ORGAN FUR DASARBEITENDE VOLK MITTEILUNGSBLATT DER FREIEN GEWERKSCHAFTEN, DER ARBEITERSPORTVEREINE UND DES REICHSBANNERS Bezugspreis: Durch Boten halbmonatlich 1.20 RM, durch die Post monatlich 2.40 RM. Bestellgeld extra. im voraus zahlbar. Erscheint jeden Werktag vormittags. Preis der Einzelnummer 10 Rofg. Bankkonto: Städtische Sparkasse Gelsenkirchen. Postscheckkonto: 5405 Dottmund. Hauptgeschäftsstelle. Verlag und Schriftleitung: Gelsenkirchen, Rinastraße 33. Jernruf Sammelnummer 25841 Anzeigenpreis im Verbreitungsgebiet 8 Rpfg., außerhalb 12 Rpfg., für 1 mm Raumnoye bei 27 mm Breite. Reklamen 1 mm Raumhöhe bei 90 min Breite 50 Rpfg. Kleine Anzeigen 5 Rpfg. Inseratenannahme bis 19 Uhr. Rei gerichtlichen Klagen, Zwangsvergleichen und Konkursen erlischt jeder Rabattansoruch. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Gelsenkirchen. Rummer 66 Gelsenkirchen, Donnerstag, den 19. Marz 1931 13. Fahraang Nerven Bekalten! Severing zum Volksbegehren des Stahlhelms Der preußische Innenminister Severing nahm in Breslau im Rahmen einer Kundgebung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold zum ersten Male zum Volksbegehren des Stahlhelms Stellung. Severing führte aus: Der Kampf um Preußen beginnt. Dieser Kampf wird damit begründet, daß die preußischen Regierungen das Land Preußen zerschlagen und an den Rand des Abgrundes gebracht haben, obwohl Preußen bei allen Erschütterungen in den letzten 12 Jahren, welche die Reichspolitik erfahren hat, der ruhende Pol in den entscheidenden Fragen gewesen ist. Dieser Kampf, der mit Hilfe des Stahlhelmvolksbegehrens geführt werden soll, bedeutet nur, daß das deutsche Volk in einer Zeit der schwersten wirtschaftlichen Not durch eine verschärfte Agitation noch einmal zerrissen wird. Wir haben die Verpflichtung, den Nachweis zu erbringen, daß die vielen Gerüchte von einem bevorstehenden Bürgerkrieg keine Grundlage im deutschen Volke haben. Hätten wir in Deutschland ein politisch erzogenes Bürgertum, dann wäre auch nicht die Panikstimmung vor und nach dem 14. September 1930 aufgekommen, die uns innenpolitisch und außenpolitisch schweren Schaden gebracht hat. Das wichtigste ist, in den nächsten schweren Wochen und Monaten die Nerven behalten und der neuen Kraft der Republik zu vertrauen. Keine neue Brotverteuerung! Kampf der Sozialdemokratie für den Schutz der Verbraucher Berlin, 18. März.(Eig. Drahtber.) Die politischen Besprechungen zwischen der Reichsregierung und der Sozialdemokratie sind am Mittwoch fortgesetzt worden. Im Mittelpunkt stand die von der Regierung verlangte Ermächtigung zu Aenderungen in der Zollgesetzgebung. Von den Vertretern der Sozialdemokratie wurde darauf hingewiesen, daß bereits durch die geltenden Zollsätze für Rongen und Weizen die Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Steigerung der Brotpreise hervorgerufen worden sei. Eine Steigerung des Brotpreises aber müsse katastrophal wirken. In einer Zeit des Lohnabbaues und in Aussicht gestellter Preissenkungen sei die Verteuerung des wichtigsten Lebensmittels unerträglich. Deshalb müsse unter allen Umständen eine Steigerung des Brotpreises über den bisherigen Stand hinaus vermieden werden. Wenn auch über die Wege, auf denen dieses Ziel zu erreichen ist, noch keine endgültige Klarheit erzielt werden konnte, so hat doch der Reichskanzler Brüning selbst mit Nachdruck betont, duß auch die Regierung jede Steigerung des Brotpreises für unerträglich halte und bereit sei, Maßnahmen zu trefsen, die diese Gefahr beseitigen. Die sozialdemokratischen Vertreter ließen ferner keinen Zweifel darüber, daß der Schutz der Verbraucher, der in der bisherigen Gesetzgebung vorhanden sei, ausgedehnt werden müsse, damit auch ein Steigen der allgemeinen Lebenshaltungskosten vermieden werde. Weiter müsse unter allen Umständen eine Schädigung der Handelsbeziehungen Deutschlands zu anderen Ländern ausgeschaltet werden. Die sozialdemokratische Fraktion wird bei der Beratung des Zollermächtigungsgesetzes die der Regierung mitgeteilten Abänderungsanträge vorlegen. Die Sozialdemokratie erwartet, daß vor allen Dingen die Anträge, durch die eine Steigerung des Brotpreises und schädliche handelspolitische Wirkungen vermieden werden sollen, die Zustimmung der bürgerlichen Parteien finden, die hinter der Regierung Brüning stehen. Was kraucht denn dort im Busch herum Die Harrenden im Tiergarten:„Wann werden uns diese verdammten Sozialdemokraten endlich in Reichstag zurückheifen?“ Verstörte Kollnungen Die Tollwutanfälle, die die bisherige Haltung der Sozialdemokratie gegenüber der ersten Panzerkreuzerrate bei den rechtsradikalen Zeitungsschreibern verursacht hat, sind ein schlagender Beweis dafür, daß für die Sozialdemokratie in dieser Angelegenheit eine andere Stellungnahme überhaupt nicht in Frage kommen kann. Jetzt ist es klar, daß die Rechnung der Hugenberg und Goebbels, als sie den Dauerboykott des Reichstages beschlossen, einzig und allein dahin ging, daß das Parlament über kurz oder lang arbeitsunfähig werden würde und daß die große Krise, nicht nur des Kabinetts, sondern auch des republikanischen Staates automatisch folgen müßte. Spätestens beim Wehretat— so hofften sie— vor allem wegen der ersten Rate für den Panzerkreuzer B würde der unüberbrückbare Konflikt zwischen der Regierungskoalition und der Sozialdemokratie ausbrechen. Die Hugenberg=Blätter waren so unvorsichtig, schon bald nach dem Erodus der Rechtsradikalen diese Hoffnung anzudeuten. Ihr Gekreische ist nur ein Beweis mehr, daß die ganze Regnung restlos durchkreuzt ist. Ihre Rechnung war von einer erstaunlichen Naivität. Sie setzte nämlich bei der Sozialdemokratie ein gleiches Maß von politischer Unerfahrenheit voraus wie bei denen, die diesen überschlauen Plan durchdacht hatten, und ein gleiches Maß von Verantwortungslosigkeit wie bei den Kommunisten. Und nun, wo auch diese Hoffnung noch zertrümmert ist, schimpfen die Patentnationalen wie die Fischweiber auf die Sozialdemokratie. Etwa weil sie als Partei der„internationalen Marxisten“ wieder einmal das„Vaterland verraten“ und die„Mittel zur Landesverteidigung verweigert“ hat? Nein, umgekehrt. weil sie die Panzerkreuzerrate nicht schon im Ausschuß mit den Kommunisten verhindert, sondern durch Stimmenthaltung ihre Annahme toleriert hat! In der Ueberzeugung, daß der Panzerkreuzer überflüssig ist und die zehn Millionen für die erste Rate in der jetzigen Zeit für tausend andere kulturelle und produktive Zwecke weit besser angelegt werden könnten, ist sich die deutsche Sozialdemokratie völlig einig. Ebenso einig ist sie sich darin, daß der Wehretat erhebliche Einschränkungen vertragen könnte. Das ist eine Ueberzeugung, die keineswegs irgendeiner„Wehrseindlichkeit“ entspricht und noch viel weniger einem Mangel an „nationaler Gesinnung.“ Sie stützt sich auf nüchterne militärische, technische und allgemein=politische Erwägungen. Hätte die Sozialdemokratie allein, oder auch nur maßgebend, zu entscheiden, so würde der neue Panzerkreuzer nicht gebaut werden. Es gibt auch im bürgerlichen Lager weite Kreise, die von der Notwendigkeit von Panzerkreuzern nicht im gerinalten * e S *—— — 8— Oedachlosen: elend in Südserbien Obwohl bereits einige Zeit seit dem folgenschweren Erdbeben in Mazedonien verstrichen ist, hält die Not der Erdbebenopfer weiter an. Die Bewohner der zerstörten Ortschaften hausen noch immer in primitiven Zelten, während die Aufräumungsarbeiten nur sehr langsam vorwärtsschreiten. 4O-Stunden-Woche auf Antrag der Sozialdemokratie vom Reichstag gefordert Kraualt in Düsseldorf Im Plenum des Reichstages wurden am Dienstag, wie bereits kurz berichtet, eine Anzahl sozialdemokratischer Entschließungen angenommen, die sich der Haushaltsausschuß zu eigen gemacht hat. Danach sollen weitere Schichten von den Arzueikostenanteilen und der Krankenscheingebühr befreit werden. Verlangt wird ein Gesetzentwurf zur Herbeiführung der 40 Stunden=Woche, gesetzliche Maßinahmen zur Beschränkung der Ueberstunden und zum Schutze der Arbeitskraft Jugendlicher. Ferner soll verboten werden, daß Arbeitgeber gegenüber in Monatsbezügen stehenden Angestellten Kürzungen vornehmen dürfen, wenn die Arbeitszeit sinkt. Weitere Entschließungen verlangen das Verbot jeder Kinderarbeit und erhöhte Betreuung der Jugendlichen. Von großer Wichtigkeit ist die Annahme Düsseldorf, 18. März.(Eig. Drahtbericht.) Die Kommunisten hatten in einer Versammlung, die gestern abend stattsand, ihre Anhänger ausgefordert, anläßlich der Etatsberatungen der Stadtverordneten vor dem Ständehaus zu demonstrieren. In den Abendstunden bildete sich in Oberbilk ein Demonstrationszug, der zum Ständehaus vorzudringen versuchte. Ein Polizeikordon drückte die Demonstranten in die Hüttenstraße ab. Das Auto der Polizei wurde mit schweren Steinquadern beworfen, wodurch mehrere Passanten zum Teil erheblich verletzt wurden. Die Polizei gab 20 Schüsse auf die Menge ab, die sieben Personen verletzten. Darauf wurde von den Demonstranten auf die Polizei geschossen. Zwei Polizeibeamte wurden schwer, zwei wurden leicht verletzt. Ein verletzter Demonstrant starb kurz nach seiner Einlieferung in Krankenhaus. Der Polizeipräsident hat angeordnet, daß in Zukunft sämt. liche geschlossenen Gruppen, die sich in der Dämmerung zusammentun, durch die Polizei nach Wassen untersucht werden. Während die Demonstranten am Ständehaus vorbeizogen, standen Mitglieder der kommunistischen Stadtratsfraktion auf dem Balkon des Ständehauses und sahen dem Schauspiel zu. Andere saßzen im Restaurant, um bei Kassee und Kuchen sich darüber zu unterhalten, welchen Eindruck die Demonstration auf die versammelten Stadtverorducten wohl machen würde. Der Berg wändert wel In dem Erdrutschgebiet den Savoyer Alpen dauert d vernichtende Vormarsch de riesigen Erdmassen, die an nicht weniger als 30 Millione Kubilmeter geschätzt werde weiter an. Jetzt haben sie ei neue Ortschaft, das Dorf Ch telard, bis auf wenige Met erreicht, das unverzüglich g räumt werden mußte. Unser Bild zeigt maro kanische Schützen im Verei mit den Bergbewohnern b Versuchen, die vordringend Erdmassen aufzuhalten, bz: sie in unbewohnte Gegend a zuleiten. Alle diese Bemühn gen blieben jedoch erfolglos. ** Se -4 KN 442 —.— Anr a. 1 S** Sme- ES! Josteeamte und Nazis Uus den Statsdebatten des Reichstags einer sozialdemokratischen Entschließung, die einen Gesetzentwurf verlangt, der eine Zusammenfassung der Krisenfürsorge und der Fürsorge für Wohlfahrtserwerbslose in ein Gesetz über Arbeitslosenfürsorge fordert. LILAM M überzeugt sind. Aber man wagt nicht zu widersprechen, weil Groener mit seinem Rücktritt droht und weil sich Brüning mit Groener solidarisch erklärt hat. Das sind Umstände, die im höchsten Grade unerfreulich, ja bedenklich sind. Aber wir haben diese Situation nicht geschaffen. Sie ergibt sich aus dem Dasein des gegenwärtigen Reichstags, für den wiederum nicht die Sozialdemokratie, sondern die Wählerschaft verantwortlich ist. Am allerwenigsten haben die Kommunisten das Recht, auch nur ein Wort über die gegenvärtig auch in der Politik zu verzeichnende und auf die Existenz des Reichstags vom 14. September zuruckzuführende Uebermacht der militärischen Faktoren zu verlieren. Ihre 4,5 Millionen Stimmen und 77 Mandate sind praktisch nur dem Bürgertum zugute gekommen. Sie tragen die Verantwortung für das, was geschieht und von der Sozialdemokratie nicht verhindert werden kann. Gäbe es eine einige Arbeiterschaft mit 220 Mandaten und 13 Millionen sozialdemokratischen Wählerstimmen, dann hatten wir weder eine saschistische Gefahr, noch die überflüssige Kriegsschiffbescherung. Aber wir wissen, daß die Staatskrise, mit der gedroht wird, arute Putschgefahr, Inflation, außenpolitische Kaiastrophen bedeutet, bei denen nicht nur der demokratische Volksstaat und die Arbeiterrechte, sondern auch Milltarden an Volksvermogen zum Teufel gehen würden. Daneben wiegt die 10-Millionenrate für den Kreuzer federleicht. Das muß jeder sozialdemokratische Arbeiter begreifen. Wer es bisher trotzdem nicht eingesehen hat, dem müssen die Tobsuchtsanfälle der Goebbels und Konsorten gegen die Haltu7 der Sozialdemokratie bei einiger Ueberlegung die Auger öffnen. Stimmenthaltung beim Panzerkreuzer Berlin, 18. März. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nahm, wie von der Partei mitgeteilt wird, am Mittwoch abend einen Bericht über die Verhandlungen mit der Reichsregierung entgegen. Nach einer eingehenden Diskussion wurde mit Rücksicht auf die gesamtpolitische Situation beschlossen, sich bei der Abstimmung über das Panzerschiff 8 der Stimme zu enthalten. Die Besprechungen über die schwebenden politischen und wirtschaftlichen Fragen werden fortgeführt. Wieder ein Justirskandal Berlin, 18. März.(Drahtmeldung.) Beim Beginn der heutigen Sitzung wiederholten die Kommunisten das alte Spiel, die sofortige Beratung eines nicht auf der Tagesordnung stehenden Antrages zu verlangen. Diesmal verlangten sie die Aufhebung der vom Hamburger Senat ausgesprochenen Demonstrationsverbote. Da der kommunistische Redner sich nicht an die Geschäftsordnung hielt und andere Abgeordnete beschimpfte, wurde ihm das Wort entzogen. Der sofortigen Beratung seines Antrages wurde widersprochen. Der Reichstag erledigte dann die zweite Beratung des Postetats, der nur einen Ausgabetitel„Gehalt des Ministers“ und einen Einnahmetitel„Ueberschuß der Deutschen Reichspost“ enthält. Reichspostminister Dr. Schatzl gab einen Ueberblick über die Entwicklung des Postbetriebes, die angesichts der Wirtschaftsdepression noch als recht günstig zu betrachten ist. In der Aussprache wurde von dem Redner der Sozialkraten, Biedermann, des Zentrums und der Kommunisten darüber geklagt, daß der nationalsozialistischen Agitation innerhalb der Postbeamtenschaft nicht mit dem nörigen Nachdruck entgegengetreten werde. Es wurden dafür verschiedene Beispiele angeführt, vor allem der Fall der Fernsprechbeamtin Wehnelt in Berlin, die ein nächtliches Telephongespräch über eine Schlägerei zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten sofort dem nationalsozialistischen Führer Goebbels mitgeteilt und damit das Postgeheimnis in schwerer Weise verletzt hat. Minister Schätzl erwiderte, er habe in wiederholten Verfügungen den Beamten eingeschärft, daß alle staatsseindlichen Bestrebungen verboten seien, er werde auch rücksichtslos gegen alle Verstöße einschreiten, sobald die Beweise vorliegen. Im Falle Wehnelt sei das Disziplinarverfahren im Gange, dessen Ausgang abgewartet werden müsse. Zugleich mit der Bewilligung des Postetats wurde eine Ausschußentschließung angenommen, die eine Verbilligung der Fernsprechgebühren für Wenigsprecher fordert. Der Minister hatte allerdings schon vorher erklärt, daß in der jetzigen schwierigen Zeit eine Gebührenverbilligung ausgeschlossen fei. Auf der Tagesordnung der Donnerstag=Sitzung steht der Wehretat. Die Sitzung beginnt am Donnerstag schon um 10 Uhr und der Reichstag will diese verlängerte Arbeitszeit zunächst durchhalten, weil bis Ende nächster Woche der Etat erledigt sein soll. Breslau, 18. März.(Eig. Drahtbericht.) Vor dem Erweiterten Schöffengericht in Glogau, dessen Vorsitzender der bekannte Nazifreisprecher Landgerichtsdirektor Lau ist, hatte sich wieder einmal ein berufsmäßiger Naziverleumder zu verantworten. Diesmal war es der noch recht jugendliche 25jährige Chemiker Wilhelm Trendel aus Breslau, der in einer Versammlungsserie von Mai bis September in zahlreichen Orten Schlesiens die Republik und ihre Minister auf das gemeinste verleumdet hat. Der Vertreter der Anklage beantragte unter Berücksichtigung der Schwere der Beleidigungen eine Gesängnisstrafe von fünf Monaten. Anders jedoch handelte das Gericht. Es hielt den Angeklagten trotz der schweren Beleidigungen nur in einigen Tällen des Vergebens gegen das Republikschutzgesetz für überfuhrt und verurteilte ihn zu sage und schreibe 300 Mark Geldstrafe. Verartige„Bestrafungen“ sind nichts anderes als verhüllte Frcisprechungen, die der Nazihetze nur neues Wasser auf ihre Mühlen treiben. Schlägerei in der Ramburger Bürgerschaft Hamburg, 18. März.(Eigener Drahtbericht.) In der Hamburger Bürgerschaft kam es am Mittwoch nachmittag zu enem großen Tumult. Die Sitzung war kaum eröffnet, als sich mehrere Kommunisten auf die drei nationalsozialistischen s!gcordneten stürzten und sie mit Fäusten bearbeiteten. Der P#räsident der Bürgerschaft wollte die Verhandlung mit einem Nachruf für den ermordeten kommunistischen Abgeordneten Henning eröffnen. Ehe er dazukam, begaben sich einige kommunistische Abgeordnete auf die rechte Scite des Hauses, wo die Nationalsozialisten sitzen, sielen über die Nazis her und schlugen mit Fäusten aus sie ein. Es entspann sich eine wüste Schlägerei, bei der Deutschnationale und Volksparteiler die Kommunisten und Nationalsozialisten voneinander zu trennen versuchten. Dadurch wurde das Kampfgetümmel noch bedrohlicher. Erst durch das Eintressen von Polizeibeamten konnte der Schlägerei ein Ende gemacht werden. Die kommunistischen Abgeordneten, die die Selbstjustiz inszeniert hatten, wurden auf einen Monat von den Arbeiten der Bürgerschaft ausgeschlossen. Der Präsident richtete dann in seinem Nachruf für den ermordeten Abgeordneten eine scharfe Anklage gegen die Gewaltpolitik und die Forderung an den Staat, den Schutz der Staatsbürger zu gewährleisten. Er rief auf zur Stärkung der Front aller anständigen Menschen, um über die Gewalttaten hinweg zu kommen, die Deutschland an den Abgrund führen müssen. Hermann Müller Der ernite Zultand häll an- Das Bewußtlein zeitweile gelrübt Berlin, 18. März.(Eig. Drahtber.) Im Befinden des schwer erkrankten Hermann Müller ist leider auch im Laufe des heutigen Tages keine Besserung eingetreten. Die bedrohliche herzschwäche hält an und hat eher noch zugenommen, so daß der Zustand des Patienten als äußerst kritisch betrachtet werden muß. Heute nachmittag betrug der Puls 120 und die Temperatur 38,30. Die Funktion des Darmes ist dauernd ge stöct. Das Bewußtsein war zeitweise getrübt. TollwallenstilestandsKonserenz in Gen Unter dem Vorsitz des früheren holländischen Ministerpräsidenten Collin ist in Genf die europäische ZollwassenstillstandsKonferenz zu ihrer dritten Tagung zusammengetreten. Sämtliche 26 europäischen Staaten haben Delegierte entsandt Die deutsche Regierung wird von Ministerialdirektor Posse vert eten. Die Bilder zeigen: Coliin(links) und Posse(rechts). Nr. 66. 13. Jahrgang. Zweites Blatt. Volkswille Celsenkirchen, Donnerstag, den 19. März 1931. STADT GELSENKIRCHEN „SPD.-Bonzen wohnen billig!“ Unter dieser dicken Ueberschrift bringt das„Ruhr=Echo“ in seiner Mittwochnummer einen Artikel, in dem behauptet wird, daß u. a. der Stadtverordnete Brüntink mit 219,96 RM Miete im Rückstande sei. Der Genosse Brüntink teilt uns mit, daß es sich nicht um Mietrückstände handelt, sondern um Zinsrückstände, da das Häuschen sein Eigentum sei. Der Eigentümer kann sich selbst keine Miete schuldig bleiben. Tatsächlich stimme jedoch der Betrag, der ihm auf Antrag ordnungsmäßig bis Abschluß des Geschäftsjahres 1930=31 gestundet worden sei. Bis dahin müsse er den Betrag zahlen, obgleich er Stadtverordneter und sogar Fraktionsführer der SPD. sei. Von einer Belohnung für den Arbeiterverrat, wie das„Ruhr=Echo“ schreibt, kann keine Rede sein. Er bittet jedoch darum, dem„Ruhr=Echo“ mitzuteilen, daß er außer diesen Schulden bei der Stadt noch einige 100 RM andere Schulden habe, da er tatsächlich in den letzten Jahren durch Krankheit in der Familie und sonstige Umstände etwas im Rückstand geblieben ist. Aber zahlen müsse und wolle er, und er würde, wenn die KPD. den Antrag auf Niederschlagung der Summe stellen würde, sich entschieden dagegen wenden, da er bis jetzt noch keine persönlichen Vorteile aus seiner kommunalpolitischen Tätigkeit gezogen hätte. Er freue sich jedoch darüber, daß die KPD. in der Ausschöpfung der Methoden zur Bekämpfung der politischen Gegner den tiefsten Stand erreicht habe. Denn die Bekanntgabe der persönlichen Schulden des politischen Gegners ist eine neue Errungenschaft der KPD., das ist eine neue Methode, um anständige Menschen von der KPD. fernzuhalten. Wir empfehlen den Herren vom„Ruhr=Echo“, sich energisch und konsequent dieser Methode zu bedienen und einfach die Namen sämtlicher Bürger der Stadt nach dem Alphabet zu veröffentlichen, da heute 90 Prozent der Bürger Schulden haben. Ein Adreßbuch stellen wir zur Verfügung. Jugendweihe Gelsenkirchen Heute(Donnerstag): Probe im August=Bebel=Haus 17 Uhr: Rote Falken. 20 Uhr: Einzelsprecher, SAJ. und Rote Schüttelrutsche. Wer von den Mitwirkenden abkömmlich ist, kann schon an der Probe mit den Roten Falken teilnehmen. Da uns nur noch wenig Zeit bis zur Jugendweihe zur Verfügung stehl, ist vollzähliges und pünktliches Erscheinen Pflicht. Was ist mit dem Polizeileutnant geschehen? Wie steht es mit dem Kriminalassistenten Räcz aus Erle? Uns wird geschrieben: Es wurde bereits an dieser Stelle berichtet und scharf tritisiert das Verhalten eines Polizeileutnants aus Buer anläßlich einer großen Kundgebung, welche gegen den Faschismus in Gelsenkirchen stattgefunden hat. Inwieweit diese Sache von zuständiger Stelle untersucht ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Seit einigen Monaten scheint man nun auch in Buer seitens einiger Staatsbeamten Lust zu verspüren, das Exempel Fricks und Franzens nachzuahmen und insbesondere deren wunderbare teutsche Theorien so langsam einzuführen. Wir beobachten nun schon längere Zelt die intimen ziehungen des Kriminalassistenten Räcz aus Erle zu den Faschisten. Komme man ja nicht mit dem Einwand, dienstlich vielleicht mit diesen Herrschaften zu tun gehabt zu haben, sonst müßten wir eventuell noch deutlicher werden. Als am Freitag, dem 13. dieses Monats, im Lokal Büchel(Erle) eine öffentliche Versammlung der Nazis war, bemerkte man, aber selbstverständlich nur dienstlich, den benannten Kripobeamten ziemlich erregt im Saale. Sollten ihn etwa die bitteren Wahrheiten eines Diskussionsredners, welcher das Referat des Nazireserenten bis ins kleinste zerpflückte, so außer Fassung gebracht haben, daß er nunmehr glaubte, mit den Nazis gemeinsam ein Hitlerlied singen zu müssen? Oder aber sollte es vielleicht ein lautes Lispeln gewesen sein? Wir als Republikaner können verlangen, daß solchen Beamten dienstlich recht deutlich das Nötige klargemacht wird. Achtet auf die Blinden! In letzter Zeit sind Klagen darüber laut geworden, daß Blinde, die im Besitz eines Führhundes sind auf der Straße häusig von Schulkindern und Halbwüchsigen belästigt werden. Sie machen— wenn auch nicht aus Böswilligkeit— durch ihr Verhalten den Führbunden gegenüber die Blinden sehr oft verwirrt, so daß diese den Gefahren des Verkehrs in erhöhtem Maße ausgesetzt sind Vom Westfälischen Blindenverein ist ein Plakat herausgegeben worden, das in diesen Tagen in den Schulen zum Ausbang kommt. Wir entnehmen dem Plakat folgende beherzigenswerte Leitsätze: 10 Bitten der Hunde. 1. Streichelt uns nicht! Ihr lenkt uns ab und erschwert unsere Arbeit. 2. Lockt uns nicht! Wir müssen, wo es auch sei. bei unserem Herrn bleiben. 3. Füttert uns nicht! Wir dürfen nur unseren Herrn lieben Von ihm erhalten wir Nahrung und Leckerbissen genug. 4. Helft unserem Herrn durch Zurufe. nicht durch Anfassen oder Führung! 5. Achtet auf eigene oder andere Hunde, daß wir von ihnen nicht belästigt werden! o. Macht die Straße frei! Achtet auf unsere Herren, die Blinden! 7. Geht aus dem Wege! Anstoßen verwirrt und erschreckt unsere Herren. 8. Belästigt uns nicht durch Neugierde! Neugierde verletzt 9. Wir danken euch für jede Hilfe, besonders für die Erfüllung dieser unserer Bitten! 10. Beschwerde über uns bringt bei den Organisationen, den Blindenvereinen, an! Im Interesse der Blinden werden die Eltern usw. gebeten, auch ihrerseits auf die Kinder und Halbwüchsigen im Sinne dieser Leitsätze einzuwirken. Der letzte Tag des Etats Am Dienstag wurden die Etatsberatungen im Hauptausschuß zu Ende geführt. Die eingehenden Verhandlungen des Hauptausschusses in vier Dauersitzungen haben zu dem Ergebnis geführt, das zu erwarten war: Grundlegende Veränderungen an dem von der Verwaltung vorgeschlagenen Etatsvoranschlag sind nicht vor genommen worden. Immerhin konnten bei einzelnen Etatsabschnitten nicht unerhebliche Einsparungen erzielt werden die unter Berücksichtigung der Erhöhung einiger Etatspositionen rund 367·000 RM betragen. Um diesen Betraa verringert sich mithin das Etatsdefizit, das somit 5 788 400 RM beträgt. In der Dienstagsitzung wurde zunächst in die Weiterberatung der Einzeletats eingetreten. Beim Etat für Volksbildungswesen, Theater und Konzerte entspann sich eine längere Debatte über die Frage, ob bei den geringen Mitteln, die heute für die städtischen Kulturbestrebungen überhaupt noch ausgegeben werden können, noch ein einigermaßen befriedigendes Programm aufgestellt werden kann. Im allgemeinen herrschte die Meinung vor, daß das für die kommende Saison vorgesehene Programm unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Finanzlage noch als befriedigend angesehen werden könne, daß aber weitere finanzielle Abstriche nicht mehr möglich seien, wenn man nicht das kulturelle Leben gefährden wolle. Für die kommende Spielzeit sind gleichfalls wieder vorgesehen im Stadtteil Gelsenkirchen für zwei Vormietegruppen 12 Vorstellungen des Düsseldorfer Schau spielbauses und 8 Operngastspiele des Theaters der Stadt Münster, im Stadtteil Buer für eine Vormietegruppe sechs Theater= und vier Operngastspiele des Theaters der Stadt Münster. An Konzerten sind, wie in der laufenden Svielzeit, wiederum sechs Hauptkonzerte im Stadtteil Gelsenkirchen und zwei Chorkonzerte im Stadtteil Buer in Aussicht genommen. Im übrigen wird die Verwaltung versuchen, die kulturellen Veranstaltungen zu erweitern auf dem Wege freier Vereinbarungen mit auswärtigen Unternehmungen. Achtuno, erwerbslose Jugend! Heute(Donnerstag), den 19. d. M., 19 Uhr, in der Bilderschau, Kaiserstraße: Filmvorführung Winterwandern— Schneeschuhlauf(Zeitlupenaufnahmen). Film des Arbeiter=Turn= und=Sportbundes: Trockenlegung des Zuidersees, Film der Baugewerkschaft. Eintritt für erwerbslose Jugend(16 bis 21 Jahre) frei. Von Sportgenossen und Gewerkschaftsmitgliedern wird ein Eintrittsgeld von 20 Pfennig erhoben. Die Aussprache führte zu folgendem Ergebnis: Die Einnahme aus den Veranstaltungen wurde von 31000 RM auf 45000 RM erhöht. Diese Erhöhung war möglich, weil nach den Ergebnissen des laufenden Jahres, auch unter Berücksichtigung eines durch die wirtschaftlichen Verhältnisse herbeigeführten Rückganges, mit der jetzt vorgesehenen Einnahme gerechnet werden kann. Durch diese Einnahmeerhöhung ver ringert sich auch der Zuschuß in entsprechender Weise, und zwar von 100 200 RM auf 86 200 RM. Bei den Ausgaben wurden einige Anträge auf Abstriche abgelehnt. Es bleibt somit bei dem Ausgabeansatz des Voranschlages in Höhe von 131 200 RM. Im Rahmen dieser Gesamtausgaben wurde die Position„Unterstützung der städtischen Musikvereine" von 2000 RM auf 8000 RM. sowie die Position„Vortragsveranstaltungen“ von 1500 RM auf 3500 RM erhöht. Das bedetttet natürlich eine entsprechende Kürzung bei den anderen sächlichen Ausgaben des Kunstetats, über die der Volksbildungsausschuß im einzelnen noch beschließen soll. Es wurden daher auch die hier in Betracht kommenden Ausgabepositionen als untereinander übertragbar bezeichnet. Bei dem Etat der städtischen Büchereien wurden die sächlichen Ausaaben um 2200 RM ermäßigt und auf 11 900 RM festgesetzt. Der Zuschuß verringert sich demzufolge auf 63.800 RM. Die vorgenommenen Abstriche sollen sich nach dem Beschluß des Hauptausschusses in der Hauptsache auf Zeitungen und Zeitschriften erstrecken. Im übrigen soll der Personalausschuß sich noch einmal mit der Personalfrage bei den städtischen Büchereien befassen Der Etat für Museen und Kunstausstellungen wurde nach kurzer Debatte unverändert angenommen. Beim Etat der Finanzverwaltung wurde bei der Einnahmeposition„Voraussichtlicher Ueberschuß der GWE.=Werke“ eine grundsätzliche Aussprache über die finanzielle Entwicklung der Werke und über die Tarifgestaltung herbeigeführt. Es wurde schließlich beschlossen, den zu erwartenden Ueberschuß aus den GWE=Werken zuannsten der Finanzverwaltung von 750000 RM auf 650.000 RM berabzusetzen. Es wurde ferner der Beschluß gefaßt, eine Preisermäßigung um mindestens 5 Prozent eintreten zu lassen. bezogen auf den Durchschnitt der gesamten Preise. Die Verteilung der Preissenkung auf die einzelnen Preisstaffeln soll durch den GWE.=Ausschuß erfolgen. Der GWE=Ausschuß soll weiterhin die Werbekosten der städtischen Werke einer Nachprüfung unterziehen mit dem Ziele einer Herabsetzung. Ueber das Ergebnis soll dem Hauptausschuß Bericht erstattet werden Damit hatten die Einzelberatungen ihren Abschluß gefunden Danach ergibt sich nunmehr folgendes Pild: Der durch Realsteuern und durch Zuschläge zur Bürgersteuer zu deckende Fehlbetrag belief sich nach dem Voranschlägen der Verweltung auf 16 695 400 RM Durch die Beschlüsse des Hauptausschusses sind, wie schon einganas ermähnt, Einsparungen erfolgt in Höhe von rund 367000 RM so daß der Fehlbetrag sich vermindert auf 16328 400 RM Dieser Betrag soll durch folgenden Deckungsvorschlag der Verwaltung gedeckt werden: a) b) c) d) 1. von 375 Prozent zur staatlichen Grundvermögenssteuer = 4 655000 RM (Der Steuergrundbetrag= 1241 388 RM. 2. von 327,5 Prozent von der Grundvermögenssteuer für den landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Besitz (Der Grundbetrag= 18612 RM.) von 750 Prozent zu der Gewerbesteuer vom Ertrage, ab 150 Prozent(20 Proz. Steuersenkung)= 600 Proz. von 435000 RM Grundbetrag von 3300 Proz. zu der Gewerbesteuer nach der Lohnsumme, ab 660 Proz.(20 Proz. Steuersenkung)= 2610 Proz. von 120 000 RM Grundbetrag sowie um je 20 Proz. erhöhte Zuschläge zu den Steuergrundbeträgen der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrage und der Lohnsumme von den gewerblichen Filial= betrieben und dem Schankgewerbe, und zwar: 1. Zweigstellensteuer: Ertragssteuergrundbetrag 6650 RM, hiervon 120 Proz.— Lohnsummensteuergrundbetr. 1290 RM, hiervon 528 Proz.— 2. Schankgewerbesteuer: Ertragssteuergrundbetrag 23900 RM, hiervon 120 Proz.— Lohnsummensteuergrundbetr. 480 RM, biervon 480 Proz.= ) 61000 RM 2610 000 RM 3 168000 RM 7980 RM 6820 RM 28 680 RM 2520 RM 10 510000 RM Es verbleibt mihin noch ein Fehlbetrag von 5 788 400 RM Bei der Erörterung über die Deckungsvorschläge wurde aus der Mitte des Ausschusses mehrfach betont, daß man einer Erhöhung der Bürgersteuer nicht zustimmen könne, weil nach den gesetzlichen Bestimmungen die kleinen Einkommen dabei nicht geschont werden können, also eine soziale Staffelung zugunsten der ärmeren Schichten nicht möglich sei. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, daß man der Erhöhung der Bürgersteuer nicht nähertreten könne, solange die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Beamtengehälter um 20 Prozent nicht gegeben seien. Eine Abstimmung über die Zuschläge zur Bürgersteuer fand nicht statt. Dagegen stimmte der Hauptausschuß mit Mehrheit der Erhebung von Berufsschulbeiträgen zu. Die Verwaltung erwartet hieraus eine Einnahme von rund 300000 RM. Einer Herabsetzung der fünfjährigen Befreiung der Neubauten von der Grundvermögenssteuer glaubte der Hauptausschuß nicht zustimmen zu können. In der Aussprache über das Etatsdefizit wurde von Zentrumsseite darauf hingewiesen, daß der Fehlbetrag im Haushalt nur verursacht werde durch die Steigerung der Wohlfahrtslasten. Es müßten daher die Möglichkeiten des 13 der Preußischen Ausführungsbestimmungen zur Fürsorgepflicht ins Auge gefaßt werden. Hiernach sind die Landesfürsorgeverbände verpflichtet, den Bezirksfürsorgeverbänden eine Beihilfe zu gewähren, die ihre ihnen obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen unvermögend sind. Damit waren die Etatsberatungen im Hauptausschuß beendet. Am kommenden Mittwoch, dem 25. März. werden nunmehr noch die Wirtschaftsvertretungen gehört werden. Am Donnerstag der kommenden Woche soll dann noch einmal eine Hauptausschußsitzung stattfinden, um noch einige Vorlagen zu beraten. Die Stadtverordnetenversammlung zur Verabschiedung des Etats ist nunmehr endgültig auf Montag, den 30 März, festgesetzt worden. Ferienreisen mit den Naturfreunden 1931 Unter der Fülle der alljährlich von den zahlreichen Reisebüros propagierten Ferienreisen haben sich die Gemeinschaftsreisen des Touristenvereins„Die Naturfreunde“ einen beachtenswerten Namen errungen. Dieser Tage ist die neue Broschüre „Ferienreisen mit den Naturfreunden 1931“ erschienen, die Zeugnis gibt, in welch umfassender Weise bei den Naturfreunden an das Problem„organisierte Ferienreisen für den Arbeitnehmer“ herangegangen wird. Bekanntlich untehalten die Naturfreunde in einer ganzen Reihe von Städten gutgeleitete Reisebüros, die gemeinsam mit dem Zentralreisebüro der Naturfreunde in Nürnberg Ferienreisen nach nahezu allen deutschen Reise= und Wandergebieten sowie in das europäische Ausland durchführen. Ganz beDer richtige Weg zur Erlangung schöner weißer Zähne ist folgender: Drücken Sie einen Strang Chlorodont=Zahnpaste auf die trockene Chlorodont Zahnbürste(Spezialbürste mit gezahntem Borstenschnitt), bürsten Sie Ihr Gebiß nun nach allen Seiten, auch von unten nach oben, tauchen Sie erst jetzt die Bürste in Wasser und spülen Sie mit ChlorodontMundwasser unter Gurgeln gründlich nach. Der Ersolg wird Sie überraschen! Der mißfarbene Zahnbelag ist verschwunden und ein herrliches Gefühl der Frische bleibt zurück. Versuchen Sie es zunächst mit einer Tube Chlorodont= Zahnpaste zu 54 Pf. Verlangen Sie aber echt Chlorodont und weisen Sie jeden Ersatz dafür zurück. sondere Sorgfalt ist bei den Naturfreundereisen darauf gelegt, daß dieselben von nur guten Führern begleitet werden, und daß die Gesamtreisekosten unter Ausschaltung von Gewinnabsichten so billig kalkuliert sind, daß sie den Einkommensverhältnissen der Arbeiter und Angestellten voll gerecht werden. Vorgesehen sind Reisen in die bayerischen Alpen, in den Schwarzwald und die Schwäbische Alb, an den Rhein, ins Sauerland. in die Lüneburger Heide, nach Bornholm, in die Sächsische Schweiz, in das märkische Seengebiet. ins Lausitzer und Erzgebirge usw. Ferner Auslandsreisen und Bergtouren in die schönen Alpengebiete Oesterreichs, die traditionellen Augustreisen in die Schweiz. an die blaue Adria, in die Hohe Tatra, nach Kopenhagen; außerdem noch Wochenendfahrten nach Lüttich. Brüssel, Dinant. Ostende. Paris usw. Diese Reisebroschüre enthält derart viel, daß es unmöglich ist. alle Reisen hier aufzuführen. Die geschmackvoll und drucktechnisch modern ausgestattete Broschüre ist aegen Einsendung von nur 35 Pfennig in Briefmarken entweder von den örtlichen Naturfreunde=Reisebüros oder direkt vom NaturfreundeZentalreisebüro Nürnberg W., Sündersbühlstaße 5, portofrei zu beziehen. Die Arbeiten auf dem Ueckendorfer Spielplatz schreiten rüstig voran. Gestern bei sonnigem Frühlingswetter begannen die ersten Baumanpflanzungen. Es bekommt Ueckendorf dadurch neues Ansehen. Auch ist hiermit den Wohlfahrtserwerbslosen eine Möglichkeit geboten, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ein unerwartetes Urteil Freispruch im Horster Grabschänderprozeß Es dürfte noch in Erinnerung unserer Leser sein, daß am Vormittag des 31. Dezembers vorigen Jahres auf dem katholischen Teile des Horster Friedhofes 40 bis 45 Grabsteine um geworfen oder schwer beschädigt wurden. Als mutmaßliche Täter waren damals der Erwerbslose August Mäuser und der Bergmann Anton Kieck verhaftet worden, die beide aus Horst stammen. Am Mittwochvormittag wurde gegen diese beiden, die aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurden, vor dem Buerschen Schöfsengericht verhandelt. Bei der Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter hatte Mäuser die Tat zugegeben, wobei er zu gleicher Zeit den zweiten Angeklagten Kieck als Mittäter beschuldigt hatte. dem Prozeß waren nicht weniger als 22 Zeugen geladen, die auch alle vernommen wurden. Der Angeklagte Kicck wurde von einem Rechtsanwalt aus Gladbeck vertreten. Kriminalbeamte, die vernommen wurden, benindeten übereinstimmend, daß Mäuser, als sie ihn vernahmen, ohne weiteres zugegeben habe, der Täter zu sein. Dem Kieck gelang es, sein Alibi durch eine ganze Anzahl von Zeugen nachzuweisen. Sie sagten nämlich aus, daß unmöglich Kieck um die fragliche Zeit auf dem Friedhof gewesen sein könne. Im Laufe der Verhandlung stellte sich heraus, daß Mäuser am Morgen des Tages. an dessen Nachmittag die Tat begangen wurde, dem Friedhofswärter kommunistische Schriften angeboten hatte, daß er am Nachmittag bei der Beerdigung einer Frau zugegen gewesen sei, und daß er aus dem Gefängnis heraus einen Brief geschrieben habe, worin er sich selbst der Tat bezichtigt. Er schrieb in diesem Briefe seiner Schwester, sie solle ihm einige Sachen schicken, er selbst würde wonl nun wegen dieser Tat etwa zwei Jahre im Gefängnis sitzen müssen. Der Staatsanwalt hielt nach Abschluß der Beweisaufnahme beide Angeklagten für schuldig und beantragte eine Ge fängnisstrafe von je neun Monaten unter Aberkennung der bürger lichen Ehrenrechte. Er sah also den ganzen Fall als recht schwerwiegend an 102 neue Wohnungen In Horst Die Arbeiten an den Siedlungsbauten der Heimbaugesellschaft an der Ecke Schmalhorst= und Fischerstraße sind sowert fortgeschritten, daß das Richtfest begangen werden konnte. Die dort erstellten 102 neuen Wohnungen werden bis zum Sommer bezugsfertig. Buerscher Gerichts’ag Ein gefährlicher Messerheid Großer Andrang zur Verhandlung. Der schon mehrfach wegen gefährlicher Körperverletzung, Unterschlagung, Diebstahls und Sittlichkeitsverbrechens vorbestrafte A. Mathöfer, Buer=Erle, hatte sich wieder einmal wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, vor dem chen Schöffengericht zu verantworten. Der überfüllte Buerschen Schöffengericht zu verar Zuhörerraum bewies die Neugierde eines sensationslüsternen Publikums. Am 16. November 1929 hatte er mit noch einem Freunde einige Wirtschaften besucht. Zum Schluß, abends um 11 Uhr, ging A. M. mit seinem Freunde noch in die Wirtschaft St., Ecke Wilbelm= und Weststraße. Die Bergleute kamen von der Mittagschicht von Zeche Bismarck. Wie es so üblich ist bei einer Reihe von Bergarbeitern, kamen auch die Bergleute P. und S. mit noch einigen Kameraden in vorgenannter schaft. Sie tranken ihren Schnaps und ihr Glas Bier. P., der den Angeklagten M. kannte, ging auf diesen zu und fragte ihn nach seinem Bruder in ruhiger und sachlicher Weise. M. wollte aber davon nichts wissen und sagte zu P., er solle machen, daß er nach Hause käme. Nunmehr ging S. auf beide zu und bat P., er möge doch mit nach Hause kommen. Dieses tat dann auch P. und ging mit. Die vier Bergarbeiter verließen dann auch das Lokal. Kaum waren die vier vor der Wirtschaft, so folgte ihnen auch der Angeklagte mit seinem Freund. S. hatte sich bereits von seinen Freunden verabschiedet und wollte durch die Weststraße nach seiner Wohnung gehen, die in der Karlstraße liegt. Er war kaum einige Schritte gegangen, so hatte ihn auch schon der Angeklagte eingeholt und versetzte ihm einen Stich mit einem Messer in die linke Brustseite. S. rief seinem Freunde zu:„Ich bin gestochen worden“. A. M. suchte. nachdem er S. den Stich versetzt hatte, das Weite. P. versuchte ihn festzuhalten, was ihm aber nicht gelang, denn auch auf ihn stach der Angeklagte ein. P. konnte von viel Glück sprechen, daß er die Stiche mit seinem Bündel Grubenzeug abwehren konnte, denn sonst hätte es noch schlimm werden können. Trotzdem der Anacklagte bestritt, den S. gestochen zu haben, wurde ihm durch Zeugen bewiesen, daß er doch gestochen hatte. Das Gericht versagte dem Angeklagten mildernde Umstände und verurteilte ihn wegen dieser gemeinen Tat zu vier Monaten sängnis. Wie lose diesem gemeinen Menschen das Messer sitzt, bewies er am 19. Dezember vorigen Jahres. Am genannten Tage hatte A. M. mit noch einigen Kollegen etliche Wirtschaften besucht. Sie hatten einige Schoppen Schnaps getrunken und zogen dann die Bismarckstraße in Erle hinunter. Am Kino in Erle will sich der Angeklagten mit seinen Kollegen ausoehalten haben. Gegen 10 Uhr abends gingen sie die Bismarckstraße bis in Höhe der Auguststraße hinunter. Hier stießzen sie auf den später Verletzten H. C. Dieser ging auf die vie; zu mit den Worten:„Was macht ihr denn hier?“ Die übrigen drei, außer dem Angeklagten A. M., nahmen die Sache als Scherz auf. H. C. forderte den Angeklagten A. M. auf, die Hand aus der Tasche zu nehmen, denn er war ihm ja als gefährlicher Messerheld bekannt. A. M. kam dann auch der Aufforderung nach. bloß mit dem Unterschied, daß er H. C. das Messer in die linke Brustseite stieß, so daß dieser sofort zusammenbrach mit dem Rufe:„Ich bin gestochen worden.“ Alle vier suchten nunmehr das Weite. Der Stich war, was später vom Arzt im Krankenhause festgestellt wurde, bis in die Brustböhle eingedrungen. H. C. wurde von dem sofort herbeigerufenen Krankenauto ins Krankenhaus gebracht. An dieser schweren Stichverletzung hat&H C. vom 19. Dezember vorigen Jahres bis zum 17. März dieses Jahres im Krankenhaus gelegen. Er ist auch jetzt noch nicht richtig wiederbergestellt. Das Gericht versagte auch hier dem Angeklagten mildernde Umstände, denn er will in Notwehr gehandelt haben und bestrafte ihn wegen dieser ruch losen Tat zu 15 Monaten Gesängnis. Von den beiden Strafen bildete das Gericht eine Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Gesängnis. Wegen Fluchtverdachts verhängte das Gericht den sofortigen Haftbefehl. Wenn es nun schon verständlich erschien, daß das Gerscht im Falle Kieg zum Freispruch kam, weil es diesem Angeklagten ja gelungen war, sein Alibi nachzuweisen, so muß es ganz ungeheuer überraschen, daß auch Mäuser freigesprochen wurde, denn ihn dürfte jeder Unbefangene für schuldig halten, und wir glauben wohl in der Annahme nicht fehlzugehen, daß der Staatsanwalt zum mindesten gegen das freisprechende Urteil. soweit es sich um Mäuser handelt, Berufung einlegen wird. Die Nazis waren schuld Aus Parteigenossenkreisen wird uns geschrieben: Es scheint noch immer nicht genügend Klarheit darüber zu herrschen, wer denn eigentlich der wirklich Schuldige an den Vorgängen aus Anlaß des Naziaufmarsches am Sonntag im Stadtteil Horst gewesen ist. Wir möchten deshalb mit aller Deutlichkeit betonen, daß die Nazis diejenigen waren. die ohne Veranlassung zu Ueberfällen gegen Andersdenkende geschritten sind.(Uns wurde dazu noch mündlich mitgeteilt, daß diese Lümmel, gegen die die Polizei nicht schnell und nicht energisch genug auftrat, sogar Leute, die sie als Andersaesinnte kannten, bis in die Höfe verfolgten, die hinter den Häusern lagen, in denen diese Leute wohnten.— D. Red.) Besonders kraß ist natürlich der Fall, in dem der Beramann Fiergolla, als er schon mit dem Gesicht noch vorn am Boden lag. von dem Nazimann Gustav Gazioch von hinten aus nächster Nähe zwei Revolverschüsse erhielt, von denen einer ein Rückensteckschuß war, während der andere in den Hinterkopf ging und vorn wieder herauskam. Nur dem raschen overativen Eingreisen im Krankenhaus ist es zu danken, deß Fiercolla noch lebt. Völlig unbegründet war der Ueberfell auf den Reichsbannermann Karl Schuster, der völlig unbeteillat vor dem Hause Helenenstraße 2 stand. in dem er wohnt. Es'st#a überaus bezeichnend daß er dann niedereeschlagen wurde, als er die provozierenden Nozirufe mit einem„Frei Heil!" beantwortete, und daß die Nazis in dieser Vergarbetterkalonie mit Mistaabeln Spaten und anderen gefährlichen gegen friedliche Bewohner vorgeganeen sind. Für die Republikaner werden diese unerbörten Vorcäna# lassung sein, sich noch setter eI8 hisber zusammenz##chlaten den noch Fernstebenden ever. die als auftändige guten Willens sind, der demokratischen Staat zu Schstzen kann nur geraten werden sich den großen revublikenischen Orgeni. sationen, der Sneieldemokratischen Partei und dem ReichsVerhütung von Wa'dbränden Mit dem Vorfrühling ist wieder die Zeit gekommen. in der alljährlich durch Waldbrände große Werte für die deutsche Velkswirtschaft verlorengeben. Die Wälder sind jetzt durch die großen Massen von dürrem Laub und Gras sowie trockene Farnkräuter und Standen besonders gefährdet, so daß oft ein Funken genügt, um alles in Brand zu setzen Leider kann man gerade jetzt oft beobachten, daß trockene Grasflachen von Kindern und halbwüchsigen Burschen mutwillig in Brand gesetzt werden. Sie sind sich wohl der groben Gefahr nicht bewußt, die besonders bei windigem Wetter, für angrenzende Waldflächen damit verbunden ist. Erfreulicherweise haben die Regierungen in Arnsberg und Münster seit kurzem das Abbrennen von Bodendecken auf Wiesen, Feldrainen, Oedland. an Hängen und Wildhecken sowie von Rohr und Schilf für die Zeit vom 15 März bis 30 September jeden Jahres verboten, mit gewissen Einschränkungen besonders für die Grundstückseigentümer. Ausnahmen können die Landräte und Polizeiverwalter der kreisfreien Städte gestatten. Das Verbot ist besonders auch deshalb zu begrüßen, weil durch die Waldbrände nicht nur wirtscheftliche Schäden verursacht, sondern auch Tiere und seltene Pslanzen dadurch vernichtet werden. Die Verarmung unserer heimatlichen Natur nimmt ohnehin von Jahr zu Jahr zu. Uebertretungen der obengenannten Verordnungen werden mit Geldstrafe bis zu 150 RM oder entsprechender Haft bestraft. Arbeiter-Ratio-Runz Deutscklands. 8. N. Anschritt: Gelsenkirchen, Ringstraße 33 Rundfunk=Programm Köln(227), Langenberg(473) Zwischensender: Aachen(227) und Münster(227). Gl. chbleibendes Werktags=Programm. 6.45: Leibesübungen. 7: Morgenkoniert o 7. 8: Frühvorbersage. Zeit# 10.15: Schallolattenkonzert# 10.30: Wasserstände. m 1210: Mechan'sche Musik e 12 50: Wetter. O 1255: Nauener Zeit. v 13.05: Konzert. e 15 30: Wasserstände. Zeit, Wirtschaftsberichte 15.50: Knderfunk e 17: Vesverkonzert o 19: Wirtschaftsmeldungen, Wetter u. Svort o 19 15: Vom Tage außer Sa.v 19.45: Abendmusik(auß. Sa.) o ca. 22: Meldungen. Berichte. Svort. Donnerstag. 19. März. 9.00: Deutscher Schulfunk: Auf einer Schisfswerft. 10.45: Dr. Blömer: Die wichtigsten Handwerksberufe für Knaben. 11.20: Schulfunk. Der moderne Erfinder. 16.15: Dr. Hans Behle: Mitteilungen aus dem Schulfunk. 16.35 Landesverwaltungsrat Emmy Hopmann: Zwec und Einrie ung der Vorainle. 1800: Privatdozent Dr. H. Lützeler: Die Kunst der Uebersetzung. 18.40: Spanisch 19.00: Berlin: Sven Hedin. 19.30; Dr. Teus: Handwerk und Hauswirtschaft. 19.50: Abendmustk. Kl. Orchester des Westdeutschen Rundfunks. 20 20: ausmann: Negeraottesdienst in New=Dort. Bericht mit Schallvlatten. 21.00: Sinsoniekonzert. Solist: Grote(Cello). Zeitgenössische Tonsetzer ansch. Koniert aus der Bavaria Wupvertal=Elberfeld, Kapelle Rose Petösy. Deutsche Welle(1633). Deutsche Wille. Gleichbleibendes Werktags=Programm. 6.20 Zeit Wetter sür den Landwirt m 6.55: Wetter für den Landwert e 7: Gymnastik c 10.35. 13.30: Nachrichten.# 12.00: Schall# bezw. Schul unk o 12 25: Wetter für Landwirte So. 12.50). e 12.55: Nauener Zeit o 14: Schallvl. o 15.30: Wetter. Börse. 19.55: Wetter 1 Landwirte## ca 21: Wetter. Tages=, u. Spotin Deutsche Welle: Donnerstag, 19. März. 15.00: Kinderstunde. Kun#erbunt.„Früh.ing kommt.“ 15.45: Eva Lindner: Hausfeau und Handwerl. 16.00: Oberschulrat Dr. Carl F.cher: Pratische Beispiele aus dem Bildungsplan, der Anfbausla##en. 16.30: Berlin: Na mmittagslonie t. 10 JOGEND. VERANSTALTUNGEN SAI., Unterhezirk Recklinnhausen-Gelcenkirchen Am Sonntag, dem 22. dieses Monats, findet um 16 Uhr im Städtischen Saalbau zu Recklinghausen unsere Märzaefallenen Feier mit folgendem Programm statt: I. Orgelvortrag. 2. Prolog. 3 Gesangvortrag(Volkschor). l. Festansprache: Genosse Max Westphal(Berlin). 5. Orgelvortrag. 6. Sprechchorwerk. 7. Gemeinsamer Gesang mit Orgelbealeituna. Anschließend: Festiug durch die Stadt zum Volkshaus. Genossinnen und Genossen! Laßt diese Feier zu einer Kundaebnna werden. vor der die gegnerischen Organisationen erschrecken werden. Sorat für eine starke Beteiligung! Alle sympathisierenden Organisationen werden diesen Tag für die Feier freihalten und sich daran beteiligen. Parteigenofsinnen und=genossen. Freigewerkschaftler, Kultur= und Sportgenossen, zeigt, daß wir eine Einheit sind! Der Eintrittspreis für die Saalbaufeier cm 22 März staffelt sich, wie folgt: 0.20 RM für die Roten Falken. 030 Nm für die Erwerbslosen und 0.60 RM für die übrigen. Diejenigen die Erwerbslosenprogramme erhalten. sind in Listen namentlich aufzuführen und bei der Abrechnung vom###legen. Für die Falken werden an der Kasse besondere Karten abgegeben. * Sozialistische Arbeiterjugend, Gelsenkirchen. Gruppe„August Bebel“. Heute pünktlich um 20 Uhr, im Jugendheim: Zusammenkunft. Wir haben eine Gedenkstunde für die Märzaefellenen. Bringt neue Freunde mit! Osterfahrt(Sauerland). Wir kommen am Sonntag. dem 22. d. M.. um 19.30 Uhr. im Jugendheim zu einer kurzen Besprechung zusammen. Für Sonntag! Wir fahren am Sonntag mit Rädern nach Recklinghausen und Sinsen. Anschließend Beteiligung an der Märzgefallenenseier. Filmabend. Am Sonntag, pünktlich um 20 Uhr, im Jugendheim: Filmabend. Charlie=Chaplin= und andere Filme werden gezeigt ZdA.=Jugend. Gelsenkirchen. Wir besuchen heute abend die Mitgliederversammlung im Gewerkschaftshaus!— Die Arbeitsgemeinschaft fällt während des von der Afa angesetzten volkswirtschaftlichen Kursus aus und beteiligt sich geschlossen jeden Freitag um 20 Uhr im Lokal Kitzhöfer, Gelsenkirchen, Kirchstraße 3. an dem Kursus über Volkswirtschaft. Referent: Kollege Dr. Gablmann Eine Teilnehmergebühr wird nicht erhoben, weshalb wir allen unseren Kollegen die Teilnahme an diesem lehrreichen Kursus sehr empfehlen.— Wir geben wiederholt bekannt, daß der Plakat= und Lackschrift Kursus am Dienstag. dem 24. d. M., beginnt. Uebungszeit: Von 19 bis 20 Uhr für Erwerbslose, von 20 bis 21 Uhr für die übrigen Mitglieder SAJ., Buer. Wir weisen nochmals darauf hin, daß heute(Donnerstag), um 20 Uhr, im Volkshaus Buer Sprechchorprobe abgehalten wird. assen-Expedition Jedition. 19.30: Pros. Dr. Schmidt: Erzeug. marktgängig. Ware d. Schweinen. 20.00:„Karten, Klal'ch und Kae:'“ ein Singso#el von G Stoskor* und 8. Seifert: Musik von H.inz Keitsche. 21.00: Sinsone=Konzert Orchester des W.stdeutchen Rundfunks. ca. 22.15: Tanz=Musik der Kavelle Marek Weber. VERANSTALTUNGEN UND VEREINE „Das Land des Lächelns" im Hans=Sachs=Haus. Diese Weltschlageroperette mit dem beliebten Tauberlied „Dein ist mein ganzes Herz“ wird am kommenden Samstag und Sonntag. dem 21. und 22. dieses Monats, im Hans=SachsHaus aufgeführt. Der Berliner Residenz=Operette, welche vom Neuen Theater, Gelsenkirchen, für nur zwei Aufführungen verpflichtet werden konnte, geht ein hervorragender Ruf voraus. Diese Aufführungen dürften daher für Gelsenkirchen ein Ereignis sein, zumal namhafte Kräfte, wie Dagmar Christiansen vom Norwegischen Staatstheater usw., mitwirken, und außerdem der Hans=Sachs-Haus=Saal speziell für derartige Aufführungen besonders gut geeignet ist. Die musikalische Leitung hat Dr. Paul Werner vom Metropol=Theater, Berlin. Original chinesische Prachtausstattung von Professor Günther, Berlin. Eintrittspreise(alles numerierte Plätze) von 0.80 bis 2.50 RM. Man besorge sich rechtzeitig Karten im Vorverkauf, da die Nachfrage nach Eintrittskarten schon sehr groß ist. Vorverkaufsstellen: Buchhandlung Müller, Neumarkt. Samstag ab 14 Uhr und Sonntag ab 11 Uhr an der Theaterkasse im Hans=Sachs=Haus. Hcimvolkshochschule Habertshof, Elm, Bez. Kassel. Lehrgang vom 12. April bis 11. Juli 1931. Zum Lehrgang vom 12. April bis 11. Juli werden noch Teilnehmer ausgenommen. Unterrichtsgebiete sind: Wirtschaftskunde— Sozialpolitik— Arbeitsrecht— Arbeiterbewegung— Staatskunde—. Neuere Geschichte— Pädagogik — Neue Dichlung. Alle nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle des Habertshofes, Elm, Kreis Schlüchtern(Bez. Kassel). Gewerkschaffliches Achtung! Bezirksversammlungen des Deutschen Metallarbeiterverbandes Bezirk Altstadt. Samstag, den 21. d. M., 19.30 Uhr, im Metallarbeiterheim, Angustastraße 18. Tagesordnung: 1. Vortrag„Arbeit und Schicksal"; 2. Betriebsratswahlen: 3. Verschiedenes. Bezirk Bulmke. Samstag, den 21. d. M., 18.30 Uhr, im Lokal Knüfken. Ecke Wanner und Hüttenstraße. Vortrag des Kollegen Brüntink über:„Die Gefahren des Faschismus“ Bezirk Wanne=Eickel. Samstag, den 21. d. M., 19 Uhr. im Stöckmannshof. Stöckstraße. Bezirk Wattenscheid. Samstag, den 21 d. M., 19 Uhr, im Lokal Tenhaes. Wattenscheid. Westenfelder Straße. Es wird erwartet, daß in allen Versammlungen ein guter Besuch zu verzeichnen ist. Die Verbandsleitung. Zentralverband der Angestellten, Gelsenkirchen, Abstraße 1. Besucht alle am Donnerstag, dem 19. d M., unsere Mitgliederversammlung im Gewerkschaftshaus. Essener Straße. Beginn 20 Uhr. Die Tagesordnung ist folgende: 1. Vortrag„Die Gesellschaftskrise der Gegenwart".(Reserent: Kollege A. Bangel. Hagen): 2. Ergänzungswahl zum Vorstand: 3. Festveranstaltung am 19 April 1931: 4. Organisationsfragen.— Nach der Versammlung gemütliches Beisammensein. Die Geschäfte, in welchen die Sanella-Gutscheine eingelöst werden, sind durch unsere Plakate kenntC-uch. AUSSCHNEIDEN! SCHNEIDENT 28. März 1931 scheres fabsbund asrch, etechete FINLOSUNGABG Gegen Gutscheins erha (Pfundpreis 70 ohnebesondere alle Geschäfte, kenntlich gema DER GUTS rochrift des Käufers) Gechlille uil. Grnenne Aöbenden . LIII Nr. 66. 15. Jahrgang. Drittes Blatt. Volkswille Das Paneuropa-Projekt Mittelmeersenkung und Saharabewässerung Von Hermann Sörgel. Zum Unterschied von dem Condenhoveschen„Paneuropa will mein Projekt durch Ausführung technischer Werke eine weitumspannende Wirtschaftsunion schaffen, um dem industriell gesättigten Europa die Rohprodukte des noch jungfräulichen Afrika in ökonomischer Weise nutzbar zu machen und um mit dieser neuen großen Wirtschaftseinheit ein widerstandsfähiges„Paneuropa“ zu schaffen gegen das kapitalstarke Panamerika und das bevölkerungsstarke Panasten der Zukunft. Es handelt sich also nicht um paneuropäische Schwärmereien, die an die Vernunft und den guten Willen appellieren— die bekanntlich nicht vorhanden sind—. sondern um eine wirtschaftstechnische Rechnung, um die Haushaltungsmaschinen eines zukünftigen Europas, um die technische Ra tionalisierung seines ganz verschlampten Betriebes. Allein schon das Gespenst der Arbeitslosigkeit in einer Zeit, wo es so unendlich viel aufzubauen, gäbe, bezeugt die fundamentale Betriebsstörung im ökonomischen sauf der europäischen Entwicklung. Die Frage der Arbeitsosigkeit ist heute ein internationales Problem und eines der schwierigsten und wichtigsten für das Menschentum der Gegenwart überhaupt, Auch sanatischen Parteioptimisten muß, sich allmählich die Mutmaßung aufdrängen, daß es sich dabei nicht um eine vorübergehende oder periodische und wieder ablaufende Erscheinung, sondern um eine immer ernstere Gefahr für die ganze werktätige Welt handelt. Zu gleich müssen wir einen langsamen, aber sicheren Geburtenrückgang konstatieren. Der Geburtenrückgang der zivilisierten Nationen ist nicht so sehr auf eine überhandnehmende Un fruchtbarkett, wie vielmehr auf die wirtschaftliche Notlage zurückzuführen. Man frage nur alle diesenigen, die nicht C. tern werden wollen. In dem Augenblick, wo die ungeheuer drückenden Wirtschafts= und Steuerlasten, die Verschuldung auf Generationen hinaus nachlassen, wird sofort ein hoffnungsvoll tatkräftiger Aufbauwille auch wieder den Wunsch nach Kindern und Nachkommen wachrufen. Noch an eine dritte Zeiterscheinung wollen wir in diesem Zusammenhang erinnern. Die Großchentie rüstet zu gleicher Zeit, sowohl zum kommenden Vernichtungskrieg, als auch gegen die Krankheiten, welche die Bevölkerungszahl der Menschen heute noch erheblich reduzieren können. Die Gesundung der Tropenländer rückt plötzlich in greifbare Nähe. Nicht nur Epilepsie, Rachitis, Malaria, Syphilis usw., sondern vor allem auch die Afrikanische Schlafkrankheit, die ägyptische Angenkrankheit und andere werden mit Erfolg bekämpft. Die dunkel farbigen Völker vermehren sich aber drei= bis sechsmal schneller, als die weißen Rassen, wenn man die Tropen krankheiten ausrottet. D. h. wir müssen uns beizeiten mit Afrika verständigen, das Rassenproblem— Europa=Afrika, ein Weltteil!— wird besonders bedeutungsvoll gegenüber den sich entwickelnden Vernichtungsmitteln im chemischen Kriege der Weißen untereinander. Aber alle diese und ähnliche Menschheitssorgen lassen sich auf ein paat Grundelemente zurückführen.„Der viel mißbrauchte und noch mehr mißverstandene Ausdruck„Kampf ums Dasein“ meint eigentlich zunächst Kampf um„Raum“ sagt Friedrich Ratzel. Denn an dem Raum mißt sich das Maß anderer Lebensbedingungen, vor allem der Nahrung. Weiter Raum wirkt lebenerhaltend, auf engem Raum aber wird der Kampf verzweiselt. Nehmen wir zum Raum noch die Kraft, jene Kraft, wie sie in der Natur in unerschöpflicher Fülle vorhanden ist und vom Menschen mittels der Technik nur nutzbar gemacht werden braucht, so haben wir die beiden Faktoren, in denen das Panettropa=Projekt verankert liegt. Vom Atlantik fließen in jeder Sekunde 88.000 Kubikmeter Wasser ins Mittelmeer. Das ist notuendig, sonst würde das Mittelmeer wegen seiner geringen. Wasserzufuhr durch Flüsse usw. verdunsten: es würde sich jährlich um 1,65 Meter senken. Das Paneuropa=Projekt besteht nun bekanntlich darin, durch Sperren bei Gibraltar und Gallipoli die Senkung auf eine bestimmte Tiefe künstlich herbeizuführen, dadurch enorme Wasserkräfte zu erzeugen, Neuland im Mittelmeerbecken zu gewinnen, mit der Elektrizitätskraft die Sahara teilweise zu kultivieren und vor allem ein„Paneuropa“— wie oben angedeutet— zu schaffen, um der zunehmenden„Zersetzung zu steuern und einen neuen, starken und lebensfähigen Weltteil zwischen Amerika und Asien zu gründen. Die technische Ausführung hängt vor allem von der Möglichkeit ab, die Straße von Gibraltar durch einen Gelsenkirchen, Donnerstag, den 15. März 1931. Damm zu sperren. Ein dem Hauptdamm aus Verteidigungs= gründen vorgelagerter Schutzdamm dient gleichzestig, zu Hasenanlagen und zur teilweisen Bildung des hördlichen Schiffahrtskanals. Das Kraftwert„selbst ist auf der eurgpälschen Userseite zentralisiert. Es llegt unter der Erdei so ist es gegen Fliegerbomben geschützt und zugleich kann der Schiffahrtskanal darüber Auweggeführt werden. Den Zulauf des Kraftwassers bildet durch Umbiegen des Dammes das Meer selbst; so wird auch kein Gefälle verloren. Die Ueberlauf=Kaskaden sind auf die afrikanische Seite verlegt, und zwar sind diese bis zur Quote 50 unterirdisch, damit det südliche Schiffahrtskanal über sie hinweggeführt, werden konnte. Die sämtlichen Dimensionen der Werke sind in den errechneten Größen für eine Senkung auf 200 Meter des Mittelmeeres begründet. Die Situierung exgab sich auf Grund der Seekarte, sowie der topographischen und geologischen Beschaffenheit des Küstenlandes. Seit vor zwei Jahren die Diskussion über mein Projekt eröffnet wurde, gewann die Idee in raschem Laufe Mitarbeiter und Förderer, so daß heute das Maetrial zu einer inhaltsreichen Ausstellung vorliegt, die im Folkwang=Museum in Essen vom 14. bis 29. März stattfindet. * Der Plan Sörgels ist, wie zugegeben ist, grandiös. Ob er aber infolge von politischen, finanziellen und sonstigen Widerständen zu verwirklichen ist und ob er wirtschaftlich und bevölkerungspolitisch die Auswirkungen, die Sörgel sich von ibnen verspricht, zeitigen würde, ist denn doch recht ungewiß. Aber immerhin muß man dem Plane Sympathie entgegenbringen. Aus der Arbeitersängerbewegung Volkschor Buer. Die Mitglieder des Volkschors treffen sich heute(Donnerstag) im Volkshaus, und zwar die Sangesschwestern um 17 Uhr und die Sangesbrüder um 19 Uhr. Von dott aus gemeinsamer Besuch des Abendkonzerts in der Schauburg. Die Kosten für den Eintritt trägt die Kasse des Chors Verantwortlich fülr den gesamten redaktionellen Inhalt: Alfrev Zingler: für den Anzeigenteil: Karl E bem Gelsenkirchen.—. Druck und Verlag:„Volksw Leypolot, GmbH., Gelsenkirchen.— Manu nur zurückgesandt, wenn dies ausdrücklich ver diesem Zwecke Rückporto beigesslat w s beide in lle“ Ludwig kripte werden anat und zu rb Die große •• Uberraschung für alle Hausfrauen Belm Kauf von 1 Pfund Sanella mit Gutschein ½ Pfund(ein halbes Pfund) GRATTS Sie haben weiter nichts zu tun, als daß Sie den Gutschein hier unten ausschneiden und damit zu Ihrem Kaufmann gehen. Dieses großzügige Angebot wird Sie durch die Ware selbst davon überzeugen, daß hier für einen zeitgemäß niedrigen Preis etwas ganz Erstklassiges geboten wird. Sichern Sie sich das kostenlose Sanellaalbpfund noch in diesen Tagen. DIE FEINE S 96.—102 MARCARINE — PREISWERT WIE KEINE Fragen der Hygiene und Erziehung Jäuglinge, kleine und grosse Kinder Sorgen und Freuden der Mütter Das Spiel des Kindes Von der Kannibalenstufe zur Erwachsenenarbeit Wer einmal Kinder verschiedener Altersstufen beim Spiel beobachtet und sich über den Sinn der Spiele Gedanken gemacht hat, der wird bald erkennen, daß in der fortschreitenden Ablösung der verschiedenen Spiele mehr liegt als eine einfache Intelligenzentwick lung des Kindes. Das kann man schon daran erkennen, daß alle von Erwachsenen so häufig in unpsychologischer Weise erdachten Spiele die nur auf die Intelligenzentwicklung des Kindes zugeschnitten sind, von den Kindern meist instinktiv abgelehnt werden. Die kindliche Selbstbeschäftigung im Spiele stellt sich als eine kurze Wiederholung der kulturellen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft dar. Wir sehen im Seelenleben des Kindes einen Vorgang wirksam werden. der uns vom organischen Leden der wohlbekannt und durch das so genannte„biogenetische Grundgesetz" von Ernst haeckel erklärt worden ist. Dieses Gesetz besagt, daß die Ontogenese(Entwicklung des einzelnen Individuums im Mutterleibe) eine abgekürzte Wiederholung der Phylogenese(Entwicklung der gesamten Art des betreisenden Lebewesens) darstellt. Zu diesem Gesetz kommt als Ergänzung der von Karl Schmeing so genannte Vorgang der„biogenetischen Perspektive“, also die Tatsache, daß in der ontogenetischen Wiederdotung ein Entwicklungsabschnitt auf eine um so kürzere Zeitdauer zusammengedrängt ist, je weiter er entwicklungsgeschichtlich zurückliegt. Schweing hatte dabei nicht nur die körperliche Entwicklung des Embryos im Auge, sondern vor allem auch die seelische Entwicklung des Menschen nach der Geburt. Man kann sagen, daß die Wiederholung der Entwicklung der Tierreihe, von der wir Menschen abstammen, ungefähr bis zur Geburt erreicht ist, und daß sich von der Geburt des Menschenkindes bis zu seiner Reifezeit die Entwicklung vom Urmenschen zum Kulturmenschen vollzieht. Dies gilt freilich nur ungefahr: denn es ist erwiesen, daß die Intelligenz des menschlichen Neugeborenen noch nicht ganz die Intelligenzstufe eines erwachsenen Schimpansen erreicht, diese jedoch schon nach etwa einem Jahre eingeholt oder gar überholt hat. Und wie die Kultur der Menichen aus der wirtschaftlichen Not ums Dasein entstanden ist, so entwickelt sich auch das Seelenleben des Kindes durch die Kraft des Konfliktes, durch immer neue Konflitte mit einer Umgebung, die nicht auf das Kind, sondern auf den Erwachsenen zugeschnitten ist. Die erste spielerische Betätigung des kleinen Kindes, wenn es sehen und greifen gelernt hat, steht etwa auf der Stufe der Kannibalen. Alles, was in seine Umgebung kommt, wird neugierig betastet und untersucht, und womöglich in den Mund gesteckt, um gewissermaßen symbolisch dem eigenen Ich für immer einverleibt zu werden. Das Kind braucht diese Untersuchung seiner Umgebung zur Verfeinerung seiner Wahrnehmungsfähigkeit und Ausbildung der primitivsten Intelligenz. Diese Kindheitsstufe entspricht also un gefähr jenem uralten Zeitalter, in dem der primitive Mensch mit Hilfe seiner erwachenden Intelligenz die Welt zu entdecken begann und sich mit der ersten technischen Selbsthilfe die Natur dienstbar zu machen versuchte. Diese mehr und mehr bewußt werdende Freude des kleinen Kindes an eigener Betätigung und Erfindung ist von Maria Montessori in den Mittelpunkt ihrer Kindergartentätigkeit gestellt worden. Man soll dem Kinde die sell ständige Entwicklung seiner technischen und intellektuellen Fähigkeiten durch eine geeignete Anpassung seiner Umgebung an die kindlichen Größen= und Kräfteverhältnisse möglichst erleichtern. Etwa zwischen dem fünften und achten Lebensjahre beginnt sich neben der Intelligenz auch das Gemüt des Kindes zu entwickeln. Das Kind läßt sich Märchen erzählen, spielt mit Puppen oder Tieren und beginnt, ein gefühlvolles Verständnis für die lebendige Natur zu ge winnen. Dieses Märchenalter entspricht wahrscheinlich jener Epoche, in der sich auch einer intensiveren Naturbeobachtung und unter dem Einfluß gewisser sozialer Bedürfnisse beim primitivsten Menschen die animistische(seelenkultliche) und totemistische(götzenkultliche) Religion herausbildete. Dieses Alter wird von einer Entwicklungsstufe abgelöst, die man Helden= oder Abenteueralter bezeichnen kann. Die Kinder dieses Alters(acht bis zehn Jahre) bevorzugen die wilden Bewegungsspiele in der freien Natur und zeigen einen deutlichen Hang zur Romantik. Ritter und Räuber, Indianer und Trapper, Rovinson und ähnliche Heldengestaiten stehen im Mittelpunkt ihrer Spiele, die mehr und mehr einen ausgeprägten Sinn für Solidarität und Ritterlichkeit auszuweisen beginnen. Das entwicklungsgeschichtliche Spiegelbild dieser Altersstufe müssen wir' etwa zu Beginn der Kultur der sogenannten höheren Primitiven suchen, zu einer Zeit also, als die Sippenordnungen entstanden, die einzelnen Völkerstämme regelrechten Krieg miteinander führten und die Technik bereits einen gewissen Grad von Kunstfertigkeit erreicht hatte. Allmählich kommen die Kinder dann in die Zeit der Vorpubertät (etwa 11 bis 13 Jahre), während deren die Spiele mehr und mehr praktischen Charakter annehmen. Es ist die Zeit, in der der Junge bastelt. z. B. Faltboote und Radioapparate baut, und in der das Mädchen sich aus eigenem Antrieb in Küche und Garten zu betätigen beginnt. Hier liegt der Uebergang vom Spiel zur Wirklichkeit, und auch der Lesestoff dieser Altersklasse bevorzugt die zwar noch abenteuerlich=spannenden, jedoch schon wirklichkeitsnahen Geschichten(Detektiverzählungen, Entdecker= und Forscherberichte und dergleichen). Tritt der Jugendliche dann, je nach seiner körperlichen Konstitution früher oder spater, in die Zeit der Reise(Pubertätszeit) ein, so kann man seine Beschäftigung eigentlich nicht mehr als Spiel bezeichnen. Sofern man von dem leider allzu häufigen sozialen Druck absieht, der zu verfrühter Erwerbsarbeit nötiat. kann man doch nicht verrennen, daß die sportliche und geistige Betätigung der Jugend in der Reifezeit noch nicht den Charakter der reifen, unmittelbar in den Dienst der Gesellschaft gestellten Erwachsenenarbeit trägt. Die Tätigkeit der Jugendlichen stellt vielmehr eine zielbewußte Vorbereitung zu dieser späteren Erwachsenenarbeit dar, zu der der Körper trainiert und der Geist ausgebildet werden soll. Hoffen wir, däß eine künftige günstigere Entwicklung unserer Gesellschaft auch der proletarischen Jugend die Möglichkeit einer ruhigen Entwicklung geben wird. Ewald Bohm. Kinder singen auf der Strasse Sie schmettern ihr Lied, sich allein zur Freude Voller Schwermut hängt der Winterhimmel über der Stadt. Auch das Antlitz der Stadt spiegelt Schwermut. Der Rauch der Schlote zerfließt schwarz auf dem Grau und zottelt langsam über die Dächer, die feucht schimmern von den Nebeln der langsam herandämmernden Nacht. Manchmal blauen kleine Aetherinseln auf und leuchten eine Zeitlang mit silberhellen Säumen, bis schwere Wolken sie wieder unter sich begraben. Die Straßenbäume halten ihre Aeste wie gespreizte Reisigbesen in die Luft. Ihr totes Laub ist mit dem Staub des Asphalts in die Gosse gekehrt und wie Müll und Schutt abgefahren worden. Aus Seitengassen kommt der Wind, der dort geduckt lauert, um die Ecke gefegt und fällt einen überraschend an, ehe man den Hut tiefer in die Stirn gezogen hat. Sein Atem ist kalt und frostig geworden; Gesicht und Hände empfinden unangenehm, wie sich die verkühlende Haut rötet, und ziehen sich verdrossen in Kragen, Pelz und Handschuhe zurück. Die Schaufenster langweilen sich in dem unfreudigen Wetter und sehnen das künstliche Licht der AbendAtemgymnastik der Kleinsten Atmen heisst leben! Mehr und mehr gewinnt dieser schlichte Satz an Gewicht in unserer Gesundheitspflege. Eine regel= und planmäßige Atem gymnastik morgens nach dem Aufstehen, und während des Tages und den Arheitspausen ist dem neuzeitlichen Menschen zu einem selbstverständlichen Bedürfnis geworden; machen sich doch die Vorteile einer kräftigen Körperdurchlüftung schon nach wenigen Proben deutlich fühlbar. Der ermüdete— das bedeutet: der mit Kohlen säure überladene— Körper erfährt durch tiefes Atmen in frischer Luft eine energische Sauerstoffzufuhr und Kohlensäureabfuhr. Die Schlacken in den Adern, die sich, vom trägen Blutumlauf nicht ge hindert, sestsetzen wollten, werden vom frischeren Strom ergrifsen und fortgespült. Der Körper wird leicht beschwingt,„lebendig“, und das Herz wird froh. Auch Schulkinder läßt man längst durch regelmäßiges Tiefatmen in den Pausen dieser Körperauffrischung teilhaftig werden; und werden sie in dumpfer, überfüllter oder überheizter Klasse auch einmal innerhalb einer Stunde wieder müde(kohlensäureüberladen), so heißt es: Fenster auf und zehnmal recht tief atmen!— Und siehe da, nach wenigen Minuten bietet die vorher so schläfrige Kinderschar ein Bild munterer Frische. So leicht man Schulkinder für das regelmäßige Tiefatmen gewinnen kann, da sie schon einem kleinen Vortrag über die dabei ablaufenden Vorgänge folgen können, so schwierig ist es, unsere Kleinsten zu häufigerem und durchgreifendem Tiefatmen anzuhalten. Das Kleinkind in seinem Ueberschuß an Wohlbefinden, in seiner vom Schul= und Stubenzwang noch unbeschnittenen Freiheit ist unseren Sorgen von Krankheit und Ermüdung abhold und mag nichts davon hören.— So frisch und frei aber ein Kleinkind auch aufwächst, so wertvoll ist es doch auch ihm, wenn seine Lungen öfters restlos durchlüftet werden bis hinein in Partien, die von seinem gewohn heitsmäßigen flachen Atmen, ja, auch von seinem tieferen Atmen beim Laufen und Springen nicht erreicht werden. Da gibt es für die Mutter ein paar einfache Mittel, auch die Kleinsten dahin zu bringen, spielend, doch mit ganzer Inbrunst tief zu atmen. Haben wir nicht das bei allen Kindern so beliebte Blas horn, die feine Mundharmonika? Hinaus damit an die Frühlingsluft oder in den Sommermorgen! Musik machen schon einjährige Kinder gern, und es ist gar nicht schwer, sie zu recht langgezogenen Tönen zu verlocken. Mit drei Jahren nun gar kann ein Kind schon kleine Lieder oder doch lustige Tonleiterr hinauf und hinab spielen, die seinen ganzen Vorrat an Atem herausfordern und es zwingen, tief wieder einzuhoien— Mein Kind nahm seine geliebte Mund harmonika jeden Morgen mit zur Schule, um sich unterwegs ein Liedlein zu spielen. Welch herzerfreuender Anblick, so ein 1=Männchen mit dem Tornister und der Mundharmonika! Welch tiefer Gewinn aber auch für den kleinen Menschen, ganz abgesehen vom musikalischen. Ein anderes seines Tiefatemspiel gibt es noch für unsere Kleinen, bei dem sie ihre verbrauchte Kohlensäure als buntschillernden Ball fortfliegen sehen können. Ich meine das nicht minder beliebte Seifenblasenmachen. Ein Strohhalm und etwas Seifenbrühe genügen, um das Kleinkind auf Stunden zum ganz lanasamen und ganz energischen Atmen anzuregen. Wer wollte nicht gern die größte und damit die bunteste Seifenblase haben, selbst auf die Gefahr hin, daß beim leisesten Hauch die ganze Herrlichkeit zerplatzt? Auch bei diesem Spiel ist der Platz am offenen Fenster oder noch besser ganz draußen natürlich der geeignetste. Besonders lüftungsbedürftig ist unser Körper nach dem Schlafe, erst recht nach einem Schlaf bei geschlossenen Fenster. Die Mutter lüftet jeden Morgen sorglich das Bettchen ihres Lieblings; aber wie viel wichtiger es noch wäre, seinen kleinen wachsenden Körper durchzulüften, das bedenkt sie nicht. Um dies recht schnell und gründlich zu besorgen, genügen schon ein paar tiefe Atemzüge aus der frischen, kühlen Luft am offenen Fenster; es genügt auch ein kleines Lied, gesungen oder mit der Mutter mitgesummt. Wo aber ein Garten beim Hause ist, da kann die Mutter Morgens ihr Kind an die Hand nehmen, um es draußen an all den großen und kleinen Blumen riechen zu lassen, ganz tief und andächtig. Da ist vielleicht sogar etwas Tannengrün, das so herrlich duftet, im Sommer wie im Winter. Wie munter wird da das verschlafenste Kind, wenn es unbewußt sich so erfrischt bis in die letzten, sonst vergessenen Kämmerlein seiner Lunge! Daß solche Uebungen, seien sie nun bewußt und planmäßig oder spielend unternommen, den Brust= und Atemumsang vergrößern und dadurch den Blutkreislauf beschleunigen, liegt auf der Hand. Auch der gewohnheitsmäßige Atem wird damit größer, und der Gewinn für den kleinen oder großen Menschen ist kaum auszuschöpfen. Anni Weber. beleuchtung herbei, das ihre Auslagen in Märchen von Farbe und Schimmer verwandelt. An einer Haltestelle warten schwarzgekleidete Menschen auf die Elektrische. Die Männer stehen steif, zurechtgetakelt, zylindergekrönt und plaudern in Gruppen. Abseits von ihnen haben sich einige Frauen um eine Kranzträgerin geschart. Das wagenradgroße Lorbeergebinde ist mit weißen Chrysanthemen und einer weißen, goldgeschrifteten Schleife geziert. Zwei Wagen füllen sich mit Trauerteilnehmern. Sie bimmeln leiser als sonst, da sie die Fahrt nach dem Friedhof beginnen. Noch höre ich ihr schrilles Geräusch in der nächsten Kurve, da hallt ein Kindersingen an mein Ohr. Es ist eine lustige Weise, die, unbekümmert um Wintertrübnis und Trauer, in den gewohnten Lärm des Tages einbricht. Drei kleine Knaben, die sichtlich über die Kraft ihrer Stimmen erfreut sind, singen weniger schön als laut. Auf den ärgerlichen Zuruf eines Passanten hin schweigen sie verdutzt. War dem Manne die kleine Ausgelassenheit so unangnehm? Störten ihn die kindlichen Stimmen mehr als Autohupe, Motorgeratter, Radfahrergeklingel und Lastwagengepolter? Fast scheint es so. Aber die kleinen Sänger haben sich den Zwischenfall nicht sehr zu Herzen genommen. Sie singen eine neue Weise. Das Lied vom Müller, dessen Lust das Wandern ist. Das heißt: der Größte singt den Text, den er wohl in der Schule gelernt hat; die anderen beiden trompeten nur die Melodie, indem sie auf dünnen Holzstäben, die von eifrig fingernden Händen bearbeitet werden, mit Begeisterung und Ausdauer blasen. Der Wind wühlt ihnen derb in Kleidern und Haaren, denn sie sind mantel= und mützenlos. Es schert sie nicht. Sie singen.... Ihr fröhliches Trio triumphiert minutenlang über die geräuschvolle Hast der Menschen. Dann verlieren sich die Stimmen, als marschierten die Knaben tiefer und tiefer in einen dichten Wald. Der vereinzelte, mein Ohr noch erreichende Ton wird kleiner und leiser, bis er nicht mehr zu hören ist. Die Menschen, die mir entgegenkommen, scheinen den frohen Gesang gar nicht gehört zu haben. Auf ihren gleichgültigen Gesichtern blieb nicht die winzigste Spur einer Freude zurück. Unterdessen ziehen die Knaben sicher schon am anderen Ende der Straße. Ihre Unbekümmertheit ist beglückend. Sie singen, ohne dazu gebeten worden zu sein. Sie singen, ohne nach Anerkennung und Beifall zu fragen. Ihr Lied klingt. Sie schmettern es, sich allein zur Freude. Verwunderlich ist, daß der schwermutstrübe Winterhimmel auf einmal so aufgeheitert dreinschaut. Ein warmer Sonnenstrahl fällt in die sangdurchtönte Straße. Klang ist Licht geworden. Eine goldene Spur leuchtet den Sängern nach. B. Abnahme der Säuglingssterblichkeit Der Anteil der„unehelichen“ ist noch immer etwa doppelt so hoch Mit dem starken Geburtenrückgang in unserem Jahrhundert steht die erfreuliche Abnahme der Säuglingssterblichkeit in engem Zusammenhang. Und zwar ist es nicht nur die absolute Ziffer der gestorbenen Säuglinge, die naturgemäß mit dem Rückgang der Geburten sinken mußte, sondern auch die Abnahme der relativen Säuglingssterblichkeit hängt mit der Geburtenbeschränkung zusammen. Den Grund hierfür erblickt Professor Hanauer(Frankfurt a. M.) mit Recht darin, daß in den Arbeiterfamilien, bei denen seit dem Kriege in steigendem Maße eine Geburtenregelung eingesetzt hat, den weniger zahlreichen Kindern ein größeres Maß an Pflege und Fürsorge zugewandt werden kann, als das früher bei einer verhältnismäßig großen Kinderschar möglich war. Die Hauptursache der verminderten Säuglingssterblichkeit liegt jedoch in den Wirkungen der organisierten Säuglingsfürsorge, die seit dem Beginn unseres Jahrhunderts einsetzte, und die jene segensreiche Propaganda für bus Selbststillen entfaltete, das alle die in die Augen springenden Erfolge auf dem Gebiete der Säuglingshygiene erzielt hat. Diese Abnahme des Säuglingssterbens, die in den letzten Jahren durchschnittlich von 13.8 auf 7.1 auf 100 Geborene, also etwa auf die Hälfte gesunken ist, kommt auch den unehelichen Kindern zugute, dank der besonderen Fürsorge, die durch die Berufsvormundschaften und die Beaussichtigung der Kostpflege gerade diesen Kindern zugewandt wird. Trotzdem ist die Sterblichkeit unehelicher Kinder immer noch doppelt so hoch wie die der ehelichen! Als zweite bemerkenswerte Aenderung in den Sterblichkeitsverhältnissen bezeichnet Professor Hanauer das Verschwinden des sogenannten„Sommergipfels“ und das an seine Stelle getretene Vorkommen eines„Wintergipsels". Früher galten Juli. August, September als die kritischen Monate der Neugeborenen. während ihnen heute die Sommerhitze anscheinend nicht mehr so viel an zuhaben vermag, der Winter dagegen mit seiner Kohlennot der größte Feind des Säuglings ist. Nicht mehr Magen- und Darmkrankheiten und Brechdurchfälle, die übrigens durch das sensationelle Verfahren der„Aepfeldiät“ meist leicht zu beheben sind, bilden neuerdings die hauptsächlichsten Ursachen des Säuglingssterbens, sondern allgemeine Lebensschwäche und Lungenentzündung. Besonders groß war der Anstieg der an Lebensschwäche Gestorbenen in den Kriegs= und ersten Nachkriegsjahren, was zweifellos auf das Konto der Kriegswirkung, seelische Erschütterung und Unterernährung der Mütter zurückzuführen war, auch auf den höheren Anteil der Knaben an den Geburten, die häufiger als die Mädchen an Lebensschwäche zugrunde gehen. Grippeepidemien und sonstige Erkältungskrankheiten, die Schwierigkeiten der Heizung, Bekleidung und Ernährung bedrohen die Neugeborenen auch weiterhin mit erhöhter Säuglingssterblichkeit. Dr. Lily Herzberg. * „ Zehn Jahre Frankfurter Akademie der Arbeit Von Alb. Schaffner Im Gegensatz zu früheren Jahren ist es den Gewerkschaften heute möglich, alljährlich aus ihrer Klasse eine Anzahl geistig regsamer Menschen heranzubilden, die die wirtschaftlichen Zusammenhänge erkennen und die mit geschärftem Verständnis an die Einzelheiten von Wirtschaftsfragen herangehen. Die bedeutendste Bildungseinrichtung, welche bisher von den Gewerkschaften aller Richtungen gemeinsam ins Leben gerusen wurde, ist die Frankfurter Akademie der Arbeit. Hier werden die Teilnehmer in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zur Mitarbeit und Selbstverwaltung erzogen. Bisher wurde immer der Einwand erhoben, daß die Arbeiter bei der Besetzung von staatlichen Funktionen nicht die genugend sachliche und fachliche Eignung hätten. Auch bei den ehrenamtlich Tätigen, wurde das oft festgestellt, zumal sie eine besondere Funktion inne hatten, und aus der Arbeiterschaft stammten. An der Akademie der Arbeit wird die Möglichkeit gegeben, sich diese fachliche und sachliche Eignung anzuwerben. Die Erwerbung von Wissen darf nicht nur das Privilegium der Besitzenden sein, es muß auch der Arbeiter die nötige geistige Schulung erlangen, die er für seinen sozialen Kampf braucht.— Vor allem tut eine solche Schulung den Betriebsräten not. Die Betriebsräte leisten ihre Erziehungsarbeit allerdings nicht in kapitalistischer Auffassung, sondern mit dem Gedanken an das Ganze. Das kann nur gelingen und fruchtbar wirken, wenn der große Fragenkomplex in Staat, Recht und Wirtschaft beherrscht wird. Wer letzteres nicht kann, hat selten eine klare Stellung und wird von seinen eigenen, eingeschränkten Gedanken, welche zwischen Vernunft und Gefühl schwanken, hin= und hergeworfen. Die Akademie der Arbeit ist von dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung auf Grund eines Vertrages mit den Spitzenverbänden der deutschen Arbeiter=, Angestellten= und Beamtenverbände am 3. März 1921 ins Leben gerufen worden.(Sie ist daher eine überparteiliche Einrichtung.) Aufgenommen werden Hörer beiderlei Geschlechts, welche eine gewisse Reise des Geistes und Charakters besitzen und eine bestimmte Berufsbildung und=erfahrung nachweisen können. Der Nachweis soll in freier Weise erbracht werden können. Das Dozentenkollegium kann auch solche Hörer zum Besuche der Lehrgänge, die in der Regel neun Monate dauern, zulassen, die nicht von einem der vertragschließenden Verbände delegiert werden; letztere werden vielfach von Gemeinden, Regierungsbezirken, Staaten usw. entsandt; außerdem gewährt der „Verein der Freunde und Förderer der Akademie. der Arbeit“ Teilstipendien für besonders begabte Hörer.— Der preußische Staat gewährt außerdem Zuschüsse für Exekursionen in jedem Lehrgang.— Neben den Veranstaltungen der Akademie steht den Hörern die Teilnahme an den Vorlesungen und Uebungen der Universität frei; sie haben ohne weiteres die gleichen Rechte und Pflichten der Besucher im Sinne der Universitätsstatuten. Die Akademie der Arbeit hat die Aufgabe, ihren Teilnehmern die nötige Berufsausbildung zu geben, ihnen aber auch darüber hinaus eine allgemeine Bildung zu verschaffen. Eine berufsmäßige Ausbildung(z. B. zum Juristen) kommt nicht in Frage. Denn es ist ein Irrtum, zu glauben, daß eine Berufsausbildung vollendet sei, wenn der Ausbildende das für die Praxis des Berufs Notwendige wisse und könne. Es kommt bei der Ausübung eines Berufes nicht allein darauf an, daß man etwas kann. Nur wenn eine Glaube an die Notwendigkeit der Berufsarbeit für ein Ganzes besteht, entsteht echte Berufsfreude, die sich willig in den Dienst der allgemeinen Aufgabe stellt. Die Akademie verschafft deswegen ihren Hörern eine Bildung, die ihr Denken und Schaffen mit allgemeinen Ideen verbindet und auf seine allgemeine Lebensanschauung einwirkt. Aus diesem Grunde wird nicht nur Sozialpolitik im weitesten Sinne, sondern auch Wirtschaft, Recht, Politik und Soziologie gelehrt. Dabei treten auch solche Lehrgebiete in den Vordergrund, die bisher auf den Arbeiterbildungsanstalten zurückgetreten sind, insbesondere Sozialismus, Nationalismus u. a. m. Die Teilnehmer sollen Führer der Berufsgenossen werden. Sie sollen in die Sphäre der Arbeit, aus der sie gekommen sind, wieder zurückkehren und sollen dann auf die gesamte Kulturgesinnung ihrer Berufsgenossen führend und bildend einwirken. Es finden Vorlesungen und Seminare statt. Jede Hörerschaft ist zugleich eine Mitarbeiterschaft. Die Akademie geht dabei von dem Gedanken aus, daß nur dann von einer fruchtbringenden Arbeit die Rede sein kann, wenn die rechte Resonanz in der Hörerschaft vorhanden ist, der einzelne Hörer sich in diesem bedeutsamem Lebensabschnitt mit der Akademie der Arbeit verbunden fühlt und so in voller Hingabe an der Ausprägung des eigentlichen Charakters dieser Lehranstalt einwirkt. Dabei ist wichtig, daß es zu einer wirklichen Zusammenarbeit einerseits zwischen Horer und Hörer und anderseits zwischen Hörer schaft und Dozentenschaft kommt. Die Akademie der Arbeit will die Universität nicht ersetzen, sondern sie ist nur als selbständiger Teil in die Universität eingegliedert und mit ihr verbunden, denn die Universitäten haben Ausgaben zu lösen, welche die Akademie nicht erfüllen kann. Die Universitäten dienen nicht nur der Lehre und Ausbildung, sondern auch der Forschung. Die Aufgabe unserer Zeit kann nicht die sein, die Universitäten zurückzudrängen, sondern sie ammer mehr ihrem eigentlichen Beruf zurückzugeben.— Bereits in den Arbeitsgemeinschaften tritt deutlich der Unterschied zwischen der Bildungstendenz der Akademie der Arbeit und der Universitätsausbildung(Gelehrtenbildung) hervor. Für den Studenten ist und bleibt die Wissenschaft die höchste Ordnung, die er gedanklich zu durchdringen und sich zu eigen machen versucht. Der Fragenkomplex, den er sich im Laufe des Studiums widmet, ergibt sich nicht als unmittelbare Fragestellung aus seinem sozialen und politischen Lebensschicksal, wie bei dem Hörer der Akademie. Das soziale und politische Moment wird in seiner wertbetonten Bedeutung in der Wissenschaft gemieden. Nur soweit diese Fragen wissenschaftliche Probleme darstellen, werden sie bei der wissenschaftlichen Bildung berück sichtigt, nur insoweit sind sie für die wissenschaftliche Forschung wichtia. Die Akademie bedarf wohl der Wissenschaft. aber nicht um ihrer selber willen. Ihre Eingliederung in die Universität kann daher nicht den Sinn haben, ihrern Hörern das Universitätsstudium zu erleichtern, sie hat eine durchaus eigene Aufgabe zu erfüllen, nur bedarf sie zur Erfüllung dieser Aufgabe der sachlich=verantwortlichen Hand der Wissenschaft. Diese wissenschaftliche Betätigung muß jedoch stets in ihrer rechten Begrenzung bleiben, wie es das Lebensschicksal des Arbeiters erfordert. Ein Bildungsinstitut, das seine Aufgabe nur darin sieht, seine Schüler mit der großen Hornbrille der heutigen Wissenschaft auszustatten, die Köpfe mit Begriffen vollzupfropfen und den einzelnen so fürs Leben untauglich macht, hat keine Daseinsberechtigung. Daß gerade Frankfurt a. M. für die Akademie als Sitz bestimmt wurde, ist kein Zufall. Es gibt wenige Städte, in denen die geschichtlichen Entwicklungsbedingungen so günstig liegen, wie hier. Durch große soziale Unternehmungen, wie das Institut für Gemeinwohl, das soziale Museum und die GeDer Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands hatte für den Bezirk Wuppertal=Elberfeld seine Funktionäre zu einer Konferenz nach Hagen eingeladen. Diese Konferenz gestaltete sich zu einer gewaltigen Kundgebung gegen die babsichtigte Lohnsenkung der Reichsbahnverwaltung. Zu dem vorgesehenen Tagesordnungspunkt:„Die allgemeine Wirtschaftslage und die Eisenbahner“ referierte der vom Vorstand des Einheitsverbandes entsandte Vertreter Breunig. Er verstand es in meisterhafter Form, das ihm gestellte Thema zu meistern und die heutige Wirtschaftskrise mit all ihren üblen Nebenerscheinungen und Urfachen aufzuzeigen. Seine gesamten Ausführungen galten der heute auch für die Eisenbahner brennenden Frage„Wo stehen wir und was ist zu tun, um aus dieser Lage herauszukommen“. In Bezug auf die deutsche Wirtschaftskrise zeigte der Redner, inwieweit dieselbe durch Rationalisierung, Monopolwirtschaft und Reparationslasten beeinflußt worden sei. Vor allen Dingen müsse jedoch die Arbeitslosenversicherung gesichert und eine allgemeine Arbeitsverkürzung erwirkt werden. Nicht Lohnabbau und dadurch verminderte Kaufkraft seien die Allheilmittel, sondern wirksamer Preisabbau und Stärkung der Konsumkraft könnten uns wieder aus der Wirtschaftskrise herausführen. Dann ging Redner auf die seitens der Reichsbahn geforderte Lohnsenkung ein. Anlehnend an das neue Reichsbahngesetz und die dadurch offengelassene Verkürzung der Arbeitszeit zeigte er die Erfolge der Gewerkschaften auf diesem Gebiet. Für 200000 Eisenbahner habe der 8=Stundentag erreicht werden können, was unbedingt als gewerkschaftlicher Erfolg zu buchen sei. In Verbindung hiermit zeigte er dann das brutale Vorgehen der Reichsbahn in Bezug auf die zwangsweise Anordnung der Feierschichten auf, durch welches das Lebensniveau der Eisenbahner auf ein untragbares Maß herabgedrückt worden sei. Dieses Vorgehen der Verwaltung trage wie auch die Lohnsenkungsaktion in der Industrie politischen Charakter. Es zeigte sich auch hier das Bestreben, das Tarifrecht zu zerschlagen. Ganz gleich wie auch die Entscheidung in dem die Feierschichten betreffenden Rechtsstreit auslaufe, müsse dieselbe ebenfalls politisch gewertet werden. Der versuchte Lohnabbau sei eine ungeheure Forderung der Reichsbahnverwaltung. 90 Millionen sollten an Lohnsummen eingespart werden, wo heute noch immer fast die Hälfte an vollständig unproduktiven Ausgaben wie Leistungszulage, Aufwendungen für Bahnschutz, Panzerzüge, Sportplätze usw. gemacht würden. Die Organisationen hätten deshalb die Forderung der Verwaltung als völlig undiskutabel ablehnen müssen. Die derzeitigen Hungerlöhne der Reichsbahnarbeiter bei gleichzeitiger Einlegung von Feierschichten ließen eine Lohnkürzung nicht meyr zu und sei daher dem Bestreben der Verwaltung der stärkste Widerstand entgegenzusetzen. Auch das Verhalten des Generaldirektors Dorpmüller und der Versuch des Verwaltungsratsvorsitzenden von Siemens, das Tarifrecht zu zerschlagen, wurden von dem Redner in gebührender Weise gegeißelt. Bei allem Verständnis der Eisenbahnerschaft für die heutige Wirtschaftslage könne dieselbe jedoch das Verlangen der Reichsbahnverwaltung nicht anerkennen, und müsse es so lange als böswillig ansehen, als hier noch Millionen unnütz vergeudet würden. Die dem Referat folgende Diskussion bewegte sich auf einem Niveau und zeigte eine Entschlossenheit, wie sie besser und machtvoller nicht sein konnten. Wenn auch die Hinweise auf die heute in der Bahnunterhaltung und den Ausbesserungswerken zur Auszahlung gelangenden wöchentlichen Hungerlöhne von 18 bis 23 Mk. die Nöte der Eisenbahner erschreckend klar darlegten, so zeigte doch der Hauptinhalt der Ausführungen die enge Verbundenheit mit der Organisation. Klare Erkenntnis des ökonomischen Werdens und politischen Geschehens, sowie der eiserne Wille alles zu tun, um die gewerkschaftlichen Errungenschaften bis zum äußersten zu verteidigen, trat hier klar zu Tage. Man sellschaft für wirtschaftliche Ausbildung, ist schon seit langem der Boden für den sozialen Erziehungsgedanken bereitet. Die Universität selbst ist aus der Sozial= und Handelsakademie entstanden, welche in der Ausbildung nichtakademischer Volkskreise ihre Aufgabe erblickte. Es blüht daneben in Frankfurt eine trefflich organisiertes, allen Bildungsinteressen Rechnung tragendes, von der gesamten Arbeiterschaft aller Richtungen mitverwaltetes Volksbildungswesen, das in volkstümlicher Weise alle Lehrarten in sich vereinigt. Die Akademie erfreut sich im Ausland großer Bedeutung und Anerkennung. Im Jahre 1928 wurde durch den Preußischen Landtag eine Etatisierung vorgenommen. Mit Stolz kann man auf ihre zehnjährige Entwicklung und Ergebnisse zurückblicken. Wie eine umfassende Rundfrage ergeben hat, sitzen in Stadtverwaltungen, Stadtparlamenten, Krankenkassen, Arbeitsgerichten und anderen wertvollen öffentlichen Funktionen ehemalige Schüler. erkannte hier, daß es neben dem Kampf um die Sicherstellung des Lohnes noch Großes zu meistern und zu erkämpfen wie zu verteidigen gibt. Der Ausklang dieser überaus eindrucksvollen Konferenz fand seinen Niederschlag in nachstehender Entschließung, die einstimmige Annahme fand. Entschließung: „Die am 15. März in Hagen tagende Konferenz der Vorstandsmitglieder aller Ortsgruppen und Hauptfunktionäre des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands, Bezirk Wuppertal=Elberfeld erhebt einstimmig Protest gegen den beabsichtigten Lohnabbau in der Gesamtwirtschaft, insbesondere bei der Deutschen Reichsbahn=Gesellschaft. Die Konferenz fordert, daß durch eine Arbeitszeitverkürzung der noch 9 Stunden tätigen Eisenbahnergruppen ein weiterer Abbau vermieden wird. Durch die für verschiedene Gruppen bereits eingtretene Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ist bereits ein derart erheblicher Lohnabbau erfolgt, der die Eisenbahner weit unter das Existenzminimum gebracht hat. Die Konferenz stellt sich geschlossen hinter ihre Führung und erwartet, daß alle Mittel angewandt werden, um den vorgesehenen Lohnraub zu verhindern. Die Anwesenden verpflichten sich, den heute in verstärktem Maße vorhandenen Bestrebungen der Unternhmer, die auf die Zerschlagung der Gewerkschaften und ihrer Errungenschaften hinzielen, den stärksten Widerstand entgegenzustellen. Sie werden im Hinblick auf ihre verstorbenen und jetzigen Führer mit verstärktem Mut und Glauben für die Befreiung der Arbeiterklasse kämpfen und alles daransetzen, um die Schandpläne der Unternehmer und ihrer Lakaien zunichte zu machen.“ Der deutsche Außenhandel ergibt im Februar im reinen Warenverkehr, aber einschließlich Reparationssachlieferungen, einen Ausfuhrüberschuß von 158 Millionen Mark gegenüber 58 Millionen Mark im Monat Januar und etwa 45 Millionen Mark im Februar 1930. Was will aber ein Ausfuhrüberschuß von einundeinhalbhundert Millionen Mark besagen, wenn die Einfuhr ständig sinkt und z. B. die Rohstoffeinfuhr im Februar 1931 gegenüber dem Februar des vorigen Jahres um sast 200 Millionen Mark zurückgegangen ist? Die Einfuhr im reinen Warenverkehr wird für Februar mit 620,3 Millionen Mark ausgewiesen Dazu kommt noch eine Gold= und Silbereinfuhr in Höhe von 53 Millionen Mark. Von dieser Einfuhr entfallen 171,8 Millionen auf Lebensmittel (Januar 1931= 213,3, Februar 1930= 278,4) und 331,4 Millionen Mark auf Rohstoffimporte. Der Rohstoffimport betrug im Februar 1930 523,8 Millionen Mark. Es liegt also nicht nur ein wertmäßiger Rückgang, der sich durch die Preissenkung auf den großen Rohstoffmärkten erklären würde, vor, sondern auch ein mengenmäßiger. Allerdings muß man in Rechnung stellen, daß sich die Verarbeiter während der Preisdepression immerhin mit Vorräten versehen haben. Andererseits müßte die festere Stimmung auf einzelnen Märkten die Einfuhr beleben, was leider noch nicht festzustellen ist. Die Ausfuhr beträgt 733,2 Millionen Mark. Dazu kommen Reparationssachlieferungen in Höhe von 45,1 Millionen Mark, so daß sich die Gesamtausfuhr auf 778,3 Millionen Mark stellt. Der Hauptposten entfällt auf Fertigwaren. Die Fertigwarenausfuhr wird für Februar 1931 mit 591 Millionen Mark angegeben; gegenüber dem Vormonat(575,1 Millionen) liegt eine Steigerung vor. Sie betrug aber im Februar 1930 nicht weniger als 755,9 Millionen Mark. Der Abfall ist also recht beträchtlich. Zugenommen hat im Februar der Export in Textilien, ebenso die Ausfuhr von Eisenbahnoberbaumaterial. Anhaltspunkte für die Entwicklung des Außenhandels könnte eine Umrechnung auf die arbeitstägliche Bewegung ergeben. Danach hat die Einfuhr im Februar arbeitstäglich 25,2 Millionen Mark ausgemacht gegenüber 24,8 Millionen im Januar. Die Ausfuhr an Reparttionssachlieferungen hat sich von 27,9 Millionen im Januar auf 30,5 Millionen gesteigert. Die Steigerung im Export beträgt demnach etwa 9 Prozent, was immerhin als hoffnungsvolles Zeichen zu registrieren ist. Große Eisenbahnerkundgebung MNe W Eih Ein Zeitgenosse Bachs Am 14. März jährte sich, von der Oeffentlichkeit kaum beachtet, zum 250. Male der Geburtstag Georg Philipp Telemanns, eines Komponisten, der als einer der größten seiner Zeit galt, uno dessen europäischer Ruhm den seiner Zeitgenossen Bach und Händel bei weitem überstrahlte. Nur seine Vaterstadt Magdeburg veranstaltete letzthin ein Vormittagskonzert aus seinen Werken, deren er in unermüdlichem Fleiße so viele geschaffen hatte, daß ein moderner Forscher ihn den vielleicht fruchtbarsten Tonsetzer nennt, der je gelebt hat. Eine Rundsunkübertragung vermittelte den Wenigen, die sich heute noch für den Komponisten Telemann inter essieren, dieses Magdeburger Konzert. Während eine zu seinen Lebzeiten erschienene Biographie mit den Versen schließt:„Ein Lully wird gerühmt, Corelli läßt sich loben, nur Telemann allein ist übers Lob erhoben“, bezeichnet ihn einer unseret beheutendsten Histotiket als das Urbild eines deutschen Kom ponisten von Amts wegen. Zwei Jahrhunderte vermögen eben manches Tagesurteil zu berichtigen. Eine komplizierte Natur war Telemann sicher nicht. Als der Zwölfjährige, der bereits eine Oper komponiert hatte, von seinen„Notentyrannen“, wie er erzählt, auf eine Lateinschule geschickt wurde, wußte er sich mit diesem Schicksals schlage leicht abzufinden:„Music kann mit Latein sich wohl ver knüpfen lassen, wie dies das Altertum vorlängst schon dargetan. Ein Kopf, der fähig ist, die Harmonie zu fassen, sieht auch den Cicero für keinen Kobold an. Diese seine Kompromißnatur wurde Telemann in seinem späteren Leben von großem Nutzen. Nachdem er einige Zeit als Kapellmeister an Fürstenhöfen verbracht hatte, treffen wir ihn in Frankjurt am Main, wo er die erste Konzertvereinigung der Stadt gründet „Aber wie gerathe ich zu denen Herren Republicanern, bey welchen, wie man glaubet, die Wissenschaften wenig gelten?" Nun, er scheint seine Erfahrungen gemacht zu haben, denn schon einige Zeit früher berichtet er:„Der Hof wurde zu zweien Mahlen großen Theils ab gedanckt, und selbst Günstlinge wurden mit fortgerissen: ich aber blieb. Sonst hat die Music insgeheim den Vortanz.“ Und er macht die Bemerkung: wer zeitlebens festsitzen wolle, müsse sich in einer Republik niederlassen.— Diesem Grundsatze blieb er treu, wenn auch nicht in Frankfurt, so doch in Hamburg; das er eine„milde Vorsorgerin mancherley Künste“ nennt. Seine volle Zufriedenheit scheint aber auch diese Regierungsform nicht gefunden zu haben wegen der Engherzigkeit, mit der die Hamburger Ratsherren die von ihm vorgelegten Rechnungen stets kürzten. Schließlich blieb er aber in diesem ständigen Kampfe auf eigenartige Weise Sieger. In einem Protokoll heißt es, man möge ihn diesmal ganz ausbezahlen in Ansehung seines hohen Altets und unter Berücksichtigung dessen, daß er vermutlich in seinem Leben keine Rechnung mehr übergeben werde. Aus diesen Rechnungen, die hauptsächlich Musikerhonorare betrafen, erfahren wir ferner, daß die Musiker damals streng in Klassen eingeteilt waren: voran die Ratsmusikanten; dann folgten die„Rollbrüder“(die nach bestimmten Gesetzen— Rollen leben mußten), und den Beschluß bildeten die„Grün= oder Bierfiedler“, die im Grünen zum Bier aufspielen durften. Telemanns Kompromißnatur ist aber auch ein Schlüssel zu seinen großen Erfolgen. Schwierige Kompositionen sind nicht sein Fall, denn:„wer vielen nützen kann, thut besser, als wer nur für wenige schreibet; nun dient, was leicht gesetzt, durchgehends jedermann: Drum wird's am besten seyn, daß man bey diesem bleibet.“ Sein Leben brachte ihn auch persönlich mit Johann Sebastian Bach in Berührung. Aber wenn er auch der Taufpate Philipp maniels wurde, so ist es doch klar. daß es bei der Gegensätzlichkeit der bei in Künstlernaturen zu keiner herzlichen Freundschaft kommen konnte. Wie wenig sie gemeinsam hatten, erhellt genügend daraus, daß Telemann berichtet, er sei als Knabe seinem Klavierlehrer nach vierzehntägiger Marter davongelaufen, weil ihm bereits„muntrere Töngens“, im Hirn spukten. Dennoch ließ es sich der Dichter Telemann nicht nehmen, ein Sonett auf den Tod Bachs zu schreiben. Einmal waren sie auch nahe daran. Konkurrenten zu werden, nämlich bei der Bewerbung um die Kantorstelle an der Thomaskirche in Leipzig. Telemann wurde von den Ratsherrei vorgezogen. Sie wollten ihn sogar von den mit der Stelle verbundenen Schulmeisterpflichten entbinden; nur des öffentlichen Auftretens, als Opetnsänger müsse er sich enthalten. Lediglich dem Zufall, daß Telemann doch lieber in Hambura blieb, ist es zuzuschreiben, daß die Begriffe Bach und Leipziger Thomaskantor für alle Zeiten verbunden bleiben. Die Eitelkeit, die den Erfolgreichen so leicht befällt, trieb bei Telemann sonderbare Blüten, deren kostbarste wohl die ist, daß er voll Stolz seinen ersten Schwiegervater als einen Mann beschreibt, der nicht nur hintereinander Kapellmeister, Bankier und päpstlicher Capitain war, sondern auch ein derart gelehrte Contrapunkt, daß er ausrechnen konnte, daß man die Geige auf zweitausend verschiedene Weisen falsch stimmen könne. Wer Lust bekommen sollte, noch„Mehres von seynen Vorfällen zu hören, der sei auf eine köstliche Quelle verwiesen, die im Neudruck überall zu haben ist: Es ist dies eine Sammlung von Selbstbiographien, von Telemanns Altersgenossen Mattbeson unter dem Namen„Grundlage einer musikalischen Ehrenpforte“ herausgegeben. Um aber gleich eine eventuelle Enttäuschung vorwegzunehmen! Johann Sebastian Bach ist durch diese Ehrenpforte niemals geschritten! H. E. 70 Jahre Trichinose Im Jahre 1931 jährt es sich zum 70. Male, daß in München eine der gefährlichsten Krankheiten, die Trichinose, erkannt wurde. Ende Januar 1861 erkrankten dort von einer siebenköpfigen Familie fünf Personen. Die von der Krankheit Befallenen klagten über auffallende Müdigkeit, Frost und Hitze und starkes Fieber. Zunächst dachte man an Vergiftung durch Nahrungsmittel; später stellte man die Diagnose auf Typhus. Nun aber zelgten sich bald auch Erscheinungen, die bei Typhus nicht auftreten, nämlich eine hochgradige Empfindlichkeit der Extremitäten, deren leiseste Berührung die fürchterlichsten Muskelschmerzen hervorrief. Am stärksten war das Oberhaupt der Familie und dessen Bruder von der Krankheit befallen; es traten Lungenaffektionen ein, und der Tod erlöste am 10. und 11. Februar beide von ihren schrecklichen Leiden. Bei den anderen Familienmitgliedern verlief die Erkrankung in milderen Formen, um balb ganz zu erlöschen. Die am 13. Februar an den Verstorbenen vorgenommene Sektion löste das Rätsel. Das Gewebe der willkürlichen Muskeln erschien mit zahlreichen kleinen Würmchen durchsetzt. Der die Sektion leitende Professor sah die Tiere jedoch nicht als die eigentlichen Krankheitserreger an, während sein Assistent, Dr. Karl Weigel, sie als Urheber der Erkrankung erkennen zu müssen glaubte. Seine Annahme wurde anfangs als irrig abgewiesen. Bald darauf kam jedoch von Dresden die Nachricht, daß im dortigen städtischen Krankenhaus ein Dienstmädchen unter den gleichen Erscheinungen gestorben sel; und die Sektion ergab auch dort das gleiche Bild wie in München. Professor Zenker bezeichnete nun die Wütmchen bzw. Trichinen, die man bisher für harmlos gehalten hatte, als die Ursache der Muskelerkrankung, und weitere Untersuchungen bestätigten diese Annahme. Die Entschuldigung Der große Kalif Harun al Raschid fragte eines Tages seinen Hofdichter und Hofnarren Abu Nawas, ob der fähig wäre, ihm etwas Böses anzutun, dessen Entschuldigung schlimmer und schwetwiegender als die Schuld selbst wäre. Er versprach auch, ihn gegebenenfalls reichlich zu belohnen. Abn Nawas ließ einige Tage verstreichen. Eines Abends verbarg er sich hinter Buschwerk, als Harun al Raschid in seinem Garten auf dunklen, schmalen Pfaden spazieren ging, und knuf den Kalifen, während er an ihm vorbeischritt, kräftig in den Arm. Auf diese unerhörte Tat hin wandte sich Harun al Raschid zornentbrannt um und erblickte zu seinem größten Erstaunen Abn Nawas auf den Knien, „O, ich bitte tausendmal um Verzeihung, Herrscher, aber ich habe dich in der Dunkelheit für die Sultanin gehalten.“ Kaum hatte der Kalif diese Entschuldigung gehört, die schlimmer und unverschämter als die ungehörige Tat selbst war, so ließ er, außer sich vor Zorn und Entrüstung, den Scharfrichter holen. Nun erhob sich Abu Nawas von den Knien und sprach:„Verzeihung, Herrscher, aber ich erwarte die versprochene Belohnung, nicht den Scharfrichter, und erinnere dich an deinen Auftrag.“ Harun al Raschid lachte sich halbtot über den Einfall seines Hofnarren und belohnte ihn reichlich. (Einer orientalischen Legende nacherzählt von B. H.) [OTEF MARLAFRANK Copyright 1930 by„Der Bücherkreis Cmbll.“, Berlin SW 61 (66. Fortsetzung.) „... dankedankemachtsich. Kann nicht klagen, Geschäft so lila, wissen ja...“,.. unerhört schicke Bar, fabelhafter Cocktail und dabei sehr gutes Publikum...“,„... ach, der Süße, siehmal, is der nicht süß, gib Pfötchen, komn.... going out to do some shopping and...“, alles Schiebung, die ganze Politik kann mir...“,„... Nachtausgabeachtuhrachtuhrabendblatttempotempo! Liebesdram der Sechzehnjährigen! Sechzehnjähriger erschießt seinen Freund...“,„... wie kannste mit die zwanzig Mark die Woche besteh'n, verhungern kannste nich und leben ooch nich, aber hier sitzense, sieh'ma, hier sitzense un fressense, sieh'ma da...“..... gutmachenwit. Also morgen Konkutsantrag...“,„.. banke, mi: dem Verdienst un die Laube könn'wa ja scheen ausromm....„bußliche Rutte, bis woll beschickert, wa, paß mal uff, siehste nich, det Jrün is!“ Das ging auf Marie. Haarscharf vor ihr bremst der Wagen, schleudert um ein Viertel nach links. Marie hört nichts, Marie sieht nichts, Marie taumelt weiter. Hinter ihr kopfschüttelt man, lacht man, schimpft man, regt man sich auf:„... da müßte doch die Polizei!“,„... besofine Weiber, schöne Wirtschaft in der Republik!“, „... kommt nur von der zu vielen Wohlfahrt! Kandare ran, sage ich!“ Marie hört nichts, Marie weiß nichts, Marie ist von der Idee besessen, Marie hetzt vorwärts über den Kurfürstendamm. Taumelt spitthaft, gespenstisch von Lichtreklamen Ulluminiert. Aus einem Lautsprecher quäkt Musik. Inzz im Lokal, beineschmeißender Fortrott. Drei Räder drehen sich, drehen sich tasend gegeneinandet. Sonderbar: sie wecken Marte. Verstört liest sie: „Himmel und Hölle“ Stiert und stutzt. Himmel und Hölle? Was soll das? Bald, bald. Dann wird es nur mehr Himmel sein, herrlicher blauet Himmel. Marie etschrickt. Jetzt weiß sie erst, daß sie im Kreise gegangen ist, daß sie zurückgegangen ist. Lähmung in Marie. Kommando in die Beine. Dabei das Bohren, das Kreisen, das krümmende Bohren Es wird immer schlimmer, immer bedrohlicher. Marie peitscht sich auf. Sie muß in den Wald. Wo ist denn der Wald, wo bleibt denn der Wald? Jäh stockt Marie. Jetzt fällt es ihr ein: Da fahren doch Straßenbahnen, warum—? Die Kirche mit dem Ring der flammenden Vergnügungspaläste versinkt hinter Marie. Sie hetzt wieder den Kurfürstendamm hinauf, stößt sich taumelnd hindutch durch die Mauer aus abgeschabten Anzügen, Maulwurfcapes, eleganter Maßarbeit, stößt mit den Ellenbogen gemalte Gesichtsfassaden, aalglatte Hochstapler, solide Bürger, brave Mittelstandsfrauen, gewitzte Wechselreiter, vornehme Hochfinanz zur Seite, stolpert über eine zur Schau gestellte bettelnde Prothese und einen Anruf:„Alte Kleider zu verkaufen?" und hetzt vorwärts. Hinter ihr Fluchen. Wutschrei, Mitleid, Angst, Lachen. Marie will über die Straße. Aber Wagen auf Wagen spertt den Fahrdamm. Kein Hinüberkommen. Marie schreit plötzlich auf, schlägt mit den Armen. Der Schutzpolizist springt hinzu, fragt barsch. Marie wimmert ihn an:„Zur Haltestelle, ich muß doch zur Haltestelle!" Der Polizist blickt verstört, hebt den Arm, stoppt ab, bringt Marie hinüber, schüttelt den Kopf, hebt wieder den Arm. Die wilde Jagd geht weiter. Lange, bis Marie im richtigen Straßenbahnwagen sitzt. Das stößt und sticht. Marie krümmt sich, wimmert vor sich hin, schwankt nach rechts und links. Neugieriges Blicken auf sie, aber keine Frage, nur Fortrücken und Kopfschütteln. Marie schreckt auf: Knattern, Helligkeit, Raketen, Feuerregen vom Himmel.— Das ist der Lunapark, da war sie einmal, schon lange her, mit Fritz und den Kindern, ja. Plötzlich lächelt Marie vor sich hin und sagt laut:„Lunapark!“ laut und bedachtsam, daß sich die Leute im Wagen Umdrehen und einer auf seine Stirn tippt:„Reif für die Doofenanstalt!“ Marie hört es nicht, Marie ist im Lunapark, ratternder eiserner See, sausende, krachende Berg= und Talbahn, pfeifendes Luftkarussell, Musikmusik, Raketen, die Kinder lachen, ein Arm drückt, das ist Fritz, das ist Fritz, der preßt ihren Arm jedesmal, wenn oben eine Rakete kracht und Feuerregen goldener, herrlicher Sterne prasselt. O. wieder das Bohren im Leib, der höllische Brand, Marie krümmt sich und stöhnt wieder. Der Lunapark ist tot. Der Schaffner muß Marie aufrütteln:„Endstation. Se müssen raue“ Marie nickt, reißt sich hoch, tritt, stolpert, fällt die Stufe hinunter, stürzt auf die Hände. Der Schaffner hilft hoch, ftagt verwundert:„Wat is'n mit Ihnen?“, Marie schweigt, schwankt, hält sich, taumelt vorwärts, in das Schwarz, das vorne droht: Schwarzer Wald, Kiefern, an denen der Sturm reißt, dunkle Verschlossenheit, die erlösen soll, gütige Finsternis, der Wald. Marie flieht hinein. Stolpert über holprige Wege, hetzt vorwärts ziellos dem Iiel entgegen. Der Sturm, klatschender Gewittersturm, wird stärker, fährt schrill durch die Baumreihen wie rohe Die Trichine oder der spiralförmige Haatwurm ist seit 1832 bekannt und erhielt bereits 1835 ihren Namen(Ttichina spiralis). Sie kommt am häufigsten im Schweinefleisch vor, aber auch bei Hund und Katze, Ratte, Juchs, Marder und Bär. Heute wissen wir, daß man zweierlei Arten von Trichinen untersechiden könne, nämlich Darm= und Muskeltrichinen. Die Darmtrichinen sind, da sie nur eine kurze Lebensdauer haben und in dem von ihnen befallenen Körper, keine Wanderungen unternehmen, an sich ungefährlich; sa, sie rufen überhaupt keine Krankheitserscheinungen hervor. Sie gehen aber schtell sehr fruchtbare Ehen ein und gebären im Laufe von 6 bis 8 Tagen Hunderte von lebendigen Jungen. Diese Neugeborenen sind die sogenannten Muskeltrichinen; sie sino geschlechtslos und bleiben nicht wie ihre Eltern im Darm, sondern begeben sich auf die Wanderung. So gelangen sie mit der Zeit bis in die feinsten Fäserchen des Muskelgewebes und kapseln sich dort ein. Nach Monaten wird so eine kleine Kapsel durch Ablagerung feiner Kalkkörnchen immer härter und hättet und dadurch als weißes Pünktchen im Fleisch sichtbat. In ihrem Nestchen kann die Trichine, durch diese Einkapselung für die Muskel unschädlich geworden, lange Jahre, beim Menschen bis„u 25 Jahren und noch länger, fortleben. Gelangt nun ein Stück trichinenhaltigen Fleisches in den Darmkana! eines Menschen, so löst sich die Kalkkapsel auf, die geschlechtslosen Trichinen werden qu Männchen und Weibchen, und zeugen wieder Junge, die es wieder genau so machen wie ihre Vorfahren. Seitdem die obllgatorische Fieischbeschau eingeführt wurde, ist die Trichinenkrankheit, gegen die bisher noch kein Heilmittel gefunden wurde, nur hin und wieder beobachtet worden. Diese Fleisch= beschau genügt völlig zur Bekämpfung, denn der Nachweis, ob Schweinefleisch trichinenhaltig sei oder nicht, kann sehr leicht und rasch durch das Mikroskop erbracht werden. Dozent Ewald Schild. Schmiergeld Ein Nep=Mann, ein nichtkommunistischer Unternehmer, ist bei dem Vorsitzenden der Arbeitsvergebungs=Kommission zu Besuch. „Und ich sage Ihnen“, meint der Nep=Mann,„die ganze Sache hat für mich keinen Zweck. Ich habe das sichere Gefühl, daß ich den Auftrag von Ihnen nicht bekomme...... B#rcum „Und ich habe das sichere Gefühl“, erwidert der Vorsitzende der Arbeitsvergebungs=Kommission,„daß Sie den Auftrag von mir doch bekommen. Wollen Sie tausend Rubel mit mir wetten...? Dann schon lieber Kopfschmerzen Bernard Shaw saß mit Paul Whiteman, dem rosigen, runden, nudeldicken amerikanischen Jazzkönig, zusammen. „Ich habe Kopfschmerzen“, sagte Shaw. „Sie haben Kopfschmerzen?“ fragte Whiteman besorgt.„Was kann ich tun; soll ich Ihnen etwas auf dem Saxophon vorblasen? „Nein“, erwiderte Shaw,„danke, danke sehr. Dann schon lieber Kopfschmerzen.“ Schwimmrekord eines Lachses Ein Lachs, der in Alaska mit einer Erkennungsmarke versehen worden war, wurde in einem der Ströme Sibiriens gefangen. Der Fisch hatte über 2000 Kilometer in 44 Tagen zurückgelegt. Hand über verstimmte Harfensaiten. Dumpf rollt Donner an und die Luft zittert. Marie spütt nicht, daß Tropfen auf Tropfen in ihr Gesicht trommelt. Sie fühlt nur herrliche Kühle, die erleichtert. So taumelt Marie Stunden hindurch im Kreise irrend immer tiefer in den Wald wie gehetztes Wild, das sich im Dickicht bergen will. Stark ist Marié, maßlos stark. Aber der Schmerz ist stärker. Tief stöhnt sie auf, will sich noch wehren. Vergeblich. Mächtige Faust drückt in die Kniekehlen. Keine Kraft mehr, gegenzustemmen. Die Knie berühren den Boden. Mählich, wie ein nicht ganz durchhauender Baum biegt sich der Leib, um dann plötzlich schwer zu fallen. Schrei peitscht neuen Schrei. Und immer fort. Marie flegt gefällt. Um sie herum Verschlossenheit, Finsternis, verkrampfte wie unterirdisch gtollende Nacht, von Wetterleuchten durchstochen wie von tückischem Aufblitzen lauernder Augen eines Riesen. Marie liegt gefällt. Die Finger sind phantastisch verkrampft und haben sich durch Brennesseln und Moos tief in die Erde verkrallt. Die höllische Kreissäge schwingt, kreist mit btennendem Schnitt. Der Boden scheint zu schwanken. Der Nebeldunst, der herauskriecht aus deni Boden um Marie, zittert unter Peitschenhieben neuer Schreie. Gewaltig bebt der Leib, der arte, unsagbar geräderte Leib. Letzter Aufschrei, höchste Steigerung und nun ermüdetes Abschwellen in erlösendes Stöhnen Luft greifendet Atemzüge. Die im Krampf geballten Muskeln im Gesicht lösen sich und lockern sich. Leicht und flockig flattert Unbestimmbares wie Anflug von Lächeln, dankbarem Lächeln, die schmalen zerbissenen Lippen entlang und schmiegt sich weich in die Mundwinkel. Das Stöhnen klingt ab wie in gedehnten Intervallen abklingende Tonleiter Müdigkeit breitet sich aus in Marie und wird schwer und zieht hinab. Die Finger lösen sich aus der Erde und legen sich gelockert in weiche Zartheit des Mooses. Marie liegt zwischen Ohnmacht und Schlaf und lächelt. Immer weniger hebt und senkt sich die Brust, die Bewegungen gleichen sich aus, die Atemzüge haben schon Regelmäßigkeit gefunden und Beruhigung, glättendet Frieden befreit die in der Wollust der Befteiung Gefangene. So liegt Matie. Stunden hindurch. Endlich Erwachen. Schüttelfrost durchschüttert den Leib, der schwer wie Blei und fast erstartt ist. Die Hände, nur mühsam beweglich, suchen und fassen durchnäßten, klammen Mantelstoff, stützen sich auf feuchten Boden und stemmen den Oberkörper hoch. Ringsum nur milchiges Grau der Nebelschwaden, dahinter Dunkelblau schattenhafter Biische und Bäume, darüber schon schmutzig alabastern durchschimmernder, blaßgelber Himmel, im Untergrund gerötet.(Fortsetzung folgt.) Sozia S Isinseln Die Verwirklichung des Fünfjahrplanes stößt in Sowjetrußland auf ungeahnte Schwierigkeiten. Um die Schuld an den Fehlschlägen von sich abzuwälzen, inszenieren die kommunistischen Machthaber von Zeit zu Zeit Schauprozesse gegen„Sabofeure des sozialistischen Aufbaus“. Nachdem alle möglichen Schädlingsorganisationen schon vor Gericht gestanden haben, ist man dieses Mal auf eine ganz besonders schlaue Idee gekommen. Vierzehn angebliche Sozialdemokraten wurden angeklagt, wirtschaftliche Sabotageakte organisiert zu haben. Dabei sollen sie von der ausländischen Menschewikidelegation, der deutschen Sozialdemokratie und der Zweiten Internationale finanziert worden sein. Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat die Behauptungen für unsinnige Lügen erklärt. Während die Angeklagten wie am laufenden Band unter der Knute der Tschekisten Geständnisse machten und der Prozeß mit großem Theaterdonner vor sich ging, katzbuckeln die höchsten Funktionäre der Sowjetregierung vor einer nach Rußland geladenen Abordnung deutscher Schwerindustriellen, deren Mitglieder als reaktionäre Scharfmacher bekannt sind. Gerade in diesem Augenblick gewinnen die in kurzem Auszug wiedergegebenen Untersuchungen des Vertreters Rußlands in der Exekutive der Sozialistischen Arbeiter-Internationale. Abramowitsch, über die„Lage der politischen Gelangenen in der Sowjetunion“*) aktuelles Interesse. *) Die Schrift„Die Lage der politischen Gefangenen in der Sowjetunion“ ist 52 Seiten stark und kostet 60 Pf. Sie ist in den Volksbuchhandlungen oder direkt durch den Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Berlin, erhältlich. Es ist ein tragischer Gedanke, das dieselben Männer, die jahr zehntelang dafür gekämpft haben, daß in Rusland„alle Ketten fallen sollen“, dast vom Antlitz der russischen Erde verschwinden sollen die„Schlüsselburg', die„eter-Paulsfestung“, die sibirischen Bergwerke und all die anderen Sumbole der Unterdrückung und Verfolgung, unter denen sie seinst so viel gelitten hatten.— dast dieselben Männer jetzt eine Due und noch schlimmere Hölle errichtet haben, auch für ihre eigenen Waffenbrüder von gestern, für ihre früheren Kampfgenossen. Louis de Brouckère! Arthur Crispien in ihrem Vorwort zu dieser Schrift. Was die Gefängnisse dar GPU. erzählen! Die Ursachen des Terrors Von den Verfolgungen, denen in Sowjet-Rußland alle politisch Andersdenkenden, insbesondere die Sozialisten, ausgesetzt sind, hat man auflerhalb Rußllands eine irrige Auflassung. Die politischen Verfolgungen sind unter dem Sowjetregime keine zufällige oder vorübergehende Erscheinung, sondern ein notwendiger Bestandteil des ganzen Systems, das auf dem Grundsatz des ausschließlichen, uneingeschränkten politischen Monopols der Kommunistischen Partei aufgebaut ist. Dieser Grundgedanke des Bolschewismus ist mit einer dankenswerten Offenheit in den bekannten Aussprüchen Bucharins und Tomskis ausgedrückt worden, die seinerzeit auch in der europäischen Presse veröffentlicht wurden. Auf die Frage, die man Bucharin auf dem Kongreß der Sowjetfreunde in Moskau im November 1927 stellte:„Kann in Rußland außler der kommunistischen noch eine andere Partei existicren?“, gab er zur Antwort: „Auch bei uns können andere Parteien(als die KP. existieren. Das grundsätzliche aber, das uns von dem Westen unterscheidet, besteht darin, daß die einzig denkbare Situation bei uns ist: die eine Partei regiert, alle übrigen sitzen im Gefängnis“(„TRUD“, 13. November 1927.) Massenverhaftungen und Haussuchungen Das System der Einschüchterung, der Desorganisierung und Demoralisierung findet am häufigsten seinen Ausdruck in den fast unaufhörlichen Massenvernattungen und Haussuchungen. Derartige„Operationen“ werden im ganzen Reiche alle paar Monate durchgeführt. Einen ganz gewaltigen Umfang nehmen sie jedoch an, wenn Tage von besonderer politischer Bedeutung herannahen(die Feier des 1. Mai oder der Novemberrevolution u. dgl.). Da die Vollmachten der politischen Polizei gänzlich unbeschränkt sind, dürfen Verhaftungen und Haussuchungen ohne Angabe von Gründen durchgeführt werden. Der mindeste Verdacht genügt. Die Anlässe können verschiedenster Natur sein: die Anzeige eines Spitzels, die Denunziation eines persönlichen Feindes oder Konkurrenten. die Tatsache der Zugehörigkeit zu einer der sozialistischen Parteien im Jahre 1917. ja 1905! Welche Methoden bei den Verhören der Tscheka im allgemeinen angewandt werden, darüber hat die Oeffentlichkeit in der letzten Zeit anläfflich verschiedener Prozesse manches erfahren. Stundenlange„Unterredungen“ mitten in der Nacht mehrere Tage hintereinander, wobei die Untersuchungsrichter sich ablösen. Schläge. Drohungen mit dem vorgehaltenen Revolver, Abführen zur angeblichen„sofortigen Erschiellung" (wozu die Tschekarichter, wie die Angeklagten sehr gut wissen, berechtigt sind), in ernsteren Fällen— ScheinerschieRungen mit der über den Konf gezogenen berüchtigten „Gummimaske“, sowie regelrechte Folterungen, wie in Kutais.— alle Register der Einschüchterungs- und Erpressungskunst werden gezogen. Die„Politisolatoren“ Die russischen Gefängnisse waren schon in der Vorkriegszeit bekanntlich keine zu angenehmen Aufenthaltsorte. Der Krieg und die Revolution haben sie nicht angenehmer gestaltet. Die gesundheitlichen Bedingungen, die Versorgung der Häftlinge und die allgemeine Beziehung zu diesen haben sich sogar bedeutend verschlimmert.,— insoweit politische Inhaftierte in Frage kommen. Man brauchte Dutzende von Seiten um die Provinzgefängnisse und insbesondere die Arrestlokale in den Dörfern zu schildern, in die die„politisch unzuverlässigen“, Bauern kommen Es ist selbstverständlich, daff in den großen modern erbauten zaristischen Gefängnissen in Moskau. Petersburg, Kien andere hygienische Zustände herrschen. Aber in diesen verhältnismällig anständigen Gefängnissen, die meistens als Untersuchungsgefängnisse benutzt werden, werden die politischen Gefangenen in den letzten Jahren nur in geringerer Zahl und nur für kurze Zeit gehalten. Als ausgesprochene Strafgefüngnisse zur dauernden Einkerkerung politischer Gelangenen(worunter immer nur Angehörige der proletarischen Parteien verstanden werden), kommen die sogenannten Politisolatoren“ in Betracht. Die gesundheitlichen und hygienischen Bedingungen in diesen Gefängnissen sind im allgemeinen recht unbefriedigend. Feuchtigkeit, schlechtes Licht. Kälte und vor allem unzulässige Ueberfüllung der Zellen ist das Kennzeichen fast aller dieser Gefängnisse. Man darf auch nicht vergessen, das die Gelangenen, die verurteilt sind, in diesen ungesunden Zellen mindestens 2 bis 3 Jahre zu verbringen, alle ohne Ausnahme vor ihrer Einlieferung in den betreffenden„Politisolator“ eine lüngere Haft im Untersuchungsgefängnis oder mehrere Jahre sibirische Verbannung bzw. Internierung in einem Konzentrationslager hinter sich haben, wodurch ihre geistige und.physische Verfassung naturgemäß stark gelitten hatte. Was Wunder, daß z. B. in dem Gefängnis von WerchneUralsk im Jahre 1028 70 Proz. der politischen Gelangenen krank waren, die meisten an Tuberkulose. Skorbut, Darmleiden und Nervenstörungen! Verurteilung ohne ordentliche Gerichte Nur in den seltensten Fällen nimmt die bolschewistische Regierung Zuflucht zum Gericht, um ihre sozialistischen Gegner verurteilen zu lassen. Genau wie die Zarenregierung. findet es die Tscheka bequemer für sich, mit den gelangenen Sozialisten auf administrativem Wege fertig zu werden. Sie bringt dazu neben der Gefängnishaft immer häufiger die administrative Verbannung in Anwendung, ein System, das sie den schlimmsten Zeiten des Zarismus entlichen hat. Wiederhergestellt wurden die scheußllichsten Verbannungspunkte in Sibirien, am Ural. im äußersten Norden der osteuropäischen russischen Gebiete, am Weillen Meer. Neu eingeführt wurde— eine Errungenschaft des Kommunismus!— die Verbannung nach den entferntesten Sandwüsten von Turkestan und Mittelasien. Jede Woche oder alle 14 Tage werden die aus allen Richtungen hergebrachten verhafteten Sozialisten— Arbeiter, Bauern und Intellektuelle, jung und alt(sehr häufig halbwüchsige Jungen und Mädchen), Gesunde und Kranke(auch Tuberkulöskranke in schwerem Zustande, halb erblindete und dergleichen), Frauen(oft mit kleinen Kindern auf den Armen)— in großen Etappentrupps in Arrestantenwaggons abtransportiert. Die zur Verbannung Verurteilten werden gewöhnlich nicht direkt nach ihrem Verbannungsort geleitet; sie müssen eine lange Reihe kleinerer Etappen passieren und in allerhand verkommenen und verwahrlosten Etappengefängnissen Rast machen. Auf diese Weise zicht sich die Reise nach dem Verbannungsort endlos in die L#in; sie dauert häufig Monate und wird zu einem gr.vollen Leidensweg. Besonders tragisch ist in dieser Hinsicht das Geschick derjenigen Verbannten, die nach Abbüllung ihrer Verbannungsfrist in Turkestan zu einer nochmaligen(2 bis 3jährigen) Verbannungsfrist nach dem äußlersten Norden verurteilt werden. Aus dem tropischen Turkestan im Sommer oder Herbst abtransportiert, kommen sie nach mehrmonatlicher qualvoller Etappenfahrt nach Sibirien bei 30 oder 40 Grad unter Null an. Und da ihnen, trotz aller Versprechen, in der Regel keine warmen Kleider geliefert werden, so kann man sich ihre Lage ausmalen, zumal noch manche Verbannte einen langen Weg zu Fuß zurückzulegen haben. In der Verbannung Die Bolschewisten haben(seit Februar 1922) die entlegensten und in gesundheitlicher Hinsicht verderblichsten Punkte zu Verbannungsorten ausersehen. Die Verhannten müssen sich in sumpfigen und malariaverseuchten Ortschaften aufhalten, völlig abgeschnitten von jeglicher Zivilisation unter den halbwilden Einheimischen, die— insbesondere in Sibirien— fast durchweg syphilitisch verseucht sind. Nach den Bestimmungen über die administrative Verbannung ist die Regierung verpflichtet, den Verbannten eine ausreichende Unterstützung zu gewähren und— in den nöndlichen Gebieten— die notwendige warme Bekleidung und Beschuhung zu liefern. In Wirklichkeit kümmert sich die Sowjetregierung herzlich wenig um die Verpflichtungen, die ihr durch ihre eigenen Gesetze auferlegt worden sind. Die Unterstützungen, die zum Unterschied von der Praris der zaristischen Regierung rein schematisch und ohne Berücksichligung der Familienverhältnisse des Verbannten festgesetzt werden, betragen: für Kirgisen 8.50 Rubei pro Monat, für Turuchansk 6.50 Rubel pro Monat, für Narym und Turkestan 6.25 Rubel und für die Republik Mari 10 Rubel. Diese Unterstützung reichte schon lange vor dem Beginn der letzten Teuerungswelle in keiner Weise aus, um auch nur die primitivsten Bedürfnisse der Verbannten zu befriedigen So betrug z. B. das allerniedrigste Lebensminimum in AlmaAta(dem Verbannungsort Trotzkis) 20 Rubel monatlich, während die Regierungsunterstützung 6.25 Rubel ausmachte. Die Konzentrationslager Alles Grauen des Kerkers und der Verbannung verblaßt vor dem von der GPU. geschaffenen System der Konzentrationslager. Dieses System ist im Jahre 1922 von der Sowjetregierung wiederhergestellt worden, diesmal aber für zivile Verbrecher aller Art. darunter auch für„Politiker“, d. h. Sozialisten und Anarchisten. Pertominsk soilte in einen Sammelpunkt für politische Gefangene aller Richtungen verwandelt werden. Aber dazu kam es nicht infolge der verzweifelten Kämpfe, die sich zwischen den Gefangenen und der Administration des Lagers abspielten, elie für die Politiker dasselbe Regime der Willkür. Ausbeutung und Zuchthausdisziplin einführen wollte, wie für die tausende Kriminellen, die in den Lagern untergebracht waren. Verriegelte Zellen, nackte Holzpritschen zum Schlafen, Entziehung von Licht. Wasser, Beheizung und Spaziergängen, gleiche Rationen mit den Kriminellen, Beschieflen der Fenster unter fortwährendem nervenzerrüttenden Heulen der Alarmsignale, Aufstellung von Maschinengewehren gegenüber den Gebäuden der Politischen. Bedrohung einzelner Genossen, auf die sich der Lagerdirektor Batschulis mit gezücktem Dolch warf,— dies waren die Mittel, mit denen die GPU. die widerspenstigen„Politiker“ bändigen wollte. Am 22. März 1923 entschloßl sich eine zur Verzweillung gebrachte Gruppe von Anarchisten, ihrer Qual durch Selbstverbrennung ein Ende zu machen. Nur mit der größten Mühe bei völliger Passivität der Behörden gelang es, die Selbstmörder vor dem schrecklichen Tode zu retten. Sowjet-Sachalin ... Was die neuangekommenen Sozialisten bei ihrer Ankunft von den alten Insassen der Solowetzki-Insel erfuhren. war nicht sehr ermunternd. Die ganze Insel stellte ein Zuchthaus dar. in dem die allerschlimmsten Methoden der Zarenzeit wieder eingeführt waren. Das Regime war noch viel grausamer und unmensdilicher, als auf der berüchtigten Insel Sachalin. Die Arbeitszeit der Sträflinge war nicht beschränkt: die Rationen zum Verhungern; zu essen gab es hauptsüchlich stinkenden, getrockneten Stockfisch: Mißhandlungen auf Schritt und Tritt und aus jeglichem Anlaß: jeder Baracenälteste, jeder Aufseher hatte das Recht, Stockschläge zu erteilen: die„höheren“ Beamten brauchten kein Recht dazu. sie schlugen wann es ihnen paste und womit sie wollten. Wegen nichtiger Vergehen kam folgende Strafe in Anwendung: Die zu Bestrafenden werden— manchmal zu Dutzenden— völlig entkleidet und auf 4 bis 6 Stunden den Stechmücken zur Fütterung aufgestellt und zwar gegen Abend. Nebenan wurde eine Wache aufgestellt, die aufzupassen hatte, daß die zur Mückenfütterung aufgestellten Sträflinge die Mücken nicht etwa davonjagten. Auch andere, nicht minder „zivilisierte“ Strafmethoden, die aus den Zeiten lwan des Grausamen stummten, kamen zur Anwendung: zum Beispiel die sogenannten steinernen Säcke. In ein sackartiges Loch der gemauerten Wand, in dem man weder liegen noch richtig enzen kann. wird ein Sträfling hineingezwängt— auf eine, ja auf zwei Wochen! Die roten Teufelsinseln Lleiben Es wäre verschlt zu glauben, daß die bolschewistische Regierung ihr Versprechen— die Hölle von Solowki für die politischen Gefangenen aufzulösen— auch wirklich gehalten habe. Schon im Herbst 1925 wurden 27 georgische Sozialdemokraten nach Solowki gebracht und dort(in den„Rotten“ 12 und 13) zusammen mit den Kriminellen untergebracht und als solche behandelt. Ohne Kleider, ohne Schuhe mullten sie die schwersten Arbeiten verrichten. Im Anfang 1927 zählte dlie politische„Kolonie“ auf Solowki bereits 100 Personen. Darunter 30 georgische Sozialdemokraten mit dem bekannten Genossen Telia an der Spitze. Alle diese Personen wurden nicht als Politische anerkannt und behandelt. Ihre Lage war verzweifelt. Ueber ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt geworden. Nach den letzten sehr zuverlässigen Nachrichten hat die Zahl der Internierten in den nördlichen Lagern außlerordentlich zugenommen. In dem Gelangenenlager Kemj. in dem sich im Jahre 1926 über 800 Gefangene(darunter 30 Sozialisten) befanden, sollen jetzt an 18000(l) konzentriert sein. Auf den Solowkiinseln ist die Zahl der Häftlinge Ende 1928 auf 27000 gestiegen. Planmäßige Ausrottung Als Lenin im Frühjahr 1921 die Einführung der„Neuen Oekonomischen Politik“ proklamierte, erklärte er gleichzeitig in seiner bekannten Rede. daß als Ergänzung zum nenen Kurs ein planmälliges System des Terrors gegen die Sozialisten durchgeführt werden würde. „Die Menschewisten und die Sozialrevolutionäre werden. wir behutsam im Gefängnis halten“, sagte Lenin. Aber das„behutsame Halten“ der russischen Sozialisten in den Gefüngnissen zum Zwecke ihrer politischen Unschädlichmachung bekam mit der Zeit einen ganz anderen Charakter. „Planmäßlige Ausrottung“, das ist die einzig richtige Bezeichnung für das Terrorsystem, das jetzt in Rußland gegenüber den politischen Gefangenen angewandt wird. „Planmüßlige Ausrottung“ aller Andersdenkenden, soweit sie es wagen, ihre Meinung offen zu vertreten.— dies ist eines der wichtigsten Elemente des bolschewistischen Fünfjahrplanes“ zur Verwirklichung des integralen Sozialisgnus in dem„ersten Arbeiterstaat der Welt“... Wer das nicht versteht, versteht nichts von dem Wesen der beischewistischen Diktatur in Rußland. Kann das Gewissen des sozialistischen Proletariats der Weit sich jemais mit einem Gerartisen System aussöhnen? □0 z. Der Mörder des Kandwerksburschen Stealantrag gegen den Versicherungsbetrüger Jstzner Regensburg, 17. März.(Drahtmeldung.) Die Nachmittagssitzung des Mordprozesses gegen das Ehepaar Tetzner begann mit der Vernehmung des Zeugen und Nebenklägers Alois Ortner, des jungen Mannes, an dem Tetzner einen Mordversuch verübt hatte. Klar und widerspruchslos schilderte dieser den Mordversuch. Nach Ortner wurde eine Freundin der Frau Tetzner vernommen, die in der Zeit der Mordtat mit ihr zusammenwohnte und die bekundete, daß Frau Tetzner beim Eintreffen der Nachricht vom angeblichen Tode ihres Mannes sehr gefaßt gewesen sei. Der Bruder der Frau Tetzner, der seinen Schwager als gewaltätigen und faulen Menschen schilderte, war zu der angeblichen Beerdigung Tetzners erschienen und hatte keinen Zweifel an dessen Identität mit dem Toten gehegt. Frau Tetzner sei bei der Beerdigung so erschüttert gewesen, daß er sie habe stützen müssen. Interessantes brachte die Vernehmung des Magdeburger Kaufmanns Maier, der am Tage nach der Tat von München nach Magdeburg fuhr und von Regensburg ab Reisegefährte Frau Tetzners war, die sich auf dem Rückweg nach Leipzig befand. Der Zeuge kam mit Frau Tetzner über astrologische Fragen in ein Gespräch. Nach seinen Angaben legte ihm Frau Tetzner mehrmals die Frage vor, ob sie in nächster Zeit viel Geld oder nähere Beziehungen zu Gerichten zu erwarten habe. Regierungsrat v. Griegern=Leipzig, der Tetzner in Straßburg verhaftet und zuerst verhört hatte, bekundete, wie Tetzner ihm das Geständnis gemacht habe, daß dem Eroffnungsbeschluß der Verhandlung zugrunde liegt. Der erste deutsche Richter, der Tetzner auf deutschem Boden vernommen hat, war Amtsgerichtsrat Dr. Gerb in Müllheim(Baden). Nach seiner heutigen Zeugenbekundung legte ihm Tetzner dasselbe Geständnis ab, wie dem Regierungsrat v. Griegern. In der Vormittagsverhandlung des zweiten Tages wurde als letzter Zeuge der Regensburger Untersuchungsrichter vernommen. Der Zeuge bekundet, daß Tetzner auch ihm gegenüber bei seiner ersten Vernehmung in Regensburg zugegeben hat, einen lebenden Menschen im Auto verbrannt zu haben. Dieses Geständnis hielt Tetzner bei seinen weiteren Vernehmungen bis zum Mai aufrecht. Vermutlich durch seinen Anwalt habe er dann von der Auffassung des medizinischen Sachverständigen Dr. KockelLeipzig gehört. Darauf habe er unvermittelt seine Aussage dahin geändert, der Ermordete sei lediglich das Opfer eines Autounfalles geworden. Nun wurde den Sachverständigen Gelegenheit zur Erstattung ihrer Gutachten gegeben. Als erster Gutachter wurde Dr. Kockel=Leipzig gehört, der in einstündigen Ausführungen seiner Meinunn über das Opfe: Tetzners, das zweiselsfrei erst als Leiche verbrannt worden sei, Ausdruck gab. Hierauf erstattete der Erlanger Professor Molitoris sein Gutachten. Er berichtete ebenfalls sehr ausführlich. Er hielt die Beweisführung Dr. Kockels im einzelnen nicht für stichhaltig; er, der Gutachter, sei schon deswegen der Meinung, Tetzners erstes Mordgeständnis treffe zu, weil die Schilderung des Leichentransportes für jeden Anatomen etwas unglaubhaftes habe. Nach nochmaligem Auftreten dieser beiden Sachverständigen, die ihre gegenseitigen Auffassungen nochmals vertraten, wurde der Leiter der Regensburger Heil= und Pflegeanstalt Dr. Vierzigmann aufgerufen, der Frau Tetzner auf ihren Geisteszustand untersucht hat. Der Gutachter verneint entschieden das Vorliegen einer ungewöhnlichen Willensschwäche; auch von hypnotischen Einwendungen könne keine Rede sein. Ausführungen in der gleichen Richtung machte auch der Regensburger Landesgerichtsarzt Dr. Bunz. der Frau Tetzner für ihre Beteiligung an dem Verbrechen voll verantwortlich hält. Nach kurzer Pause wurde am Vormittag noch mit den Plaidovers begonnen. Staatsanwalt Hebauer hielt nach einstündiger Rede den Angeklagten Tetzner als durch die Beweisaufnahme überführt. Ueber Frau Tetzner führte der Anklagevertreter aus, ihr reuiges Verhalten im Laufe der Verhandlung sei durchaus nicht immer zu beobachten gewesen. Hierauf stellte der Staatsanwalt seine Strafanträge. Kurt Erich Tetzner ist wegen Mordes in Tateinheit mit Versicherungsbetrug zum Tode, wegen eines Mordversuches zu 12 Jahren Zuchthaus zu verurteilen. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden dem Angeklagten auf Lebenszeit aberkannt. Gegen Frau Tetzner beantragte der Staatsanwalt wegen Beihilfe zum Mord und wegen gemeinschaftlich verübten Versicherungsbetrug sechs Jahre Zuchthaus. Schwere Explosion Vier Personen getötet. Wittenberg(Bezirk Halle), 18. März. In einem Patronenschuppen des Sprengstoffwerkes Reinsdorf erfolgte heute vormittag bei Aufräumungsarbeiten eine Explosion, bei der vier Personen ums Leben kamen und zwei weitere Personen veerletzt wurden. Die Toten sind der Werkmeister, ein Schlosser und zwei Arbeiter. Die Ursache der Explosion konnie bisher nicht festgestellt werden. Der Sachschaden ist nicht sehr erheblich. Rotlandung Ernst Udets in Innerafrika Nairobi, 17. März.(Drahtmeldung.) Der englische Flieger Campbell Black, der heute im Flugzeug aus England nach Nairobi zurückkehrte, berichtet, er habe beim Ueberfliegen der gefährlichen Sumpflandschaft am Nil in der Nähe von Malakal Ernst Udet entdeckt. Dieser war während seines Fluges von Nairobi nach Europa als vermißt gemeldet, da er nicht in Chartum eingetroffen war. Udet hatte wegen Brennstoffmangels eine Notlandung vornehmen müssen. Der englische Flieger Black landete unter großen Schwierigkeiten und gab Udet, der ohne Lebensmittel war, Biskuit und Trinkwasser, konnte ihm aber keinen Brennstoff für das Flugzeug abgeben. Black flog dann nach Juba und unterrichtete von dort die englische Fliegerstation in Chartum, die daraufhin eine Hilfsexpedition entsandte. zwei Tage scheintot im Sarge Neuyork, 18. März.(Eig. Meldung.). Nach einer Meldung aus Santiago ist eine 22jährige Frau, die für tot erklärt worden war und schon zwei Tage im Sarge gelegen hatte, mit knapper Not dem furchtbaren Schicksal entaangen, lebendig begraben zu werden. Die„Tote“ richtete sich plötzlich aus dem Sarge auf und verlangte einen Trunk Wasser. Die Aerzte erklären, daß sie zweifellos im Grabe wieder zu sich gekommen wäre, wenn sie nicht vor der Beerdigung, die drei Stunden später stattfinden sollte, erwacht wäre. „Graf Zepnolis“ startbereit Ab 23. März wird das Luftschiff„Graf Zeppelin“ von neuem startbereit sein. Das Luftschiff ist vollkommen überholt worden; Gerippe, Gaszellen und Hülle wurden kontrolliert; am Montag begann die Füllung. Die erste fahrplanmäßige Reise wird am 28. März nach Budapest stattfinden. Anläßlich dieser Reise, die im Auftrag des ungarischen Automobilklubs ausgeführt wird, gibt die ungarische Postverwaltung Sonderbriefmarken heraus. 18 Verm ßte beim Untergang der„Viking. Johns(Neusundland), 17. März.(Drahtmeldung.) Eine um späten Abend vorgenommene erneute Musterung der Geretteten der„Viking“ ergab, daß 34 Mann vermißt werden, darunter die beiden Filmoperateure und ein 12jähriger„blinder Passagier“ namens Ecronin. Die Anzeichen deuten darauf hin, daß die Explosion, die das Schiff vernichtete, sich ereignete, als Sprengstoffe, die zum Sprengen des Eises benutzt werden sollten, in Metallpatronen gefüllt wurden. Die Zahl der Vermißten von dem durch das Feuer vernichteten Robbenfänger„Viking“ scheint geringer zu sein, als man nach den ursprünglichen Meldungen glaubte annehmen zu müssen. Von der Gesamtzahl von 142 Personen, die die Besatzung des Schisses bildete, werden nach einer amtlichen Schätzung der Behörden heute früh nur noch 18 vermißt. An hofft, daß noch weitere Nachzügler über das Treibeis auf Horse Island eintressen können. Der Dampfer„Beothic“ hat in einer Entfernung von zehn Seemeilen fünf Personen, auf einer Eisscholle etreibend, und weitere fünf in eienem kleinen Boot gesichtet. Der Dampfer vermag aber erst bei Tagesanbruch irgendwelche Hilfsmaßnahmen zur Rettung dieser zehn unternehmen. Auch ärztliche Hilfe und Lebensmittel für die Ueberlebenden auf Horse Island können erst bei Sonnenaufgang gelandet werden. Der zu der Filmgruppe auf der„Viking“ gehörende amerikanische Forscher Henry Sargent wurde mit zwei anderen Uebeerlebenden im Hock der„Viking“ von einem herbeigeeilten Schlepper heute nachmittag lebend aufgefunden. Untergang eines Dampfers im Frischen Meer Glasgow, 18. März.(Drahtmeldung.) Der hier beheimatete kleine Dampfer„Citrine“ scheiterte heute früh am Cap Bradda an der südwestlichen Küste der Insel Man. Von den 10 Mann der Besatzung konntene zwei schwimmend das Ufer erreichen; die übrigen acht werden noch vermißt. Infolge des dichten Nebels wurde das Unglück vom Lande aus nicht bemerkt; man erfuhr erst davon, als die zwei Geretteten, die die Nacht auf den Klippen verbracht hatten, den nächsten Hafen Port Erin, erreichten. Sie konnten nichts über das Schicksal der acht Vermißten aussagen. Ein Rettungsboot befindet sich auf der Suche nach ihnen. „Do K“ 2 bald fertig Wie die Dornierwerke mitteilen, wird voraussichtlich Ende März das zweite Dornierflugschiff fertiggestellt sein und mit den Probeflügen beginnen.„Do X“ 2 wird ebenso wie„Do X 3, das sich gleichfalls im Bau befindet, mit 12 italienischen 600 PS=Fiat=Motoren ausgestattet sein. Riesenfeuer auf Sumatra Auf der zur sumatranischen Deligesellschaft gehörenden Pflanzung Arnhemia brach aus unbekannter Ursache Großfeuer aus, das 3 große Lagerhäuser, 80 kleinere Gebäude und 1 Lichtspieltheater zerstörte. Nur der Selbstausopferung der Kulis war es zu danken, daß nicht auch noch ein großes Benzinlager der Batavischen Petroleumgesellschaft in Brand geriet und explodierte. Die Wohnbaracken der Arbeiter mußten geräumt werden. Der Sachschaden beträgt 300000 Gulden. Das Stratosphären=Flugzeug Demnächst soll das geheimnisvolle Stratosphärenflugzeug der Dessauer=Junkerswerke erstmalig starten. Die ersten Flüge sollen etwa 12000 Meter hoch führen, spätere 16.000 Meter. Der weder für große Dauer= noch Geschwindigkeitsflüge gebaute einmotorige Metalltiefdecker hat eine Spannweite von 28 Metern und ein Gewicht von rund 4000 Kilo. Die Besatzung wird in einer luftdichten doppelwandigen Höhenkammer untergebracht, deren Druckhaltung und Lufterneuerung durch einen Kompressor hervorgerufen wird. Die Steuerung und das Triebwerk erfolgen mit Hilfe lichtdicht nach außen geführter Betätigungsorgane von der Kammer aus. Ein Niensch jagt nach Glück Copyright 1930-31 by Reportage. Berlin Roman von Margarethe Müller-Höhne 52)(Fortsetzung.) „Er sagt, er käme aus Ihrer Heimat und müsse Ihnen etwas bestellen" „Nun fürchten Sie sich wohl?— Haha... lco komme gleich mal mit...“ Damit ging sie mit dem Mädchen Das helle Morgenlicht fiel auf das abgemagerte Gesicht Karls. Er hatte sich rasieren lassen und sah nun nicht ganz so arg aus, wie am Tage vorher. Sie erkannte ihn nicht sogleich, erst als sie vor ihm stand, als er seine Grüße aus der Heimat wiederholte, da war es ihr, als hätte sie dieses Gesicht schon gesehen. und wer sind Sie?...“ „Ich bin Karl... Karl Baar.“ Er nannte seinen Namen, den seines Vaters... und nun stand es plotzlich hell in Linde. Ja, doch, das war Bruder Kar!, wie war das möglich, daß sie ihn nicht sogleich erkannt hatte? Neugierig stand noch das Dienstmädchen bei ihnen, und so wandte sich Linde zuerst zu diesem. „Stimmt.“ Dann winkte sie Karl:„Bitte.“ Er folgte ihr in das Zimmer, das sie bewohnte. Tiesatmend sah er sich um Diese Umgebung... und plotzlich schamte er sich, das Blut schoß ihm in die Stirn. Da standen sie sich nun gegenuber, schauten sich an... die gleiche Klarheit leuchtete aus den dunklen Augen vor ihm, wie in den Kindertagen... „Linde...“ würgte er hervor. Sie reichte ihm die Hand. Karl, wie ist das möglich, wie kommst du hierher?“ Er sah an sich herunter, wie verwahrlost er war. Er wollte sprechen, doch sie winkte ab, das Mädchen kam, stellte noch etwas auf den Frühstückstisch. „Bringen Sie noch Kassee und eine Tasse dazu. Wie Linde das sagte und wie eilig das Mädchen verschwand. Alsbald stand der Kassee vor Karl, er selbst saß Linde gegenüber, die ihn freundlich bediente und aufmerksam seiner Erzählung lauschte. Immer tiefer hätte es ihn gezogen, langsam, aber sicher dem Abgrunde zu. Nichts verhehlte er ihr, auch nicht, daß es das Gedenken an sie war, das ih., ven befreit. Seine bleichen Lippen bewegten sich so schnell, und die Worte alle, die darüber sprangen, bewegten Linde sehr. ... kein Mensch hilft einem. Damals, aus ich von Hause fortmachte, war ich ein Jahr in einer anderen Ziegelei, da war ein Kollege, mit dem war ich gut dran. Aber der wanderte au nach Amerika, da hatte er einen Onkel. Er schrieb mir von da hat's sein bei dem Onkel, ja, wer solche Menschen findet. Da drüben weiß keiner, was man ausgefressen hat, da noch mal ein anständiger Mensch werden;“ er schluchzte auf „Was hat man denn gehabt? War unsere Kindheit vielleicht schön? Und dazu noch die Griegus, wie hat die uns vertrie ben!“ Er weinte in sich hinein. Warum sprach Linde nicht, warum saß sie so wortlos, mit so unheimlichen Blicken, und sog jedes seiner Worte in sich ein? Doch, jetzt öffnete sie die Lippen. „Karl, du hast dich furchtbar verirrt. Aber glaube mir, trotzdem, wenn man den guten Willen hat, wieder anständig zu werden, dann kann man es auch. Karl, wie konntest du nur damals die Uhr nehmen?“ Sie sagte nicht„stehlen“, das dankte er ihr im Herzen. „Wie ich das konnte, Linde? Weil wir wie die Tiere lebten und ich mir wer weiß was dachte von dem Leben wo anders und von dem Geld, das solche Uhr brachte. Mißbillig schüttelte sie den Kopf. „Karl, ich könnte die größten Reichtümer sehen, sie imponieren mir nicht und hätten nie die Kraft, mich zu solcher Tat zu reizen.“— 6 „Ja, du!“ Er sah sie aus verweinten Augen an.„Ihr Frauen habt mehr Glück.“ Sie blieb ernst.„Irrtum, wir können noch eher unter die Rader kommen, als ihr. Nur mit dem Unterschiede, daß wir dann verloren sind, wahrend ihr euch emporarbeiten könnt. Er saß sie verstandnislos an. Me „Kannst du mir nicht helsen, Linde?“. Sie nickte freundlich. „Natürlich, ich denke schon immerzu, wie ich das am besten ansange.“ „Still! Zuerst wirst du mir schwören, ein vernünftiger Mensch zu werden, der ein Opser auch wert ist.“ Er nickte eisrig:„Ich verspreche es dir hoch und heilig. Ich will tot umfallen, wenn das nicht mein fester Entschluß ist.“ Schon gut. Also, was willst du tun, wenn ich dir Geld gebe?“. Er sprang aus, ein befreiender Atemzug weitete seine Brust. Ich werde mich einkleiden, kaufe mir eine Karte nach Amerika und fahre zu Gustav Mertens.“ „Wer ist Gustav Mertens?“ „Mein Freund von der Ziegelei, von dem ich vorhin sprack. Er nimmt mich sicher auf.“ „Also gut, kleide dich ein, fahre nach Amerika und werde brav. Doch, muß es denn Amerika sein? Kann man nicht da wieder neu aufbauen, wo man zu Hause ist?“ Entsetzt schüttelte „Rein, nein, ich will raus hier, drüben weiß keiner von mir und meiner Strafe.“ Sie nickte. Nur das eine beseelte sie, zu helfen, wo sonst alles verloren wäre, wenn sie nicht eingreifen würde. Sie ging an die Kassette, die im Schreibtische stand, entnahm dieser einige Scheine und legte ihm das Geld in die Hand. Dafür kleidest du dich zuerst mal ein, und am Nachmittag kommst du wieder, dann sollst du das Geld für die Ueberfahrt haben.“ Sie sah, wie ihm die Tränen dick in den Augen standen, wie er es kaum wagte, ihre Hand zu berühren. Er ging, ging in einer Stimmung, die er an sich nie für möglich gehalten hatte. Ein Wunder war ihm geschehen. Wie ein Bote des Himmels stand seine Schwester Linde plötzlich da, half ihm empor! Ein dunkles Erinnern an seine Mutter lebte in ihm, so ähnlich hatte diese auch ausgesehen. Was hatte er denn, warum schluchzte er denn in sich hinein.„Mutter! Mutter! Es war ihm doch, als hätte ihn die Tote in Jarosceks Hande geführt, um ihn auf Lindes Fährte zu bringen. Es war scheinbar nichts ohne Zweck auf dieser Welt. Er kleidete sich nun neu ein. Zwei Stunden später stand er in einem Hotelzimmer am Stettiner Bahnhof und zog die neuen Sachen an. Ein altes, verräuchertes Gasthaus war es, in dem er sich besand, dicht bei der Invalidenstraße. Als er ging, mit dem Paket unter dem Arme, das seine alten Sachen barg, war es ihm, als lösten sich Ketten von seinen Gliedern, als fielen sie Stück für Stück klirrend von ihm, lagen nun da, und er war frei, frei! Ein gutgekleideter Mann war der erste. der ihm begegnete. Er lüstete den Hut: „Wie fahre ich am besten nach Charlottenburg?“ „Ach, er wußte es ja, kannte ja seinen Weg zu Linde so genau. Aber es reizte ihn, seine Wirkung auf andere zu sehen, er mußte das Glück seiner Erlösung ganz auskosten. Er war doch nun kein Bettler mehr, er ging unter den anderen als Glied einer Kette, nicht mehr als Vagabund, verachtet, ausgestoßen, bettelnd (Fortsetzung folet.) Tetzner zum Tode verurteilt Regensburg, 18. März.(Drahtmeldung.) Das Schwurgericht fällte nach einstündiger Beratung folgendes Urteil: Kurt Erich Tetzuer, beschuldigt des Mordes in Tateinheit mit einem Verbrechen des Versicherungsbetruges und eines Mordversuches, wird deswegen zur Todesstrafe, außerdem zu 12 Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebensdauer verurteilt. Bravo, Braunschweig! Sozialdemokraten und Kommunisten besetzen das Präsidium der Stadtverordnetenversammlung Braunschweig, 18. März.(Eig. Drahtbericht.) In der neugewählten Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung, die am Mittwoch zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammentrat, besetzte die sozialdemokratisch=kommunistische Mehrheit sämtliche Stellen des Präsidiums. Die bürgerlichen Parteien und die Nationalsozialisten wurden restlos ausgeschaltet. Die Nazis, die sich plötzlich über die Verletzung des parlamentarischen Brauches beklagten, wurden auf ihre Handlungsweise im Braunschweigischen Landtag hingewiesen. Mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten wurde am Mittwoch u. a. auch ein Kommunist zum unbesoldeten Stadtrat gewählt. Tollkriegspkäne der Rechten Frau Emma Lina Tetzner ist schuldig der Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit einem Verbrechen des Versicherungsbetruges und wird zu vier Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Untersuchungshaft wird im Falle der Frau Tetzner angerechnet. Die Kosten des Verfahrens werden den Verurteilten auferlegt. 75-Miktionenkredit für Gerlin Berlin. 18. März.(Drahtmeldung.) Ein unter Führung der Deutschen Bank, der Preußischen Seehandlung und verschiedener anderer Gruppen stehendes Konsortium hat, dem„Lokal=Anzeiger zufolge, der Stadt einen Ueberbruckungskredit von 75 Millionen RM. zur Verfügung gestellt. Die Verzinsung beträat 7½ Prozent. Die Gewährung dieses Kredites ist, wie das Blatt berichtet, davon abhängig gemacht worden, daß sich die Stadt innerhalb weniger Wochen darüber zu entscheiden hat, ob sie dem Anleiheprojekt über Finanzierung der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke zustimmt. Der Magistrat hat gestern abend noch beschlossen, der Aufnahme des Ueberbrückungskredits von 75 Millionen zuzustimmen, da diese Summe zur Abdeckung dringender Ultimoverpflichtungen benötigt wird. Ob man sich allerdings mit dem Anleiheprojekt einverstanden erklären wird, steht noch nicht fest. Die Verhandlungen darüber— auch mit den Aussichtsbehörden — sollen so schnell wie möglich abgeschlossen werden. Die Naris gegen Franzen Die Krise in Graunschweig Die„nationale Opposition", wie sich die um Hitler und Hugenberg nennen, beabsichtigt in den Reichstag zurückzukehren, sobald die Reichsregierung dem Plenum des Parlaments den deutsch=polnischen Handelsvertrag zur Verabschiedung zugehen läßt. Will man vielleicht mit dieser Rückkehr— wie die Herren argumentieren— einen„gegen die Ostmark und die Landwirtschaft gerichteten vernichtenden Schlag“ abwehren? Kein Zweifel, daß der deutsch=polnische Handelsvertrag sich zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft auszuwirken vermag. Im Verlaufe des jetzt fast 5jährigen andauernden deutsch polnischen Wirtschaftskrieges, ist der Export polnischer Waren nach Deutschland stärker zurückgegangen, als die Ausfuhr deutscher Waren nach Polen. Das ändert aber nichts daran, daß beide Länder wirtschaftlich auseinander angewiesen sind und beide durch den Zollkrieg die Kastanien für andere Staaten aus dem Feuer holen. Für die deutsche Wirtschaft gesehen, liegen die Dinge so, daß Franzosen, Engländer, Tschechen und Oesterreicher immer mehr in die Gebiete eindringen, in denen früher deutsche Waren abgesetzt wurden. Die Gefahr besteht, daß, wenn der deutsch=polnische Zollkrieg verewigt wird, Deutschland diese Absatzgebiete völlig verliert. Es wurde damit auf einen großen Teil des Exports und auf die Möglichkeit verzichtet, eine große Anzahl deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen zu beschäftigen, eben weil es sich die deutschen Großagrarier in den Kopf gesetzt haben, daß es keinen, deutsch=polnischen Handelsvertrag geben darf. Vorläufig keine Beratung des polnischen Handelsvertrags Berlin, 18. März.(Drahtmeldung.) Ueber die Mitteilung. der NSDAP., sie würde zur Beratung des deutsch=polnischen Handelsvertrages in den Reichstag zurückkehren, ist man in parlamentarischen Kreisen sehr erstaunt, da, wie das B23.= Büro hört, auch bei den Mittelparteien, auf die sich die NSDAP. berusen, nichts von der Absicht bekannt ist, diesen Vertrag noch während des laufenden Tagungsabschnittes zu erledigen. Die Staatspartei hat allerdings der Regierung den Wunsch übermittelt, daß dies noch geschehen möge, das Kabinett hat jedoch noch keine Anstalten getroffen, diesem Verlangen nachzukommen. Auch von einer Sinnesänderung innerhalb der Regierung ist allen, die es wissen müßten, nichts bekannt. Außerdem ist die Verabschiedung dieses Vertragswerkes— abgesehen von politischen Widerständen gerade in diesem Augenblick— technisch gar nicht mehr möglich, da innerhalb der noch zur Verfügung stehenden 1½ Woche Reichsrat= und Reichstagsberatung nicht mehr durchführbar sind. Braunschweig, 18. März.(Eig. Drahtbericht.) Die Differenzen im Braunschweigischen Regierungslager ziehen weitere Kreise. Neuerdings nimmt auch der Stahlhelm gegen die Regierung Franzen=Küchenthal offene Kampfstellung ein. Der Stahlhelmlandesführer Schrader erklärte in einer Versammlung, daß seine Organisation mit der jetzigen Braunschweigischen Regierung außerordentlich unzufrieden sei. Sie habe nichts von ihren Versprechungen gegenüber den nationalen Kreisen gehalten und stelle nur eine Fortsetzung der zaghaften und schlappen Politik der früheren sozialdemokratischen Regierung dar. Der tiese Riß zwischen den bürgerlichen Koalitionsparteien und den Nationalsozialisten kommt täglich bei den Abstimmungen des Haushaltsausschusses des Landtags zum Ausdruck, der den Etat für das Land Braunschweig berät. In sehr vielen Fällen stimmen die Nationalsozialisten gegen ihre eigene Regierung. zur Geisetzung Rennings Hamburg, 18. März.(Eig. Drahtbericht.) Die Beisetzung des von den Nationalsozialisten ermordeten Hamburger Kommunisten Henning wird voraussichtlich am Sonnabend Nachmittag stattfinden, falls bis dahin die Leiche von der Staatsanwaltschaft freigegeben ist. Eine Trauerseier auf dem Friedhof ist zulässig, jedoch wird ein etwaiger Versuch der Kommunisten, den Trauerzug zu einer politischen Demonstration auszugestalten, von der Hamburger Polizei unter allen Umständen verhindert werden. * In Bremen und in Neumünster kam es bei den kommunistischen Protestdemonstrationen wegen der Ermordung Hennings zu Zusammenstößen zwischen den Radikalen von rechts und links. Soviel bisher feststeht, wurden hierbei 4 Nationalsozialisten und zwei Angestellte des Kyffhäuserbundes verletzt. Wirtschaft und Gewerkschaft Auslperrung der Metallarbeiter im gelamten Sauerland Die Unternehmerorganisation, der Verband der Fabrikantenvereine für den Regierungsbezirk Arnsberg und benachbarte Bezirke, übersandte der Bezirksleitung des Deutschen Metallarbeiter=Verbandes= in Hagen unter dem 14. März 1931 ein Schreiben, in welchem mitgeteilt wird, daß die Unternehmer den Beschluß gesaßt haben, die Einzelarbeitsverträge zum 31. März 1931 zu kündigen. Durch diese brutale Maßnahme will man von den Arbeitern erneut eine Verzichterklärung auf den Urlaub erzwingen. Nachdem Lohnabzüge in unerhörtem Maße niedeergesaust sind, erfolgt jetzt ein Angriff auf den Urlaub. Bereits im Jahre 1930 hatten die Scharfmacher des Arnsberger Verbandes mit Advokatenknissen die Arbeiter um men; denn die Hälfte des Urlaubs gebracht. Der winzige Rest soll jetzt durch eine brutale Aussperrung den Arbeitern noch genommen werden; denn darüber muß sich die Arbeiterschaft und auch die Oeffentlichkeit klar sein, daß die Maßnahme der Unternehmer rechtlich die Aussperrung bedeutet. Aus den verschiedensten Verwaltungen wird uns die Mitteilung, daß gemäß den Anweisungen des dortigen Fabrikantenvereins die Kündigungsanschläge in den Betrieben ausgehängt sind. Für die Metallarbeiter ist es Zeit, aufzuwachen, sich zur Wehr zu setzen und sich dem brutalen Willen der Scharfmacher entgegenzustemmen. Metallarbeiter, seid jetzt geschlossen, folgt den Anweisungen eurer Organisation, des Deutschen Metallarbeiterverbandes. Und Kultuskauskalt vor dem Landtag V23. Berlin, 18. März.(Drahtmeldung.) Der Preußische Landlag erledigte am Mittwoch die Abstimmung zur zweiten Lesung des Justizhaushalts, wobei zahlreiche Anträge angenommen wurden, die u. a. verlangen die Ausschaltung veralteter und entbehrlicher Bestimmungen angesichts der vorhandenen etwa 8000 Gesetze im Reich und Ländern, Reform des Disziplinarrechts für Richter, zeitgemäße Aenderung der Bestimmungen über die Gerichtsferien, Heraufsetzung der Altersgrenze für Richter auf das 68. Lebensjahr, Fürsorge für die Strafentlassenen und Gewährung des Rechts an Gefangene, Literatur zu beziehen und zu lesen, die ihrer wissenschaftlichen, kulturellen und beruflichen Weiterbildung dient. Der letzte Antrag wurde mit 180 gegen 179 Stimmen der Rechtsparteien und des Zentrums angenommen. Mit 241 gegen 135 Stimmen wurde der Ausschußantrag abgelehnt, Rechtsanwälte zur Vertretung vor den Arbeitsgerichten zuzulassen. Auch die Haushalte des Landtages und Staatsrates wurden in zweiter Lesung bestätigt, ebenso die Berlin=Vorlage mit einer auf Wunsch der Regierungsparteien geänderten Fassung der Kompetenzen des Oberbürgermeisters. Das neue Berlingesetz soll am 31. März in Kraft treten und am 25. März im Landtag zur Schlußabstimmung stehen. Der wiederholte Versuch, den Staatsvertrag mit der Volksbühne Berlin wegen Auflösung der Krolloper zur Entscheidung zu bringen, scheiterte abermals daran, daß die Oppositionsparteien das Haus beschlußunfähig machten. Im übrigen wurde die allgemeine Aussprache zum Kultushaushalt fortgesetzt.— Abg. Prelle(D. Fr.) betonte die religiöse Gebundenheit der Kultur.— Dr. Bohner(St. P.) vermißte die angesichts der großen Erwerbslosigkeit besonders dringliche Kulturpflege für die Erwachsenen.— Dr. Rhode (WP.) sprach von einer Verflachung der Bildung, der der Verlust der geistigen Vormachtstellung Deutschlands folgen werde. — Frau Wellmann(Soz.) verlangte die Körperschaftsrechte für die Freidenkerorganisationen.— Frau Dr. Neumann (Dutl.) wünschte die politische Erziehung der Schuljugend so zu gestalten, daß die Jugend bereit sei, für deutsche Ehre immer Baurische MetallarseiterAussperrung beendet München, 18. März.(Eig. Drahtbericht.) Die zehntägige Aussperrung in der bayerischen Metall Industrie hat am Mittwoch abend nach zweitägigen schwierigen Verhandlungen in der sozialen Abteilung der bayerischen Regierung ein unerwartetes Ende genommen. Der Vertreter der Regierung erklärte den Schiedsspruch mit einigen geringen Aenderungen für verbindlich. Darnach werden die gültigen Löhne und Akkordbasis um 5 Prozent gekürzt, bei Ueberverdienst über die Akkordbasis bis zu 30 Prozent um 5½ Prozent, bei solchen bis zu 45 Prozent um 6 Prozent und bei Ueberverdienst über 45 Prozent um 7 Prozent. Die Arbeitsaufnahme erfolgt umgehend. Maßregelungen dürsen nicht vorgenommen werden. Die Aussverrung gilt nicht als Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Die bisher erworbenen Rechte der Arbeiter bleiben gewahrt. einzutreten.— Dr. Linneborn(Z.) betonte, daß seine Partei den Kampf für den Staat, für die Verteidigung der Rechte der Kirche und für konfessionelle Erziehung weiterhin fortsetzen werde. Die Weiterberatung wurde auf Donnerstag vertagt. Italiens Mißerfolg bei der Senkung der Lebenshaltungskolten Unter dem Druck der Regierung sind in Italien in den letzten Monaten überall die Löhne und Gehälter außerordentlich stark gesunken. Nach den Erklärungen der italienischen Regierung sollte diese Senkung durch eine entsprechende Verbilligung der Warenpreise erträglich gemacht werden. Diese ist jedoch bisher ausgeblieben. Die Bekleidungskosten sind zwar entsprechend der internationalen Preisbewegung zurückgegangen, führten aber zu keiner Senkung des Lebenshaltungsinder, da zu gleicher Zeit die Ausgaben für Wohnungsmiete, für Heizung und Beleuchtung anstiegen. Noch November 1930 war gegenüber dem Vorjahr der Lebenshaltungsindex nur um 0,3 Proz. zurückgegangen, so daß das Jahr 1930 einen starken Rückgang des Lebensstandards der italienischen Bevölkerung gebracht hat, was um so drückender ist, als Italien gegenwärtig die niedrigsten Reallöhne besitzt, die erheblich hinter dem Stand der anderen europäischen Industriestaaten zurückbleiben. Auch die gegen Ende des Jahres energischer einsetzenden Bemühungen der Regierung, vor allem die Nahrungsmittelpreise, die Mieten und die Heizkosten zu senken, haben bisher nur einen geringfügigen Erfolg gehabt, so daß noch Ende Dezember 1930 der Lebenshaltungsindex nur um 3,4 Proz. geringer war als zur gleichen Zeit des Vorjahres. 25. Beckiner Jechstagerennen Goebel=Dinale bleiben gefährliche Konkurrenten von Piinenburg=Schön. * In der fünften Nacht vermochten Pijnenburg=Schön ihren Rundenvorsprung zu halten, obwohl der Holländer nicht so frisch ist, wie in den vorangegangenen Nächten. In GoebelDinale droht dem führenden Paar noch immer ernste Konkurrenz für den ersten Platz im Endklassement. Im Verlaufe der vielen Jagden kamen Rieger=Maczynski vom 6. auf den 4. Platz; die übrigen Rundengewinne waren nur von untergeordneter Bedeutung. Mühelos konnten beispielsweise van Kempen=Ehmer um vier Bahnlängen weiter nach vorn kommen. 1. Piinenburg=Schön 257 Punkte, eine Runde zurück: 2. Goebel=Dinale 221 Punkte, 3. Thollembeck Tietz 105 Punkte, 4. Rieger=Maczunski 92 Punkte, drei Runden zurück: 5. KrügerFunda 131 Punkte, 6. Manthey=Nickel 86 Punkte, 7. FaudetMarcillac 85 Punkte, fünf Runden zurück: 8. Kroll=Micthe 77 Punkte, sechs Runden zurück: 9. van Kempen=Ehmer 202 Punkte, sieben Runden zurück: 10. van Hevel-van Bouggenhout 77 Punkte. Nach 114 Stunden hatte das Spitzenpaar 2594 Kilometer zurückgelegt und der Start war: 1. Piinenburg=Schön 275 Punkte, eine Runde zurück: 2. Goebel=Dinale 256 Punkte, 3. Tietz=Thollembeek 113 Punkte, 4. Rieger=Maczynskl 96 Punkte, drei Runden zurück: 5. KrügerFunda 150 Punkte, 6. Manthey=Nickel 109 Punkte, 7. FaudetMarcillac 88 Punkte, fünf Runden zurück: 8. Kroll Miethe 85 Punkte, sechs Runden zurück: van Kempen=Ehmer 218 Punkte, sieben Runden zurück: 10. van Heyel.nan Ranagenhartt aß Nunbe*— GFFENTLICHER VORTRAG Eintritt vUr edet mann frei n G e i s e n k l i c h e n am Sonntag, den 22. März, vormittags 11 Uhr, Im Hotel Berhner Hot, Bahnholstraße Thema: Der Weg zum Eigenheim und zur Ablösung teurer Hypotheken führt über eine gute Bausparkasse Rednert Direktor W. Ackermann, Freiburg I. B. Mitbegründer des deutschen Bausparwesens Neue Bausparkasse G. m. b. H. in Wüstenrot 7: * * Wer dem Vortrag nicht beiwohnen kann, verlange kostenlose Aufklärungsschritten, über das vortellh. N. B.K.-Bausparsystem Die Gasstunde In der Lehrküche, Schalkerstraße 33, am Donnerstau. 19. u. 26. März fällt aus. 6. N. E.Werke Gelsenkirchen. (wurt.) Unsere gut eingerichtete Druckerei liefert Drucksachen aller Art für Handel. Gewerbe und Industrie nach modernen Entwürfen Gelsenkirchen. Bekanntmachung. Die Schweinevest unter dem Schweinebestande des Landwicts Withelm Witte zu Gelsenkirchen=Buer, Sutumerstraße 71, sowie die Maul= und Klauenseuche unter dem Rindvieh=Bestande des Bauunternehmers Wilhelm Gößling zu Gelsenkirchen=Buer. Gelsenkirchenerstraße 441 i erloschen und die angeordneten Schutzmaßregeln sind in beiden Fällen ausgehoben worden. Oelsenkirchen, den 11. März 193. Der Oberbürgermeister. BUCHDRUCKEREI VOLKSWILLE Ringstr. 33 8mp; Fernruf Sammel-Nr. 258 41 Wir beginnen die neue Saison mit neuen, billigen Preisen! Unsere Huswahl ist enorm, unsere Billigkeit überragend Beachten Sie bitte unsere Spezialfenster! Wohnungstausch! Große saubele Düngekalk Alle Bücher groß und klein Gingetrollen. I bindet Hermann Hellmann ein. Baustoff-Handelsgesellschaft 1 Billig, gut und dauerhaft, Gelsenkirenen, Hindenburgstr. 65 daß es jedem Freude macht. gegenüber Rathaus] Telelon 22333 Mathildenstr. 34 Ruf 26064 geg eine gleiche 29 Fricks(Polizei gegen Luise Otto liebf in ruhig Haufe weil 155000 Exemplare ihrer Groschüre Frau Beyer, Buschweg 46. 1 Eic Gelsenkirchen. Mahnung. Die bis zum 16. ds. Mts. fällig gewesenen u. rückständig gebliebenen Steuern und Abgaben: 1. Orund= u. Hauszinssteuer, 2. Lohnsummensteuer f. Februar 1931, 8. Oetränke= und Biersteuer für Februar 1931, 2. Schulgeld für die höheren Lehranstalten, Mittelschule, Handelsschule, Drogistenfachschule, Gewerbeschule, Mädchengewerbeschule, 5. Bürgersteuer 1. u. 2. Rate, sind innerhalb 3 Tagen bei städtischen Steuerkasse, sowie Hebestellen in den Stadtteilen Buer und Horst einzuzahlen, andernfalls unverzüglich das Verwaltungszwangsverfahren durchgeführt werden muß Oelsenkirchen, den 16. März 1931. Städtische Steuertasse und SteuerHebestellen in den Stadtteilen Buer und Horst als Vollstrecungsbebörden □ der den Maßarbeit ist Wertarbeit Die Neuheiten für das Frühjahr und den Sommer sind eingetroffen WDenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Schneidermeister Nur der Schneidermeister kann Ihnen beim Stoffelnkauf durch sein fachm. Urtell raten und helfen Stoffelnkauf ist Vertrauenssache. Der fachm. Rat des Schneidermeisters spart Ihnen Aerger u. Geld Schneider-Innung. Gellenkirchen Freibank im Schlachtbet Gelsenkischen Freitag v. 8-10 Uhr Nr. 421-770, von 10—12 Uhr Nr. 771—1120. Freibank im tr. Schlachthotgebäude Bue Freitag. von 9-11 Uhr alle Nummern. Vorbeugen nicht abtreiben Vörlshofener Gicht- Int Rbeuma-Tee allein echt Wörisbotener Krästerhaus Mochstr. 24 Ecke Neustraße ins deutsche Volk wanderten und Aulklärung vermittelten. Der„Kindersegen“ wurde vernünltig geregelt: wirtschaltliche und lamiliäre Wendung zum Besseren sind feststellbar. Solche Tatsochen genügen den Nazis, um bei der Magdeburger Polizei eine Prülung der„wahrscheinlich unsittlichen“ Schrift vu verlangen. Bekanntlich hat aber Frick wenig Glück bei den Gerichten und wir sind es, die ihm in diesem Falle ebentalls eine schallende Ohrleige von Herzen wünschen. Unsere Frauen tun aber gut, sich bald diesen Ralgeber für Eheleute und solche, die es werden wollen, zu kaulen. Die 72 Seiten starke Broschüre kostel 80 Piennig Volksbuchhandlung Gelsenkirchen GRingstraße 33 Bestellungen nehmen alle Zeitungsaustrdägerinnen entgegen. AN Filmschau Mädchenhande! Trotz aller Ligas und anderer Bekämpfungsmittel bleibt der Mädchenhandel eine internationale Seuche. Die Gesetze der einzelnen Länder sind so lückenhaft, daß es den gerissenen Mädchenhändlern immer wieder gelingt, dem strafenden Arm der Gerechtigkeit zu entkommen. Hauptausfuhrländer des Madchenhandels sind naturgemäß arme Länder, die einen Ueberfluß an schönen Mädchen haben. Das sind vor aulen Dingen Ungarn und Galizien. Von dort kommen fast 90 Prozent aller verschleppten Mädchen. Zahllos sind die Knisse und Schliche der Mädchenhändler. Unter Vorspiegelung einer Heirat schleichen sie oder ihre Helfershelfer sich in Familien ein, verloben sich, müssen plötzlich ins Ausland, nehmen das glückstrahlende Mädchen mit. Gern bedienen sich die Mädchen händler bei ihrem unsauberen Geschäft der Frauen. Diese nehmen sich armer. alleinreisender Mädchen an. besuchen Krankenhäuser, wo arme Mädchen liegen, und bieten diesen ein sabelhaftes Engagement ins Ausland an, nach Belgien, nach Frankreich, nach Nordamerika, kurzum überallhin. Aus Not, Unerfahrenheit. Abenteuerlust, oft auch aus Leichtsinn, geben die Mädchen mit. Ganz öffentlich inserieren die Mädchenhändler in großen Tageszeitungen. in Familienblättern, daß sie Künstlerinnen, Tänzerinnen usw. günstige Engage ments ins Ausland verschaffen. Das Inserat in so seriösen Blättern macht die Mädchen vertrauensselig: sie melden sich in Scharen, gehen ins Ausland; man hört nie mehr von ihnen.— Da nun jährlich viele Mädchen diesen entsetzlichen Weg des Verkauftwerdens gehen, kommt für die Händler ein hüb sches Sümmchen heraus. Grund genug, bei dem lukrativen Geschaft zu bleiben. Es gäbe keinen Mädchenhandel, wenn nicht die Nachfrage das Angebot bestimmte! In dem Tonfilm„Dic Mädchenhändler“(Der M i.) w i r d i n e i n d r i n g l i c h e W e i s e e i n k r a s s e r F a l l * eines Mädchenhandels wiedergegeben. Die ausgezeichnete Besetzung dieses Films bringt die Bildreportage ganz hervorragend zur Wirkung. Oskar Homolka, bekannt aus zahlreichen Spielfilmen, gibt mit großer Charakterisierungskunst einen abgefeimten Mädchenhändler, unterstützt von Louis Ralph, Kurt Gerron und Ed. v. Winterstein, die drastisch schurkische Helfershelfer=Darstellung. Das Opfer ihrer unsauberen Geschäfte wird von Maria Solveg sympathisch und lebenswahr gespielt. Der Film läuft ab Freitag im UfaTheater„Schauburg“, Gelsenkirchen. Industrie=Kino. Ab morgen, Freitag, der 100prozentige deutsche Ton= und Sprechfilm, der 100prozentige Lachschlager„Schneider Wibbel“. 9 Akte herzbefreienden Lachens nach der gleichnamigen, bekannten Komödie von Hans Müller=Schlösser. Dieser Tonfilm ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Lachschlager, ein munterer Quell rheinischen Frohsinns! Paul Heuckels in der Titektolle, der den kleinen, verschmitzten Schneidermeister schon über 300 mal auf der Bühne gespielt hat, gestaltet auch im Tonfilm diese Figur mit seltener Meisterschaft. Seine Mitspieler sind: Thea Grodyn, Wolfgang Zilzer, Ferdinand Hart, Hermann Vallentin, Hugo FischerKöppe. Hierzu ein neuer Ken=Maynard=Film„Der Heldenritt im wilden Westen“. Ken Maynard, der beste Reiter Arizonas, in einem aufregenden Abenteuer in 7 tempogeladenen Akten. Ken Maynard ist besser denn je!— Beiprogramm und die neue tönende und stumme Wochenschau. * Cupitol=Theater. Sie haben nur noch bis einschließlich Montag Gelegenheit, den neuesten 100prozentigen Ton= und Sprechfilm„In Wien hab ich einmal ein Mädel geliebt“ zu sehen. Man lacht und amüsiert sich köstlich bei diesem Wiener Lied voll Humor und Spannung. Hierzu in Erstaufführung„Wenn die Abendglocken läuten“. Ein wunderbarer Großfilm aus den bayerischen Bergen. In den Hauptrollen: Hanns Beck=Gaden, Maria Mindszenti u. a. m. Mie Majestät der bayerischen Hochwelt fesselt immer wieder aufs neue.— Flip, der Detektiv, ein reizender Kurtonfilm, die neueste Wochenschau und ein Kulturfilm erganzen das sehenswerte Programm.— Erwerbslose haben an Wochentagen ermäßigte Preise und zahlen auf allen Plätzen gegen Vorzeigung der Karte halbe Preise! Anfang täglich 15 Uhr, letzte Vorstellung 20 Uhr. Sonntags ab 14 Uhr. Theater 1 Musik Städtische Ankündigungen Heute(Donnerstag) Chorkonzert des Städtischen Musik= vereins in der Schauburg Buer, morgen im HansSachs=Haus. Unter Leitung des städtischen Musikdirektors Belker kringt der Städtische Musikverein Hermann Suters berühmtes Chorwerk„Le Laudi“ nach den Worten des Sonnengesangs Franz von Assisis zur Aufführung. Mitwirkende sind außerdem: Das Solistenquartett Else Suhrmann(Sopran), Grete Buchenthal (Alt). Ernest Bauer(Tenor), Johannes Willy(Baß), ein Knabenchor, das Stadtische Orchester Bochum. Beginn 20 Uhr. Das Konzert im Hans=Sachs=Haus ist das sechste in Vormiete. Die in Buer wohnenden, für die Konzerte in Gelsenkirchen abonnierten Vormieter können statt des Konzerts in Gelsenkirchen das in der Schauburg besuchen. Die Eintrittskarte ist dann unter Vorzeigung und nach Entwertung der Vormictekarte nur im Rathaus Buer(Zimmer 17) in Empfang zu nehmen. Nichtvormieter erhalten Karten zu 1, 2. und 4 RM im Städtischen Bildungsamt(Hans=Sachs=Haus, Zimmer 228), Rathaus Buer(Zimmer 17) in den bekannten Verkaufsnebenstellen und an der Abendkasse.