung des Weltfriedens, welcher den Völkern Europas für die ersehnte Förderung ihrer wirthschaftlichen Interessen so nothwendig ist.

Preußischer Landtag.

Abgeordnetenhaus. 8. Sitzung vom 4. Februar.

Präsident v. Köller eröffnet die Sitzung um 11¼ Uhr. Am Ministertisch: Bitter, Maybach und mehrere Kommissarien.

Der Backsisch.

Eine Geschichte aus dem Badeleben von

Hans Wachenhusen. 32

Ja, aber wo bleibt denn unser Molwitz, der so unvorsichtig gewesen, das arme Kind nicht rechtzeitig unter Dach und Fach zu bringen! rief der Oberst, als er den Damen mit Edmund langsam durch den total aufgerissenen Waldboden folgte.

Die Damen waren indeß kaum vorüber, als Molwitz mit von Nässe glänzenden Kleidern hinter den Bäumen hervortrat.

In des Teufels Namen, Herr Lieutenant", rief ihm der Oberst mit der Autorität eines höher Chargirten zu, zwissen Sie nicht besser ein junges Mädchen zu schützen, das Sie ohnehin so gegen alle Konvenienz von der Gesellschaft trennten?"

Molwitz ließ gehorsam den Vorwurf über sich ergehen.

Herr Oberst, sagte er kleinlaut, nes lag nicht in meiner Macht. Das Fräulein suchte ängstlich die Ge­sellschaft, da wir uns im Gespräch nach einer anderen Richtung verirrt hatten. Während ich nacheilen wollte, brach plötzlich das Unwetter aus, ich verlor sie aus den Augen....

Und Sie ließen sie laufen, um sich selbst in Sicher­heit zu bringen! Sie sind mir ein schöner Kavalier! Molwitz hatte nichts zu erwidern. Er nahm den verdienten Rüffel eines Vorgesetzten hin und war froh, überhaupt vorläufig eine Ausrede gefunden zu haben. Seine Zuversicht war, daß Regina wenigstens der Ge­sellschaft gegenüber schweigen werde; im Uebrigen rech­mete er auf des Mädchens ihm bekannte Harmlosigkeit,

die ihm Alles verzeihen werde, wenn er bekenne, daß das Ganze ja doch nur ein Scherz gewesen sei.

Mit einiger Unverschämtheit läßt sich Alles be­schönigen, und die besaß Molwitz in hohem Maße. Nur Eins wurmte ihn: Regina hatte seine Liebes­erklärung als Schamlosigkeit bezeichnet! Der Goldfisch war also seiner Taktlosigkeit aus dem Netz geschlüpft und wenn sich diese nicht wieder gut machen ließ, so waren Reit= und Rennpferde, Marstall und Livréediener wie ein Traum zerronnen und Papa Hennich hatte keine Veranlassung, seine Schulden zu bezahlen.

Verwünschte Dummheit! murmelte er unterwegs vor sich hin, als er hörte, daß Edmund die ihm Ent­flohene aufgefangen und vor dem Unwetter zu schützen versucht.Warum brach das Wetter nicht wenige Minuten früher aus! Es hätte mir den Mund ge­stopft, mir die Gelegenheit geboten, sie zu schützen, und was hätte an ein so enges Beieinandersein mitten im Walde unter einem Baum bei tobendem Unwetter sich nicht Alles knüpfen lassen!

Seit die Welt besteht, gab es keinen glücklicheren Menschen als Edmund von Sohren!

Nach der Rückkehr von dieser unglücklichen Partie hatte ihn der Oberst bei sich zum Souper eingeladen. Edmund hatte dies angenommen. Er hatte die Familie von seinen Reisen und seinem naturforschenden Dilettan­tismus unterhalten. Die Frau und die Tochter hatten ihm aufmerksam gelauscht und der Oberst wollte, als Edmund sich entfernt, nie einen interessanteren und liebenswürdigeren jungen Mann kennen gelernt haben.

Was da zwischen Molwitz und Regina vorgefallen, hatte sich der Oberst geaußert, sei ihm nicht ganz klar,

Zur ersten Berathung des Gesetzentwurfs betr. die Erweiterung, Vervollständigung und bessere Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes nimmt Abg. Dr. Wehr (der sich gegen die Vorlage gemeldet) zunächst das Wort und dankt dem Minister Maybach dafür, daß er bei dem Bau von Sekundärbahnen diesmal besonders die Provinz Oftpreußen bedacht habe, wünscht aber, daß Westpreußen in gleichem Maße bedacht würde. Abg. v. Eynern sucht zunächst eine von Meyer=Breslau gestern zitirte Aeußerung Miquels über die Sistirung der Verstaatlichung der Eisenbahnen richtig zu stellen und theilt mit, daß Miquel, den er vor einigen Tagen gesprochen, sich ganz auf dem gestern von Hammacher entwickelten Standpunkte befinde. Redner erblickt in dem Gesetzentwurf eine segensreiche Folge der Ver­staatlichung. Redner betont namentlich gegenüber der Etatsrede Richters, die vielmehr eine Eisenbahnrede ge­wesen sei, die Nothwendigkeit der in der Vorlage proponirten Bahnanlagen gegenüber der Belästigung, die aus der früheren Konkurrenz der verschiedenen Eisenbahnverwaltungen resultirte. Der Minister hat sich in Bezug auf den Bau der Sekundärbahnen genau an die Beschlüsse des Hauses gehalten, er werde aber der Vorlage nur soweit zustimmen, als den Gemeinden durch den Bau der Sekundärbahnen nicht zu große Lasten erwachsen. Redner wünscht, daß in der Kom­mission ohne Aufstellung allgemeiner Prinzipien jede Sekundärbahn besonders geprüft werden möchte. Er erklärt, daß er nach dem günstigen Ausfall dieser Prüfung bereit sei, seine Zustimmung zur Ausgabe der in der Vorlage verlangten 76,680,000 M neuer Schuldverschreibungen zu ertheilen. Was die Beamten­frage betrifft, die bei der Vermehrung der Sekundär­bahnen ins Gewicht fallen könnte, so bemerkt Redner, daß die Gehälter der unteren Beamten bei den Privat­bahnen weit geringer seien, als bei den Staatsbahnen. Redner spricht schließlich die Hoffnung aus, daß noch weitere Vorlagen über den Bau von Sekundärbahnen erfolgen würden. Abg. Dirichlet bemerkt zunächst, daß Eynern seine für gestern vorbereitete Rede ge­halten, nicht aber zur Vorlage gesprochen habe. Er wolle die Vorlage nicht als Eisenbahntechniker, sondern als Konsument beleuchten. Bei dem Bau von Sekundär­bahnen befinde sich der Staatsbetrieb noch mehr im Nachtheile als bei größeren Bahnen. Er warne vor übertriebenen Hoffnungen, die an die Sekundärbahnen geknüpft werden. Auf einzelne Bahnlinien der Vor­lage speziell eingehend, erinnert Redner bei der Bahn­linie Labiau=Königsberg, daß der Minister seiner Ab­neigung gegen Privatbahnen zu sehr die Zügel habe

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so viel aber sei gewiß, daß etwas vorgefallen, was das Mädchen veranlaßt, sich von ihm zu trennen und sich von Herrn von Sohren in einem solchen Zustand

im Walde auffinden zu lassen. Regina's Unbefangen­heit, mit welcher sie sich an seiner Seite von der Ge­sellschaft entfernt, sei allerdings unverzeihlich, indeß kenne er das Mädchen hinreichend, um die Ueberzeugung zu haben, daß es sich dem Lieutenant gegenüber nicht den

geringsten Vorwurf machen dürfe. Beweis hierfür sei auch, daß sie ihm davon gelaufen. Jedenfalls werde er als Regimentskommandeur und Freund von Molwitz's Chef den Lieutenantvornehmen und ihm einen Ver­weis für sein Betragen geben.

Georgine fand dies zu hart. Die Mutter bat, sich nicht hinein zu mischen, der Oberst aber behauptete, er sei bei dieser Partie als Vertrauensmann seines Freundes Hennich zugegen gewesen und habe also die Ehre der Familie zu wahren.

Edmund erreichte seine Wohnung spät Abends. Bei Hennichs waren alle Fenster dunkel, die Familie war also schon zur Ruhe gegangen.

Er selbst fand diese Ruhe nicht. Die ganze Nacht hindurch wälzte er sich auf seinem Lager, an Regina denkend, und verfiel er wirklich in einen Halbschlummer, so weckten ihn die wonnigsten Träume wieder.

Er sah sich mitten im Sturm unter dem Baum, von den Blitzen umzuckt. Das schönste Mädchen ruhte

vertrauensvoll an seiner Brust, das Herz dieses schönsten

Meädchens klopfte an dem seinigen, aber leider in ganz neutraler Weise, ohne jene Thätigkeit, welche sich die Herzen in so intimen Situationen sofort zu erlauben pflegen.

(Fortsetzung folgt.)