Nr. 97. Rheinisch Sonnabend den 4. Dezember 1830. Wahrheit— Gerechtigkeit— Gemeinwahl. Schöne Handlungen. Und nochmals: Edelleute in Namen und That. In der kurzen Zeit, nachdem in d. Bl. Nro. 96 davon erzählt, häufen sich die Beispeile einer edlen Wohlthätigkeit des Adels und der Gutsbesitzer gegen ihre Kolonen und Prästantiarien, eins größer und schöner als das andere. So haben die Grafen v. Bocholz, v. Mengersen und v. Westphalen, die Freiherren v. Sierstorpf, v. Kanne, v. Spiegel, so wie der Rittergutsbesitzer, ehemaliger Hypothekenverwahrer. Rintelen, von der diesjährigen Prästation ihrer sehr bedeutenden Heuergefälle theils die Hälfte des Roggens, ein Viertheil der Gerste und des Hafers ganzlich erlassen, und für die andere Hälste, resp. drei Viertel, die Lieferung in natura im nächsten Jahre nachgegeben, theils Zahlung in Gelde zu etwa der Hälfte des laufenden Preises zugestanden. Viele andere Gutsbesitzer sind dem Beispiele gefolgt, deren Namen mir noch nicht genannt sind. Ich hoffe auf die Freude, bald neue Beispiele und alte Namen dieser Art aus hiesiger Gegend erzählen und nennen zu können, denn, wie sich ein großer, eoler Mann, dem ich obiger Mittheilungen viele verdanke, so wahr ausdrückte: exempla trahunt! Zugleich fordere ich aber meine vielen Kollegen in den anderen Theilen der Provinz, die, wie ich, von ihren Gutseinkünften nichts nachlassen, wohl aber doch schreiben können, auf, die ähnlichen Beispiele, die in Westphalen überall vorausgesetzt werden dürfen, aus ihrer Nähe, in diesem dazu in seiner ursprünglichen Tendenz geeigneten vaterländischen Blatte zu erzählen, und so das Andenken möglichst zu erhalten. Denksteine, die in der Zeit der Noth gesetzt werden, verwittern nicht leicht, die Liebe des Volks ehrt und erhält sie, und der gewöhnliche vaterländische einfache Sandstein paßt dazu besser, als der ausländische verzierte Marmor. Der Aristokratismus, der sich in diesen Tagen und Zügen ausgesprochen, wird selbst dem Tadel der heftigsten Demagogen entgehen, wenn von letzteren sich auch welche auf unserer rothen Erde ansiedeln könnten; doch, die nährt solches Volk nicht! Büren an der Alme, im Nov. 1830. Dr. Fr. Rautert, Landrichter. Rb. W. Anz. 54. Bd. 1979 1980 Zeitgegenstände. wegel über den Streit der beiden tbeologischen Partheien in der evangelischen Kirche. Ueber den vor Kurzem durch die bekannte Hallische Fehde angeregten Streit der beiden theologischen Partheien in der deutsch=evangelischen Kirche spricht der berühmte Philosoph Hegel in der Vorrede zu der so eben erschienenen dritten Auflage seiner philosophischen Encyklopädie*) Ansichten aus, in die gewiß viele Unbefangene mit ihm übereinstimmen werden: „Es hätte kürzlich den Anschein haben können,e sagt er, ndals ob vom Boden der Theologie und sogar der Religiosität aus eine ernsthaftere Untersuchung über Gott, göttliche Dinge und Vernunft in einem weitern Bereiche wissenschaftlich angeregt werden sollte. Allein sogleich der Anfang der Bewegung ließ solche Hoffnung nicht aufkommen; denn die Veranlassung ging von Persönlichkeiten aus, und weder die Prätension der anklagenden Frömmigkeit, noch die angegriffene Prätension der freien Vernunft erhob sich zur Sache, noch weniger zum Bewußtsein, daß, um die Sache zu erörtern, der Boden der Philosophie betreten werden müsse. Jener Angriff des Persönlichen auf den Grund sehr spezieller Außerlichkeiten der Religion zeigte sich mit der unheheuern Anmaßung, über die Christlichkeit von Individuen aus eigener Machtvollkommenheit absprechen zu wollen, und ihnen damit das Siegel der weltlichen und ewigen Verwerfung aufzudrücken. Dante hat es sich herausgenom*) Die erste Auflage erschien 1817, die zweite 1828, die dritte, wie bemerkt, 1830. Während also die erste Auflage zehn Jahre, so bedurfte die zweite nur zwei zu ihrem vollständigen Absatze, zum sichern Beweise, wie sehr das Interesse der Zeitgenossen an philosophischen Untersuchungen, und namentlich an der Hegelschen Philosophie, zugenommen hat. men, in Kraft der Begeisterung göttlicher Poesie die Schlüssel Peiri zu handhaben, und viele seiner— jedoch bereits verstorbener— Zeitgenossen, namentlich selbst Päpste und Kaiser, in die höllische Verdammniß zu verurtheilen. Es ist einer neuern Philosophie der infamirende Vorwurf gemacht worden, daß in ihr menschliche Individuen sich als Gott setzen; aber gegen solchen Vorwurf einer falschen Konsequenz ist es eine ganz andere wirkliche Anmaßung, sich als Weltrichter betragen, die Christlichkeit Individuen aburtheilen und die innerste Verwerfung damit über sie aussprechen. Das Schiboleth dieser Machtvollkommenheit ist der Name des Herrn Christus und die Versicherung, daß der Herr diesen Richtern im Herzen wohne. Christus sagt(Matth. 7, 20): nAn ihren Früchten sollt ihr sie erkennen za die ungeheure Insolenz des Verwerfens und Verdammens ist aber keine gute Frucht. Er fährt fort: 2Es werden nicht Alle, die zu mir sagen: Herr! Herr! in das Himmelreich kommen; es werden Viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr! Herr! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? haben wir nicht in deinem Namen viel Thaten gethan? Dann werde ich ihnen bekennen: ich habe euch noch nicht erkannt; weichet Alle von mir, ihr Übelthäterle Die, welche im ausschließlichen Besitze der Christlichkeit zu sein versichern, und von Anderen diesen Glauben an sie fordern, haben es nicht so weit gebracht, Teufel auszutreiben, vielmehr Viele derselben, wie die Gläubigen an die Seherin von Prevorst, thun sich Etwas darauf zu gut, mit Gesindel von Gespenstern in gutem Vernehmen zu stehen und Ehrfurcht vor demselben zu haben, statt diese Lügen eines widerchristlichen, knechtischen Aberglaubens zu verjagen und zu verbannen. Eben so wenig zeigen sie sich vermögend, Weisheit zu reden, und 1982 1981 vollends unsähig, große Thaten der Erkenntniß und Wissenschaft zu thun, was ihre Bestimmung und Pflicht wäre; Gelehrsamkeit ist noch nicht Wissenschaft. Indem sie mit der Masse der gleichgültigen Außendinge des Glaubens sich weitläufige Beschäftigungen machen, bleiben sie dagegen in Ansehung des Gehalts und Inhalts des Glaubens selbst um so dürrer bei dem Namen des Herrn Christus stehen, und verschmähen vorsätzlich und mit Schmähen die Ausbildung der Lehre, welche das Fundament des Glaubens der christlichen Kirche ist; denn die geistige, vollends denkende und wissenschaftliche Expansion störte, ja verböte und tilgte den Eigendünkel des subjektiven Pochens auf die geistlose, am Guten unfruchtbare, nur an den bösen Früchten reiche Versicherung, daß sie im Besitze der Christlichkeit sich befinden, um dieselbe ausschließlich sich zu eigen haben.— Diese geistige Expansion wird mit dem bestimmtesten Bewußtsein in der Schrift von dem bloßen Glauben so unterschieden, daß dieser erst durch jene zur Wahrheit werde.„Wer überhaupt an mich glaubet, a sagt Christus(Joh. 7, 38), ovon deß Leibe werden Ströme des lebendigen Waners fließen.e Dies ist dahin sogleich in V. 39 erläutert und bestimmt, daß aber nicht der Glaube als solcher an die zeitliche, sinnliche, gegenwärtige Persönlichkeit Christi dies bewirke, er noch nicht die Wahrheit als solche sei; im folg. 39. V. ist der Glaube dahin bestimmt, daß Christus jenes vom Geiste gesagt, welchen empfahen sollten, die an ihn glaubten; denn der heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verrlarn:— die noch unverklärte Gestalt Christi ist die damals in der Zeit sinnlich gegenwärtige oder nachher so, was derselbe Inhalt ist, vorgestellte Persönlichkeit, die der unmittelbare Gegenstand des Glaubens ist. In dieser Gegenwart hat Christus seinen Jüngern selbst mündlich seine ewige Natur und Bestimmung zur Versöhnung Gottes mit sich selbst und der Menschen mit ihm, die Heilsordnung und die Sittenlehre geoffenbart, und der Glaube, den die Jünger an ihn hatten, begreift dies Alles in sich. Dessenungeachtet wird dieser Glaube, dem an der stärksten Gewißheit nichts fehlte, nur für den Anfang und bedingende Grundlage, für das noch Unvollendete erklärt; die so glaubten, haben noch nicht den Geist, sollen ihn erst emptayen— ihn, die Wahrheit selbst, ihn, der erst später als jenes Glauben ist, der in alle Wahrheit leitet. Jene aber bleiben bei solcher Gewißheit, der Bedingung stehen; die Gewißheit aber, selbst nur subjektiv, bringt nur die subjektive Frucht formell der Versicherung, und dann darin des Hochmuths, der Verunglimpfung und Verdammung. Der Schrift zuwider halten sie sich fest nur in der Gewißheit gegen den Geist, welcher die Expansion der Erkenntniß und erst die Wahrheit ist.a „Diese Kahlheit an wissenschaftlichem und überhaupt geistigem Gehalte theilt diese Frömmigkeit mit dem, was sie unmittelbar sich zum Gegenstande ihrer Anklage und Verdammung macht. Die Verstandesaufklärung hat durch ihr formelles, abstraktes, gehaltloses Denken eben so die Religion von allem Inhalte ausgeleert, als jene Frömmigkeit durch ihre Reduktion des Glaubens auf das Schiboleth des Herrn, Herrn. Beide haben darin nichts vor einander, voraus; und indem sie widerstreitend zusammentreffen, ist kein Stoff vorhanden, in dem sie sich berührten und einen gemeinsamen Boden und die Möglichkeit, es zur Untersuchung und ferner zur Erkenntniß und Wahrheit zu bringen, erlangen könnten. Die aufgeklärte Theologie hat sich ihrerseits in ihrem Formalismus, nämlich die Gewissens freiheit, Denkfreiheit, Lehr freiheit, selbst Vernunft und Wissenschaft anzurufen, festgehalten. * 1983 1984 Solche Freiheit ist allerdings die Kategorie des unendlichen Rechts des Geistes, und die andere besondere Bedingung der Wahrheit zu jener ersten, dem Glauben. Allein, was das wahrhaftige und freie Gewissen für vernünftige Bestimmungen und Gesetze enthalte, was das freie Glauben und Denken für Inhalt habe und lehre, diesen materiellen Punkt haben sie sich enthalten zu berühren, und sind in jenem Formalismus des Negativen und in der Freiheit, die Freiheit nach Belieben und Meinung auszufüllen, stehen geblieben, so daß überhaupt der Inhalt selbst gleichgültig sei. Auch darum konnten diese nicht einem Inhalte nahe treten, weil die christliche Gemeinschaft durch das Band eines Lehrbegriffs, eines Glaubensbekenntnisses, vereinigt sein muß und es immer noch sein soll, dagegen die Allgemeinheiten und Abstraktionen des abgestandenen, nicht lebendigen rationalistischen Verstandeswassers das Spezifische eines in sich bestimmten, ausgebildeten christlichen Inhaltes und Lehrbegriffes nicht zu lassen. Wogegen die Anderen, pochend auf den Namen Herr! Herr! frank und frei die Vollführung des Glaubens zum Geiste, Gehalt und Wahrheit verschmähen. * So ist zwar viel Staub des Hochmuths, der Gehässigkeit und Persönlichkeit, wie leerer Allgemeinheiten aufgeregt worden, aber er ist mit der Unfruchtbarkeit geschlagen, er konnte nicht die Sache enthalten, nicht zu Gehalt und Erkenntniß führen.— Die Philosophie hat zufrieden sein können, aus dem Spiele gelassen worden zu sein; sie findet sich außerhalb des Terrains jener Anmaßungen, wie der Persönlichkeiten, so der abstrakten Allgemeinheiten, und hatte, auf solchen Boden gezogen, nur des Unerfreulichen und Ungedeihlichen gewärtig sein können.e Traktatenwesen: „Louise, oder der Sieg der göttlichen Liebe.“ Basel, 1828. 8. Ich las mit Vergnügen über dieses unsinnige Produkt der Baseler Traktatenfabrik folgende Rezension in den Blättern f. liter. Unterhalt. Altenb. März, 1830. Beil. zu Nro. 15.— pUnkraut wächst und keimt an allen Orten, auch in Basel. Geistirrende, frömmelnde, schwärmerische Büchelchen, Traktätlein genannt, werden dort täglich gefördert. Es ist dort, wie in Berlin, Hamburg, Leipzig, Elberseld und Seeburg (bei Eisleben). Louise, die Heldin, wird Frömmlerin, Einsiedlerin, flieht alle Freuden als Sünden. Sie singt den besten Unsinn: Liebe, welche Seelen gattet Und den himmlischen Verein Auserwählter überschattet Mit der Weisheit Farbenschein; Liebe, die den Engel nähret Und der Geister Manna ist; Liebe, die die Hölle süßt, Sei du ewig mir gewähret.“ „Durch alle Gegenden Deutschlands— vorzüglich des südlichen— zieht sich das Traktatenwesen und mit ihm die frömmelnde Sektirerei, die— die Beispiele beweisen es— zum Romanismus führen. Darf der Protestant so gleichgültig zusehen, die Regierung es dulden? Daß man sich bisher darin eine gewisse Sorglosigkeit zu Schulden kommen ließ, liegt zum Theile darin, daß man diese still und heimlich verbreiteten Erbauungsschriften nicht genug kennt oder sie des Lesens nicht würdigt. Offentliche Blätter können darüber keine Auskunft liefern, weil sie unter ihren Freunden von Hand zu Hand gehen und in den Buchhandel nicht kommen. Sie verrathen sich durch ihren Inhalt als verdächtig, und, in sich faul, sollten sie von der Polizei und den Geistlichen beachtet, und ihrer Verbreitung über 1989 1986 all Einhalt gethan werden. Denn keine Kirche, sie sei katholisch oder protestantisch, ist als solche ihres innern Friedens und ihres äußern Bestehens länger sicher, wenn es einzelnen schwärmerischen Köpfen länger gestattet ist, ihre abweichenden Religionsansichten durch fliegende Blätter und Histörchen, welche sich jeder Censur entziehen und auf ungewöhnlichem Wege verbreitet werden, unter der urtheilslosen Menge zu verbreiten, die so gewonnenen Individuen zu religiösen Winkelversammlungen zu vereinigen, und auf diese Weise einzelne, vom Staate nicht erkannte Kirchlein der allgemeinen Kirche entgegenzusetzen.e Gewerbefreiheit. ist schon so viel über die Vortheile und Nachtheile der Gewerbefreiheit geschrieben worden, daß es kaum der Mühe verlohnt, diesen Gegenstand noch einmal zur Sprache zu bringen. Nur eine flüchtige Bemerkung sei es mir erlaubt, den Lesern des Rhein.=Wesiph. Anz. zur Prüfung vorzulegen. Bei unseren Urtheilen über manche Gegenstände lassen wir uns nur zu leicht durch den Wortlaut leiten. Wir werden für oder gegen eine Sache eingenommen, je nachdem ihre Benennung angenehme oder unangenehme, wenn auch nur sehr dunkle Gefühle oder Erinnerungen in uns anregt. So z. B. ist darauf zu wetten, daß die Worte Rose, Liebe und ähnliche, wenn sie auch manchfach verändert und versetzt sind, dennoch immer einen angenehmen Eindruck machen, wenn man sie hört oder lies't; die Eigentieve z. B. ist gar nicht anstößig. Dagegen gibt es Worte, wie z. B. Gift. Mord. Tod u. s. w., welche gewiß in jeder Verbindung wenig ansprechen. Ich erinnere nur an das in der Volkssprache nicht ungewöhnliche Wort mordschlecht, z. B. es geht mir mordschlecht. Dies hat mich, wenn ich es hörte, jederzeit unangenehm affizirt; es überlief mich immer ein kalter Schauer. Den Lesern des Rhein.=Westph. Anz. wird es nicht schwer werden, ähnliche Beispiele aufzufinden, und gleichsam an sich selbst die Probe anzustellen. Eben so verhält es sich mit dem Begriffe der Gewerbefreiheit. Das Wort Freiheit, auch in den allerunschuldigsten Beziehungen genommen, ist Manchen, welche ein etwas reizbares Nervensystem haben, so anstößig und ominös, daß sie dabei immer an Aufstände, gewaltsame Widersetzlichkeit und Umwälzungen der Staatsverfassungen zu denken geneigt sind, weil— vielleicht öfters der Name der Freiheit bei höchst strafbaren Unternehmungen gemißbraucht worden ist. Ich schlage daher vor, für die Gewerbefreiheit eine andere passendere Bezeichnung aufzufinden und diese in Kours zu setzen, damit der Begriff nicht länger angefeindet werde. Bei dieser Gelegenheit nur ein Paar Worte über die sogenannten surchtsamen Seelen! Es sind diese wirklich ganz eigener Natur und gewissermaßen Überbleibsel einer frühern, längst vergangenen Zeit, einer uns ganz fremdartigen Generation, vielleicht sogar Vorsündfluthler*). Sie scheinen viele Jahrhunderte geschlafen zu haben, und gar nicht zu wissen, daß alle mit der feudalistischen Persode gleichzeitige Institutionen keineswegs auf die bürgerliche Ordnung und ein ruhiges und friedliches Verkehren, sondern auf die Zeiten der Fehden und der Willkür gegründet waren. Von den der Gewerbefreiheit geradezu entgegengesetzten, so viel gepriesenen Zünften und Innungen gingen die städtischen Revolutionen des Mittelalters— denn die allgemeinen Staatsrevolutionen entstanden damals fast durchgängig bloß aus diesen und dem übermäßigen Ansehen des Adels— gingen öfters Raub und Mord aus, und wenig*) Man stoße sich nicht an das barbarische Wort! 1987 stens der Staat, als solcher, fand keinen sonderlichen Schutz an ihnen. Jetzt verhält es sich ganz anders; der Bürger ist mit seinen Mitbürgern durch ein gemeinschaftliches Band verbunden, es ist nichts Trennendes mehr zwischen ihnen vorhanden, und dies ist für die Staatszwecke ungemein wichtig. Oder soll man die eigentlich ganz revolutionäre Maxime divide et impera an die Spitze stellen? Auch das Gewerbe hat sich weit besser befunden, seitdem der Zunftverband gelös't ist, und unsere unzünftigen Handwerker stehen auf einer ganz andern höhern Stufe, als ihre zünftigen Vorältern. Aber es gibt Menschen, welche nicht begreifen, wie man sich, ohne geleitet zu werden, frei bewegen könne; welche die Schnürbrust nicht entbehren wollen, um nicht die Haltung zu verlieren, und welche hülflos zusammenfallen, sobald sie durch die Fischbeinstäbe nicht mehr in ihrer steifen Stellung gehalten werden. Kurz, ich glaube, daß es noch Manche gibt, welche der Meinung sind, Tubalkain müsse nothwendig ein zunstmäßiger Grobschmied und Orpheus ein gelernter Stadtpfeifer*) gewesen sein. Bekanntlich waren die Stadtmusiker an vielen Orten auch zünftig. Naturwissenschaft. Natürliche Erklärung des Heiligenscheins. (Schluß.) Versuch einer Erklärung über die Erscheinung. „Aus den mitgetheilten Beobachtungen und perimenten ergeben sich die Resultate: 1) Der Heiligenschein tritt um den Schatten der Menschen, nicht so stark um den der Thiere, der Pflanzen und anderer lebloser Gegenstände, ein. 1988 2) Der Mensch seht am vollendetsten nur seine eigene, und nur unvollkommen die eines andern nahestehenden, eines entfernten Beobachters Glorie gar nicht. 3) Zwei Beobachter, die vor oder hinter einander stehen, sehen das Phänomen in gleichem Grade um ihren sich einander deckenden Schatten. 4) Die Vegetation hat, nach ihrer Stellung und Art, mit den wesentlichsten Einfluß auf die Erscheinung des Phänomens, während dasselbe nur auf solchen Flächen überhaupt erscheint, auf welchen vegetatives Leben statt hat. 5) Der reinste, von allen Wolken und Dünsten befreite Himmel bringt die stärkste Wirkung hervor. 6) Eine bedeutende Neigung der Sonnenstrah= len gegen den Horizont ist nothwendig. 7) Ein etwas erhöhter Standort des Beobachters ist zwar nicht nothwendig, es zeigt sich aber das Phänomen von demselben stärker und ausgebildeter. 8) Auf der mit feinem Thau behafteten Vegetation stellt sich das Phanomen(unter übrigens vortheilhaften Bedingungen) im Maximum seiner Stärke dar. 9) Dem Unbekleideten zeigt sich die Erscheinung stärker als im Gegentheile, aber stets über dem Scheitel des Kopfes länger, als an anderen Theilen des Körpers. 10) Die Verlängerung des Lichtglanzes am Scheitel scheint nur dem Menschen anzugehören. 11) Die Elektrizität, Wärme, Feuchtigkeit, Elastizität und Schwere der Luft scheinen keinen Einfluß auf das Phänomen zu haben.“ „Was bei den hier zusammengestellten Resultaten zunächst auffällt, ist die Merkwürdigkeit, daß die Erscheinung am stärksten bei dem Schatten des Menschen beobachtet wird, welches der Erklärung das größte Hinderniß in den Weg legt. Der Lichtstrahl, welcher an der Oberfläche des 1989 1990 menschlichen Körpers, oder in einer gewissen Entfernung davon, vorübergleitet, muß hier die stärkste Veränderung erleiden, sonst müßte um jeden Schatten eines andern Körpers, welcher nur in geeigneter Richtung von Jemanden beobachtet wird, der Heiligenschein in gleichem Grade eintreten, welches-aber den gemachten Erfahrungen widerspricht. So verwandt nun die Lebensthätizkeit höherer Thierklassen sein mag, so nothwendig scheint mir die Annahme, daß eben in einer Eigenthümlichkeit des menschlichen Lebens eine besondere, bei anderen Thieren und todten Körpern nicht so eintretende Veränderung der vorbeigleitenden Lichtstrahlen stattfinden müsse. Denn gleichwie der in verschiedene flüssige Medien eindringende Lichtstrahl, nach der chemischen Natur derselben, bald mehr, bald weniger von der geraden Richtung abgelenkt wird, so kann auch hier eine gleiche analoge Einwirkung als möglich gedacht werden. Da aber zu einer möglichst vollständigen Erklärung ersordert wird, daß der ganze menschliche Körper siets mit einer Atmosphäre von Dünsten umgeben sei, welche in Form von unzähligen kleinen feuchten Kügelchen um ihn schweben, deren Entstehen und Verschwinden ununterbrochen fortgeht, auch diese Annahme bekannten Erfahrungen nicht widerspricht, so bliebe es bloß problematisch, welche besondere Eigenschaft diese den Menschen umgebende Atmosphäre habe. Daß auf die Ausdünstung des thierischen Körpers Lebensart, Naturell, Leibesbewegung, Klima, Witterung, Jahreszeit (und beim Menschen selbst Seelenzustand und noch andere Umstände einen wesentlichen Einfluß äußern, davon hat man sich manchfach überzeugt; und gleich wie die Säfte bei den heterogenen Thierarten, nach der Menge, den Eigenschaften, Bestandtheilen, dem Ursprunge, der Reihe der Entwickelung und Veränderung in der That verschieden sind, eben so abweichend von einander werden auch die durch das Hauptsystem ausgeschiedenen dunstartigen Bestandtheile stin. Vorausgesetzt also, daß das Licht in jenem Dunstkreise von Feuchtigkeit, welche den Menschen, und in einem andern Grade auch die Thiere, umgibt, und bei todten Körpern, durch die chemische Beschaffenheit derselben, von seinem geradlinigten Fortgange abgelenkt, d. h. gebeugt(nicht gebrochen) werde, so ist man genöthigt anzunehmen, daß diese Lichtstrahlen bei ihrem Fortgange so auf die einzelnen Pflanzenelemente und die daran haftenden Thautropfen auffallen, daß die Reflektirung derselben durch das Auge des Beobachters eintritt, und zwar wird die Wirkung dieser zurückgeworfenen Strahlen in dem Grade stärker sein, als die Strahlen mehr oder weniger nah an der Oberfläche des Körpers vorüber gehen; denn es ist wohl nicht zu bezweiseln, daß jener Dunstkreis an der Oberfläche des Körpers, wo er zunächst entsteht, dichter sei, als in einiger Entfernung davon. Die hierbei zum Grunde liegende Voraussetzung, daß an den Elementen der Pflanzentbeile ein sichtbarer Reflex eines Lichtstrahls eintreten könne, bedarf kaum einer Nachweisung. Eine aufmerksame Anschauung, besonders aber mit bewaffnetem Auge, belehrt uns hierüber genügend, wie unzählig verschieden die Formen der Pflanzen, besonders die ihrer Oberflächen sind, wie fast allgemein ein gewisser Glanz über die vegetative Welt verbreitet ist, der seinen Ursprung theils in der Lage der Gesammtelemente, theils in der Stellung gegen das beobachtende Auge hat. Wenn nun aus dieser Demonstration folgt, warum der Lichtglanz zunächst um den Schatten des Beobachters stärker eintritt, als entfernter davon, so glaube ich auch zuversichtlich, daß die dem Scheitel eines Beobachters zugehörige Lichthülle deßhalb länger und stärker als die des übrigen Körpers erscheint, weil jene Dunsttheile des menschlichen Körpers wahrschein lich in einem steten Aufsteigen begriffen sind, also eine Anhäufung derselben nach Oben statt hat.e Miszelle. Shina ist ziemlich frei von direkter Grausamkeit aus religiösem Aberglauben, wenigstens ist hier nichts erlaubt, was mit den Hindoo suttees verglichen werden könnte, außer der schreckliche Kindermord, der aber keine Folge religiösen Aberglaubens, sondern mehr einer bartherzigen Zweifelsucht und staatswirthschaftlicher Träumereien zu sein pflegt. China hat aber Leute, welche für medicinische Zwecke verschiedene Theile des menschlichen Körpers verzehren. Die Ermordung eines jungen Menschen zu Macao, vor drei Jahren, wurde durch den Wahn veranlaßt, daß eine Portion Menschenfleisch einen sterbenden Mann wieder herstellen werde; und der Scharfrichter von Zehntausend bot den andern Tag in der Zeitung zu Canton die Gallenblase eines Mannes feil, den er in Stücken gehauen habe. In diese Gallenblase wurden Reiskörner eingeweicht und täglich in bestimmter Zahl verzehrt. Schlägt man den Strafkoder auf, so scheint ein Mann Namens Liu, aus dem Distrikt Haong=Shan, bei einer frühern Gelegenheit verurtheilt worden zu sein, weil er eine Portion menschlicher Gallenblase um den Preis von 120 Taels Silber verschafft hatte; und im Jahre 1811 wurde ein Mann in Che=Keang, Namens Chang, verurtheilt, der während 16 Jahren 11 junge Mädchen getödtet hatte, um gewisse Flüssigkeiten zu trinken, die seinem eigenen Körper Kraft geben sollten! Das zwölfte Mädchen, welches sich dieser Unmensch als Opfer ersehen hatte, entkam, um gegen ihn zu zeugen, und dieser Verbrecher, der Form nach ein Mensch, aber der Natur nach ein wildes Thier, wie er in dem officiellen Dokumente bezeichnet wird, wurde verurtheilt, an einer langsamen und schimpflichen Strafe zu sterben. Dieser Verbrecher hatte ein Alter von 70 Jahren erreicht. Sechszehn Familien, die durch seine schreckliche Neigung gelitten hatten, wurden aufgefordert, bei seiner Hinrichtung gegenwärtig zu sein. Er wurde in Stücken zerschnitten. Der Volksglaube und das Sprüchwort nehmen in China ein Verhältniß zwischen thierischem Muth und der Quantität Galle an. Ein großes Verhältniß dieser Absonderung fl. det man bei kühnen und beherzten Leuten, während furchtsame Personen wenig oder keine Galle haben. Deßhalb soll man auch eine größere Quantität Galle finden bei einem Manne, der getödtet wird, ohne daß man vorher Furcht bei ihm erregt.„Ein Mann hat keine Galle,“ bedeutet in China soviel, als er habe keinen Muth; und dergleichen Sprüchwörter giebt es noch mehrere. Aus diesen Meinungen läßt sich nun folgern, daß der Mensch die Quantität seiner Galle im Körper vermehren könne, wenn er die Galle eines Nebenmenschen verzehrt. Anekdoten. Vor Kurzem ist in England ein reisender Handelsmann in seinem achtzigsten Jahre gestorben, der sicherlich der pünktlichste Mann in den vereingten drei Königreichen war. Vor nicht langer Zeit kehrte ein Reisender in einer kleinen Herberge in Cornwallis ein, sah einen Vogel am Bratspieße und sagte, man solle ihm denselben auftragen. Der Wirth schlug dies ab und meinte, er sei für Herrn Scott(eben jenen Handelmann) bestimmt, den er erwarte.„Dieser Scott hat Euch also sagen lassen, daß er kommen wolle?“ fragte der Reisende.—„Nein, mein Herr!“ erwiderte der Wirth,„als er aber vor sechs Monaten da vorbeiging, trug er mir auf, heute um zwei Uhr Geflügel für ihn bereit zu halten,, und Herr Scott hält sein Wort.“ Indem er dieses sagte, soh er zum Fenster hinaus und fuhr dann fort:„da kommt Herr Scott geritten, ich muß den Braten auftragen.“ Ein Mädchen hatte ein Kind, das vier Jahre alt war, allein gelassen, das ernem Lichte, mit dem es spielte, zu nahe kam. Sein Röckchen sing Feuer. Ein kleiner Hund, welcher sah, was dem Kinde widerfuhr, lief sogleich die Treppe hinauf nach der Stube, wo das Kindermädchen war, und bellte außerordentlich. Dies setzte er so lange fort, bis das Mädchen mit hinab kam und das Kind gerettet ward. Hätte der Hund weniger Verstand besessen, so würde das Kind verloren gewesen sein; denn es war Niemand zugegen, der ihm hätte beistehen können. Hiebei Nr. 41 des Rh.=Westph. Korr.=Bl. Georuckt und verlegt von der Schulzischen Buch= und Musikalienhandlung in Hamm.