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Bottroper Volkszeitung

Bestandshaltende Institution

Institut für Zeitungsforschung

Verfasst von

Leon Moritz (2022), Institut für Zeitungsforschung

Geschichte und politische Ausrichtung

Der aus Moers stammende Buchhändler Ludwig Allekotte gründete die „Bottroper Volkszeitung“ („BVZ“) am 1. April 1881. Unter dem Eindruck des Kulturkampfes war sie als Interessenvertretung der katholische Bevölkerung Bottrops und der Zentrumspartei sowie als „Bollwerk gegen den damaligen allmächtigen Liberalismus“ (Jubiläumsausgabe 1931) konzipiert und sollte die Bottroper über Lokales informieren. Hierin wurde sie auch kirchlich unterstützt und wollte „für die Rechte des katholischen Volkes eintreten“ (Jubiläumsausgabe 1931). Am 15. November 1882 übernahm sie der Buchdrucker Franz Schulte (*1854). Unter Schulte und ab Oktober 1911 Wilhelm Postberg stieg die Abonnenten- und Auflagenzahl der „BVZ“ an und damit einhergehend wurden neue Maschinen beschafft und die Räumlichkeiten kontinuierlich erweitert. Im Ersten Weltkrieg litt die „BVZ“ wie die meisten Zeitungen an den steigenden Rohstoffkosten und unterlag der Zensur. Dennoch verdoppelte sich die Auflagenzahl u.a. durch Feldpostabonnenten nahezu. Nach leichten Schäden am Geschäftshaus durch die revolutionären Unruhen 1919, hatte sie im Ruhraufstand wieder mit Zensur und kurzzeitigem Verbot zu kämpfen. Nach dessen Ende erschien die „BVZ“ zwar wieder regulär, doch litt sie nun unter der Inflation und ihr Bezugspreis stieg auf bis zu 1 Billion Mark. Während der Ruhrbesetzung diente die „BVZ“ den Besatzungsbehörden für Bekanntmachungen, doch wurde laut eigenen Angaben „freie Meinungsäußerung gegen die Besatzung […] gewaltsam niedergehalten“ (Jubiläumsausgabe 1931). So wurde ihr Erscheinen 1923-1925 mehrmals untersagt. Erst nach Inflation und Besatzung konnte der Aufbau der Volkszeitung unter neuer Redaktion fortgesetzt werden. Bereits 1925 begann der Bau eines neuen Verlagshauses, um dem Wachstum der „BVZ“ gerecht werden zu können. Noch 1931 attestierte sie sich in ihrer Jubiläumsausgabe, „auf dem Boden der katholischen Weltanschauung und der Zentrumspartei [zu stehen]“, und vor der Reichstagswahl zierte ihre Titelseite am 31. Juli 1932 der Schriftzug „Mit Dr. Brüning zum Endsieg!“ Ab 1933 wurde eine objektive Berichterstattung unmöglich. Die „BVZ“ blieb offiziell geduldet, beteiligte sich jedoch an der Propaganda des Regimes und verpflichtete sich selbst, nun dem „nationalen Totalitätsprinzip“ zu folgen (Isfort 2014). In einem Artikel des damaligen Anzeigenvertreters Georg Budke (1900-1994) wird dies als eine „[r]echtlose Zeit“ bezeichnet und auch erwähnt, dass „[d]er Hitlergruß […] im täglichen Verkehr nicht angewandt [wurde]“ (100 Jahre Bottroper Volkszeitung). Im Juli 1940 wurde die Herausgabe der „BVZ“ eingestellt, wobei es unklar bleibt, ob die „BVZ“ im „Westfälischen Beobachter“ aufging. Nach dem Krieg wurde der Betrieb mit diversen Druckaufträgen wieder aufgebaut. 1946 erschien die Zeitung als „Westfalenpost“, ab 1949 dann als Kopfblatt der Ruhr-Nachrichten und wieder als „Bottroper Volkszeitung“. 1981 feierte sie noch ihr 100-jähriges Jubiläum, doch wurde die lokale Bottroper Redaktion der Ruhr-Nachrichten zum April 2006 zusammen mit denen in Gladbeck und Gelsenkirchen geschlossen.

Inhalt, Leserschaft und Verbreitung

Die inhaltliche Gliederung der „BVZ“ entsprach der zeitgemäßen Aufteilung: (politische) Nachrichten, Unterhaltung, Lokales und Inserate, die zunehmend aufgeteilt und erweitert wurden. Als selbstbezeichnete „Provinzial-Zeitung“ standen bei ihr die damaligen Provinzen Westfalen und Rheinland und bei diesen insbesondere die Amtsbezirke Bottrop, Osterfeld und Kirchhellen im Fokus der Berichterstattung. Mit zunehmendem Umfang der Zeitung wurden auch das Feuilleton und die Inserate ausgeweitet. Letztere nahmen 1897 nach eigenen Angaben im Regelfall 60%, teilweise auch 70% des Inhalts ein. Über den Ersten Weltkrieg wurde in einer Chronik und durch Kriegsnachrichten ausführlich berichtet. Während der Ruhr-Besetzung diente sie dann als Organ für die Bekanntmachungen der Besatzungsbehörden. Die BVZ“ richtete sich nicht an einen speziellen gesellschaftlichen Leserkreis, sondern wurde laut eigenen Angaben von einer breiten Bevölkerungsschicht gelesen. Die größte Lesergruppe bildete die Arbeiterschaft, die zu Beginn der 1930er Jahre fast die halbe Leserschaft ausmachte. Personen aus dem Gewerbe und der Geschäftswelt folgten mit 24% und Beamte / Angestellte mit 20% (Handbuch der deutschen Tagespresse, 4. Aufl. 1932; Handbuch der deutschen Tagespresse, 5. Aufl. 1934). Geographisch blieb das Verbreitungsgebiet der „BVZ“ stabil mit dem Schwerpunkt im Südwesten des Kreises Recklinghausen und insbesondere in Bottrop und dessen Umgebung. Kurz nach ihrer Gründung expandierte sie zudem in die Bezirke Osterfeld und Kirchhellenen. Während sie 1920 damit warb, in Bottrop die „[e]inzige Zeitung am Platze“ zu sein und seit 1921 auch „Amtliches Kreisblatt der Stadt Bottrop“ war, erschien ab 1913 die „Osterfelder Volkszeitung“ als Kopfblatt der „Bottroper Volkszeitung“ (Jubiläumsausgabe 1931).

Erscheinungsweise, Umfang, Format und Auflage

Die „BVZ“ erschien zunächst dreimal wöchentlich am Dienstag, Donnerstag und Samstag. Mit zunehmender Leserschaft und umfangreicher werdendem Inhalt wurde sie ab Ende 1888 wöchentlich sechsmal außer an Sonn- und Feiertagen herausgegeben. Zwar lag der Zeitung bereits ab dem 1. April 1883 das „Bottroper Sonntagsblatt“ bei, doch erschien sie erst ab dem 1. Mai 1927 sowohl wochentags als auch an Sonn- und Feiertagen. Der Umfang der „Bottroper Volkszeitung“ betrug durchschnittlich vier bis sechs Seiten, wurde jedoch kontinuierlich ausgeweitet. Ab 1911 umfasste sie inzwischen im Vierspaltendruck acht Seiten und mehr und in den 1930er Jahren war ein Umfang von zehn bis 14 Seiten die Norm. Die Sonntagsausgabe konnte auch 20 bis 24 Seiten umfassen. Das Format der „Bottroper Volkszeitung“ schwankte in ihrer Geschichte immer wieder, die Angaben hierzu sind widersprüchlich. Zwischen ihrer Gründung und dem größten Format im Jahr 1931 verdoppelte sich ihre Fläche jedoch fast. 1939 betrugen die Maße dann vermutlich 460x320mm. Bottrop hatte zum Zeitpunkt des ersten Erscheinens der „BVZ“ nur 8.000 Einwohner, der Zeitungsmarkt war von verschiedenen Essener Blättern wie auch dem „Dorstener Wochenblatt“ beherrscht (100 Jahre Bottroper Volkszeitung). Nichtsdestotrotz gelang es, die Abonnenten- und Auflagenzahlen kontinuierlich zu steigern und 1883 die Schnellpresse einzuführen. Die schlechte wirtschaftliche Lage in der Nachkriegszeit und die Auswirkungen der Ruhrbesetzung haben auch die „BVZ“ nicht verschont, die 1931 nach eigenen Angaben „infolge [dieser] sozialen und wirtschaftlichen Krise eine ungewöhnlich große Anzahl von Kollektivlesern [hatte], so daß die Leserzahl die Auflagenhöhe um ein beträchtliches übersteigt“ (Jubiläumsausgabe 1931). Zusätzlich zu den hieraus resultierenden Nachteilen, war sie ab 1933 zudem „[s]tärkste[n] Schikanen […] mit Teilbetriebsschließung“ ausgesetzt (100 Jahre Bottroper Volkszeitung). Ihre Auflagenzahl konnte sich ab 1949 als Kopfblatt der Ruhr-Nachrichten zwar zeitweise wieder erholen, doch wurde die Schließung der lokalen Bottroper Redaktion zum 1. April 2006 mit den bis dato geringen Auflagenzahlen gerechtfertigt.

  • 1881: 4-500 Abonnenten
  • 1890: 1.000
  • 1891: 1.100
  • 1892: 1.350
  • 1893: 1.500
  • 1894: 2.000
  • 1905: 3.200
  • 1912: 5.600

  • 1902: 2.800 Auflage
  • 1914: 7.000
  • 1917: 11.000
  • 1918: 13.800
  • 1920: 15.000
  • 1928: 9.000
  • 1929: 9.000
  • 1930: 9.300
  • 1931: 8.900
  • 1932: 9.300
  • 1934: 5.300
  • 1937: 5.365
  • 1939: 5.785
  • 1953: 11.121
  • 1961: 12.693 (Ruhr-Nachrichten Bottrop/Gladbeck)
  • 1965: 13.635 (Ruhr-Nachrichten Bottrop/Gladbeck)
  • 1973: 6.996
  • 2006: 3.500

Beilagen

Bereits ab dem 1. April 1883 wurde mit dem „Bottroper Sonntagsblatt“ eine erste belletristische Gratisbeilage von vier Seiten Umfang herausgegeben. Hierauf folgten weitere Unterhaltungsblätter: um 1898/1899 die „Sterne und Blumen“ als Sonntagsbeilage sowie ab April 1912 der vierseitige „Hausschatz – Für jeden etwas“. Letzterer erschien regelmäßig mittwochs und wurde ab Beginn 1913 durch eine wöchentliche Modebeilage für Frauen ergänzt. 1917 lag eine illustrierte Sonntagsbeilage bei. Dieses Angebot wurde in der Folgezeit noch erweitert, sodass 1925 bereits außer dienstags und sonntags täglich eine andere Beilage mitgegeben wurde. So gab es nun auch ein „Sport-Extrablatt“, die achtseitige illustrierte Beilage „Sonntagsfriede“ und eine vierseitige Wochenrundschau „Deutschland in Wort und Bild“. Dieses Repertoire wandelte sich in den nachfolgenden Jahren und umfasste z.B. Beilagen zu den Themen Handel, Sport, Lokales, Technik, u.a. Ergänzt wurde dies noch durch diverse Festbeilagen.

Konkurrenz

Die „Bottroper Volkszeitung“ erschien zunächst in „Konkurrenz verschiedener Essener Blätter“ (Jubiläumsausgabe 1931), und bereits 1896 brachen diverse Pressefehden aus. In ihrer Jubiläumsausgabe 1931 rühmte sich die „BVZ“ damit, dabei „[gegen] den evangelischen Hattinger-Arbeiterboten und die Kreisblätter sowie General-Anzeiger, die sich als ,parteilose Blätter‘ ausgaben, […] entschieden Stellung [genommen zu haben.]“ 1981 schilderte Karl Schophaus zum 100. Jubiläum, wie die Bottroper Bevölkerung mit Erscheinen einer eigenen Lokalzeitung auswärtigen Zeitungen wie dem „Dorstener Wochenblatt“ den Rücken kehrte. In der Nachkriegszeit geriet sie als Kopfblatt der „Ruhr-Nachrichten“ gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ zunehmend ins Hintertreffen. Diese wurde durch die Übernahme der „Essener Allgemeine Zeitung“ nicht nur in Essen, sondern auch in Bottrop und Gladbeck zur meistgelesenen Zeitung. Schließlich wurde 2006 die auflagenschwache lokale Bottroper Redaktion geschlossen, sodass die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ ihr Monopol in der Region festigen konnte.

Nachfolger:

1946: „Westfalenpost“

1.3.1949-31.3.2006: „Ruhr-Nachrichten. Bottroper Volkszeitung“ (Kopfblatt der „Ruhr-Nachrichten“, Dortmund)

Nebenausgabe:

„Osterfelder Volkszeitung“ (1. Nummer / Probenummer: 27.10.1911): Ab 1.4.1913 Kopfblatt der „Bottroper Volkszeitung“ als „Zentrumsorgan für Osterfeld, Osterfelderheide, Eisenheim, Rothebusch, Vonderort und Klosterhardt“

Zeitungstitel

  • 1883 (2. Januar): „Anzeiger für das Amt Bottrop“
  • 1891 (2. Juli): „Allgemeiner Anzeiger für die Amtsbezirke Bottrop, Osterfeld und Kirchhellen“
  • 1898: „Täglicher Anzeiger für Westfalen und Rheinland“
  • 1905 (1. Januar): „Täglicher Anzeiger für die Amtsbezirke Bottrop, Osterfeld und Kirchhellen“
  • 1908 (27. Oktober): „Tageblatt und Anzeiger des unteren Emschergebietes“
  • 1911 (1. Oktober ?): „Amtliches Organ für den Bezirk Bottrop“ „Allgemeiner Anzeiger für das Emscher- und Lippegebiet“
  • 1913 (1. April): „Amtliches Organ für den Bezirk Bottrop“
  • 1921 (15. Mai): „Amtliches Kreisblatt der Stadt Bottrop“
  • 1933 (?): „das Heimatblatt der Stadt Bottrop“

Literatur

  • Bolik, Joachim: Über 100 Jahre (Zeitungs-)Geschichte Bottrop. Welt- und Lokalgeschichte mit den Augen der Bottroper Volkszeitung gesehen. Band I 1881–1931, Gummersbach 1987.
  • Bottroper Volkzeitung. Amtliches Kreisblatt der Stadt Bottrop Nr. 60 (51 Jahrgang) vom 1.03.1931. Jubiläumsausgabe (50 Jahre).
  • Isfort, Rudolf: … aus dem Recht des Stärkeren. Die Bottroper Volkszeitung und der Zweite Weltkrieg, in: Vestischer Kalender Bd. 86 (2015), S. 60-75 online [29.11.2022].
  • Isfort, Rudolf: … notwendig wie das tägliche Brot. Die Bottroper Presse im Nationalsozialismus, in: Vestischer Kalender Bd. 85 (2014), S. 106-124 online [14.10.2022]).
  • Isfort, Rudolf: … wird das das Ende der jüdischen Rasse in Europa sein. Die Bottroper Volkszeitung und die Vernichtung der Juden, in: Vestischer Kalender Bd. 87 (2016), S. 128-141 online [14.10.2022].
  • Ruhr-Nachrichten. Bottroper Volkszeitung. 100 Jahre Bottroper Volkszeitung.
  • RN-Verlagsbeilage vom 11.03.1981.