(Früher Sonntagspost.) Organ der liberalen Volks= und Fortschrittspartei in Lippe. Erscheint wöchentlich zweimal, Mittwochs und Sonnabends mit gabe, des„Illustrirt. Sonntagsblatt“ Kostet bei den Reichs=Postanstalten, in der Expedition und bei unsern Colporteuren in Detmold, Lage u. Blomberg 1 M. 10 P. Ue 10. Lemgo, Sonnabend, 9. Juni 1877. Anzeigen werden mit 10 Pf. die Zgesp. Zeile berechnet Für das Blatt bestimmte Anzeigen werden außer in der Expedition in Lemgo auch von den bekannten Colporteuren in Detmold, Lage und Blomberg entgegengenommen. Ueber das Landgericht für das Fürstenthum Lippe. In einigen Nummern des Regierungs= u. Anzeigeblattes und auch der Lipp. Post wurde die Frage angeregt, ob für das Fürstenthum Lippe ein besonderes Landgericht einzurichten sei und wo dieses seinen Sitz haben müsse. Bei den bezügl. Betrachtungen war die Befürchtung ausgesprochen, das Fürstenthum könne in Theile zerrissen werden, wenn es nicht ein eigenes Landgericht zu erlangen suche. Hierauf kann die Antwort genügen, unsere Staatsregierung wird mit geringer Mühe bei etwaigem Vertragsabschlusse mit Preußen erreichen können, daß dies vermieden wird. Jeder Jurist wird anerkennen, daß eine solche Befürchtung nicht begründet sein kann, weil durch eine Theilung des Landes diesem ganz unerträgliche Wunden geschlagen würden. Eine solche Theilung ist nicht möglich, wenn nicht die Interessen des Landes ganz bei Seite gesetzt werden sollen. Die Correspondenten qu. sprachen dann auch die Ansicht aus, die ev. Einrichtung eines eigenen Landgerichtes würde verhältnißmäßig wenig Kosten veranlassen. Das Gegentheil läßt sich leicht nachweisen. Abgesehen von dem nothwendig zu errichtenden Gebäude, welches doch auch 50,000 Thlr. und mehr kosten würde, entständen dem Lande viele dauernde Ausgaben. Es ist eine bekannte Thatsache, daß eine größere Wirthschaft verhältnißmäßig billiger betrieben werden kann als eine kleinere. Ein Landgericht für Lippe müßte mindestens 7 Räthe und einen eigenen Staatsanwalt nach dem Reichsgesetz haben. Weniger reichen nicht aus, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Wenn also die Arbeit auch nicht so viele Beamte erforderte, so würden sie doch nicht entbehrt werden können. Auch in dem Unterbeamten=Personale würde bei einem größeren Landgerichte die Kostenlast eine unverhältnißmäßig geringere sein. Einen eigenen Registrator könnten wir micht entbehren. Die Sportel=Rendantur würde einen eigenen Beamten erfordern 2c. Dann liegen gerade in unsern Verhältnissen manche andere Umstände, welche mehr für eine Vereinigung mit einem größern preußischen Landgerichte sprechen. Unsere Iustizverhältnisse sind überhaupt veraltet und entsprechen den Bedürfnissen der neuern Zeit nicht; natürlich kennen unsere Beamten nichts Anderes. Wer einen Einblick in unsere Justizverhältnisse gewinnen will, wird auf den Artikel in Nr. 10804 der„Weser Zeitung“ aufmerksam gemacht. Selbstverständlich können unsere Juristen, durch ihre bald in der Verwaltung, bald Justizpflege zerstückelte und zersplitterte ArbeitsWeise nicht in der Art geschult sein, wie es in größeren uund einheitlicheren Justizverhältnissen möglich und erforderlich ist. Es ist daher wol zu befürchten, daß, wenn unsere eigenen lippischen Richter wiederum ein abgeschlossenes lippisches Landgericht bilden sollten, sie ihre specifischen Anschauungen wieder zur Geltung bringen, sich gegen den Einfluß eines weitsichtigeren Organismus von Neuem abschließen und so den großen Vortheil neutralisiren würden, der uns aus der Verbindung und Assimilation mit einem größeren Staatswesen in allen mit der Justizpflege zusammen hängenden Fragen erwüchse. Daß bei uns, wie in den meisten Kleinstaaten, die ArbeitsVertheilung weder zweckmäßig noch einfach und direct zum Ziele führend ist— daß überhaupt die Arbeitslast nicht hinreicht, um den Arbeiter=Troß von Juristen hinlänglich zu beschäftigen,— geht am klarsten daraus hervor, daß zur Zeit drei Mitglieder des Obergerichts und 3 Richter als sehr thätige Landtags=Abgeordnete fungiren, ohne daß durch diesen Ausfall erhebliche Störungen in der Justizpflege eingetreten sind. Dazu kommtnoch der Umstand, daß im Laufe der letzten Jahre mehrere. AssessorenStellen unbesetzt geblieben sind. Als Belag dazu, wie sehr die z. Z. noch disponiblen Arbeitskräfte der Justizkanzlei zersplittert sind, diene die Bemerkung, daß ein Mitglied dieser Behörde mit dieser Würde verbindet die eines Mitgliedes der Ablösungscom= mission, des Hofmarschall=Amtes, des Hofgerichtes, des Criminal= gerichtes, juristischer Beistand ihrer Durchlaucht der Prinzessin Louise zur Lippe 2c. Diesen Umständen ist es wol auch nur zuzuschreiben, daß unser Obergericht bislang die Zusammenstellung und Herausgabe der im Laufe der Zeit bei ihm zur Geltung gekommenen Grundsätze in Rechtsfragen, als Präjudiz=Sammlung unterlassen hat, ein Gebrauch, der sonst bei allen höheren Gerichten eingeführt ist, und nicht nur manchem Prozesse vorbeugen kann, sondern den jüngeren Richtern und Rechtsanwälten von erheblichem Nutzen ist. Bei einer Verbindung unseres lippischen mit einem preußischen Landgerichte— sei nun der Sitz desselben Detmold, Hameln oder irgend eine andere Stadt— fallen uns hingegen Vortheile ins Auge, deren Tragweite sich unserer Ansicht nach nicht nur in den nächsten Jahren, sondern ganz besonders in der Zukunft fühlbar machen wird. Ein solches Landgericht würde selbstverständlich zum großen Theil mit fremden Richtern besetzt werden. Diese sind in einem größeren Gerichtswesen geschult und herangezogen, haben vielfach durch Versetzungen Gelegenheit gehabt, sich in neue Kreise einzuleben, ihren geistigen Horizont weit zu erhalten, sind weder durch Verwandtschaft noch andere gesellschaftliche Rücksichten gebunden und haben vor Allem schon die nöthige Erfahrung bei öffentlichem Gerichtsverfahren, die bei uns ja bekanntlich noch gänzlich fehlt. Durch eine Infusion solcher neuer Elemente wird für unseren heranwachsenden Juristenstand auch ein neues und weiteres Feld sich eröffnen, und es wird, so hoffen wir, der Abgeschlossenheit und dem fpecifisch particularistischen Wesen ein gesundes und lebensfähiges Reis aufgepfropft werden. 3241144 Wir sind weit entfernt, der Nivellirungs=Theorie zu huldigen, erkennen vielmehr den ungrheuren Nutzen und das Bildungswerk vollkommen an, den unser germanischer Hang zum Stammesleben und=Particularismus, der geistigen Entwickelung unseres Volkes gebracht hat. Selbstverständlich müßte dem fpeciell lippischen Rechte durch Bestellung besonderer Referenten, welche in unserer Heimat ausgebildet und mit dem Rechte und den Gebräuchen bekannt sind, Rechnung getragen werden. Die Lippischen Juristen könnten immerhin in erster Linie für unsere speciellen Rechts=Angelegenheiten im Landgerichte berufen und angestellt werden. Dabei muß indeß nicht übersehen werden, daß viele, ja fast zwei Drittel aller unserer Prozesse nach Rechtsgrundsätzen zu beurtheilen sind, welche keine Abweichung vom gemeinen Deutschen Rechte oder von dem im ganzen Deutschen Reiche geltenden Rechte enthalten. Handels= und Wechselrecht kommen bekanntlich ganz außerordentlich oft zur Anwendung. Auch ist es hinlänglich bekannt, daß in der nächsten Zeit schon Gesetze der einschneidendsten Art für das ganze Deutsche Reich von der Volksvertretung berathen werden können. Hiernach sinkt das vermeintliche Bedürfniß eines eigenen Landgerichtes fast in sich zusammen. Die wenigen Colonatsrechtlichen Fragen fallen nicht besonders ins Gewicht, weil einmal das Colonatsrecht selbst auf schwachen Füßen steht und schon in nächster Zeit verschwinden muß, wenn es nicht durch eine gesunde Reorganisation gekräftigt und belebt werden sollte.— Es sind die augenblicklich für die Errichtung eines eigenen Landgerichts vielleicht noch sprechenden Momente hiernach nicht der Art, daß wir dadurch bestimmt werden könnten, eine dauernde und für ferne Zeit bindende und drückende Einrichtung zu treffen. „.: In unseren bleibenden und dauernden Verhältnissen liegen keine Grunde für die Errichtung eines eigenen Landgerichts, da unsere Bevölkerung einen sehr friedfertigen Charakter hat und keiner, die Thätigkeit der Gerichte besonders in Anspruch nehmenden Beschäftigung nachgeht. Auch haben wir fast die dichteste Bevölkerung in Deutschland und kann deßhalb bei Annahme derselben Menschenmenge für einen Gerichts=Bezirk die Entfernung des Gerichtssitzes bei uns verhältnißmäßig nicht so groß sein, als in anderen Ländern. Wäre dies aber auch der Fall, so würde unsere Staatsregierung dafür Sorge tragen müssen, daß der Sitz eines Preußischen Landgerichts nach Detmold gelegt würde. Bekanntlich zeigt die Reichsregierung und auch die preußische Regierung den kleinen Staaten gegenüber ein ganz außerordentliches Entgegenkommen, wenn diese in entsprechender Weise um ihre Unterstützung bei Organisations=Fragen nachsuchen. Hier würde zu dem auch eine Hülfe und Mitwirkung kaum verweigert werden können. Wenn unsere Staatsregierung wirklich Weisheit und Gewandtheit bei der Leitung einer höchst wichtigen Angelegenheit zeigen will, so wird ihr dazu die schönste Gelegenheit geboten. Es liegt auf der Hand, daß die Stadt Detmold besonders und auch das Land bedeutend mehr Nutzen von einem größeren Landgerichte in Detmold, als von einem nicht lebensfähigen und überflüssigen eigenen Landgerichte haben werden. Der Residenzstadt Detmold könnte dadurch einiger Ersatz für den Verlust der Hofcapelle geboten werden. Es ist ja unendlich zu bedauern, daß Detmold so gewaltig durch die Auflösung jener herrlichen Capelle gelitten hat und ist zu wünschen, daß sie dafür entsprechend entschädigt werde, so weit dies möglich. Kein billig denkender Mensch wird indeß verlangen, daß zum gewaltigen Nachtheile des Landes ein eigenes Landgericht eingerichtet werde, nur um Detmold zu unterstützen. Ein preußisches Landgericht in Detmold würde auch der Aussicht auf eine Eisenbahn höchst förderlich sein, weil dadurch der Verkehr nicht unbedeutend vermehrt würde. Wir gehören nicht zu denjenigen, welche die Bedeutung eines Landgerichtes so gering anschlagen, wie dies jüngst offenbar officiöse Zeitungsartikel thun, und wünschen deßhalb, daß wir die Aussicht haben, dauernd und für alle Zeit ein Landgericht in Detmold. d. h. im Lande zu haben. Die Einführung eines eigenen Landes könnte offenbar, abgesehen von dem Mangel der Lebensfähigkeit an sich, nicht von langer Dauer sein, da unser Land voraussichtlich bald einer andern Dynastie zufällt und wir dann doch mit einem anderen Staate vereinigt werden würden, welcher sicherlich unser Landgericht mit dem seinigen oder einem davon vereinigen würde. Wir stimmen deßhalb für die Vereinigung unseres Landes mit einem preußischen Landgerichte, welches seinen Sitz in Oetmold hat. L. Berlin.(Orig. Corrsp.) Die im Laufe des gestrigen Tages eingegangenen Nachrichten sind ohne Bedeutung. Das Wasser der Donau ist im Fallen begriffen, so daß ein ernsterer Eintritt in die wirkliche Action zu erwarten steht. Der Kaiser ist bereits im Hauptquartier eingetroffen und wird in seinem Beisein ein Kriegsrath stattfinden, in welchem alle Schritte berathen und dann sofort energisch gehandelt werden soll. Mittlerweile hat zwischen Türken und Montenegrinern ein sehr blutiges Gefecht stattgefunden. Die Türken rückten mit einer bedeutenden Truppenmacht auf Marbinici vor und mußten nach zwei Stunden in wilder Flucht den Rückzug antreten. All' diese Vorgänge müssen auf die Armee so deprimirend wirken, daß wir wahrhaftig an eine längere Widerstandsfähigkeit der Türken kaum denken können. Was soll man dazu sagen, wenn ihre Uebermacht gegen eine handvoll Montenegriner in wilder Flucht zurückweicht? Ist da auf eine Consequenz den russischen Truppenmassen gegenüber zu rechnen? Wir müssen diese Frage im Voraus leider mit„Nein“ beantworten. Der russische„Humanitätsadler wird auf diese Weise, wenn nicht gerade eine andere glückliche Wendung eintritt, gen Konstantinopel getragen werden. Ob aber hierdurch das viel versprochene und viel gepriesene Friedensloos der Christen wirklich begründet werden wird, bleibt abzuwarten, wir glauben vielmehr, daß der biedere Russe lieber erobern als Heil stiften wird.— Vom europäischen Kriegsschauplatze dürften für uns folgende Telegramme von Belang sein: Bukarest, 6. Juni. Telegramm des Obercommandirenden der Südarmee vom 5. d..: In Rustschuk fand eine Bewegung größerer Truppenmassen von dem Lager aus nach dem Donauufer hin statt; nach einem längeren Hin= und Herschießen mit den Kosaken zog ein Theil der türkischen Truppen nach Süden ab. Der gestrigen Bombardirung von Kalafat wurde durch einen orkanartigen Sturm ein Ende gemacht. Athen, 5. Juni. Die griechische Regierung entlehnte zum Zwecke des Waffenankaufs von der Nationalbank 8 Millionen Drachmen. griechischer Specialgesandter begiebt sich zum Kaiser Alexander in das Hauptquartier von Plojesti. Konstantinopel, 5. Juni. Der ökumenische Patriarch hat einen Hirtenbrief erlassen, in welchem er der orthodoxen Gemeinde empfiehlt, dem Sultan die Treue zu bewahren und die Regierung in der Kammer in ihren Bestrebungen für die Ehre und Unabhängigkeit des Vaterlandes zu unterstützen. Ebenso traurig wie hier sieht es in Kleinasien aus. Hier steht man vor einer Schlußkatastrophe. Mukhtar Pascha hat seine Stellung bei Zewin und bei Chorassan räumen müssen und steht nicht fern von den Mauern bei Erzerum. Bei dem ersten ernsten Zusammenstoß mit der russischen Hauptarmee wird er hinter den Wällen dieser Festung Schutz suchen müssen, deren Einnahme dadurch beschleunigt wird.— Nach officieller Angabe besteht die Besatzung Erzerums aus 8 Bataillonen regulären Militärs und 1 Bataillon Tscherkessen. Für diese Besatzung und die Einwohner der Stadt ist angeblich für vier Monate hinreichender Proviant vorhanden. Kommt die Feld=Armee dazu, so wird derselbe kaum 1 Monat reichen. Die Festung ist mit 114 Kanonen, darunter 28 Krupp'sche, armirt, die kaum etwas nützen werden, da die einfache Cernirung die Festung zum Fall bringen muß. Mukhtar Pascha trägt unstreitig infolge seiner Saumseligkeit und Mangels an Geschick und Befähigung einen großen Theil der Schuld an den unglücklichen Ereignissen, aber die größte Schuld liegt an den Paschas in Stambul, welche die türkische Armee in Asien organisirt und aufgestellt haben. Es stellt sich nachträglich heraus, daß diesen Truppen Alles gefehlt hat, wessen eine Armee in einem Kriege gegen ein mehr oder minder europäisch organisirtes Heer bedarf. Es mangelt nicht an neuen Geschützen, aber an Artilleristen, nicht an guten Schützen, aber an verläßlichen Gewehren, nicht an kriegstüchtigen Soldaten, aber an Offizieren, und heute ist die türkische Armee in Asien, ohne daß eine große Feldschlacht geschlagen wäre, zersplittert und von dem schlechtesten Geiste beseelt. Und dafür sind nicht so sehr Mukhtar Pascha und seine Corpscommandanten, wie vielmehr der„Hofkriegsrath“ in Stambul und die türkischen Kriegsverwaltungen seit 20 Jahren verantwortlich zu machen. Die Fortschrittspartei ist zu den bevorstehenden Nachwahlen außerordentlich auf dem Posten. Der von ihr aufgestellte Candidat Ludwig Löwe gegen Hasenklewer hat bei Weitem mehr Chancen als dieser, trotzdem die Socialdemokraten mit ungeschwächten Kräften wühlen. In den nächsten Tagen wird eine Versammlung stattfinden, in welcher die beiden Gegencandidaten ihre Bestrebungen darlegen und sich event. rectificiren wollen. Der Zweikampf wird ein interessanter werden, zumal hier Seitens der Socialisten„Anstand“ empfohlen ist.— Sonst machen hier nach wie vor Verbrechen aller Art von sich reden. Zur Abwechselung haben verworfene Subjecte einem sparsamen Schneider dadurch den Garaus gemacht, daß sie demselben in dem nahe gelegenen Grunewald den Schädel gespalten und an einen Baum geknüpft haben. Diese Vorgänge sind so an der Tagesordnung, daß die Zeitungen eine besondere Rubrik für die Mordchronik einrichten könnten. Das Schlimmste aber ist, daß die Verbrechen unentdeckt bleiben!— In Börsenkreisen macht die Nachricht Aufsehen, daß über das Vermögen des Dr. Strousberg auch in Rußland der Konkurs ausgesprochen ist. Das Verfahren schwebe bei den Gerichten in Moskau, und gemäß der russischen Gesetzgebung wird Strousberg wohl genöthigt sein, bis zur Beendigung des ganzen Konkursprozesses in Moskau zu bleiben. Die„Neue Börsenzeitung“ schreibt dagegen:„Ueber die Situation des Dr. Strousberg sind neuerlich Nachrichten hier in Umlauf gebracht worden, die, wie uns von einem mit den Strousberg'schen Verhältnissen sehr vertrautem Manne versichert wird, theils ungenau, theils entschieden falsch sind. Eine Konkurseröffnung über das Vermögen Strousberg's, soweit sich solches in Rußland befindet, hat im Grunde nicht erst jetzt sondern schon gleichzeitig mit dem diesseitigen Liquidationsverfahren stattgefunden.(?) Die Massenverwaltung hat schon damals ihre Aufgabe darauf gerichtet, Alles, was zum Strousberg'schen Vermögensstande aktiv und passiv gehört, zu ermitteln und die Regulirung konform mit dem diesseitigen Verfahren anzubahnen. Es mußte hierbei natürlich auch auf die verwickelten Verhältnisse Rücksicht genommen werden, in welchen sich die verschiedenen Ansprüche der russischen Gläubiger an den Gemeinschuldner befanden und die vielfachen nicht unbedeutenden Gegenansprüche, die im Interesse der diesseitigen Gläubiger bei den Petersburger und Moskauer Gerichten geltend zu machen waren. Viel konnte hierin nicht gethan werden, zum Theil wegen der in Rußland eingeleiteten Kriminalprozedur, theilweis auch, weil die Verfolgung der Släubigerinteressen in Rußland nicht ohne bedeutenden Kostenaufwand, für welchen es der diesseitigen Masse an liquiden Mitteln fehlte, zu bewirken war. In Rußland selbst waren von dortigen Gläubigern alle dort vorfindlichen Aktiva bereits mit Arrest belegt und will man jetzt dort versuchen, zu realisiren und liquid zu machen, was sich irgend dazu eignet. Da Strousbergs persönliche Anwesenheit dazu unerläßlich ist, so werden immer neue Prozeduren eingeleitet um seine Entfernung aus Rußland zu verhindern.“ Detmold. Der Landtag hat sich in dieser Woche zunächst mit der Berathung der Verordnung vom 8. April 1874, die anderweitige Regelung der Grundsteuer betreffend, beschäftigt. Die Vorlage war bekanntlich einem Ausschusse überwiesen worden, welcher am 4. d. M. unter anderm beantragte, die Beschlußfassung über den§ 4 der Verordnung, nach welchem die Grundsteuer von Liegenschaften für das ganze Fürstenthum auf einen Jahresbetrag von 150,000 ecl. festgesetzt werden soll, für 3 Jahre auszusetzen. Der Ausschuß selbst, der aus sieben Mitgliedern besteht, hat nur mit einer Majorität von einer Stimme diesen Beschluß gefaßt, derselbe wurde vertheidigt von dem Abg. Steneberg. Abg. Hausmann machte jedoch zu wiederholten Malen darauf aufmerksam, daß die Feststellung der Höhe einer Steuersumme auf mehrere Jahre hinaus das Steuerbewilligungsrecht der Stände wesentlich beeinträchtige. Nach längerer lebhafter Debatte wurde ein Antrag Stenebergs fast einstimmig in folgender Fassung angenommen: Der Landtag wolle beschließen, dem von dem Grundsteuerausschusse gestellten Antrage die Worte hinzuzufügen: schon jetzt aber zu bestimmen, daß die Jahressumme der Grundsteuer von den Liegenschaften für das ganze Fürstenthum den Betrag von 150,000 cK. nur dann übersteigen darf, wenn(für den Fall einer neuen Catastrirung des Landes erst nach Vollendung derselben) steuerpflichtig werdende Grundstücke in Zugang kommen, oder wenn bei vermehrtem Staatsbedürfnisse eine verhältnißmäßig gleiche Erhöhung der übrigen directen Staatssteuern, mit Ausnahme der Schulsteuer und Erbschaftssteuer beschlossen wird. Der Landtag ging nun zur Berathung der einzelnen Gesetzesparagraphen über und setzte dieselbe in seiner Sitzung am 5. fort. Verschiedene Anträge des Ausschusses fanden die Zustimmung des Landtags und nachdem derselbe dem Ausschußantrage, daß die im Gesetze enthaltene Classificationsscala viel zu hoch gegriffen sei und man daher statt ihrer die von der preußischen Regierung für die Provinzen Schleswig=Holstein, Hannover und Hessen=Nassau erlassene annehmen möchte, einstimmig beigetreten war, wurde das Gesetz in seinem ganzen Umfange am 5. d. M. angenommen. Betreffs der Catastrirung des Landes stellte der Ausschuß folgenden Antrag, der eine sehr lebhafte Debatte hervorrief:„Der Landtag wolle beschließen, die für den Zweck einer neuen Catastrirung des Landes beantragte Summe von 168000 c. unter den Bedingungen zu bewilligen, daß 1. Fürstl. Cabinets=Ministerium dem Landlage in der jetzigen Legislatur=Periode den Entwurf eines Verkoppelungsgesetzes vorlege; 2. die Hypothekenbücher auf die Grundlage der zu errichtenden Grundsteuerbücher gestellt werden, sobald dieselben angefertigt sind; 3) bei der vorzunehmenden Landesvermessung sämmtliche Grundstücke auf Kosten ihrer Eigenthümer mit geometrischer Hülfe versteint, so weit es noch nicht geschehen ist.“ Abg. Hausmann stellte hierzu am folgenden Tage(6. d..) den von den Abgeordneten Brand, Schemmel, Asemissen, Körner und v. Kreßenbrock mit unterzeichneten Gegenantrag:„Der Landtag wolle beschließen: die für den Zweck einer neuen Catastrirung des Landes von dem Landtage 1871 in Aussicht gestellten 300000 cht. sowie die für diesen Zweck weiter beantragten 168000., welche Summen im Wege der Anleihe zu beschaffen und in näher festzustellender Weise aus dem Mehrertrage der neu regulirten Grundsteuer zu verzinsen und zu amortisiren sind, zu bewilligen, diese Bewilligung aber davon abhängig zu machen, daß vorab vom fürstlichen Cabinets=Ministerium dem Landtage 1) der Entwurf eines Verkoppelungsgesetzes, 2) ein Gesetzentwurf darüber, daß die Hypothekenbücher auf die Grundlage der zu errichtenden Grundsteuerbücher, sobald dieselben angefertigt sind, gestellt werden, 3) ein Gesetzentwurf darüber, daß vor der vorzunehmenden Landesvermessung sämmtliche Grundstücke auf Kosten ihrer Eigenthümer, soweit es noch nicht geschehen ist, mit geometrischer Hülfe versteint werden, vorgelegt wird.“ Nach einer eingehenden Begründung dieses An trags seitens des Abg. Hausmann und einer interessanten Debatte über denselben wurde er bei namentlicher Abstimmung mit 10 gegen 8 Stimmen angenommen und also der Antrag des Ausschusses verworfen. Die Vorlage über Einführung einer allgemeinen GebäudeSteuer bildete den zweiten Gegenstand der Tagesordnung und die Berathung derselben nahm auch die Sitzung am 7. d. M. (Donnerstag) in Anspruch. Abg. Bürten beantragte, es möchte die Proposition von der Tagesordnung gesetzt und der Regierung die Zurückziehung derselben anheimgestellt werden, die Gebäudesteuer könne nach der Taxation zur Brandcasse weiter gehoben werden. Als dieser Antrag jedoch abgelehnt wurde, beantragte derselbe Abgeordnete, der Landtag wolle die ganze Vorlage ablehnen und der Regierung die Einführung einer Vermögens= oder KapitalSteuer empfehlen. In der Donnerstagssitzung wurden die 22 Paragraphen der Vorlage durchberathen und angenommen, nur gab § 2 der Vorlage Veranlassung zu einer längern Debatte; derselbe lautet:„Befreit von der Gebäudesteuer sind die fürstlichen Schlösser zu Detmold, Schieder, Lopshorn, der Lippehof zu Lemgo und die sonstigen von Mitgliedern des fürstlichen Hauses bewohnten Gebäude“ Statt dessen wurde die vom Ausschusse beantragte Fassung angenommen:„Befreit von der Gebäudesteuer sind die fürstlichen Schlösser welche vom Landesherrn benutzt werden, für jetzt das Residenzschloß und das sog. Palais zu Detmold, sowie die Schlösser zu Schieder und Lopshorn,— außerdem der Lippehof zu Lemgo, so lange die Benutzung desselben dem dortigen Gymnasium in bisheriger Weise gewährt wird. Herford, 30. Mai. Bei Ausübung ihres diebischen Handwerks wurde gestern Nachmittag auf dem hiesigen Bahnhofe eine Zigeunerin auf der That abgefaßt und mitten in ihrer Escamontage recht unangenehm gestört. Sie kam in das Bureau des Stations= vorstehers und erkundigte sich nach dem Abgange des nächsten Zuges nach Magdeburg. Als sic darauf den nöthigen Bescheid erhalten, bat sie den Inspektor, ihr einen Thaler zu wechseln. Um dieser Bitte nachzukommen, ging der Beamte an den Tisch worin die Geldtrecke sich befand, schloß diese offen und suchte nach sechs Fünfgroschenstücke alten Gepräges, weil die Zigeunerin um derartige Stücke gebeten hatte. Das Weib beugte sich nunmehr über den Tisch und wollte dem Inspektor beim Aussuchen behilflich sein, indem sie mit dem Zeigefinger mehrere Male Geldstücke in der Trecke berührte, die sie zu haben wünsche. Das scharfe Auge des Beamten bemerkte indeß verdächtige Manipulationen; er ergriff die Hand der Gaunerin und stellte fest, daß sie in der Geschwindigkeit 7 Fünfgroschenstücke im Innern der Hand versteckt hielt. Das Geld wurde ihr genommen und ist der Vorfall der Polizei gemeldet. Wie oft mag die Vagabondin dieses Kunststüchen wohl schon mit Erfolg durchgeführt haben.8 — Die famose Springprozession in Echternach ist in diesem Jahre außergewöhnlich stark besucht worden. Zum ersten Mal ist der übliche Gesang nach einer neuen und wirksameren Melodie ausgeführt worden. Es wird bei 3 Schritten vorwärts 2 Schritte zurück gesprungen und hierbei wurde bisher ein Gesang nach der bekannten Volksmelodie: Adam hatte sieben Söhne, sieben Söhne hatt' Adam 2c. gesungen. Diesmal intonirte die Musik die Melodie: Eins, Zwei, Drei, an der Bank vorbei 2c., welches wie folgt umgeändert mit großer Vehemenz gesungen wurde:„Eins, Zwei, Drei, Kyrie Elei, für den heiligen Vater und für Marei, zurück Eins, Zwei.“ Die neue Melodie, die vortrefflich zu dem Tanze paßt, machte namentlich den jüngeren Pilgern viel Spaß und dürfte für die Zukunft adoptirt werden und neue Anziehungskraft zu dem seltenen Schauspiel ausüben. Eine neue Zukunftsmusik! Gewinuliste der Verloosung am 5. Juni c. in Barntrup. (Kandwirtschaftliche Austellung.) Bemerkung. Auf die fett gedruckten Loos= Is sind Fohlen, Rinder und Schweine gewonnen, um deren sofortige Abholung dringend gebeten wird, außerdem wird bemerkt, daß nur Gewinne gegen Abgabe der Loose verabreicht werden, und zwar durch Heren Küster Bornemeyer. Der Vorstand des landw. Vereins Barntrup. Ueber den Werth des holländischen Puder-Cacao's. Die Verwendung des entölten oder Puder=Cacao's als Nahrungsmittel für Kranke, Reconvalescenten, Schwächlige und Kinder findet von Tag zu Tag mehr Aufnahme, da von ärztlicher Seite die wohlthätige Wirkung anerkannt wurde. Daß die Reinheit und Güte des Fabrikates dabei in erster Linie zu berücksichtigen ist, liegt außer aller Frage, und es ist demnach angezeigt, das Publikum über den wahren Werth einiger Marken, welche im Allgemeinen den Ruf der Reinheit haben aufzuklären. Namentlich sind es holländische Fabrikate, welche diesen Ruf nicht verdienen. In meiner langjährigen Praxis habe ich leider die Erfahrung machen müssen, daß fast 5/8 des aus Holland bezogenen Cacao=Puders einen bedeutenden Stärkemehl= oder Mehlzusatz bis zu 15% hat, daß man für diese billige Beimischung den hohen Cacaopreis bezahlt. Zur Bewahrheitung meiner Aussage lasse ich einige Analysen von holländischem und deutschem Puder=Cacao folgen. 100 Gewichtstheile Puder=Cacao enthalten: von der C. J. van Houten & Zoon in Weesp, analisi. von Dr. R. Fresenius und Dr. C. Neubauer in Wiesbaden in Auftrag der Firma Schaal& Co. in Straßburg. von J.& C. Blookner in Amsterdam, analysirt von Dr. H. Vohl in Cöln. Asche.. Cacaofett. Stärke Cacao Cacaoschalen Verlust 7,4157 27,1422 10,7080 54,2250 0,5091 Asche Cacaofett. Stärke Cacao Cacaoschalen Verlust.. 8,4300 31,6200 4,1300 55,8200 von der Kaiserl. Hof=Chocoladen=Fabrik: Gebr. Stollwerck in Cöln, analysirt von Dr. H. Vohl in Cöln. Asche. Cacaofett. Stärke Cacao Cacaoschalen Verlust 5,9950 29/3420 64,0436 06194 100,000I 100,000 400,000 Der Aschegehalt des durch Pressen entölten Cacao beträgt durchschnittlich 5% (ein größerer Aschegehalt deutet immer auf einen Zusatz von fremden Substanzen, Cacaoschalen, Mehl 2c. 2c.) Unenkölter Cacao hat circa 3% Asche. Die Cacao=Asche, welche größtentheils aus Phosphaten besteht hat insofern bei der Ernährung einen Werth, als sie zur Knochenbildung beiträgt und überhaupt die dem Körper so nöthige Phosphorsäure zuführt. Den Cacao durch Pressen vollständig zu entölen, ist unmöglich, da die Cacaomasse wie ein Schwamm wirkend, einen großen Theil, mindestens 25% zurückhält, die demselben nur auf chemischem Wege durch Extraction zu entziehen sind. Aus diesen analytischen Ergebnissen geht unzweifelhaft hervor, daß der deutsche Puder=Cacao dem holländischen bei Weitem vorzuziehen ist, und daß namentlich beim Bezug des holländischen Fabrikates vorherige chemische Prüfung angezeigt ist, um sich vor Schaden zu wahren. Cöln, im Jebr. 1877. Dr. Herm. Vohl, Handels= und Gerichts=Chemiker. Der Landw. Zweigverein für die Zemter Brake, Schötmar, Lage u. s. w. versammelt sich am Sonnabend, 9. d. Nachmittags 3 Uhr, im Steinkäuler'schen Gasthause zu Lage. Tagesordnung: 1. Besprechung über Feuerversicherung und Hagelversicherung. 2. Besprechung über die Lungensäuche beim Rindvieh und ein dagegen zu erlassendes Gesetz. 3. Vortrag des Herrn Director Burgtorf über den geeignetsten Zeitpunkt des Roggenmähens. Der Sekretär W. Kuhlmann. Petroleum Koch-Aparate bei Gottfr. Rehtmeger. Kinderwagendecken in neuesten Dessins zu billigen Preisen Gottfr. Rehtmeger. Kinderwagen in der größten und schönsten Auswahl zu billigsten Preisen bei Chr. 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