Nr. 33. R heinisch= estphälischer Anzeiger. Sonnabend den 24. April 1830. W ahrheit— Gerechtigkeit— Gemeinwochl. Vaterländische Geschichte. Geschichte der Deutschen am Niederrheine und in Westphalen. Von der ersten geschichtlichen Kenntniß an bis auf Karl den Großen. Von Doktor I. E. Knapp.(Mit einer Charte von Nieder= Rheinland und Westphalen zur Zeit der Römer.) Elberfeld und Barmen, Weisesche Buchhandlung. 1830. XXXIV und 289 S. gr. 8. Wir leben in einer Periode, in welcher das Interesse an der Geschichte, und insbesondere an der vaterländischen, fast mit jedem Tage steigt. Dies bezeugen die Vereine für Geschichte und Alterthumskunde, die sich überall in Deutschland, namentlich auch in unserm westphälischen Vaterlande, seit einigen Jahren gebildet haben, und die vielen scharfsinnigen und gelehrten Forschungen, die in und außer diesen Vereinen zur Aufklärung der Geschichte unserer Vorfahren angestellt werden, und denen die ausgezeichnetsten Männer ihre besten Kräfte widmen. In Bezieauf die westphälische Geschichte dürfen wir hier wohl nur auf die Namen Ledebur, H. Schulz, Rauschenbusch, Stuve, Seibertz, Troß, und auf den des kürzlich verstorbenen Clostermeyer, aufmerksam machen. Leider blieben diese Forschungen bisher nur ein Privateigenthum der gelehrten Welt, und Keiner nahm sich die Mühe, sie auch zum Gemeingute des Volkes zu machen. Unsere Gelehrten haben überhaupt eine gewaltige Scheu schon vor dem Namen Popularität, und man pflegt in der Regel ihnen einen schlechten Dienst zu erweisen, wenn man sie verständlich, populär nennt, weßhalb denn auch manche Sekten in unserer Gelehrtenwelt, namentlich die neueren Philosophen, sich ordentlich anstrengen, unverständlich und schwulstig aufzutreten, so daß oft die Glieder einer und derselben Schule einander nicht verstehen. Diese Scheu ist aber wohl nirgends übler angebracht, als eben in der Geschichte, die ja, als Kunde, nur dazu da sein kann, ein Gemeingut des Volkes zu werden. Das haben alle Völker gewußt, die groß geworden sind. Ein Buch, welches die Geschichte unserer Vorfahren und insbesondere die Aufklärungen derselben, welche wir den neuesten gelehrten Forschungen verdanken, auf eine jedem Gebildeten des Volks verständliche und ihn ansprechende Weise vorträgt, muß eine eben so erfreuliche als wünschenswerthe Erscheinung sein. Das vorliegende Werk ist eine solche, und eine um so erfreulichere, als es einmal für die niederrheinische und westRb. W. Anz. 53. Bd. 643 644 phälische Geschichte in dieser Hinsicht die Bahn bricht, und als es zum Andern dieselbe in den Punkten auffaßt und darstellt, in denen jedes kräftige Bolk am interessantesten ist, in seinem ersten Auftreten und seiner ersten Entwickelung. Der Zweck des, besonders in Rheinland=Westphalen seit einer Reihe von Jahren als Herausgeber der Elberfelder Allgemeinen Zeitung, und Verfasser mehrerer kleinen politischen Schriften bekannten Verfassers ist: v Gebildete Deutsche im Allgemeinen, und die Söhne und Freunde unsers rheinisch=westphälischen Vaterlandes im Besondern, sollen durch dasselbe ein lebenskräftiges und geschichtlich treues Bild von den Wohnsitzen und Volksstämmen desselben erhalten, wie es sich uns seit der ersten geschichtlichen Kenntniß bis auf Karl den Großen darstellt.s Man muß gestehen, der Verf. hat diesen Zweck geschickt zu erreichen gewußt. Er hat zuvörderst mit Aufmerksamkeit und selbstständiger historischer Kritik die leider nur wenigen vorhandenen Quellen, mit Fleiß und richtiger Auswahl aber die neueren Werke über seinen Gegenstand studirt, und sodann das Resultat seines Studiums in einer faßlichen Darstellungsweife, in einer übersichtlichen Ordnung und in einer eben so verständlichen als angenehmen blühenden Sprache vorgetragen. Eine ausführliche Rezension des Werks kann hier nicht an ihrem Orte sein. Eine nähere Anzeige des Inhalts wird zur Vervollständigung dieser Anzeige genügen: In der Einleitung spricht er zuerst von dem Ursprunge des deutschen Volkes überhaupt, wobei er, nach Anführung der vorzüglichsten, darüber herrschenden Meinungen; sich dafür entscheidet, es sei ein aus Mittelasien eingewandertes; darauf über den Namen, und sodann über seine ältesten Wohnsitze und Beschaffenheit. Das Werk selbst zerfällt demnächst in zwei Abtheilungen. Die interessanteste davon ist unstreitig die erste, welche die Geschichte Niederrheins und Westphalens von Julius Cäsars Rheinübergang bis auf die Franken befaßt. Sie zerfällt wieder in zwei Abschnitte; im ersten trägt der Verf. bis Seite 103 die reine Geschichte vor, wobei er die Feldzüge des Drusus, Tiberius und Germanikus mit besonderer, verdienter Vorliebe behandelt. Der zweite Abschnitt bis S. 185 stellt uns das Land, den Boden, die Produkte und insbesondere den Menschen Rheinland=Westphalens, in seinen bürgerlichen, politischen und kriegerischen Verhältnissen dar, zuerst im Allgemeinen, sodann nach Verschiedenheit der einzelnen Gegenden und Volksstämme. Diese letztere Darstellung beschäftigt sich auch vorzüglich mit Feststellung der noch immer streitigen Lage der merkwürdigsten geschichtlichen Orte und Gegenden aus der Römerzeit. Die zweite Abtheilung, in der wir die alten Völker unsers Vaterlandes als Franken kennen lernen, zerfällt ebenfalls in zwei Abschnitte, nach dem Plane und der Ordnung der ersten. Sie ist indeß, wie die Geschichte selbst, bei Weitem dürrer und uninteressanter. Am Schlusse derselben würde man, ohne den Hinblick auf die politische Bedeutsamkeit, welche RheinlandWestphalen von nun an nicht mehr als bekriegte Provinz eines fremden Reichs, sondern als Bestandtheil einer großen, lange Zeit hindurch die Welt beherrschenden Monarchie, gewinnen soll, sich sehr unbefriedigt fühlen. Nach dem Vorworte des Verf. soll dieses Werkchen die Grundlage zu einer vollständigen Geschichte der Länder Kleve, Jülich, Berg, Mark und Ravensberg bilden, deren Herausgabe wir danach als von ihm versprochen ansehn dürfen. Möge er sein Versprechen bald erfüllen, und moge seine Arbeit die freudige Anerkennung und Theilnahme finden, die sie gewiß verdient! Zum Schlusse dieser Anzeige kann ich nicht umhin, den Historikern unsers Vaterlandes einen 645 646 Vorwurf darüber zu machen, daß noch Keiner von ihnen die neuerlich von Rauschenbusch erschienene Schrift:„Das Leben Hamelmann'se, einer öffentlichen Beurtheilung in unseren Blättern unterworfen hat. Vaterländische Gewerbe. Sensenfabrikation. An Hrn. Friedr. Harkort. So sehr ich Ihnen auch für Ihre gütige Antwort in Nro. 26 d. Bl. auf meinen Brief in Nro. 18 danken muß, so kann ich doch nicht unterlassen, nochmals an Sie zu schreiben. Ihr Rath: ndurch bessere Arbeit höhere Preise zu gewinnene, ist zwar sehr einfach, indeß Neues bringt er uns nicht, und mit solchen allgemeinen Redensarten kommen wir nicht weiter. Wie lange sind wir schon darauf bedacht, die Waare immer mehr zu verbessern; hilft aber Alles nicht, die Preise sind und bleiben schlecht. Mein Herr z. B. liefert im Lande meine Waare auf Glauben, und jedes Stück, das dem Bauer nicht die Probe hält, kommt mir richtig wieder in den Hammer zurück. Da macht sich's wohl von selbst, daß man sich hütet, Schlunen zu verpacken. Sie meinen, es müsse noch tüchtig verdient werden, weil— die Hammerpfacht so theuer sei. Dieser Schluß— nichts für ungut— kommt meinem Verstande aber ganz kurios vor, obschon mir unser Schulmeister wohl mal aus einer Wissenschaft, Namens sNationalökonomies von einem Satze erzählt hat, der so viel sagen soll, als: Eine Nation, die viel verzehrt, muß auch viel verdienen. Dieser Satz hält aber bei der Enneperstraßer Nation nicht Stich, und ist damit auch für andere Nationen wohl nur gemeint, daß man auf die Dauer nicht mehr ausgeben als einnehmen könne; für eine Zeitlang geht dies aber recht gut, wie die leidige Erfahrung zeigt. Ihre Trostgründe können uns also leider wenig trösten, wenn Sie uns damit abspeisen wollen, daß wir schwere Pfacht bezahlen, folglich viel verdienen müßten. Das ist ja eben unser Jammer, daß Hammerpfacht, Knechtelohn, Kohlen, Schleifstein und alles Ubrige immer theurer geworden, die Waare dagegen immer wohlfeiler. Das kann wohl für eine Zeitlang, aber gewiß nicht auf die Dauer Stand halten. Ich z. B. bin Akkordschmied, mache jährlich so circa 300 Bund Sensen und Sichten, daran im Durchschnitte 28 Pfund. Das Bund zu 13 Stück kostet mir an Eisen, 294 Pfd. à 80 Thlr., per 8 Waagen a 124 Pfd..... 2 Thlr. 214 Stbr. Stahl, 38 Pfd. à 9 Stbr. 9— 312— Kohlen— 25— Knechtelohn— 22— Hammerpfacht.... 9— 18— Schleiflohn u. Schleifstein.— 14— Schlunen 9— 10— Geräthschaft..... 9— 6— Talg— 6— Stroh— 2— Summa 4 Thlr. 36 Stbr. Ich erhalte für's Bund den Satzpreis von 1805... 5— 1— Verdiene also an 1 Bund 5— 25 Stbr. oder im Jahre an 300 Buno 125 Thlr. 9 Stbr. Nun sagen Sie selbst, ob ich mit Ein Hundert fünf und zwanzig Reichsthalern gemein Geld Frau und Kinder ernähren und die hohen Steuern bezahlen kann, zumal, wenn unser Herrgott uns nicht mit Krankheiten verschont, wie wir neulich 647 648 noch Alle auf dem Kotten an den Pocken gelegen haben. Mein Herr gibt mir, wie berechnet, den vollen Satzpreis; wie machen es aber die Schmiede, die noch 10 bis 15 Stüber per Bund unter diesem Satze arbeiten? Ich begreife nicht, wie das auf eine ehrliche Art zugehen kann.— Daß also unsere Klagen nicht aus der Luft gegriffen sind, das werden Sie nun wohl zugeben; wie aber solchen am besten abzuhelfen, über diesen Punkt sollen wir Beide wohl schwerlich auf einen Sinn kommen. Sie mogen von englischen Mustern sagen, was Sie wollen, da, wo unsere blanken Sensen, Sichten und Strohmesser meist hingehen, da kommen die Engländer nicht hin, und da haben sie auch nichts verloren.— Mit den Amerikanern haben, wir's freilich verdorben, da haben Sie Recht. Oh, du gerechter Gott! wenn ich noch an die gute alte Zeit denke, wo es hieß: Jan, schloh drob, t'geht üävert Wäters(d. h. Johann, schlag drauf, es geht über's Wasser); da gab's nur halbe Arbeit, und doch ganze Preise; da fiel noch wohl ein Stündchen davon ab, nach dem kurzen Feierabend sich nach dem Schatten eines Wachholderbaums umzusehen. Aber jetzt! jetzt muß nothgedrungen übermäßig stark gearbeitet werden; es wird im Ganzen wohl das doppelte Quantum gegen sonst fabrizirt. Daraus also; daß mit der Bevölkerung feit 50 Jahren der Verbrauch zugenommen, hingegen die Anzahl der Feuer um einige abgenommen, folgt noch nicht, daß das Plus durch fremde Konkurrenz beschafft wird. Nach Amerika geht übrigens ungleich meyr blaue als blanke Waare, und letztere kommt dabei nicht groß in Anschlag. Sie sagen, um bessere Arbeit zu liefern, müsse beim Stahle angefangen werden, der hier zu Lande herzlich schlecht sei(ich überlasse es unseren respektablen Stahlfabrikanten, sich bei Ihnen für dieses gelegentliche Kompliment zu bedanken). Ich habe dagegen zu erinnern, daß guter Schneidstahl für einen ordentlichen Preis wohl zu haben ist, wogegen gutes, reines Eisen unter die Raritäten gehört. Das siegensche ist vielfältig unganz, roh und unegal bearbeitet, und was das Pudlingeisen betrifft, so läßt solches nicht minder wegen seiner Unreinheit und Ungleichheit noch viel zu wünschen übrig. Dann, glaube ich, wird durch's Schleifen manches gute Stück Waare verdorben, und muß die Plettenberger Art zu schleifen wohl besser sein, als die unsrige. Was können wir Schmiede aber dazu thun? Wir machen weder Stahl noch Eisen, noch sind wir im Stande, eine andere Schleiferei einzuführen. Das müssen die Reidemeister thun. Kurz und gut, ich sehe in der Gotteswelt keinen andern Ausweg, unsere Lage zu verbessern, als daß wir uns Alle vereinigen, nur ganz vorzügliche Waare zu liefern, dagegen aber nicht unter gewissen mäßigen Preisen zu verkaufen, wobei man eben bestehen kann. Die wohlthätige Konkurrenz und Reibung wird dadurch nicht aufgehoben. Der beste Meister wird immer die besten Preise machen können, und das muß Jedem freistehen, über den Satzpreis zu verkaufen, nur nicht drunter; wogegen jetzt der schlechte und unehrliche Meister die Preise verdirbt, um nur Arbeit zu bekommen, und dadurch den guten Meister mit in's Verderben führt. Natürlich muß die Sache gehörig überlegt und verständig eingerichtet und dabei nur das gemeinschaftliche Interesse im Auge gehalten werden. Wollten Mehrere sich ausschließen, so wäre dies freilich schlimm; indeß, sollte dann die Regierung nicht in's Mittel treten, und einzelne Widersacher bestimmen, einer Korporation beizutreten, die für das große Ganze als nützlich erachtet wird?— Ein solcher allgemeiner Verband würde gewiß von gutem Erfolge sein, denn da bleibe ich bei, 649 650 nicht die Engländer haben uns die Preise verdorben, sondern wir selbst oder vielmehr die Schleuderer unter uns haben es gethan, und also hängt es lediglich von uns selbst(inkl. dieser Schleuderer) ab, wieder bessere Preise zu gewinnen. Wir müssen uns nur einig werden und einig bleiben, und Treu und Glauben und unsere Fabrikzeichen in Ehren halten. Was Sie von Unbilligkeit gegen die Bundenschmiede reden, verstehe ich nicht recht. Bundenschmiede sind solche, die für ihre Reidemeister in Lohn arbeiten; und können keine Kunden verlieren, weil— sie keine haben. Ubrigens soll der Lohn um viel mehr erhöht werden, als Sie angeben; man spricht von 5 Sgr. per Bund, auf den Satzpreis von 1805.— Dem sei nun, wie ihm wolle, Manöuvres dürfen bei der Sache nicht vorkommen, und einseitige Interessen nicht vorwalten. Da bin ich ganz Ihrer Meinung, und sobald ich dergleichen merke, will ich nichts mehr damit zu thun haben. Aber ich kann mir doch nicht gut denken, daß unser Bürgermeister, der sich den Betrieb der Sache sehr angelegen sein läßt, sich dazu hergeben sollte, Manöuvres und jüdischen Handel zu befördern! So was schickt sich nicht für unser Einer, wie viel weniger für einen Bürgermeister!— Sie scheinen von Haus aus zu sehr gegen die ganze Sache eingenommen, und es ist daher für die ruhige Entwickelung derselben am besten, Sie lassen die Vogelsanger Rathsherren still zufrieden, und bekümmern sich nicht weiter darum. Ihren schließlichen Vorschlag von wegen der Lerchenallee, damit das Geld nicht aus dem Lande fortlause, finde ich sehr angemessen. Ich habe einen Vetter im Munizipalrathe sitzen, der soll mir darüber nächstens einen Vortrag halten. Ich hoffe, der Gegenstand findet Jabrüder, und der Bürgermeister hat gewiß auch nichts dagegen. Ein blanker Senfenschmied. Mit froher Erwartung sehen die Rheinlande der zunächst bevorstehenden Versammlung der Provinzialstände zu Düsseldorf, welche durch allerhöchste Kabinetsordre Sr. Majestät des Königs auf den 23. Mai angesetzt ist, entgegen. Dankend erkennt der Vaterlandsfreund vorzüglich in dem Institute der Stände die erhabene Fürsorge für das Wohl und Gedeihen der Rheinprovinzen, und die freie Wahl der Vertreter des Volkes aus den Höchstbesteuerten sichert die Ermittelung der wirklichen Bedürfnisse und Wünsche dieser Länder, um sich demnächst der höhern Berücksichtigung zu empfehlen. Vielerlei Anliegen sind es., welche dort zur Sprache kommen müssen, unter ihnen nimmt der in der Überschrift genannte nicht die letzte Stelle ein. Über die Nachtheile der noch bestehenden französischen Verwaltungsart der Gemeinden waltet kein Zweifel mehr ob. Laut und vernehmlich spricht sich darüber die Stimme des Volkes aus. In dem gediegenen Werkchen des Hrn. v. Mylius:„Die heutige Gemeindeverfassung in ihren Wirkungen auf Gemeindewohl, Köln, bei I. P. Bachema, ist die Sache nach Gebühr auseinandergesetzt, und ein Aufsatz in Nro.21 des Rhein.= Westph. Anz. thut neuerdings noch Manches hinzu. Eigentlich aber braucht diese Sache nicht erst schriftweise darget an zu werden. Nach unserer Überzeugung hat man nur den Unterschied der Verwaltungskosten in früherer Zeit mit den jetzigen in's Auge zu fassen, um überall hier die Wahrheit zu erkennen, abgesehen von anderen Nachtheilen, so sehr auch diese am Tage liegen. Sehe nur Jeder in seinem Kreise sich um, und er wird eine Menge Übelstände gewahren. Wie soll man es z. B. anders nennen, daß der Kanton O. unter der frühern Verfassung für jährlich 224 Thlr. 13 Sgi: 9 Pf. zur allgemeinen Zu 651 652 friedenheit verwaltet wurde, während jetzt Bürgermeister und Polizeisoldaten allein, ohne das, was der Landrath, Kreissekretär, ihre Gehülfen 2c. erfordern, jährlich 7948 Thlr. 23 Sgr. 8 Pf. fortnehmen? Die ganze Steuer von 1793 und 1794 war 7982 Thlr. 13 Sgr., also erreichen jetzt die Auslagen für Bürgermeister und Polizeisoldaten bis auf 33 Thlr. 19 Sgr. 4 Pf. die ganze Steuer der fraglichen Jahre. Dies ist nur Ein Beispiel von vielen, die auf's Dringendste den Wunsch an's Herz legen; unsere Volksvertreter mogen diesem hochwichtigen Gegenstande alle Aufmerksamkeit schenken, und ihn der allerhöchsten Weisheit zur Abhülfe vortragen. Daß dieser Wunsch Erhörung finde, ist mit Gewißheit zu erhoffen, wenn er allerseits mit der ganzen Stärke, welche die Umstände erfordern und mit den nöthigen Thatsachen belegt, dargestellt wird. April 1830. Ein Verwalteter. Synodalverfassung. An den Hrn. Präses Bäumer. (Schluß.) 10) Das anordnende Recht der Synode ist auch an das Konsistorium übergegangen.— Hierbei müssen wir aber auch dem Konsistorio zugestehen, daß es sein Möglichstes gethan hat und fortwährend thut, und wohl mehr, als vorher die Synode, sowohl was Katechumenen= und Konfirmandenunterricht, als auch, was Kirchengesang und Orgelspiel betrifft. Das noch kürzlich erschienene Eirkulär gibt einen neuen Beweis dafür. Möchte nur jeder Prediger die Rubriken gewissenhaft ausfüllen!— 11) Die Synoden wählen zwar noch ihre Moderatoren, aber sie sind aus ihren Vertretern und Sprechern zu Beamten der Staatsbehörden geworden, und haben ihre ursprüngliche Stellung beinah ganz vergessen.— Das folgte freilich aus allem Vorhergehenden, zum Theile auch aus dem, was Sie selbst erwähnen, daß der Hr. Inspektor Bädeker schon vor Einführung der Konsistorien zum stehenden Präses und Generalsuperintendenten ernannt wurde. Aber, möchte ich dabei fragen, warum erhalten nicht manche Moderatoren mehr, was ihnen noch geblieben ist; warum unterlassen z. B. Manche einen der wichtigsten Punkte, die Kirchenvisitation, und was thut die Synode, wenn ihr Tadel nicht berücksichtigt wird? Sollte nicht mehr als eine Gemeinde sein, wo seit zwölf und mehr Jahren keine Visitation gehalten worden ist?— Mir scheint aus dem Ganzen hervorzugehen, daß andere Verhältnisse Veränderungen nothwendig gemacht haben, daß nur unser Konsistorium noch nicht die rechte Stellung hat, so lange die Regierung in dem, was Kirchen= und Schulangelegenheiten betrifft, noch davon getrennt bleibt; oder es muß ein Mann für jede Provinz angestellt werden, heiße er Präses, oder Generalsuperintendent, oder Bischof, der nicht bloß ein herumziehender Kontroleur der obern Behörde ist, sondern selbstthätig wirken kann, der unmittelbar mit dem hohen Ministerium in Verbindung steht, und sowohl der veränderten Kirchenordnung die nöthige innere Kraft verleihen, als auch nach außen sie schützen kann. Wenn z. B. ein katholischer Bischof in dem Cirkuläre an seine Geistlichen auf der einen Seite den Befehl des Königs bekannt macht, daß Keiner die Proklamation und Kopulation bei gemischten Verlobten unter der Bedingung verweigern dürfe, daß erst das Versprechen gegeben werden müsse, daß alle Kinder katholisch werden sollen, und auf der andern Seite diesen Befehl geradezu wieder aufhebt, so muß der protestantische Bischof die Sache so lange mit dem Ministerio verhandeln; bis der Ungehor 653 654 sam bestraft, oder das Gesetz verändert ist. Er müßte darum so ein Zionswächter wie Sie sein, fern vom verdammenden Dogmatismus und Mystizismus, der aber dem Unrechte furchtlos entgegentritt, damit Friede unter den Christen sei. Möchten ferner die Synoden auf's Neue bestätigt werden, aber sich anders gestalten. Sollte nicht ihr Nutzen viel größer sein, wenn. sie eine mehr wissenschaftliche Tendenz hätten, wenn alle Vierteljahre eine gehalten würde unter dem Klasseninspektor, die eine Hälfte der Versammlungszeit Vorlesungen eigener Arbeiten, Kritiken darüber, Mittheilungen aus dem Felde der Theologie, Philologie, Philosopie, Pädagogik u. s. w., und die andere Mittheilungen aus dem praktischen Predigerleben, Klagen, zweifelhaften Fällen u. dergl. gewidmet wäre, über den einen wie über den andern Theil vollständige Protokolle geführt und die Kopien dem Präses zugesendet würden, der dann entweder sogleich, oder, wenn es Zeit hätte, bei der nächsten Provinzialsynode sein Gutachten ausspräche oder deßhalb berichtete? Dadurch scheint mir ein des geistlichen Standes viel würdigeres Leben angeregt zu werden, we das von dem bisherigen Ubriggebliebene mit dem rein Wissenschaftlichen verbunden, zu einem höhern Ziele geführt würde. Lesezirkel müßten ebenfalls angeschlossen werden. Möchten die Inspektoren länger als drei Jahre ihr Amt verwalten, damit sie sich mehr in ihr Geschäfte einarbeiten und mit mehr Nachdruck wirken könnten. Möchte der Willkür in Absicht der Katechismen ein Ende gemacht werden, indem ein allgemeiner eingeführt wird, um die Gewissen der Gemeindeglieder, die sich noch mehr an den Buchstaben bei diesem ihnen am meisten bekannten Religionsbuche halten, nicht verwirrt werden, und das Werk der Union befördert wird, das für Kirchen und Schulen vom wichtigsten Einflusse ist; auch bei den Gemeinden, wo die Union nicht bloß, sondern auch die Kombination vortheilhaft ist, genauer untersucht werden, wo die Hindernisse liegen. Wie Mancher würde sich da scheuen, seine unzulänglichen Gründe laut werden zu lassen!— Möchten die Wahlen der Prediger auf eine bessere Weise angeordnet werden, daß so viel als möglich würdige Prediger und Kandidaten den unwürdigen vorgezogen, entweder von der Gemeinde dem Konsistorio, oder vom Konsistorio der Gemeinde drei Subjekte zur Auswahl vorgeschlagen würden, besonders bei Besetzung wichtiger Stellen, damit auch nicht mehr so viele Mißbräuche stattfänden, die Jeder kennt. Möchten genauere Bestimmungen gemacht werden über Pensionirung der Prediger, wenn sie unfähig zur fernern Verwaltung ihres Amtes geworden sind, damit sie weder dem nachfolgenden Prediger, noch der oft armen Gemeinde zur Last fallen. Könnte nicht ein Pensionsfond gebildet werden, zu dem Jeder nach seiner Einnahme beitrüge, und wo diese nicht ausreichte, von den Gemeinden und dem Staate zugeschossen würde? Wie oft müssen bedeutende Gemeinden, die aber eine arme Kirchenkasse haben, sich mit einem abgelebten Prediger oder einem schwächern Kandidaten begnügen, weil sich ein besserer, oder ein Prediger auf das durch den Abzug geschmälerte Gehalt nicht einlassen will!— Wohl hätte ich noch manchen Wunsch auf dem Herzen, doch will ich hiermit schließen. Ich reiche Ihnen die Bruderhand, und bitte Sie, mich aus Ihrer reichen Erfahrung zu belehren, wenn ich mich irrte. Noch dankbarer wollte ich Ihnen aber die Hand reichen, wenn Sie es bewirken könnten, daß die Synodalpresbyterial= verfassung nach einem festen Plane im ganzen preußischen Staate eingeführt würde, die Präsides der zehn Provinzen mit Zuziehung der Klas 655 656 seninspektoren ihren Bischof wählten, der in Berlin seinen Sitz hätte, und jährlich eine Generalsynode mit den zehn Provinzialinspektoren hielte, welcher der Herr Minister des Kultus beiwohnte, wie unserer Provinzialsynode der Hr. Minister v. Stein. Aber woher nähmen die Herren Präsides Geld und Zeit, um das ganze Feld zu bearbeiten? Seelsorger einer Gemeinde könnten ste nicht sein, wenigstens keiner großen, auch nicht ohne ein Paar Gehülfen. Das werden Sie gewiß fühlen bei den Arbeiten, die Sie haben, obgleich Ihnen so viel abgenommen ist, und Sie nicht einmal Präses der ganzen Provinz Westphalen sind. Hic haeret aqua.— Ich bin also kein Prebyterioconsistorialis, sondern ein Consistoriopresbyterialis. Gemeinnützliches Allerlei. Ein Gentleman von East Grinstead fuhr neulich in London mit seinem Sohne in einem leichten vierräderigen Wagen von drei Bullenbeißern gezogen; einer zog, einzeln gespannt, voraus. Er versichert, daß er mit diesen drei Hunden 7 englische Meilen(beinahe 2 deutsche) in Einer Stunde fährt. Von East Grinstead nach Brighton, 48 engl. Meilen, fuhr er, sehr oft dem Eilwagen vor, in 6 Stunden. Er ist sogar schon 52 engl. Meilen in Einem Tage mit diesen drei Hunden, gefahren. Da er nicht„Zugthiere" vorgespannt hatte, zahlte er kein Weggeld.(In Holland fährt man seit undenklichen Zeiten mit Hunden und mit Böcken. Man weiß die Thiere und auch die Menschen dort besser zu benützen, als bei uns.) Durch Krümmungen der Straße von London nach York gehen verloren 22 engl. Meilen, nach New Castle 31, nach Manchester 24, nach Carlisle 50, nach Glasgow 60, nach Edinburg 67, zusammen 254 engl. Meilen. Rechnet man, nun, daß auf allen diesen Straßen täglich nur 50 Wagen fahren, so sind, 254 X 50, nicht weniger als 12,700 engl. Meilen verloren. Dies gibt einen Verlust an Zeit(8 Minuten für die engl. Meile) von 65 Tagen für jeden Tag, und von 12,700 Shill. an Geld. Dachziegel, wie Dachschiefer, leiden bekanntlich durch Frost, Sonne und Regen, und werden dann leicht von stärkeren Winden herabgeweht. Um sie nun gegen die zerstörenden Einflässe der Witterung zu schützen, hat ein Hausbesitzer in England seine Dachziegel mit Steinkohlentheer überzogen. Die erste auf dieselben mit einem Pinsel aufgetragene Schichte wurde sehr schnell von den Ziegeln eingesogen; die zweite bildete aber einen dunklen, glänzenden überzug, der denselben beinah die Farbe von Eisenblech gab, und bald hart wurde. Der Theer verband sich innig mit dem gebrannten Thone der Ziegel und machte sie klingender. Die Ziegel haben zeither nicht im Mindesten durch die Witterung gelitten. Zu Arksey, bei Doncaster, wurde eine Gans geschlachtet, die geputzt 22 Pfund wog. Miszelle. Der Prediger Christian Heinrich Vollmar zu Wolkenburg bei Penig in Sachsen, der in seinen jüngeren Jahren Lihrer zweier Grafen von Einsiedel gewesen war, und den 15. April 1828 starb, hatte einige Tage vor seinem Tode folgende Erscheinung: Der Jüngste seiner Zöglinge stand als Oberster bei seinem Regimente in Lützen; Vollmar wußte, daß er krank war, hielt aber die Krankheit nicht für gefährlich. In einer Nacht überfällt ihn früh um 3 Uhr eine außerordentliche Beängstigung; er springt aus dem Bette, kann nirgends Ruhe finden und kein Mittel will helfen. So geht es bis um 5 Uhr fort, wo ein Bote erscheint, der ihn nach Lützen einladet, weil der Graf mit ihm sprechen wolle. Bei dieser Nachricht ruft er aus:„Der Graf ist todt!“ setzt sich in den Wagen, fährt rasch und auf halbem Wege kommt ihm ein anderer Bote von Lützen mit der Nachricht entgegen, daß der Graf um 3 Uhr gestorben sei. Hiebei Nro. 17. des Rhein.=Westph. Korr.=Bl. Gedruckt und verlegt von der Schulzischen Buch= und Musikalienhandlung in Hamm.