Anaconda, die mit einem Satz, der sogar die Hochachtung eines benachbarten Känguruhs hervorrief. von Sam fortgesprungen war. starrte den Prokuristen dlaß vor Angst an und äußerte entsetzt: „Pfui! Und wie häßlich das stinkt!" „Rein. nein, bleiben Sie mir vom Leide!" wehrte sie zornig ab. als Sam sie bat, wenigstens noch die Schlangen mit ihm anzusehen. wegen der Anaconda. Sie entfernte sich von dem bekleckerten Begleiter mit den entrüsteten Worten echt weiblicher Logik:„Das nennt so ein Mensch nun Kafsee mit Torte und Schlagsadne! Schämen soll er sich!“ Ihre Erregung schwoll erst ab, als sie zufällig ins Schlangenhaus geriet. Jetzt würde sie wenigstens die Anaconda in Ruhe und mit Genuß betrachten können. Sie schritt auf den Glasbehälter zu. Atemlos las das Mädchen das Schild, um sich ganz gewissenhaft zu unterrichten. Da hieß es: „Anaconda(Eunectis murinis). Riesenschlange. Familie der Stummelfüßer.“ Anaconda war sehr enttäuscht! Sehr enttäuscht! Stummelfüßer? Sie war doch kein, Stummelfüßer!„Ekelhaftes Tier! Stummelfüßer!" beschimpfte sie die unschuldige. schlummernde Schlange. Am nächsten Sonntag bewiillgte das Mädchen dem Kolonialwarenhändler Gustav Butterweck, der vor einem halben Jahr das Geschäft in dem von ihren Eltern bewohnten Hause eröffnet hatte, einen gemeinschaftlichen Nachmittag. Ob Gustav sich von einem Lama anspucken ließ? Sie gingen in den Zoo und besuchten zunächst das Lama. Im Halbdunkel der Ecke gab Anaconda dem Gustav einen Kuß. Das Lama spuckte nicht. Es hatte einen Gripperückfall. Anaconda aber war sehr glücklich. Vier Wochen später hieß sie Butterweck, nannte sich stolz wieder Anna und wurde eine tüchtige Geschäftsfrau. Gripperückfall ist noch schlimmer als Grippe. auch bei Lamas. Das war Gustavs und Annas Glück. Aber davon wissen sie nichts. Bunke Seschickten aus aller Welt. Wann wachsen die Zäume? Eingehende Beobachtungen eines französischen Botanikers. die in der Nevue’Horticulture veröffentlicht werden. geben überraschenden Aufschluß über die Zeiten. in denen sich das Wachstum der Bäume vollziebt. Danach liegt die Hauptzeit des Wachsens in den Stunden zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens. Die verschiedene Intensität des Wachstumsvorganges innerhalb von 24 Stunden wird in Prozenten folgendermaßen angegeben: Von 6 bis 9 Uhr morgens 83 Prozent, von 9 Uhr bis Mittag 1¾ Prozent. von Mittag bis 18 Uhr überhaupt kein Wachstum. von 18 bis 21 Uhr 1½ Prozent. von 21 Uhr bis Mitternacht 3½8 Prozent. von Mitternacht bis 6 Uhr morgens 85 Prozent. Mehr als 90 Prozent des Wachens vollzieht sich also in der Zeit, in der sich die Sonne unter dem Horizont befindet, und überhaupt erfolgt sast alles Größerwerden der Bäume, während sie nicht von der Sonne beschienen sind. Auch bei den anderen Pflanzen zeigte sich eine ähnliche Erscheinung. aber sie ist nicht so ausgesprochen wie bei den Bäumen. und die Zeit des Wachstumes ist bei den verschiedenen Arten sehr verschieden. * Ein zu schauerliches Kunstwerk. Das französische Handelsministerium und der Generalkommissar der Pariser Kunstausstellung von 1925. Fernand David, sind jetzt von einem Bildhauer Moreau=Vauthier auf Schadensersatz verklagt worden. und dem Kläger wurde vom Gericht die geforderte Summe von 3200 Mark zugesprochen. Dieses Urteil dat in Künstlerkreisen großes Aufsehen erregt, denn es handelt sich dabei um einen sehr merkwürdigen Anspruch. Moreau=Vauthier war beauftragt worden. eine Skizze für eine Statue zu schaffen, die die Schrecken des Krieges darstellt. Er führte diesen Auftrag so realistisch und eindrucksvoll aus, daß viele Besucher der Ausstellung fanden, das Kunstwerk sei zu surchtbar und schauerlich: die Empörung über die entsetzliche Wirtung nahm immer mehr zu. und man verlangte schließlich die Entfernung der Statue. Die Veranstalter der Ausstellung saben sich daher gezwungen die Plastik, die sie angenommen hatten, fortzubringen und in einem Keller unterzustellen, wo sie dem Anblick des Publikums entzogen war. Der Bildhauer behauptet nun, daß diese unberechtigte Entsernung seiner Arbeit sein künstlerisches Ansehen geschädigt und ihm große seelische Aufregungen gebracht habe. und bezifferte seinen Schaden mit 3200 Mark. Das Gericht sprach ihm diese Summe zu. Aber die Entscheidung dürfte Folgen für das französische Ausstellungswesen haben, denn die Veranstalter von Ausstellungen sind dadurch in eine unangenehme Lage versetzt, da es ja immer wieder vorkommen kann, daß die Entfernung eines Werkes vom Publikum gesordert wird. * Ratürlicher Kanonendonner. Ueber eine seltsame Naturerscheinung gibt die Studie eines Toulouser Gelehrten Nodon Aufschluß. die in der letzten Sitzung der Pariser Akademie der Wissenschaften mitgeteilt wurde. Es handelt sich dabei um eigenartige Geräusche in der Luft, die dem Donner eines entfernten Artilleriefeuers ähneln. Soln„natürlicher Kanonendonner“ ist verschiedentlich beobachtet worden, im Gebirge sowohl wie in der Ebene und über der Oberfläche der Meere: besonders bäusig sind diese dumpfen und volternden Tonfolgen im Golj von Bengalen. in Brakilien und Sorien, kommen aber auch in Deutschland. auf der Nordsee in Böhmen und Italien vor. Die Ursache dieser Detonationen war bisher in Dunkel gehüllt. Die verschiedensten Behauptungen wurden ausgestellt, und man glaubte, daß es sich dabei um Erderschütterungen. um elektrische Entladungen in der Luft oder um andere atmosphärische Vorgänge handle. Nun hat Nodon am 16. Fedruar dieses Jadres in Vordeaux einen solchen„natürlichen Kanonendonner“. der vom Ozean berkam. ganz genau beobachtet und mit einer großen Zahl anderer Berichte über diese Erscheinung verglichen. Die Luft war an diesem Tage ganz still. und nirgends in der ganzen Umgebung waren Kanonenschüsse erfolgt. Er leitet nun diese Geräusche von starken atmosphärischen Störungen her. die mit Vorgängen in der Sonne in Verbindung steben, die durch das Auftreten von Sonnenflecken charakterisiert werden. * Der Maler mit dem längsten Pinsel. Der über 80 Jahre alte englische Maler John Collier, der unter allen englischen Malern der Gegenwart die größte Zahl von Werken geschaffen hat, kann seit längerer Zeit nur noch im Sitzen malen, da seine Beine den Dienst versagen. Er hat sich zu diesem Zwecke einen besonders konstruierten Lehnstuhl bauen lassen, den er nach allen Seiten beliebig drehen kann. und um von diesem Sitz aus die ganze Leinwand zu erreichen, bedient er sich der längsten Pinsel. die wohl je ein Künstler verwendet hat. Manche dieser Pinsel haben eine Länge von zwei Meter. Er hat es in der Handhabung dieser Werkzeuge zu außerordentlicher Geschicklichkeit gebracht, so daß er im Sitzen mit größter Schnelligkeit malen kann. * Signakuren für Bauwerke. Sollen die Architekten gezwungen werden, ihre Werke zu„signieren“? Diese Frage hat zu einer lebhaften Erörterung zwischen zwei französischen Senatoren geführt. Mario Roustan. dem Unterrichtsminister, und Joseph Monsservin. Roustan bereitet ein Gesetz vor, durch das befohlen werden soll, daß an allen Gebäuden und Denkmälern. die von einer öffentlichen Körverschaft errichtet werden. der Name des Mannes oder der Männer, die die Pläne entworsen haben, angebracht werden muß. Den Anlaß zu dieser Maßnahme hat die berühmte Bibliothek Sainte Genevieve gegeben, die keine Andeutung über die Persönlichkeit des Schöpfers enthält. Dutzende anderer bekannter öffentlicher Bauten und Denkmäler in Paris und in Frankreich überhaupt sind„unsigniert“. und schon öfters haben Künstler dagegen protestiert, daß sie auf diese Weise um ihren Ruhm gebracht werden. Monsservin will die Rechte der Baumeister keineswegs schmälern. aber er glaubt, daß die bestehende Gesetzgebung das künstlerische Eigentum bereits genügend schützt und daß in manchen Fällen durch diese Anbringung des Namens Weiterungen entstehen könnten; er meint. daß ein solches Unterstreichen der schöpferischen Persönlichkeit manchmal sogar stören könne, wie z. B. bei dem Grabmal des Unbekannten Soldaten. * Das gestohlene haus. Ein Mann in der Stadt Newark im Staate New Jersey. kaufte im Januar dieses Jahres ein drei Stock hohes Holzhaus. Zu Anfang des März wollte er sein neues Eigentum besichtigen und mußte feststellen, daß es— verschwunden war. Diese seltsame Nachricht aus dem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten eröffnet unangenehme Aussichten für die Hausbesitzer. Diese werden jetzt sehr sorgfältig auf verdächtig aussehende Personen aufvassen müssen, die sich an ihren Häuseen berumtreiben. denn was dem Manne in Newark passiert ist, kann auch jedem andern begegnen. Die Polizei hat allen Grund. diesen geheimnisvollen Diebstahl genau aufzuklären, und festzustellen, wer dieses drei Stockwerk hohe Holzhaus beiseite gebracht hat. Denn wenn erst einmal der Häuserdiebstahl einreißt, dann wird man sich vielleicht nicht mehr mit dreistöckigen Häusern begnügen. sondern es kann soweit kommen, daß auch ein Wolkenkratzer am Broadway mir nichts dir nichts gestohlen wird. * Degas eigene Grabrede. Der große französische Maler Degas war ein Feind allex Zeremonien und öffentlichen Reden. Besonders ärgerte er sich stets über die Grabreden. wenn er einmal an der Beerdigung eines Freundes teilnehmen mußte. Nach einer solchen Feierlichkeit. bei der er seine Angeduld deutlich bezeigt. nahm er, so erzählt Jeanne Raunay in der Nevue de France einen seiner Freunde. einen Maler, beiseite und sagte zu ihm:„Ich habe eine Bitte an dich. mein Lieber. Wenn ich sterbe, sollst du an meinem Grabe sorechen. und ich flebe dich an: Mache nicht viele Worte, sei auch nicht allzu traurig, nur gerade soviel, wie es sich beim Tode eines alten Freundes ziemt, und dann blicke in der Runde herum und sage nur:„Er liebte sehr die Zeichnung. wie ich auch...“ Das ist alles und bitte, ja kein Wort mehr. Dann geh' nach Hause. und alle werden damit zufrieden sein: ich selbst wäre es am meisten. wenn ich dir bei dieser Grabrede zuhören könnte!“ * Eine höchst schwierige GerichtsVeshganldang. Die Vernehmung des italienischen Finanz= mannes Gualino, die zur Durchführung des sensationellen Prozesses des französischen Bankiers Oustric notwendig ist, wird demnächst an der Grenze zwischen Frankreich und Itadurch französische Beamte stattfinden. Der Italiener wird zu diesem Zweck von den Livarischen Inseln an die Grenze gebracht. Diese in der französischen Kriminalgeschichte einzig dastehende Maßnahme erfordert umfangreiche Vorbereitungen und veranlaßt juristische Schwierigkeiten, die in der Pariser Presse eifrig erörtert werden. An der Stelle der Grenze. an der das Kreuzverhör stattfinden soll. wird eine hölzerne Hütte mit zwei Türen errichtet, von denen die eine nach der französischen und die andere nach der italienischen Seite führt. In der Mitte der Hütte wird genau über der Grenzlinie ein Tisch aufgestellt, der zur Hälfte in Italien und zur Hälfte in Frankreich steht. Gualino wird von italienischen Schutzleuten nach der italienischen Seite gebracht, während die beiden französischen Richter und ihre Schreiber auf der andern Seite Platz nehmen. Der französche Anwalt Flach, der Gualino beigegeben wird muß nach französischem Recht während des Verhörs neben seinem Klienten sitzen: er müßte dazu italienisches Gebiet betreten. Er darf vor einem französischen Gericht nur in seiner Anwaltsrobe erscheinen aber es ist höchst wahrscheinlich, daß ihm in dieser Tracht das Ueberschreiten der Grenze von der italienischen Behörde nicht gestattet werden wird. Er hat daher den Vorsitzenden der Pariser Anwaltskammer um Auskunft gebeten, wie er sich verhalten soll. * 40 Tage ohne Nahrung. Eine 50jährige Witwe, die sich in den sturmdurchheulten Bergen in der Nähe von Cuneo in Piemont verirrt hatte, hat ganze 40 Tage ohne jede Nahrung zugebracht. Als sie von ihrer Bergwanderung nicht zurückkehrte, wurden Rettungstrupps ausgesandt. die zwei Wochen lang das Gebirge durchstreiften, aber sie nicht auffinden konnten. Man hielt daher die Frau für tot. 42 Tage nach ihrem Verschwinden ist sie nun gefunden worden. Eine Gruppe von Bergsteigern, die Unterkunft vor einem Schneesturm in einer abgelegenen und verlassenen Hütte auf der Höhe der Piemontesischen Berge suchten, trafen hier auf die Frau. die nur noch mit wenigen Lumven bedeckt, halb erfroren dalag. Sie war völlig zum Skelett abgemagert. konnte kaum noch sprechen und zeigte Spuren von Geisteskrankheit. Sie hatte nur noch zwei Tage zu Essen gehabt und die übrigen 40 Tage ohne jede Nahrung in der Kälte verbracht. Man transvortierte sie in ein Krankenhaus. in dem sie sich jetzt langsam erholt. * Das Kälsel des stummen Klaviers. Der bekannte Klavierspieler Benno Moiseiwitsch erzählt in einem Londoner Blatt einen lustigen Vorfall. der ihm kürzlich bei einer Tournee in Holland passierte. Die Zollbeamten waren höchlichst verwundert über das kleine stumme Klavier. das er stets für seine Fingerübungen mit sich führt. Sie wollten durchaus wissen, was denn dieser „Klimverkasten“ zu bedeuten habe. und als er darauf einen Beamten einlud. auf dem Klavier zu svielen. und dieser keinen Ton hervorbrachte, wurde das Rätsel und infolgedessen das Mißtrauen noch größer. Da kam ein anderer Zöllner dazu und sagte:„Ich hab' schon mal so ein komisches Ding gesehen Da ist so ein verrückter Kerl namens Moiseiwitsch der schleppt es auf allen seinen Reisen mit!" Daraufhin ließ man den Pianisten mit seinem stummen Klavier unbehelligt. Er hat dieses Piano überall mitgeführt, sodaß es dreimal in Südafrika. in den Vereinigten Staaten und im Fernen Osten war und sicher weit über eine halbe Million Kilometer gereist ist. 5 AESRSLSERSIArs Der Ssttm“, uis dulgne n. Roman von Frür Iteinemann. Copyright by Literatm- Vertag Gloria. Berlin-Steglitz. Nechdruck verboten. Manfred betrachtete das schmiegsame Persönchen. das ihm den Rücken zuwandte. Ihre Figur war jedenfalls tadellos. Jetzt drehte die Künstlerin sich ihm zu; er sah ihr Gesicht und leichter Schreck durchzuckte ihn. Diese großen Augen, das zarte, feine, dabei so lebensfrohe Gesicht, und diese Stimme. aus der jetzt, da sie lebhafter wurde, ein Anklang rheinischen Dialektes herauszuhören war. an wen erinnerte sie ihn nur? Traute! Als ob sie leibhaftig vor ihm stände! Nur ihr Lachen war ein anderes. Wenn Traute lachte, so recht aus vollem. frohen Herzen. fühlte man, daß ihre Seele jauchzte. Im Lachen der Konstanza schwang etwas anderes mit. bewußte Gefallsucht. Doch das hörte wohl nur der heraus. der Traute kannte. „O. Sie sind Herr Ramond! Das trifft sich ja wundervoll! Uebrigens meinen Glückwunsch. Herr Ramond. zu Ihrem Weltschlager:„Ich träume, ich träume, ich denke dein", und zu Ihrer Overette „Seine zweite Frau“, die ich das Vergnügen und die Ehre haben werde. den Berlinern mit vorzusingen. Sie ist herrlich! Es wird ein Bombenerfolg werden. bestimmt!" „Vielen Dank für Ihr Vertrauen, gnädige Frau", antwortete Manfred befangen. „Haben Sie Ihre Rolle schon fertig studiert?" mischte Lubinski sich ein. „Aber selbstverständlich, lieber Herr Direktor.“ „Famos. famos. schöne Frau! Dann darf ich Sie wohl sofort Direktor Reese avisieren? Herr Ramond wird Sie sicherlich sehr gern nach dem Westentheater mitnehmen.“ „Von mir aus kann die Probe sofort beginnen.“ „Also dann. Kinderchen, macht euch sogleich auf den Weg.“ Wenige Minuten später saß Manfred und die Konstanza im Auto auf der Fahrt zum Westentheater. Daß diese Fahrt nicht langweilig wurde, dafür sorgte die temperamentvolle Konstanza, die es ersichtlich darauf anlegte, dem jungen Komponisten. der ihr gesiel. ein wenig den Kovf zu verdrehen. „Sie sollen sehen. Herr Ramond. das Lied, das ich zu singen habe:„Es hat so wundersüß geschmeckt", wird den Erfolg Ihres ersten Schlagers noch übertreffen. Es ist reizend. ganz allerliebst. und erlaubt dabei doch kleine Frechheiten. So etwas wie diese Geschichte vom ersten Kuß liegt mir ganz besonders.“ „Ich bin überzeugt, daß Sie damit einen Extraerfolg haben werden.“ „Er griff nach ihrer Hand und drückte einen Kuß auf die handschuhfreie Stelle. Die Konstanze lächelte ihm verheißungsvoll zu. Das geschah in dem Augenblick, als der Wagen an der Joachimsthalerstraße zu unfreiwilligem Halten gezwungen wurde, so daß der dort zufällig vorüberkommende Brenken die Augen aufriß, als er die beiden, die auf ihn den Eindruck eines Liebespärchens machten. gewahrte. Entgeistert sah er dem davoneile##den Wagen nach. Die Szene ging ihm nicht wieder aus dem Kopf: er bemühte sich vergeblich, sie durch andere Gedanken zu verdrängen. Was ging es schließlich ihn an, was der junge Mann tat oder nicht tat. Aber so einfach lag der Fall für ihn eben doch nicht. Er erinnerte sich, daß ihm die Baronin beiläufig erzählt hatte. Manfred sei jetzt sehr in Anspruch genommen. so daß sie ihn kaum noch zu sehen bekomme Sollte das eine andere Bewandtnis haben? Selbst wenn der junge Komvonist noch so stark beschäftigt war. ein glücklicher Verlobter findet hier und da immer mal ein Stündchen freie Zeit für die Erwählte seines Herzens. Die Geschichte ging und ging ihm nicht aus dem Sinn. sie bohrte förmlich in ihm. Wo lag hier eine Möglichkeit. sich Gewißheit zu verschaffen. ob nicht andere Gründe Manfreds Verhalten destimmten? Er entsann sich, daß Manfred ihn eingeladen hatte, sich einmal eine Theaterprobe anzuseben. Er hatte damals natürlich abgelehnt, sich mit Arbeitsüberhäufung entschuldigt. Konnte er diese Einladung nicht ausnutzen? Aergerlich über sich selbst wollte er die Angelegenheit mit einer Handbewegung abtun. aber es gelang ihm nicht. Am nächsten Tage sprach er im Theaterbüro vor und fragte nach Herrn Ramond. Ein Angestellter geleitete ihn in den Zuschauerraum. Dort sollte er bis zur Beendigung der augenblicklichen Aktvrobe warten. " Er bekam die Konstanza im Kostüm zu sehen: sie sang ihren Schlager„Es hat so wundersüß geschmeckt". Sie machte ihre Sache blendend. Natürlich erkannte er in ihr sofort die Heldin jener Szene im Auto. Jetzt kam ihm sein Verdacht unsinnig vor. Vor jeder Uraufführung umschmeichelten die Autoren die Hauptdarsteller, um sie bei guter Laune zu erhalten. Etwas anderes lag sicherlich nicht vor. Er war ein Dummkopf. sich einzubilden. Manfred und die Konstanza ständen in irgendwelchen Beziehungen, die das Verhältnis zu der Baronin trüben könnten. Das beste war, er verschwand wieder und wandte seine Zeit nutzbringend an. Die Probenpause kam. Er suchte aber doch den Weg hinter die Bühne, wo gerade der dritte Akt aufgebaut wurde Ueberall lag oder stand ihm etwas im Wege. er kam nur langsam vorwärts und bemühte sich, keinem der hantierenden Arbeiter im Wege zu sein. Niemand kümmerte sich um ihn. Plötzlich hörte er deutlich Manfreds Stimme. wandte den Kovf und gewahrte diesen in einer Unterhaltung mit der Konstanza. „Ich weiß nicht, gnädige Frau, wie Sie das zuwege bringen: Sie lachen und scherzen, sind voll Zuversicht, und ich frage mich, wo ich den Mut bernehmen soll. nach diesem hundertfältigen Hin und Her noch an einen Erfolg zu glauben.“ „„Das liegt einzig und allein an Ihnen. Sie soulren sich abgewöhnen, unnützen Gedanken nachzuhängen. Sie grübeln sicherlich zu viel.“ „Nicht mehr als nötig. Aber ich sehe ein. Sie sind eben glücklicher dran als ich.“ „Keineswegs! Denken Sie nur nicht, daß ich meine Aufgabe leicht nehme. Aber wenn die Proben vorbei sind, dann ist für mich auch Schluß.“ „Da haben wir's ja, das kann ich nicht. Meine Gedanken rennen von selbst zu den Problemen zurück.“ „So müssen Sie sie eben gewaltsam ablenken. Soll ich Ihnen mal zeigen, wie man das macht?" Die Konstanza lächelte Manfred an. In ihren Augen war ein verdächtiges Glitzern. Ihre Stimme. ihre Bewegungen hatten etwas Lockendes, was für Brenken eine Bestätigung war, daß sein erster Eindruck ihn nicht getäuscht haben konnte. Die Konstanza warb um Manfred Was würde er jetzt antworten? Diese Frage erregte Brenken, denn sie konnte entscheidend sein für die Zukunft. „Doch er bekam Manfreds Antwort nicht zu hören: ein Arbeiter in seiner Nähe volterte so laut, daß nicht eine Silbe sein Ohr erreichte. Aber er brauchte auch nichts davon zu hören: die nachfolgenden Worte der Konstanza übermittelten ihm den Sinn. auf den es allein ankam. „Also gut. nach der heutigen Abendprobe begleiten Sie mich in die„Barberina"" Die Konstanza eilte fort: sie hatte offenbar ihren Zweck erreicht. Lutz trat von seinem Lauscherposten hervor. drückte Manfred oberflächlich die Hand. sagte ihm. daß er einen Teil des zweiten Aktes mit angesehen habe. der ihm sehr gefallen hätte, daß er nun aber leider fort müsse Er verabschiedete sich von dem über sein kühles Verhalten verwunderten Manfred und ging In derselben Nacht weilte er in der Barberina. um Manfred und die Konstanza zu beobachten. Was sie zusammen sprachen, konnte er nicht verstehen, dazu war sein Platz zu weit abgelegen. aber das war auch belanglos, denn er las den beiden vom Gesicht ab, wie sie zueinander standen. Brenken war auf das tiefste empört über Maufreds Verhalten. Benahm sich so ein Mann, der in wenigen Wochen mit einer anderen Frau den Bund für Leben eingehen wollte? Wie hatte er sich doch in Manfred getäuscht, der sich in das hübsche Lärochen der Konstanza vergafft hatte und nun vorgab. für die Baronin keine freie Minute erübrigen zu können. während er mit der anderen durch die Nacht bummelte. Wirklich, ein sehr sauberer junger 8er9) E Das stillschwetgeno mir anzuseben, ware gleichbedeutend mit Mitschuld gewesen. Es konnte sich für ihn nur noch darum handeln, was das beste war: der Baronin die Augen zu öffnen, oder Manfred wegen seines Verhaltens zur Rede zu stellen. Dazu war er berechtigt und verpflichtet, denn mit der Baronin war er durch jahrelange, gemeinschaftliche Tätigkeit befreundet: er durfte sie nicht blindlings ins Unglück rennen lassen. Er rief im Theaterbüro an. ob Manfred anwesend sei, erhielt jedoch den Bescheid. daß Herr Ramond vor einer halben Stunden nach Hause gefahren sei. Er suchte ihn in seiner Wohnung auf. Manfred befand sich in bester Stimmung, denn die heutigen Proben waren glänzend verlaufen. Er war sehr hoffnungsvoll in Bezug aus die bevorstehende Uraufführung. um die sich zunächst die Unterhaltung drehte. „Es ist Ihr erstes abendfüllendes Werk nicht wahr?" fragte Brenken. „O nein, es existiert ein Vorläufer, eine Oper „Kaiser Notbart". die des Textbuches wegen überall abgelehnt wurde. Leider, denn sie enthält. wie mir allgemetn versichert wurde, ganz vorzügliche Stellen Wenn es Sie interessiert. sviele ich Ihnen mal etwas daraus vor.“ Brenken wollte erwidern, daß er lediglich gekommen sei. um ein ernstes Wort mit ihm zu sprechen, doch Manfred hatte bereits die Partitur zur Hand genommen. Beim Umblättern fiel ein Bild zu Boden. Brenken bückte sich schnell und bob es auf. Es war ein Frauenbildnis. „Ah., Frau Konstanza hat Ihnen ihr Bild geschenkt?" fragte er und batte sofort ein Sorungbrett zu seinem Thema „Sie irren sich Herr Brenken, dieses Bild stellt nicht Frau Konstanza vor. sondern eine Dame. die Ihnen völlig unbekannt ist.“ „Aber erlauben Sie mal, ich kenne doch Frau Konstanza!" widersprach Brenken etwas scharf. in dem Glauben. Manfred wolle seine nähere Bekanntschaft mit ihr ableugnen. „Ich kann Ihnen nur widerholen, was ich Ihnen eben sagte. Es besteht wohl eine außerordentliche Aehnlichkeit jedoch Sie dürfen mir glauben. es ist nicht Frau Konstanza.“ Brenken war Manfred gegenüber zu mißtrauisch. als daß er durch dessen Worte überzeugt worden wäre. Er drehte das Bild unschlüssig in der Hand und bemerkte auf der Rückseite eine Widmung: „Meinem lieben Manfred in unwandelbarer Liebe zugeeignet. Traut Weidner." Also hatte Manfred die Wahrbeit gesprochen. Er gab ihm das Bild zurück Der nahm es warf einen langen, traurigen Blick darauf und schloß einen Moment lang die Augen. zurückdenkend an vergangene Zeiten. Dann gab er sich einen Ruck und wollte hastig das Bild weglegen. Da berührte Brenkens Hand seinen Arm „Ich bitte Sie um Entschuldigung, daß ich Zweisel in Ihre Worte setzte; ich hätte wirklich darauf geschworen daß diese Photographie niemand anderes als Frau Konstansta darstellt." „Ich nehme Ihnen das nicht weiter übel. Herr Brenken war ich doch. als ich Frau Konstanza zum ersten Male sah. so frappiert von ihrer Aehnlichkeit mit der Dame auf dem Bilde. daß ich an eine Sinnestäuschung glaubte. Und selbst dann noch. als ich einsehen mußte, daß es wirklich Frau Konstanza war. kam ich nicht darüber hinweg. Ich bildete mir ein. es müsse ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen ihr und jener Dame bestehen. Die, wie ich weiß, mehrere Geschwister hat, und veructe, darüber von Frau Konstanza Aufschluß zu erlangen. aber sie wich mir ständig aus. Das bekärkte mir nur in meiner Vermutung und machte mich noch mehr darauf ervicht, dahinter zu kommen Gestern abend hat sich mir der Schleier gelüftet. den ich um jeden Preis zu lüften entschlossen war. Ich habe eine Enttäuschung erlebt. Nicht die geringsten verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen zwischen den beiden Frauen, die große Aebnlichkeit ist nichts weiter als ein eigentümlicher Zufall.“ War das wirklich die Veranlassung zu dem gestrigen Beisammensein in der Barberina? Wenn es sich so verhielt, dann lag klar zu Tage, daß Mannoch immer jener Frau gehörte, die ihm ihr Bild in unwandelbarer Liebe geschenkt hatte. Offiziell war von der bevorstehenden Verlobung zwischen der Baronin und Manfred nichts bekannt. Das gestattete Lutz eine Frage, durch die er sich Gewißheit über seine Vermutung verschaffen konnte. „Sie sind dessen ganz gewiß?“ „Jeder Zweisel ist ausgeschlossen!— Leider!" „Leider?" Manfred zögerte einen Augenblick mit der Antwort, doch dann fühlte er sich gedrängt zu sprechen. „Ja. leider, denn ich hatte gehofft, von ihr eine Auskunft über die vermeintliche Schwester zu erhalten. Sie haben die Widmung auf dem Bilde gelesen. Herr Brenken. und wissen somit, daß diese vame meinem Herzen sehr nahegestanden hat. Wie sehr. können Sie daraus erkennen, daß ich einer plötzlichen Erinnerung an sie meinen ersten großen Schlager verdanke: Sie kennen doch wohl das Lied: „Ich träume ich träume. ich denke dein"?" „Ich war der Meinung. die Baronin Springhoff hat Sie veranlaßt, das Lied zu komponieren.“ „Sie hat es mir gewissermaßen befohlen. und ich habe sie in dem Glauben gelassen, daß es nur ihrem Zuspruch seine Entstebung verdankt: in Wahrheit jedoch wurde das Liedchen aus der Erinnerung an jenes Mädchen, das auch vom Rhein stammt, geboren. und daß es aus einem mir vollkommen rätselhaften Grunde eines Tages vorgezogen bat. spurlos zu verschwinden. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört, weiß lediglich, daß sie Berlin verlassen dat.“ „Wie seltsam“. sagte Lutz nachdenklich. „Ja. es ist sehr merkwürdig. Manfred bewegte leise das Haupt: er verstand wirklich nicht, warum Traute so an ihm gehandelt hatte. Dann riß er sich zusammen und fragte: „Dars ich Ihnen jetzt die Stelle vorspielen?“ „Ich bitte darum.“ Brenken hörte nur mit halbem Ohre zu. Seine Gedanken waren ausschließlich mit dem beschäftigt. was er soeben gehört. Es zeigte ihm den jungen Mann in einem ganz anderen Lichte, als er ihn bei Eintritt in dieses Zimmer gesehen hatte. Und plötzlich schoß eine Idee in ihm hoch. Ueberaus herzlich war sein Abschied von Manfred. der sich vergeblich fragte, was Brenken denn eigentlich gewollt habe. Vierzehntes Kavitel. 4 Stentanut Weidner eing brumnend in leinem Zimmer auf und nieder. Er war in höchnem Grade unzufrieden. Traute machte ihm Sorgen. Er hatte sie sich ins Haus zurückgewünscht und te war auch gekommen. Daran hatte sich für ihn die Vorstellung von frohen Tagen und gemütlichen Abenden geknupft, wie sie sie früher zusammen verlebt hatten: statt dessen ging sie mit einem Gesicht umher, auf dem deutlich zu lesen war, daß Gram ihr Herz verzehrte. Anfangs hatte er gehofft, daß die Wunde, die man ihr in Berlin geschlagen, heilen und sie wieder seine frobe, muntere Traute werden würde. Er hatte dazu getan. was nur immer in seinen Kräften stand, doch es war alles umsonst. So konnte und durfte es nicht weiter gehen: Traute trieb der Schwermut entgegen und in ihm stiegen bange Sorgen aus. wenn er an die Zukunft Sie mußte unter Menschen, mußte aufgerüttelt werden. gewaltsam, wenn es nicht anders ging. Eine günstige Gelegenheit schien ihm eine Einladung zu einem Ballfest des Vereins„Concordia": das würde sie vielleicht auf andere Gedanken briner Als er davon zu ihr sprach. sab Traut ihn mit einem verlorenen Blick an. Was sollte sie auf einem Ballfest? Tanzen? Fröhlich sein? Nein, das konnte sie nicht mehr und sie sehnte sich auch nicht danach. Aber Onkel August ließ nicht locker. Er habe schon verschiedenen Bekannten seine Zusage gegeben. man erwarte ihn am Spiektisch und es würde sehr übel vermerkt werden, wenn er allein käme. „Um ihrem Onkel einen Gefallen zu erweisen, erklärte ste sich schließlich bereit. ihn zu begleiten. — Doch während die anderen jungen Damen von Gräfenthal sich danach drängten, möglichst keinen Tanz auszulassen, hielt sie sich abseits. Der junge Fabrikdirektor Neumann aus Lebesten wurde auf sie aufmerksam. Er beobachtete längere Zeit das stille, schöne Mädchen aus der Ferne. und als er hörte, daß sie die Nichte des ihm bekannten Amtsgerichtsrats sei. nahm er Gelegenheit. sich ihr zu näbern. Er sorderte sie wieder und wieder zum Tanz auf und war offensichtlich bemüht, sich ihr von seiner besten Seite zu zeigen. Traute konnte nicht umhin. sich einzugestehen, daß der sympathische, junge Direktor ihr von allen Tänzern des Abends am besten gesiel. Er hatte eine schlichte, verbindliche Art. die se angenehm berührte, besaß Gewandtheit. die Unterbaltung nicht erlahmen zu lassen, ohne Gemeinplätze zu berühren, und vermied es. ihr durch Geistreicheleien imponieren zu wollen. Onkel August hatte das Paar wiederholt zusammen gesehen: es freute ihn, daß seine Absicht nicht fehlgeschlagen war und er versprach sich eine Besserung in Trautes seelischem Zustand für die Zukunft Ein vaar Tage hatte es wirklich den Anschein. als ob durch den Besuch des Balles ihr Gemüt etwas erleichtert worden sei. aber das schien nur so. denn die gute Wirkung verflüchtigte sich sehr bald wieder. Als er eines Tages auf einem Spaziergang Direktor Neumann traf. erkundigte sich dieser sehr interessiert nach Traute und brachte wiederholt das Gespräch auf diese. Dem alten Herrn ging ein Licht auf. Neumann war zwar nicht reich, besand sich aber in geordneten Verhältnissen und war. was nicht zu unterschätzen war ein tadellos beleumundeter Mann. der ihm persönlich recht gut gesiel. Wenn er nur gewußt hätte, wie Traute über ein solches Projekt dachte, das er gern verwirklicht gesehen hätte Vorsichtig mußte so etwas angefaßt werden. um sie nicht vor den Kovf zu stoßen. Es ging viel besser, als er in seiner Besorgnis gedacht hatte. Traute nahm seine Mitteilung von der Begegnung mit Neumann und dessen angelegentlichen Erkundigungen nach ihr durchaus nicht so gleichgültig hin, wie er befürchtet hatte. Und das machte ihn mutiger. Mit leicht geneigtem Haupt vernahm Traute das Loblied, das ihr Onkel auf den jungen Fabrikdirektor anstimmte. Er zählte alle Vorteile auf. die ihr eine Verbindung mit ihm bringen würde. Unwillkürlich verglich sie die Szene mit der, da 0 Tante Malwine sie zu einer Heirat mit dem Proviser Kuhnert hatte bewegen wollen. Doch nichts von jener starken Ablehnung, die sie damals gefühlt, machte sich in ihr bemerkbar. Sie war heute eine ganz andere, hatte eine Enttäuschung hinter sich, die sie milder stimmte. Alles. was der gute Onkel sagte, war wahr und recht. Es war sinnlos und mußte für sie verderblich werden, wenn sie weiter einer Liebe nachtrauerte. die. mochte es ihr auch noch so schwer werden. ausgemerzt werden mußte. „Du hast also nichts degagen. wenn.. wenn ich.. ein bißchen Vorsehung sviele? Ich meine es ja. weiß Gott nur von Herzen gut mit dir, Mädel, möchte dich wieder froh und glücklich sehen.“ Sie schlang die Arme um seinen Hals, drückte ihren Kopf an seine Wange und schluchzte leise. Sein weicher, liebreicher Ton hatte plötzlich alles wieder in ihr aufbrechen lassen. Er nahm sie in seine Arme ließ sie ruhig ausweinen. Mit behutsamen Worten sprach er ihr dann Trost zu. Nun saß sie allein im Wohnzimmer und dachte ihr Schicksal nach. War es nicht wirklich das beste für sie und Onkel August. wenn diese Heirat zustande kam? Sie würde sich schon Mühe geben. sie schwor es sich zu. alles daranzusetzen, ihrem Zukünftigen eine liebe Frau zu sein: nie sollte er es bereuen, sie erwählt zu haben. „Wohnt hier Herr Amtsgerichtsrat Weidner?“ hörte sie eine Stimme fragen. und blickte zum Fenster hinaus in den beschneiten Vorgarten. .„Ein fremder Herr im Gehvelz. scheinbar in den besten Jahren. stand an der Gartenpforte und richtete die Frage an die aus dem Hause kommende Frau Langer, die sie bejahte und ihn ins Haus führte. (Fortsetzung folgt.) Von Mas Masschall. In der Wohnung des Herrn Studienrats im dritten Stock stand der Ingenieur auf der obersten Stufe einer Trittleiter. eine Rolle Draht in der einen, den Hammer in der andern Hand und zwischen den Lippen ein Dutzend Klammernägel. Frau Studienrat stand, die Trittleiter festhaltend und die Tätigkeit des Ingenieurs bewundernd. dabei. Aus dieser Situation heraus darf man den Schluß ziehen, daß es sich keineswegs um ein Schäferstündchen zwischen dem Ingenieur und der Frau Studienrat handelt, sondern um eine ernste technische Angelegenheit: um eine Radioanlage. Der Herr Studienrat war in neueren Sprachen eine Kavazität, in technischen Dingen aber unbehilflicher als ein Säugling, und deshalb stand der Ingenieur, sein Jugendfreund, hier in seiner Wohnung aus einer Trittleiter mit Draht und Hammer in den Händen, Nägel im Mund. keine Stiefel an den Füßen und machte die Rundsunkanlage. Die Stiefel hatte der Ingenieur auf dringenden Wunsch der Frau Studienrat ausziehen müssen, da sich das Besteigen einiger Möbelstücke nicht umgehen ließ; der Ingenieur hatte zum Glück seine neuen wundervoll gemusterten Socken an den Füßen und bot einen durchaus erfreulichen Anblick. Wie gesagt, es lag trotz des traulich wirkenden Beisammenseins nicht der geringste Anlaß zu häßlichen Gedanken vor, dazu war übrigens einerseits Frau Studienrat weder jung noch reizvoll genug. andererseits aber auch der Ingenieur zu sehr Radiobastler und außerdem Schul= und Jugendfreund des Studienrats und auf seine ausdrückliche Bitte hier, während der Studienrat seine Sekundaner in neueren Sprachen unterrichtete. Der Frieden der Vormittagsstunde wurde plötzlich gestort durch ein langes scharfes Klingeln der Flurglocke. Frau Studienrat zuckte erschreckt zusammen, rührte sich aber nicht von der Stelle. der Ingenieur wollte reden, war aber durch die Nägel im Mund behindert und brachte nur eine Art Gemurmel zustande. Die Klingel ertönte scharf und lang zum zweiten Mal. Die Frau Studienrat blickte angstvoll um sich, machte aber keinerlei Anstalten, hinauszugehen. Dem Ingenieur war es indes gelungen, die Nägel aus dem Mund zu nehmen, er fragte erstaunt:„Warum öffnen Sie 2• "„Um Gotteswillen". rief Frau Studienrat mit ängstlich gedämpfter Stimme.„das ist sicher die Klatschbase, die Frau Stadtsekretär vom zweiten Stoa druven, wenn die Sie hier sieht, erzählt sie im ganzen Haus, ich betrüge meinen Mann!“ Es klingelte wieder. „Aber wir denken doch nicht daran“. sagte der Ingenieur. „Leider“. sagte Frau Studienrat, wurde rot und verlegen und fuhr fort:„Leider glaubt uns dies kein Mensch, wenn dies Klatschmaul herumtrascht. Nein, ich mache nicht auf.“— Es klingelte wieder. lang und laut. Frau Studienrat wurde nervös, warf sich auf die Chaiselongue und fing an zu weinen, der Ingenieur wurde nun auch erregt, kletterte von der Leiter und lief in seinen schöngemusterten Socken auf dem Teppich umber.„Aber was soll denn nun werden?" fragte er. „Wenn Sie meine Lage verstehen", weinte die Frau Studienrat.„dann tun Sie mir die Liebe und gehen Sie leise auf der Hintertreppe fort.— nein, nein, ohne Schuhe, die können Sie unten anziehn, ganz leise und sofort! Bitte. bitte!" Der Ingenieur wollte Einwendungen machen. aber da es eben wieder klingelte und die Frau sich immer verzweifelter gebärdete, nahm er seine Schnürstiefel in die Hand und verschwand durch die Küche nach dem Hinteraufgang. Frau Studienrat lag leise weinend auf der Chaiselongue, ohne zu einem Entschluß zu kommen, während jetzt Stille in der Wohnung herrschte. Und zwar darum, weil draußen auf dem Hausflur der„schiefe Paule“. ein der Polizei und den Gerichten wohlbekannter, vielfach vorbestrafter „Klingelfahrer". nun überzeugt, daß niemand in der Wohnung anwesend sei, anfing, mit Einbruchswerkzeugen leise die Eingangstür„auszukandeln". Aber nicht so unbemerkt, wie er glaubte: das scharfe Auge der Frau Stadtsekretär hatte ihn erspäht und ihre Energie und Tatkraft hatte sie veranlaßt, sofort die nötigen Maßnahmen zu treffen: durch die Verbindung der Hintertreppe brachte sie in kürzester Zeit ein Aufgebot entschlossener Männer ihrer Hausseite zusammen: den Oberstleutnant a. D. und den bei ihm zu Besuch weilenden Major. den Professor vom ersten Stock und den Portier, der außerdem noch einen Schuvo besorgte, Die Frau Stadtsekretär übernahm die strategische und taktische Leitung und teilte die Streitkräfte ein: der Schupo mit dem Major und dem Portier stiegen leise die Vordertrevve emvor, während der Oberstleutnant und der Professor an dem Hinteraufgang vostiert wurden, um dem Verbrecher diesen Ausweg abzuschneiden. Indessen war der Ingenieur seine Stiefel in der Hand und fluchend die Hintertreppe hinabgestiegen. Erst jetzt kam ihm die Lächerlichkeit seiner Lage zum Bewußtsein: er konnte doch nicht in Strümpfen aus dem Hause gehen. Er setzte sich also auf die unterste Stufe und begann sich anzuziehen, er hatte eben den zweiten in der Hand, als die beiden Kämpen, der Overstleutnant und der Professor, bewaffnet mit einer Feuerzange und mit einem knotigen Eichen=Wanderstock. auf der Bildfläche erschienen. „Da haben wir ja den schweren Jungen!" rief der Oberstleutnant und stürzte sich voll Kampfbegier auf den Ingenieur. Dieser sprang auf:„Was wollen Sie von mir?", und als die beiden Miene machten, ihn zu packen, ergriff er seinen Stiefel an den Schnürsenkeln und schlug ihn dem Oberstleutnant um die Ohren, gab dem Professor einen kräftigen Stoß und enteilte, einen Stiefel am Fuß, einen in der Hand. über den Hof zum Vorderhaus. um im Flur mit der andern Hälfte der Streitkraft zusammenzustoßen. Diese bestehend aus der Hauptverson. dem schiefen Paule, dem Klingelfahrer, der vom Schuvo gehalten wurde, ferner dem Major, dem Portier und natürlich der Frau Stadtsekretär wurde noch verstärkt durch den aus der Schule heimkehrenden Herrn Studienrat. Auf diese starke Grupve stieß der eilende Ingenieur, von seinen beiden Angreifern verfolgt. Es entspann sich ein wahrhaft homerischer Wortkampf unter den Beteiligten, der zwar den zngenieur„vollständig von dem Verdacht reinigte, in seinem Verlauf aber üble Folgen hatte. ##-Prozeß, den der Staatsanwalt gegen den Klingelfahrer, genannt der„Schiese Paule“ an— Krengte, hat mit diesen Dingen nichts zu tun, aber die Gerichte hatten allerlei Arbeit mit folgenden Gerichtsverhandlungen: 1. Des Ingenieurs gegen den Oberstleutnant wegen Beleidigung durch die Bezeichnung„Schwerer Junge". 2. Gegenklage des Oberstleutnants wegen tätlicher Beleidigung durch Stiefelumdieohrenschlagen. 3. Klage des Studienrats und Frau gegen die Frau Stadtsekretär wegen böswilliger Verleumdung. Die Frau Stadtsekretär ließ es sich nämlich nicht ausreden und brachte es im Haus herum, daß die Frau Studienrat ihren Mann mit dem Ingenieur betrogen hatte. Siungedichte. Sackgäßlein sind keinem zu ersparen: Nur soll man hinein nicht vierspännig fahren. „Sei objektiv und bleibe doch Subjekt!" Dies große Kunststück ist noch unentdeckt. Es sprach eine Schwalbe Zu einem Kalbe: „Sag. kannst du fliegen. In Lüften dich wiegen?“ Das Kalb sprach:„Mub! Laß mich in Ruh': Ich habe keine Zeit dazu.“ Von Jan Seitk. e Berechtigte Uebersetzung von Willy Blochert. Der alte Trainer Mac Mash, ehemals Weltmeister im Tennisspielen, hatte in jungen Jahren die beste Tennisspielerin seines Geburtsortes geheiratet. Noch nach Jahren sprachen die Leute von dieser Hochzeit. Die berühmtesten Tennisspieler des In= und Auslandes waren dazu geladen worden und die Zeitungen der ganzen Welt berichteten über dieses Tennisereignis ersten Ranges. Aber selbst erwies sich mit der Zeit als eine „falsche Kombination“. Mac und seine Frau waren nicht die richtigen Lebenspartner für einander. Sie gönnten einander die Lebenschancen nicht und ergänzten sich nicht. Sie bildeten in dem Ehematsch des Lebens kein auseinander eingespieltes Tennispaar. Von allem diesem drang nichts nach außen. In ihren ersten Ehejahren kamen sie oft zusammen in mixed=Wettkämpfen heraus. In alten Sportchroniken kann man die Meisterschaften und Siege nachlesen, die das unüberwindliche Tennisehevaar der Mac Mashes über ihre mixed=Gegner davontrug. Beide waren in der Tat unbesiegbar. Doch nach jedem Triumph auf dem Tennisplatz spitzte sich die eheliche Uneinigkeit zwischen ihnen immer schärfer zu, und als nach einigen Jahren Macs Frau unerwartet starb, sprach der Meister am Grabe seiner Gattin zwar Worte aufrichtigen Schmerzes über den Verlust seines weiblichen Partners, doch für sich fügte er leise hinzu:.... aber sie hätte nicht mein Lebenspartner sein dürfen.“ Nach dem Tode seiner Frau zog er sich aus dem Wettspiel zurück. Seine Frau war gestorben, als beide auf der Höhe ihres gemeinsamen Tennisruhms standen, und er selbst war so verständig, seinen Ruhm ebenfalls nicht überleben zu wollen. Sein Beschluß, standhaft und unwiderruflich. wurde überall respektiert. und man pries diese vorbildliche Svorttreue des überlebenden Partpers gegenüber dem verstorbenen. Darum zog sich der Ex=Meister jedoch nicht aus dem Sportleben zurück. Er war sich bewußt, daß seine Lorbeeren allmählich verblassen mußten, ihm aber auf andere Weise in seinem Leben nützlich sein konnten. Seine Vergangenheit hatte ihm eine unantastbare Autorität als Tennis=Crack verschafft. und durch seine Spielqualitäten. vor allem durch seine Technik, durch seinen Stil war seine Art des Spiels zu einer besonderen Methode, ja zu einer eigenen Schule" geworden. Mac Mash etablierte sich als Professional. Er schloß mit seinem früheren Klub einen vorteilhaften Vertrag, durch den er den Mitgliedern als Trainer zur Verfügung stand. Von nah und fern kamen die Tennisspieler, um von seiner Kunst zu profitieren. Er züchtete neue Sterne: er entdeckte künftige Weltchampions. er erzeugte aufkommende Nacket=Matadore. Seinen großen Erfolg, auch in finanzieller Hinsicht, erreichte er jedoch erst. nachdem er mit Hilfe einer geschickten Propaganda hatte verbreiten lassen, daß er sich fortan nur noch mit dem Unterricht von mixed=Spielern und=Spielerinnen befassen werde. Das schlug ein! Mac Mashs Ruhm war gleichbedeutend mit dem zur höchsten Vollendung gebrachten gemischten Tennisspiels. Der geseierte Trainer hatte jedoch mit der Ankündigung seiner neuen Spezialität vorsichtig gewartet, bis die Last der Jahre anfing, ihm etwas schwer zu werden und bis sein einziges Kind. seine Tochter Driva, ein Alter erreicht hatte, in dem ein modernes Mädchen sich einen nützlichen Wirkungskreis zu suchen pflegt.— Driva, kurs vor dem Tode # Frau geboren und wie ein Augavsel von ihm gehütet, war zu einem reizenden Mädchen herangewachsen und liebte ihren Vater über alles. Sie waren unzertrennlich und überall hatte man sich daran gewöhnt, Vater und Tochter in einem Atem zu nennen. Erst im Laufe der Jahre änderte sich dies allmählich, und man begann mehr von der Tochter des Trainers zu sprechen. Ohne daß sein Ruhm erblaßte, begann der ihrige zu wachsen. Denn der Vater hatte alles getan. seine Tochter in die Finessen seines Berufes einzuweihen. Die kompliziertesten Racketschläge und die feinsten Regeln der. Taktik hatte er sie gelehrt. All seine unvergleichlichen Spielqualitäten suchte er in harten und anstrengenden Unterrichtsstunden auf sein Kind zu übertragen. und Driva war willig und gelehrig. Und nachdem der Vater ihr versönlich das Divlom per Vollkommenheit ausgesertigt hatte, ließ Miß Mash sich als Tennistrainerin nieder. Das war etwas Neues! Eine Tennislehrerin! Der erste weibliche Trainer! Die Tochter des berühmten Trainers. ebenso berühmt wie er! Und ebenso wie der lebenskluge und geschäftstüchtige Papa wünschte auch sie sich in einem Sondergebiet des Tennisspiels zu spezialisieren und stellte sich lediglich als Uebungsmeisterin für Lektionen in gemischtem Spiel zur Verfügung. Es dauerte nicht lange, so hatte der Vater eine neue Idee. Er ließ bekannt machen, daß er nur noch weiblichen Tennisschülern, die sich als mixedSpieler vervollkommnen wollten. Privatstunden erteilen würde, während seine Tochter sich ausschließlich auf den Unterricht männlicher Schüler mit dem gleichen Ziel beschränken würde. Vater und Tochter hatten einen Niesenerfolg. Nicht nur die Klubmitglieder bemühten sich um den Vorzug dieser Privatlektionen. aus dem ganzen Land strömten die Anfragen, ja, aus den vier Himmelsrichtungen der ganzen Welt kamen flehentliche Bittbriefe von mixed=Champions in sve, um der besonderen Gunst ihres Unterrichts teilhaftig zu werden. So entwickelte sich eine Anzahl glänzend durchtrainierter Tennisspielerinnen als weibliche Schüler von Vater Mac, während eine nicht geringere Zahl hervorragend ausgebildeter männlicher Tennisspieler aus Drivas Schule hervorging. Und da Driva selbst bei dieser gesunden Betätigung jung und schön blieb, so lag es nahe, daß der Reiz. der von ihr ausging, seinen Einfluß auf das Herz so manchen Schülers geltend machte. Jeden Abend, wenn Vater und Tochter vertraulich von der ermüdenden Tagesarbeit ausrubten. beichtete Driva mit leiser Stimme dem geliebten Vater, welche neuen Liebeserklärungen sie am heutigen Tage von ihren Schülern zu erdulden gehabt hätte. Sie aber vergaß nie den weisen Rat 853Ssters, der. ibr Leznoeden!. leines eigenen Lebensschicksals, eingeschärft hatte: Woyl soll man mit einem Tennisstar spielen, aber niemals ihn heiraten. So wußte sie ihr Herz frei zu halten und jeden ihrer Anbeter abzuweisen. wenn diese sie anflehten, das große Lebens=mixed mit ihnen anzutreten. Eines Abends jedoch lehnte Driva ihr Köpfchen verlegen an die Schulter des Vaters. um ihm zu sagen, daß an diesem Tage wiederum ein Bewerber die kurze Pause zwischen zwei Uebungen benutzt habe, um sie zu bitten, seine Frau zu werden. Der alte Trainer erkannte, daß es diesmal ernst war. r zog seine Tochter an sich und sagte einfach:„Du willst also, mein Kind, deinen Partner für das Leben wählen: ist er auch würdig, dein Partner im Tennis zu sein?“ „O. Vater!“ stammelte Driva begeistert. er ist mein schlechtester Schüler! Er hat nicht die geringste Anlage, jemals ein anständiger Spieler zu werden!" im Too. Mit dem Ameisenfresser sing es an. Der Wärter Heinemann reichte ihm eine herrlich duftende. madenwimmelnde Angelegenheit in seinen Käfig hinein. Der Ameisenbär wackelte erregt mit seiner röhrenförmigen Schnauze herum, um seine lange wurmige Zunge herauszustrecken und in dem leckeren Futter herumzuschmatzen. Es ging aber nicht. In der Zunge befand sich ein dicker Knoten. Sie schob sich nicht vor und nicht zurück. In Wirklichkeit war sie ganz in Ordnung. Die Ameisenfressergrippe äußert sich eben in der quälenden Seeichhe ven Beich Vllläneng. Vorstellung von dem Knoten in der Zunge. Heinemann war trostlos und erstattete dem Direktor die Meldung:„Der Ameisenfresser frißt nicht!“ Der Direktor sagte mit sinsterer Miene:„Der Ameisen= bär auch krank? Das wäre noch zu ertragen. Aber sehen Sie sich nur einmal da drüben den afrikanischen Elefanten an!“ Heinemann brach in den Angstruf aus:„Nanu, was hat der denn!" Er sah durch das Fenster, wie der Elefant mit seinen Beinen umherwedelte, als sei er leichtfüßiger Steptänzer. Einer, der rückwärts soxtrottet. Sein Rüsse! schien ihm plötzlich so lang geworden, daß er zwischen seinen Beinen am Boden schleifte und die Gefahr bestand, darauf zu treten. Kein Rüssel hält das aus, das weiß jeder Elesant. Er hätte sich om liebsten nicht vom Fleck gerührt, um die Neuigkeit genauer zu überdenken. Da war aber noch etwas Schlimmeres. Tief verachtete er den Pavian wegen des Zustandes seiner Sitzflächen. Und nun, nun bot er selbst das gleiche Bild. Das war ihm sehr veinlich. Er bemühte sich, den nach seiner Meinung purpurrot anlausenden Körverteil, den er nun hilflos beschwänzelte, den Blicken der Besucher zu entziehen und sich an die Wand zu drücken. Das mißlang aber wegen dieses Rüssels. der sich bald um die Vorder=, bald um die Hinterbeine ringelte. So äußerte sich die Elesantengrivve. Der mächtige. kraftstrotzende Bursche kam sich als das beklagenswerteste Tier des Zoologischen Gartens vor. Aber auch dem Löwen ging es nicht gut. Eben der Prokurist Nebenzahl mit Fräulein Srassinge Volte, einer freundlichen und frischen Galta#ig in das große Raubtierhaus. Fräulein Bolte hieß eigentlich Anna. nannte sich neuerdings aber Anaconda. nach der Niesenschlange, die sie kurzlich im Film zu schauen bekam. Anaconda! Vielleicht wurde sie unter diesem Namen selbst einmal eine jener seenhaften Damen. die sie so oft über, die„flimmernde Leinwand abenteuern sah. Vielleicht konnte Sam. der Bankprokurist, ihr dazu verhelfen. Im Gegensatz zu Anna, die ihren Namen verlängerte, hatte Sam den seinen aus Samuel verkürzt. Sam klingt so amerikanisch. Als Anaconda ihren Namen nannte— sie lernten sich im Autobus E kennen—, kam Sam auf den naheliegenden Einfall, sie zu einer Tasse Kaffee mit Torte und Schlagsahne nach dem Zoo zu bitten. Nun beschauten sie sich den Löwen. Der geriet in eine kokette Laune und wollte sich Anaconda in seiner vollen Königspracht zeigen. Er sprang auf und schüttelte die Mähne. Doch, was war das? Als er noch so schüttelte, da sauste die Mähne von seinem Haupte und trudelte wie ein Reisen durch den Käfig. Der Löwe hinterher. Besessen von dem einen Gedanken: Die Mähne muß ich wiederhaben! Er sprang mit wilden Sätzen durch den Käfig. konnte sie aber nicht erreichen. Nun beschloß er. ein furchtbares Gebrüll von sich zu geben. Aber es kam nur ein rauher, gurgelnder Husten heraus. Er hatte Löwengrippe. Es war sehr komisch. Anaconda grinste.„Sam dachte befriedigt:„Es wird ein voller Erfolg.“ Der Eisbär stand mit hängendem Kopf da. weil es regnete. Matschwetter am Nordvol. scheußlich! Dabei blaute der Himmel, obendrein bei vier Grad unter Null. Wunderbares Wetter für Eisbären. Aber dieser merkte nichts davon. Er hatte Eisbärengrippe. Trotz des schönen Wetters trug Sam seinen Schirm bei sich und benutzte ihn jetzt, den Eisbären durch Rippenstöße aus seiner Rube zu bringen. Das machte einen tapferen Eindruck. Anaconda war sehr stolz auf Sam. Der wunderbare Instinkt der Tiere erwies sich auch wieder bei dieser Gelegenheit. Dem Bären war es so, als benötigte er einen Schirm. Hier war einer. Der Bär packte zu und Ritsch! hatte er ihn schon. Aufspannen konnte er ihn natürlich nicht! Aber fressen. Nach einem kecken Versuch spie der Bär den Schirm aber wieder aus mit der Schlußfolgerung: So etwas nützt doch nichts gegen Regen. und setzte sich auf die Trümmer des Schirms. Das ging schon an. Anaconda war vor Vergnügen nahezu schlecht geworden.„Ach nee, ich kriege noch Blinddarmentzündung vor Lachen!" juchzte sie, als Sam mit ihr schon bei den Kamelen war. Das Kamel machte einen beklagenswerten Eindruck. Es stand: Vorderbeine eingeknickt, mit den Hinterbeinen auf den Zehen. Der Wärter Breitkopf. ein tüchtiger Mensch. hielt ihm eine Pfanne mit erhitztem Zucker unter die Nase. Das war gut gegen Kamelskolik. Hier aber handelte es sich um einen Fall von Kamelsgrippe. Der vordere Höcker war vom Rücken unter den Bauch gerutscht und zog das Tier mit Zentnergewicht auf die Erde. Dennoch konnte es sich nicht es erstens den verrutschten Höcker gedrückt hätte und weil zweitens der andere Höcker in die Luft zu entschweben. Wie hätte das aber ausgesehen! So meinte das Kamel, das sich die Höckerverlagerungen natürlich nur einbildete. „Nicht zu dicht an das Lama! Es spuckt!“ hörte das Paar Breitkopf rufen, der ihm den Rücken zuwandte, aber merkte wie es in der Ecke mit dem Lama verschwand. Anaconda zögerte. Sam hatte gerade auf diese Ecke so große Hoffnung gesetzt. weil sich dort nie ein Mensch aufhielt. Er bejänftigte Anaconda:„Es spuckt nur. wenn man's neckt!“ und zerrte sie in die Nische mit dem Lama. Sie überzengten sich, daß das Lama ganz ungefährlich war. Es snuckte nicht. sondern starrte melancholisch in die Gegend. Es hatte Lamagripve. Deshalb war ihm die Spucke weggeblieben. „„Sam wurde zärtlich. Anaconda betrachtete standhaft das Lama, mit dem unbehaglichen Gedanken: „Wenn er mich bloß nicht küßt! Er hat einen so feuchten Mund!“ Da fühlte sie schon seine Livven an ihrer Wange. Sie riß sich los. Sam jedoch schien entschlossen, die Lamaecke gründlich auszuwerten. Er packte das Mädchen und zog es zu sich heran. Da kam dem Lama die Spucke wieder. Es blinzelte mit den boshaften. aber zielsicheren Augen und schleuderte kunstvoll eine mächtige Ladung grünlichen Schleims auf den Rücken Sams. „Na. hab ichs nicht gesagt?“ brüllte Breitkovf. „Sie waren gewarnt. Der Garten haftet nicht!"