Einbruch. ihnen möglichs schonungsvoll beibringen:„Bei Herrn MaEngenie lagte ger gichts. HerkenAberlegie lange, dann lad er Krabiß, an und Tante Eugenis und wunderte sich: werrwerbig. Wald nach Wertles giugen sie durch den Seinid. Hinter ihnen der zog der kleine Krabitzjunge den guietschenden Handwagen mit dem Geväck. Er wagte nicht einmal leise zu pfeisen, so#in waren die beiden vor ihm. Auf haldem Wege trafen sie die munteren rothaarigen Varonessen Poepte, die es auch schon „Eingebrochen bei euch, Oukel Achim!“ rief „Lessel in ichon do“, sagte Anneliefe. Die Cartentür sand oisen. Im Treppenhaus der Herkensvilla machte der Landgendarm Lessel ernste Rotizen in ein schwarzes Buch. Tante Engenie lief on ihm vorbei in den ersten Stock o d geg rachen, Bagt# demn hier les?##### eingesiccen.——! „Oben sind sie gar nicht gewesen“. lagte Lessel. „Sie haben sich vur an dem Wandtresor im Zimmer von Herrn Major versucht.“ eicher bnent derien ud Sesen seigten 6. ius Arbeitszimmer. „Sie und nicht damit fertig geworden“. lagte „Das sind welche aus Berlin gewesen. * W Das sind welche uu gichen: keine Spur“, lagte Herkens, obwohl er die Wert gleubee, beh de wieberdemmen Berlin. ans .—— ii schen ans der „Ob der Hund auch anschlagen wird?“ fragte Tonte Eugente besorgt. „i wich ihen: Herlens sah von seiner Zeitung auf. Er saß in einem Korbsessel im Ankleidezimmer. Neben ihm auf dem kleinen Tisch blinkte der Revolver im Kerzenschein. Den Säbel hatto er sich guer über die Kuie gelegt. Am frühen Nachmittog hatte Tante Eugenie begonnen, das Haus in Verteidigungszustand zu setzen, wie die sagte. Weil die aus Berlin wiederkommen würden. Lessel hatte es gesagt. Und Lessel verstand sich darauf. sagte Tante „I. keine Spur“, hatte Herkeus gesagt und sich mit ständig seigendem Eiser an den Arbeiten beteiligt. Schließlich hatte er selbst die Leitung der Sache in die Hand genommen.„Nur weil er dich dernhigt“, hatte er betont.„Du bist doch so ängstlich Das Ankleidezimmer im ersten Stock wurde in eine Festung verwandelt. Keuchend schob Herkens vor jede der beiden Türen einen schweren Kleiderschrank. Tante Eugenie schleppte alles. was es in der Speisekammer gab, und große Geschirre mit Wasser herauf. Herkens holte den Inhalt des Wandtresors und barg ibn in der Kommode. Emsig putzte er dann Säbel und Schließlich hatte Tante Eugenie noch die Idee mit dem Hund. m baster Hauier hrv.T. vi. hf. Hetgumt ege#. anszuleihen. Lux war weityin vrkannt als der rabiateste Köter, den man je gesehen hatte. Etwas widerwillig, wann auch nicht geradezu unfreundlich ließ sich Lux von dem Major in die Herkensvilla zerren. Co war denn, als es kunkel wurde und die beiden Krähen sich in der alten Eiche vor dem Hause zur Ruhe niedertaten, alles aufs beste vorbereitet. Lessel kam und prüfte mit Sachkruntuis und Gründlichkeit die Rüstungen. lobte die Amsicht und zog sich zurück mit dem Verwrachen, er werde auf den verabredeten Pfist sofort herbeieilen. Er werde sich am Waldrande aufhalten, um den Weg vom Bahnhof zu über„#es Gunen ie nur gewollt haben. Lessel?“ meinte Taute Engenie.„Oden lag meine Brosche ganz oslen, die hötten sie doch nehmen Lönnen?“ „Eie wollten meine Orden“, sagte Herkens empört. Er schloß den Wandtresor auf und nahm Bewundernd ließ Lessel die Bliche über die blitzenden Sterne bingehen. „Na, mein Junge.“„logte Herkens mu. dem Reinen Kraditz und vielt iom den kostbaren Rasten hin.„weißt du auch, was das ist?“ „Pleymäße, sagt Vater!“ „Lansejunge!“ erboste sich Lessel. Aber der Kraditzjunge war schon aus der Tür geflitzt. Herkens verriegelte die Fenster, verschloß überdies alle Zimmertüren des Hauses, ließ den Hund im Treppenhaus los und schlüpfte durch den schmalen Türspalt. den der vorgerückte Schrank ließ. ins Ankleidezimmer. Nun mochten sie kommen, die aus Berlin.. Gegen drei Uhr in der Nacht erwachte Herkens, der über seine Zettung eingeduselt war. Taute Eugenie hatte etwas gemurmelt. „Du könntest mir etwas zu essen geben.“ meinte Herkens. Tante Eugenie begann Brot zu schneiden. Auf einmal hielt sie Ktarr inne, riß die Augen weit auf:„Da!“ Herkens fuhr auf. Da war ein schabendes, kratzendes Geräusch im Treppenhaus zu hören. „An der Haustür", flüsterte Tante Eugenie. „3. keine Spur. Da würde doch der Hund beillen! Das unheimliche Geräusch wurde lauter, und plötzlich klirrte auch die Vorlegekette. „Sie schneiden die Kette durch!“ „Jetzt gehe ich aber hin!“ sagte Herkens entschlossen.„Wo ist die Taschenlampe?" Sie hatten sie unten im Speisezimmer auf dem Tisch liegen lassen. „Nimm eine Kerze“. sagte Tante Eugenie noch einer ratlosen Pause. „Den Deubel werde ich tun“. sagte Herkens. „Das tropft einem auf die Finger.“ Unterdes klirrte die Kette immer wilder und betrahlicher. „Sie sind gleich drin! Rimm doch die Kerze!" „Peiaf“ Daun gebe ich einsach gur nicht! Ich habe keine Lust, mir die Finger zu ver„Du Hünchtes dich! Und wieviel baß du mir immer von deinen Patrouillenritten nachts vor dem Feind erzählt...“...„„ „Aber niemals mit einer Stearinterzel“ sagte Herkens böse. „Achim!“ sammerte Tante Eugenie.„Rette uns! Ich sterbe ja vor Angst!“ Herkens klemmte sich den Säbel unter den Arm, ergriff den Nevolver mit der rechten Hand und balanzierte in der linken die brennende Tante Engenie drehte den Schlüssel um und blieb atemlos lauschend an der Tür stehen. „Wer da?“ schrie Herkens draußen. Das Klirren und Scharren hörte augenblicklich auf. Es war auf einmal furchtbar sill geTante Engenie hatte Tränen in den Angen vor Aufregung. Doch dann—! Ein wüster Fluch, wie ihn Tante Eugenie noch nie gehört hatte— ein Schuß— ein Fall— ein unmenschlicher, gräßlicher Aufschrei— ein langes, schweres Poltern — dann wieder tiefe Stille... „Achim!“ schrie Tante Eugenie. Sie glitt ohnmächtig an der Tür nieder. Als sie erwachte, fing es draußen an hell zu werden. Es mußte bald sechs Uhr sein. Die Betäubung wich von Tante Eugenie. Sie sprang auf, rannte zum Fenster, öffnete es und blies den ganzen Inhalt ihrer Backen in die Trillerpfeise, um Lessel das verabredete Zeichen höchster Not und Gefahr zu geben. Er war im Handumdrehen zur Stelle. Tante Eugenie konnte nicht sprechen, so zitterte sie. Sie warf Lessel den Hausschlüssel hinunter. Der rannte um die Ecke zur Tür, kam aber gleich wieder zurück:„Die Kette ist vor!“ Tante Eugenie rang wortlos die Hände. Der Gendarm aber sah die Gartenleiter stehen. holte sie rasch herbei und kletterte zu Tante Eugenie ins Zimmer. Er sah ihr an, daß Schreckliches sich zugetragen haben mußte. Er riß die Waffe aus der Ledertasche, öffnete die Tür und zwängte sich durch den Spalt ins Treppenhaus. Tante Eugenie hielt sich hinter seinem breiten Rücken. Unten im Flur, dicht bei der Haustür, stand Herkens kläglich in einer Ecke gedrückt. Vor ihm lag Pastor Hausers auf den Mann dressierter Hund und ließ ihn nicht aus den Augen. Mißtrauisch und böse belagerte er ihn mit eiserner Geduld. „Er lebt!“ rief Taute Eugenie und sank bewegt an Lessels Schulter. „Ja“ sagt Herkens mit achtungsvoll gedämpfter Stimme und sah argwöhnlich zu dem Hunde hin.„Ja, du mit deiner verdammten Stearinkerze. Natürlich hat sie mir auf die Finger getropft. Ich ließ sie fallen, stolperte, ein Schuß ging los, und ich bin im Dunkeln die Treppe runtergefallen. Und dieser verruchten Bestie gerade in den Nachen Seitdem stehe ich hier, und kein Aas kümmert sich um mich!" „Aber wer war denn an der Tür?" wollte Tante Eugenie wissen. „Der Hund, natürlich. Er wollte raus. Aber wie lange soll ich denn hier noch stehen. wie?“ „Ich gehe, den Pastor holen.“ sagte Lessel. „Aber die aus Berlin haben sich nie wieder sehen lassen.“ sagte Herkenc, wenn er diese Geschichte, allerdings auf seine Weise erzählte. „Merkwürdig, was?“ B. 3. Hanne. Hanne ist mein vierjähriges Töchterlein. Ich bin Lehrer. Daß aber alle Erziehungskunst umsonst, das lehrt mich täglich Hanne, das Töchterchen. Ich weiß jetzt wenigstens, daß Kinderwelt eine eigene Welt ist, die ihre ganz besonderen Augen hat für Erwachsene. Wir kommen nicht immer gut weg, wenn uns Kinderaugen betrachten. Vor ein paar Tagen hat Hanne irgendeine Dummheit gemacht, die Mutters Zorn erregte. Mutter schimpft und sagt:„Na, Hanne, das ist ja eine nette Geschichte, die du gemacht hast!“ Und Hanne, sich des Vaters mühevollem Suchen nach „Geschichten“ erinnernd, plappert schnell:„Erzähl Vati die nette Geschichte. Der freut sich.“ Kurz vorher mußte ich verreisen. Mutter und Hanne begleiten mich bis auf den Bahnsteig. Hanne bestaunt den großen, großen Schnellzug; sie winkt, bis er verschwunden ist. Nach einer kleinen Weile läuft auf dem gleichen Bahnsteig ein anderer Schnellzug ein. Hanne sagt keck zu ihrer Mutter: „Da. Vati hat schon wieder was vergessen. Der Zug kommt zurück.“ Als unsere kleinen Zwillinge. Hannes Brüderlein und Schwesterlein, eben geboren waren, faßt mich Hanne an einem Morgen an der Hand. führt mich an die Wiege, darin das schon schwarzbehaarte Schwesterlein und das noch ganz kahlköpfige Beüderlein schlafen. Und Hanne sagt:„Vati, den de“ — sie zeigt auf den Bruder—„den mag ich nicht. Der ist schon alt.“ „Sieh doch, Vati, er hat ja einen Kopf wie Srchgater!? Auf einem Spaziergang sieht Hanne an dem Dachfirst eines Hauses ein Fenster, dessen gerade Grundlinie von einem Bogen überspannt ist, ein sogenanntes Ochsenauge. Hanne zeigt mir das Feuster und sagt:„Vati, sieh mal, das Fenster sieht aus wie Brüderlein. wenn es weinen will.“—Da dacht ich doch, wir armen Schreiberlein!— Wie mühselig suchen wir nach den Sinnbildern der Wirklichkeit. Ein Kind sieht ein armseliges Feuster, und schon verbindet sich ihm dessen Linie mit dem schmerzverzogenen Mund des Bruders. Einmal, als Hanne von einer Grippe genesend im Bettchen lag, nahm ich sie auf den Arm, um ihr den Sternenhimmel zu zeigen. Vielleicht war es zum erstenmal, daß sie den abendlichen Himmel so groß und in Ruhe beschauen konnte. Ich sagte ihr Antwort auf all die vielen staunenden Kinderfragen. Hanne war ganz still geworden auf meinem Arm. Dann plauderte sie, den Inhalt meiner Erzählung in ihrer Kinderart wiedergebend, Worte und Sätze, die mich ankamen wie ein wahres und ursprüngliches Gedicht. Dies hatte Hanne gesagt: Da, Sterne sind am Himmel! Alle Leute sind zu Haus. Der Mond will warten; er bleibt zu Haus. Nur die Sterne sind am Himmel.“ Toni Throm. Literatur. Lisbeth Burger: Ranks sieben Mädel. 183 Seiten. Leinen.50 S. Verlag Auer, Donauwörth. Die„Storchentante" Lisbeth Burgers ist wohl das bekannteste Werk der Verfasserin. In dem neuen Buch„Ranks sieben Mädel“ greift sie wiederum in die aufgestapelten Erfahrungen, die sie als„weise Frau“ machen konnte. Sie kennt die Menschen, kennt ihre Leistungsfähigkeit und auch ihre Schwächen. In dem Buch zeigt sie das Schicksal von sieben Schwestern, denen der Krieg und die Folgezeit das Leben nicht leicht machten. Aber jede ringt sich auf dem ihr zugewiesenen Platz durch, jede tut ihr Bestes. Zwei fallen für das Vaterland. Der Roman spielt zur Kriegszeit an der lothringisch=saarländischen Grenze. Es zieht durch ihn eine tiefe Liebe zum Vaterland und der feste Glaube an Deutschlands Zukunft. Klo. Wochemafri zur Erdattung und uinerhntung für dus chenlicht Warskr Nr 37 vum Gontral-Bollchten Unmmer 5 Krusberg, den 2. Fedruar Seia 890d vehrgms 1755 Was Goethe Justus Möser Veradikte. Wie sehr die Verhältnisse eines kleinen Staatswesens, von einem überragenden Manne maßgebend beeinflußt, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anregend und befruchtend auf die allgemeinen vaterländischen Verhältnisse eingewirkt haben, das zeigt der überaus segensvolle Einfluß von Justus Möser im Lande Osnabrück. Am 14. Dezember 1720 in Osnabrück geboren, wo sein Vater Kanzleidirektor war. studierte er von 1740 bis 1742 in Jena und Göttingen die Rechte und lag daneben eifrigen Studien in den schönen Wissenschaften ob. In die Vaterstadt zurückgekehrt, wurde ihm 1742 das Amt eines Sekretärs der Landstände übertragen. Sehr bald erkannten die maßgebenden Stellen seine mannigfaltigen und überragenden Kenntnisse, seine Reduchkeit und Uneigennützigkeit, und so ernannte man ihn zunächst zum Anwalt des Staates in Rechtsfragen. Vom Jahre 1755 ab vertrat er als Syndikus die Rechte der Ritterschaft; in dieser Stellung war er redlich bemüht, die sich widersprechenden oder durchkreuzenden Belange zu wahren und auszugleichen. Als Vertreter der Ritterschaft im Kriegslager des Herzogs Ferdinand wurden durch sein kluges und festes Verhalten die schweren Folgen des Siebenjährigen Krieges für das Bistum Osnabrück sehr gemildert und dem Lande große Summen erspart. In dieser Zeit schrieb er, zum Teil im Wagen und ohne Nachschlagewerke den Anfang seiner Osnabrückischen Geschichte, die ungewöhnliche Beachtung fand und heute noch richtungweisend ist. Hatten die Geschichtsschreiber bis dahin meist nur die Geschichte ihrer Landesherren und ihrer Kreise aufgezeichnet, so machte Justus Möser die Untersuchung über den Grundbesitz und die bäuerlichen Verhältnisse des Landes zum Ausgangs= und Mittelpunkt seiner geschichtlichen Betrachtungen. Sein hohes staatsmännisches Geschick führte ihn als Mann, verbunden mit einer genauen Kenntnis der allgemeinen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines engeren Heimatlandes sowohl als auch vieler anderer Länder, trotz mancher Widerwärtigkeiten an die Stellen der Verwaltung, wo er zwanzig Jahre hindurch die Seele der Landesgeschicke blieb. Von 1766 ab gab Möser im Auftrage der Landesregierung schon„Wöchentliche Osnabrückische Intelligenzblätter“ heraus, die neben amtlichen und geschäftlichen Anzeigen volkstümliche Abhandlungen und Aufsätze brachten, in denen er„verkannten Wahrheiten unter einer angenehmen Hülle unvermerkt Eingang zu verschaffen, menschlichere Gesinnung" usw. zu verbreiten suchte. Die Klarheit seiner volkswirtschaftlichen Anschauungen wirkte trotz offensichtlicher Irrtümer in weite Kreise. Manche seiner Anschauungen lassen ihn als einen seinem Zeitalter fast unbegreiflich weit vorausgeeilten Geist erkennen. So ist es begreiflich, daß er als Gelehrter und doch zugleich echt volkstümlicher Schriftsteller einen unberechenbaren Wirkungskreis sich erschlossen hat. Eine ebenso große Beachtung wie er als Staatsmann und volkstümlicher Schriftsteller fand, dankte er seinen geschichtlichen Arbeiten und hier besonders seiner Osnabrückischen Geschichte., 66#. 8 Die Arbeiten des im wahrhaft besten Sinne deutschen Mannes lösten unter anderem auch die besondere Anteilnahme des damals noch jugendlichen Dichters Johann Wolfgang Goethe aus. In „Dichtung und Wahrheit“ gibt uns Goethe über die Einwirkung von Justus Möser auf sein Werden eine so vortreffliche Darstellung, daß nur mit Goethes eigenen Worten das wiedergegeben werden kann, was der werdende Goethe dem Osnabrückischen Staatsmann und Schriftsteller dankte. „Mißfiel es nun dem jungen Autor(Goethe) keineswegs, als ein literarischer Meteor angestaunt zu werden, so suchte er mit freudiger Bescheidenheit den bewährtesten Männern des Vaterlandes seine Achtung zu bezeigen, unter denen vor allem andern der herrliche Justus Möser zu nennen ist. Dieses unvergleichlichen Mannes kleine Aufsätze, Dämmerstunde. Es nachtet schon. Der Tag vergeht Und saugt sich voll mit düsteren Erinnerungen. Aus warmen Hütten steigt wie ein Gebet Der Rauch in vielen blauen Zungen. Die Abendglocke ruft in hellem Ton Die Menschen heim zu stiller Feier. Ich wart’ auf diese Stunde lange schon, Sie löst mich auf und macht mich freier. Ich träume in das dunkle Land. Gedanken spinnen ganz mich ein Und weben einen lichten Schein Um Tage, die vergangen sind. Die Dinge fangen an sich zu erzählen, Verlassen ihren engen Schrein. Menschen aus vergang'nen Tagen kommen geillen Und wollen wieder bei mir sein. Ich streife jede Hülle ab, Gehör' der Stimme, die mich rief. Die stille Stunde ist so tief, so tief. Das Land liegt dunkel wie ein Grab. Martin Weise. staatsbürgerlichen Inhalts, waren schon seit Jahren in den Osnabrücker„Intelligenzblättern“ abgedruckt und mir durch Herder bekannt geworden. der nichts ablehnte, was irgend würdig zu seiner Zeit, besonders aber im Druck sich hervortat. Mösers Tochter, Frau von Voigts, war beschäftigt. diese zerstreuten Blätter zu sammeln. Wir konnten die Herausgabe kaum erwarten, und ich setzte mich mit ihr in Verbindung, um mit aufrichtiger Teilnahme zu sichern, daß die für einen bestimmten Kreis berechneten wirksamen Aufsätze, sowohl der Materie als der Form nach, überall zum Nutzen und Frommen dienen würden. Sie und ihr Vater nahmen diese Aeußerung eines nicht ganz unbekannten Fremdlings gar wohl auf. indem eine Besorgnis, die sie gehegt, durch diese Erklärung vorläufig gehoben worden. An diesen kleinen Aufsätzen, welche, sämtlich in einem Sinne verfaßt, ein wahrhaft Ganzes ausmachen, ist die innigste Kenntnis des bürgerlichen Wesens im höchsten Grade merkwürdig und rühmenswert. Wir sehen eine Verfassung auf der Vergangenheit ruhen und noch als lebendig bestehen. Von der einen Seite hält man am Herkommen fest, von der andern kann man die Bewogung und Veränderung der Dinge nicht hindern. .... Seine Vorschläge, kein Rat, nichts ist aus der Luft gegriffen, und doch so oft nicht ausfudekr. deswegen er auch die Sammlung„Patriotische Phantasien“ genannt, obgleich alles sich darin an das Wirtliche und Mögliche hält.“ Es ist überflüssig, noch besonders hervorzuheben, daß Goethe Möser den größten Einfluß auf eine Jugend zumißt.„die auch erwas Tüchliges wollte und im Begriff kand. es zu erfassen.“ Bei dem gewaltigen Einfluß, den die„Patriotilchen Phantasien" auf Soethe selbst ausgeübt hatten, ist es darum auch umso verständlicher, wenn Seethe bemüht war, das geistige Erleden dieser Schriften an Menschen seiner Welt, denen er den gleichen Ernst für den Gehalt zutraute, weiter zu leiten. Um jene Zeit kamen der Weimarische Erdprinz und sein Bruder, Prinz Konstantin, in Begleitung des Herrn von Knebel, nach Frankfurt am Main. Beide hatten Herrn von Knebel gegenüber gewünscht. Soethe kennenzulernen. Und so traf Goethe bald mit den jungen Fürsten zusammen, die ihn frei und freundlich empfingen. Soeihe erzählt darüber:„Ob es nun gleich an literarischer Unterhaltung nicht fehlte, so machte doch ein Zufall die beste Einleitung, daß sie gar bald bedentend und fruchtbar werden konnte. Es lagen nämlich„Patriotische Phantasien“, und zwar der erste Teil, frisch geheftet und unaufgeschnitten, auf dem Tische. Da ich sie unn sehe gut die Gesellschaft sie aber wenig kannte, so datte ich den Vorteil, davon eine ausführliche Relanon liefern zu können; und hier fand sich der schicklichste Anlaß zu einem Gespräch mit einem jungen Fürsten, der den besten Willen und den festen Vorsatz hatte, an seiner Stelle entschieden Gutes zu wirken... Bei Tafel wurden diese Gespräche fortgesetzt, und sie erregten für mich ein besseres Vorurteil, als ich vielleicht verdiente. Denn anstatt, daß ich diejenigen Arbeiten, die ich selbst zu liefern vermochte, zum Gegenstand des Gesprachs gemacht, für das Schausptel, für den Roman eine ungeteilte Aufmerksamkeit gefordert hätte, so schien ich vielmehr in Möser solche Schriftsteller vorzuziehen, deren Talent aus dem tätigen Leden ausging und in dasselbe unmittelbar nützlich sogleich wieder zurückkehrte, poetische Arbeiten, die über dem Sittlichen und Sinnlichen schweben, erst durch einen Umschwetf und gleichsam nur zufällig nützen können...“ Und so waren Justus Möser und seine„Patriotischen Phantasien“ der erste Weg eines geistigen und weltanschaulichen Sichnäherkommens, das die beiden jungen Fürsten den Wunsch aussprechen ließ. Goethe das Versprechen abzunehmen, bald nach Mainz zu folgen und dort mit ihnen einige Tage zuzubringen. Die weitere Entwicklung des Verhältnisses Soethes zu dem Erbprinzen ist bekannt. Und wenn Goethe im Alter als Weimarischer Staatsminister mit Dankbarkeit des Einflusses gedenkt. den Justus Möser auf ihn und sein Werden ausgeübt hat, so wollen wir uns nogh, besone ders des westfälischen Volksfreundes. Schrinstellers und Staatsmannes freuen, dessen Wirken aus der Enge des von ihm betreuten kleinen Staatswesens so gewaltig hinausgreift in die Umwelt seiner Zeit. 2. Uhlmann=Vixterheide. Füllst du eine Kinderhand Von Ludger Sträter. Leutnant Horst Terfloch ging am Morgen des 9. November 1918 quer über den Neuplatz der westfälischen Hauptstadt. Von der Mitte des Platzes her drang das Rusen meuternder Matro2 S T ch i et M ir zuu W n lun dnnt gun wvog uis 19 ziycl n hnn ud u un im ii it im gun Much mtte uushhtz W W M M M u i se i0 iiß zi 1 cuh im M Me Mi e cte zu hnd s, Me n Picles Au u shhl hete gun ii un quzuilc i t i u d ie in ee W m h c sui M uc hinc— M Me sen und das Kreischen der roten Hilfsmädchen zu ihm herüber. Horst Terfloth biß sich die Lippen blutig. Sein Gesicht wurde Stahl. Er sah an diesem Morgen die furchtbare Schuld, an der eine ganze Generation zu büßen haben würde. Er griff an sein kurzes Seitengewehr und hielt das Portepee fest in der Hand. Leutnant Terfloth wollte rechts hinüber zum Generalkommando, um sich für jede Verwendung zur Verfügung zu stellen. Im Au ist er umringt von schreienden Matrosen, lärmenden Insanteristen und kreischenden Frauenzimmern. Ehe er sich versieht, ist er zurückgedrängt von der brutalen Masse bis an den Eingang der Jüdefelderstraße. Hier in dieser engen Straße ist er eingekeilt in den zerrenden Hausen. Note Fahnen, rote Armbinden kreisen vor den Augen des Offiziers. Blutrünstige Ruse gröhlen ihm entgegen. Da faßt die Hand eines Frauenzimmers, dessen Gesicht verzerrt war wie ein gotischer Wasserspiegel, nach dem Seitengewehr des Offiziers. Ein dumpfer Schlag aus der Menge reißt ihm die Feldmütze vom Kopf. Er spürt, wie rohe Fäuste nach den Achselstücken greisen und wie die Hand des Frauenzimmers an seinem Portepee zerrt. In erbitterter, unbewußter Absicht schlägt Horst Terfloth um sich. Seine Faust hat das Mädchen vor die Stirn getroffen. Er sieht durch den Schleier seiner zorngequollenen Augen einen roten Strahl aus des Mädchens Gesicht überschießen. Da heult die Menge auf und will sich wie eine stinkende Flut über den Offizier stürzen, der allein ist. Horst weiß, daß er jetzt auf dem Ben rur Hotertedt beriun ran. 20 ein reben so teuer wie möglich verkaufen. Plötzlich brüllt eine Männerstimme über das Gewoge hinüber:„Loslassen! Der Mann ist sicher. Ich stehe für den Mann.“ Und ein Kerl schiebt sich in den Hausen hinein, stellt sich breit vor den schmächtigen Leutnant und schiebt ihn schützend und wehrend in den Eingang eines Geschäftshauses hinein. Noch ein paar Worte brüllt er in den staunend stehenden Menschenknäuel, dann schließt er die Ladentür ab. Horst Terfloth war gerettet von einem Hünen, den er nie im Leben gesehen hatte. Die Geschäftsfrau bringt Wasser und ein Handtuch. Horst Terfloth reinigt sein Gesicht und seine Uniform von dem eklen Geifer der roten Meute. Er fragt dann das große Ungetüm, das ihn geretet hatte, warum in aller Welt er ihm denn beigesprungen sei, er sei doch Soldat, er sei ein Gegner aller dieser Meuterer bis zum Tode. Und der große Rensch, der breit auf einem Salzsack hockte, sagte dumpf:„Das mag, alles sein!.n hab dich auch nur ein einziges Mal gesehen, Leutnant. Das war hier in diesem Geschäft. Da hing eine junge Frau an deinem Arm. Ihr wart beide voll von Glück. Du hast damals dem Weibchen hier in diesem Geschäft Schokolade gekauft und allerlei Süßigkeiten. Da stand ein kleines Mädchen neben dir am Ladentisch. Das Mädchen hat euch beide angebrannt aus hungrigen Augen, als es die seltenen Süßigkeiten sah. du gesehen. Leutnant. Du hast dem Kinde beide Hände mit Süßigkeiten gefüllt und hast ihm Schokolade in die Schürzentasche gesteckt. habe ich gesehen, Leutnant. Das Mädchen war mein Kind. Und eben, als du in dem Knäuel stecktest, da habe ich dich wiedererkannt. Na, und das andere weißt du ja. Ich rate dir, Leutnant, steck dein Portepee in die Tasche. Ein zweites Mal wird dich keiner herausholen aus dem Haufen. — Tag zusammen!" Dann schob sich der Mensch aus der engen Ladentür ins Freie. Die Dielen knirschten unter seinem Schritt. Brüder. Weiß scheint die Sonne aus dem tiefblauen Himmel auf die graue Kirche, den weiten, grünen Wiesenplan, der sie umgibt und auf die kleinen, bunten Häuser, die in unregelmäßigem Kreise, durch eine weite Straße getrennt, darum herum behen. Eine alte Linde wirft mächtige, schwarzblaue Schatten, deren Kühle aber die zwei flachsköpfigen Knaben, die an einem viereckig von grohen Bruchsteinen eingefaßten Teiche spielen, verschmähen.— Ein geräuschloses Spiel im feuchten Sande. Sie haben einen großen begelförmigen Berg ausgeschüttet und festgeklopft, der nun von vier Seiten untertunnelt werden soll. Der achtjährige Paul hat bereits seinen schlanken Arm horizontal bis zur Achsel in den kühlen Hügel hineingearbeitet. Ehrgeizig und lüstern, über den um drei Jahre älteren Bruder Nobert zu triumphieren, vollenden seine schmalen Hände nun geschickt und behutsam das Werk.— Der Bruder, anfangs behindert durch die vorsichtgebietende Raschheit des Jüngeren, beginnt nun mit starkknochiger und ungelenker Hand auch sein Tunnelwerk weiterzsführen, welches dos Nr, ersfane in# Innern des Hügels kreuzen soll. Ausmerisum sinzt Paul daneben. Noberts Finger arbeiten zu plump und unvorsichtig: ein Teil des Hügels gerät ins Rutschen und der Tunnelbeginn bricht über dem Elldogen des Knaben zusammen. Mit einem leisen, klappenden Geräusch schlägt sich Paul auf das gackte Knie und über sein erwartungsvoll offen lächelndes. selbstzufriedenes Gesicht huscht für einen Gugenblick ein Schatten des Unmuts über so viel Unfähigkeit. Mit größter Sorgfalt hat Robert den Schaden behoben und versucht weiter, den gackten Arm in den Sandberg hineinzubohren. Nach kurzer Zeit geschieht das gleiche Anglück: wieder rieselt, diesmal kurz vor der Vereinigung der beiden unterirdischen Wege, der inzwischen trockener und lockerer gewordene. Sand über den kräftigen Knaben arm rötend zieht er den Arm zurück und lächelt im Begußtsein seiner Anfähigkeit dem Jüngeren entgeoon:„Ich bringe er nicht fertig...!“—„Du dis eben dumm und bleibst es auch,“ erwiderte den Bracder von seinem Platz, hebt Fri, Säge beut dem Schaden ans und vol. geszig, br#r Bei: guch noch den Tunnelban des Hricktrn.—„So: sagte er, und klopfte sich den Sand von den Händen, indem er wohlgefällig den Berg und seine oler Eingänge betrachtet,—„so!“— Sein Werk, seins ganz allein!— Nobert blickte auf den Bruder. Alles kann der! Aus der Schule bringt er die besten Zeugnisse, turnen kann er und sagen und tun kann er, was er denkt. Das ist fast das Schwerste... Aber schwimmen, das kann er „Sollen wir jetzt noch einen Graben darum herum machen, Paul, und Wasser reinschütten?“ „Ja los, du holst das Wasser!“ Die viereckige Fläche des Teiches liegt #mutziggrün und ganz bill in der heißen Sonne. Von Hannes Heiling. Nobert beugt sich über den gemauerten Rand und läßt den Eimer auf dem Wasser tanzen... darin zu baden, hat die Mutter verboten.— Aber wenn man schwimmen kann?— Man kann doch wahrhaftig gut schwimmen; besser als irgendjemand. Und Paul,— der kann nicht men!— Hm, der arme Paul! So etwas, nicht schwimmen zu können!— Die Sandalen hat er schon von den Füßen gestreift. Nun noch Hose und Hemd herunter.— Das Wasser ist lauwarm, und es ist kein gutes Gefühl darin zu schwimmen, aber——— „Paul!— Paul, ich din im Wasser, komm mal her!“ Ja, er kommt, mit Sand an den Händen steht er am Rand und blickt neugierig auf den Schwimmenden. Dann verändert sich seine Miene.„Wo ist der Eimer?“— fragt er..„ „Komm doch auch herein, genz warm! „Ja,—— gleich, ich muß erst noch den Graben fertig machen und voll Wasser gießen...“ Er nimmt den Eimer und wendet sich ab. Minuten vergehen... „Kommst du denn noch nicht, Paul?“— „Ach was, in dem schmierigen Wasser kannst du allein baden. Ich hab keine Lust.“ „Das Wasser ist schön, Paul, komm doch!— Paul! Ich schenk dir auch meinen Photokalender!“ „Will ich nicht haben!“ „Oder mein Bilderalbum?!“ „Behalte man, ich kriege bald selher eins. 3ch geh jetzt nach Onkel Harry, vielleicht schenkt er mir einen Groschenk „Warte, ich gehe mit!“ Den Körper mit Algen und grünem, schlammigem Moos bedeckt, kommt Novert wieder zum Vorschein. Mit seinem Taschentuch versucht er sich zu reinigen, und der Aerger über diesen Schmutz, die Unzulänglichkeit des Taschentuchs, und über den Mißerfolg des ganzen Unternehmens macht ihn niedergeschlagen, nervös und böse. Dieser Paul, wie blödsinnig er da hockt und blinzelt!—„Leih mir mel dein Taschentuch, „Jawohl, damit du es mir schmierig machst, dr alter Schlammkönig'“.— Nohert würgen die Tränen im patse. kann es in der Welt so viel Schweres auf einmal geben? — Er knurrt:„Dann läßt du's“ und zieht sich mit trotzigen Bewegungen Hemd. Hose und Sandalen an. In ihm schwelen die Gefühle der Unzufriedenheit mit sich und der Welt und die wirre Sehnsucht nach grausamer Selbstvernichtung.— hen heim. Eine Katze läuft ihnen über den Weg. Nobert nimmt einen schweren Stein und wirft Hause ist der Onkel auf seinem Zimmer. Den von ihm selbst proklamierten Wettlauf zur Haustür gewinnt Paul. der im Uebermut der Siegerlaune drinnen abschließt. Ein Schlüssel klirrt zur Erde. Lachend voltert Paul die Treppe hinauf. Stockstill steht Nobert vor der verschlossenen Tür.. In einem Moment furchtbarster Spannung kämpft der Drang nach endlichem, trotzigen, zornrauchenden Ausbruch mit dem sehnlichen Wunsch nach kindlich=gläubiger Hingabe an den Schmerz, nach Demut, Tränen, Stille und schmerzhaft=traurigem Geborgensein. Dann ist es fort. Ungelöst, herabgedrückt, gleichsam hinuntergeschluckt.— Der Knabe nimmt die Hand von der Klinke, tritt zurück und geht mit müden, langsamen Schritten durch den Garten zur Hoftür, durch die er den kühlen, dämmerigen Hausflur erreicht. Da liegt der Schlüssel! Es flackert auf in dem Elfjährigen: Nache, Vergeltung!— Er steckt den Schlüssel zu sich, wendet sich zur Stiege und steigt Stufe um Stufe dem Zimmer des Onkels entgegen.— Der sitzt mit einem Buch in der Hand vor dem Schreibtisch und läßt sich von Paul erzählen, was er in den letzten Stunden getrieben hat, wobei er dem Knaben ernsthaft und aufmerksam in die Augen blickt. „Und dann haben wir die Tunnels fertig gemacht, und ich habe einen Graben ganz darumherum gemacht und Wasser hineingeschüttet und Nobert hat geschwommen!“ „Wo?“ „Im Teich!“ „Ist das wahr, Nobert?“ „Na, da seid ihr ja ein paar ganz verfluchte Kerle. Laßt euch nur nicht von der Mutter erwiteen:„ Nobert ist bereit, alles zu vergessen. Herrlich ist wieder das Leben, blühend, voll Sonnenschein und freundlicher Begebenheiten! Errötend hört er die leise Anerkennung in den Worten des Onkels. Er ist dabei, hat etwas geleistet, etwas Lobenswertes, Viktoria!— Nun weiter, nicht den Boden unter den Füßen wieder verlieren!— Er fiebert. Es muß etwas geschehen, er muß etwas sagen, etwas Besonderes, er muß die Meinung, daß er ein ganzer Kerl sei, bei dem Onkel befestigen, um alles in der Welt— er muß! „Nee, ach was, Mutter,— die kann uns auf den Kopf blasen!“--.„ Alberner Uebermut war das und eine Ungezogenheit. Natlos steht Nobert davor. So war es doch nicht gemeint, nein, nein! Es sollte nur etwas besonders Forsches, Handsestes dabei herauskommen. Und nun war dies daraus geworden. Halb selbstbewußt, halb entschuldigend lächelt Nobert ein unsympathisches Lächeln. Der Onkel wendet sich ab, greift wortlos in seine Börse und reicht Paul ein Zehnpfennigstück, der mit einem freudig=offenen„Danke“ aus dem Zimmer hüpft. Nobert verweilt einige Sekunden unentschlossen, bis der Onkel lesend ihm eine Kupfermünze zuschiebt.„Benimm dich nächstens ein wenig anständiger!“— sagte er dazu.„Danke“, haucht Robert widerwillig und schleicht davon. Er hat es ja gar nicht sagen wollen, das Schlimme, es ist nur so plötzlich aus ihm herausgekommen. Er war doch plötzlich so froh gewesen... Und nun war wieder alles vorbei.— Er schließt die Tür hinter sich. 1562 Unten pseift Paul eine kleine, selbsterdachte kindliche Melodie vor sich hin.— So ein Hund! Hätte er nichts erzählt, wäre das alles nicht geschehen. Warte nur! Es klingelt. Paul eilt zur Tür, um zu öffnen: verschlossen! Und der Schlüssel ist fort. Im gleichen Moment kommt es dem Jüngeren zum Bewußtsein, daß niemand anders als er den Verlust verursacht haben kann. Erröten, nervöses Umherblicken, aufgeregtes Suchen an näher und entfernter liegenden Stellen!— Nun ist seine Stunde gekommen! Seelenruhig lehnt Nobert an dem Treppenpfosten und fragt Paul, ob er gar den Schlüssel verloren habe.— „Ja.“ Schuldbewußte Tränen steigen herauf. Unterdes klingelt es wieder und wieder. Als oben eine Tür geht, gibt sich Robert den Anschein, als beteilige er sich eifrigst an der Suche. Dabei kann er das Erscheinen des Onkels kaum erwarten, dem Pauls Schandtat mitzuteilen es gilt. Auch Onkel Harry schaut hierhin und dorthin, während sich Robert in altklugen, überlegenen Fragen und Ratschlägen ergeht.—„Nein, sowas, du mußt doch wissen, wohin du ihn geworfen hast, Paul. Schau noch einmal unter den Garderobenständer und in deine Taschen— Na, Mutter wird schön schimpfen, wenn sie zurückkommt. Sieh ja zu, daß du ihn bis dahin herbeigeschafft hast.“—„Ich habe es ganz genau gehört. Onkel Harry, wie Paul innen abschloß.“—„Junge,„Junge, Paul, wo kann der Schlüssel nur sein?!“— Paul weint fassungslos und blickt auf die blanken Bodenfließen.—„Wenn du nur wenigstens eine Idee hättest, Paul, dann könnten wir dir vielleicht helfen.“— beginnt Robert wieder, und badet in dem Gefühl sicherer Ueberlegenheit.— Noch unglücklicher möchte er den Bruder machen. Ganz kalt und einsam soll er in seinem Unglück stehen. Einmal soll er es auch spüren, wie schwer es sich an unverschuldetem Unglück trägt! Robert zieht sich zurück und läßt dabei den Schlüssel aus seiner Tasche unter den Garanee#-#all ebnslac abr enn ine anbe asl esinn t c ah gun iud uht ii icnt „g Tohlobun mig 23g lnv zwiu Him u u Mu Wu h hg“ „Trühnzog gun Miie iichte n„Tuhsk“ 130 190 nevg Hou gun Wuntt u zag zuzmsb „„„ M Wiiegn Pinvig nt in 13 Nuc uu 13 uet g W Mn n che i lu i uin i i n gun Mi u qun Mucinig wa Wh e ii m cin ung n Siu bg usud u uh ue n h W g unz ni M e n gun M M g it n hnsck uunc ig t unin g gun mht im i cctunng Nenate hatte sich, nachdem sie im Gut erfolglos vorgesprochen, in den Wald begeben, der sich hinter Baron Stettens Besitz hinzog. Zunächst war sie entschlossen gewesen, nas nächste Dorf aufzusuchen. Als sie sich aber erinnerte, in ihrem Koffer Schokolade und etwas Gebäck zu haben, hatte sie diese Absicht aufgegeben. Als kleines Mädchen schon hatte sie eine Vorliebe für Waldspaziergänge besessen. Sie hatte früher immer unter den hohen Stämmen im weichen Moos gekauert, nach dem blauen Himmel geguckt und sich die Märchen, die sie gelesen, durch den Kopf gehen lassen. Diesmal waren es keine Märchen, die sie beschäftigten. Das Erlebnis mit den Filmleuten war vergessen, und die Erinnerung an Bernhard Shadow nahm ihr ganzes Denken in Anspruch. Sie gedachte der stillen Abende, da sie mit dem Millionär im Garten in Dahlem gesessen und des Spazierganges, den sie erst jüngst mit ihm unternommen, und ihr Herz wurde weit und freudig. Ob er wohl sehr betrübt war, weil sie ihn Hals über Kopf verlassen hatte? Ob er auch ein klein bißchen von dem Weh im Herzen spürte, das sie in der Seele trug? Sie wanderte durch den Wald, und als sie eine sonnige Lichtung erreichte, ließ sie sich nieder und machte es sich auf dem laubüberstreuten Boden bequem. Sie aß, dann streckte sie sich aus, und ihre Blicke richteten sich auf den blauen Herbsthimmel, an dem weiße Wölklein segelten. Gedanken kamen und gingen, und mittendrein schlief sie ein. Die Natur machte das wett, was in den vergangenen Nächten versäumt worden war. Als Renate wieder erwachte, stellte sie staunend fest, daß sie viele Stunden geschlafen hatte. Ein roter Schimmer wob sich durch den Wald. Die Sonne sandte ihre letzten Grüße vom westlichen Horizont. Nenate verspürte Appetit und sie aß den Rest ihrer Vorräte. Und während sie aß, suchte sie Ordnung in das Chaos ihrer Gedanken zu bringen. Sie hatte geträumt, konnte sich aber an die Einzelheiten nicht recht erinnern. Sie wußte nur mehr, daß der Traum ein schönes Ende genommen hatte. Bernhard Shadow war gekommen und hatte sie in seine Arme geschlossen. Aber sie hatte nicht das Kleid getragen, in dem sie gegenwärtig steckte, sondern ein viel schöneres aus Samt und Seide, an dem Juwelen und Edelsteine blitzten. Und eine Stimme hatte betrübt gesagt:„Nun heiratet der Star der Phönix=Filmgesellschaft". Die Erinnerung an diese Traumworte brachte schon etwas mehr Klärung. Sie hatte, im Traum, das Engagement bei der Filmgesellschaft angenommen, war reich und berühmt geworden und hatte damit Shadows Werbung ohne Skrupel annehmen dürsen., Sie erhob sich und stand in Gedanken veriken. Eine Weile schien es ihr, als hätte sie auch den Auftritt im Filmlager geträumt. Dann griff sie energisch nach ihrem Koffer und machte sich auf den Rückweg. Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als sie aus dem Walde trat und Stettens Gut vor sich liegen sah Eigentlich sah sie nur die Lichter, da sich undurchdringliche Nebelschwaden über die Ebene gelegt hatten. Der Nebel verhüllte zugleich auch das Lager der Filmgesellschaft, und Renate empfand abermals den Gedanken, die Szene am Vormittag könnte ebenfalls nur ein Traum gewesen sein. Sie schritt auf das Gut zu. Ein Hund sing zu kläffen an. Nenate rief ihm einige Worte zu, und das Tier verstummte. Sie hatte mit der Rechten schon den Griff der Haustür umspannt, da glaubte sie die verzweifelte Stimme des Regisseurs wieder zu vernehmen:„Sie werden reich und berühmt!“ Und zum erstenmal dachte sie über den Vorschlag des Mannes nach. Sie vergab sich gewiß nichts, wenn sie das Angebot annahm. Und wenn sie gut verdiente— konnte dann der Traum nicht Wirklichkeit werden? Als armes Mädel durfte sie Shadow nicht lieben. Astrids verletzende Worte kamen ihr in den Sinn. Aber wenn sie reich war, reich und gefeiert! Eine Flut verwirrender Gedanken befiel sie. Was bedeutete ihr Reichtum, was Ruhm? Das war nichts, Shadows Liebe alles! Beim Filmlager hielten zwei Mann Nachtwache. Alle übrigen Leute, die Darsteller und die Komparsen, das technische Personal und die Aufnahmeleiter, hatten sich in die umliegenden Dörfer begeben. Die beiden wachthabenden Stammkomparsen saßen in einem der wohnlich eingerichteten Omnibusse und besprachen den Vorfall während des Vormittags. Einer von ihnen war auch an dem zweiten Streifzug Nenate beteiligt gewesen. Aus den Fenstern des großen Wagens fiel Licht, und diesen Schein gewahrte Renate, als sie sich dem Filmlager näherte. Sie schritt auf den Omnibus zu und pochte an das Fenster. An der Scheibe erschien ein Gesicht, das forschend ins Freie sah und im nächsten Augenblick höchste Ueberraschung ausdrückte. Gleich darauf knallte die Wagentür auf und ein Mann sprang heraus. Er starrte Nenate wie ein Gespenst an und fand nicht gleich die richtigen Worte. „Dem Himmel sei's gedankt, daß Sie nun doch wiedergekommen sind!“ stieß er hervor.„Wo trieben Sie sich bloß den ganzen Tag umher? Wir haben stundenlang nach Ihnen gesucht!“ „Kann ich den Herrn sprechen, der mir heute vormittag keine Ruhe ließ?“ fragte sie gelassen. Nowak hatte sich zum Schlafen in ein naheliegendes Dorf begeben. Der Komparse besprach sich kurz mit seinem Kollegen, der ebenfalls aus dem Wagen gekommen war, dann nickte er. „Ich will Sie zu ihm bringen. Kommen Sie.“ Er schritt ihr voran, und sie folgte ihm und setzte sich an seine Seite in einen kleinen Zweisitzer, der sie in rascher Fahrt durch die Nacht trug. In wenigen Minuten hatten sie das betreffende Dorf erreicht. Sie hielten vor der einzigen Gastwirtschaft, in dem der Regisseur mit seinen Getreuen zu nächtigen pflegte..# „Der Herr ist noch auf.“ erklärte der Wirt auf die Frage des Komparsen.„Er sitzt in der GastRabe „Ich werde Sie melden,“ bedeutete der Filmmann Nenate: aber diese hielt ihn zurück. „Danke. Alles Weitere besorge ich selbst.“ Sie öffnete die Tür und lief dem Regisseur in die Arme. Nowak hatte ein Gefühl, als müßte es ihn auf den Boden hinsetzen. Er warf die Arme emvor und starrte Renate an, als wäre ihm ein Gespenst in den Weg gelaufen. Dann wich seine Ueberraschung einer sehr sachlichen und ebenso großen Freude. Diese Freude steigerte sich, als der Komparse, der stehen geblieben war, erklärte: „Das Fräulein erschien eben im Lager und fragte nach Ihnen.„„ 455. f ti. 6är. a Der Regisseur klatschte in die Hande.„Jegt stimmt der Laden, meine wunderbare Unbekannte! Sie wünschen mich zu sprechen?“ Renate nickte und folgte ihm in ein Nebenzimmer, wo sie Platz nahmen. Nowak betrachtete sie mit entzückten Blicken. „Sie hätten allerdings auch schon heute vormittag so schlau sein können. Ich war den ganzen Tag furchtbar wütend, ließ stundenlang vergeblich nach Ihnen fahnden, und das Ergebnis unserer heutigen Arbeit ist gleich Null. so daß wir morgen noch bleiben müssen, während wir heute abend aufgebrochen wären, wenn Sie uns diesen Streich nicht gespielt hätten.“ Er sprach mit sehr grollender Stimme, die in schroffem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand.„Hatten Sie jemals den Wunsch, Filmschauspielerin zu werden?“ „Nein,“ schüttelte Nenate den Kopf.„Diesen Wunsch hatte ich nie. Ich habe nur sehr wenige Filme gesehen und hätte niemals auch nur im Traume daran gedacht, daß ein ganz gewöhnlicher Mensch es zu etwas bringen könnte. „Aber wenn ich Ihnen nun mein Angebot von heute morgen wiederhole, so nehmen Sie jetzt an?“ Sie nickte.„Ich habe mir die Sache überlegt und bin mit allem einverstanden, wenn ich natürlich die Fähigkeiten besitze...“ „Kein Wort weiter!“ unterbrach sie Nowack. „Sie haben die Fähigkeiten. Ich bin vom Bau, und Sie dürfen mir glauben. Wollen Sie mir nun ein klein wenig von Ihrem Leben erzählen?“ Renate berichtete ihm, was sie für gut fand, und ihre schlichten Worte und der Umstand, daß sie eltern= und heimatlos war, vermehrten die Symvathien des Regisseurs für sie. „Darf ich nach Ihrem Namen fragen?“ „Renate Niemand.“ Nowack blinzelte mit den Augen.„Das ist nichts. Nenate ginge. Aber so heißen Spielerinnen. Und Niemand?" Er schüttelte den Kopf.„Damit könnte man keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken. Das soll natürlich keine Beleidigung sein. Ich will Ihnen damit nur klarlegen, daß Sie einen anderen Namen brauchen. „Aber ich habe doch nur diesen...“ fiel sie ein. „Das tut nichts“, beruhigte er sie. Ein klangvoller Name ist gleich erfunden. Diese änderungen sind durchaus üblich. Neymen Sie bloß mich. Ich heiße Hans Nowack. Das heißt, die Leute nennen mich so. In Wirklichkeit heiße ich Johannes Naseweis. So kann kein Regisseur benannt werden. Infolgedessen habe ich mir einen anderen Namen beigelegt. So werden wir es auch mit Ihnen machen. Aber das ist vorläufig Nebersache. Wir rutschen morgen mittag nach Leipzig, und Sie kommen mit. Einverstanden?" Er streckte ihr die Hand entgegen, in die Nenate kräftig einschlug. 14. Astrid Vornemann hatte den Brief des Millionärs erhalten. Sie erkannte Bernhards Schrift sofort und erbrach den Umschlag. Als sie aber die Ueberschrift:„Sehr geehrtes Fräulein!“ gewahrte, dachte sie, das Schreiben müsse von anderer Hand rühren. Sie warf einen Blick nach der Unterschrift, und ihr Herzschlag drohte auszusetzen, als sie las: Vernhard Shadow. Das Schreiben lautete: „Sehr geehrtes Fräulein!! Der gestrige Abend, Sie werden wissen, was ich meine, scheidet uns für immer voneinander. Ich bin nunmehr zur Erkenntnis gelangt, daß ich Sie nie geliebt habe, und daß alle Regungen meines Herzens Nenate Niemand gelten. Diese Erkenntnis nehme ich um so leichter hin, als auch Sie mir niemals Liebe entgegenbrachten. Mit diesen Zeilen breche ich sämtliche Beziehungen zu Ihnen, unsere besonderen sowohl als auch die gesellschaftlichen, für immer ab. Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen das Beste. Vernhard Shadew.“ Alles Blut war aus Astrids Wangen gewichen. Sie las das Schreiben zum zweiten= und drittenmal, dann schleuderte sie es zornig auf die Tischplatte. An allem war Hanna Vernhoff schuld. Wenn die mit ihrem Klatsch nicht gekommen wäre, so hätte sie niemals eine Veranlassung gehabt, Shadows Privatsekretärin zur Rede zu stellen. Diese hatte natürlich bei ihrem Herrn Beschwerde geführt, und Shadow—. Sie sah mit wutfunkelnden Blicken nach dem Brief. Shadow hatte sie fallen gelassen. Er schrieb es ihr selbst in brutaler Kürze, daß er seine Privatsekretärin liebe. Und damit war sie auf das tote Gleis geschoben, wie Hanna Vernhoff hohnlachend prophezeit hatte. Maßlose Erbitterung stieg in Astrid auf. Sie faßte nach dem Schreiben und suchte ihre Mutter auf. Die Kommerzienrätin machte eben Toilette, als Astrid ohne Gruß ins Zimmer trat. „Da“ Sei warf ihr den verknüllten Leinenbogen zu. Frau Vornemann wollte beleidigt aufbrausen, aber als sie das verstörte Gesicht ihrer Tochter sah, blieben ihr die Worte in der Kehle stecken. Sie faltete das Blatt auseinander und begann zu lesen. „Da hast du nun die Bescherung!“ legte Astrid wütend los, als die Kommerzienrätin den Bogen mit zitternden Händen auf den Tisch zurücklegte. „Er schreibt, ich habe ihm niemals Liebe entgegengebracht. Und er hat recht! Daran bist du schuld! Du sagtest immer: Halte ihm den Brotkorb hoch. damit ihm der Appetit nicht ausgeht. Jetzt pfeift er auf den Brotkorb und auf mich und wirft sich seiner Sekretärin an den Hals, die ihm vermutlich die ganze Zeit her schon gefühlvoller entgegenkam als ich. Damit ist der Traum von den Millionen ausgeträumt, und du bist an allem schuld!“ Dann stürzte Astrid aus dem Zimmer, während die Kommerzienrätin keiner Erwiderung und keiner Bewegung fühig war. Sie hockte teilnahmsles auf dem Stuhl und starrte, blaß bis in die Lippen, auf den Unglücksbrief, während sich Astrid in ihrem Gemach, vor Erimm weinend, auf der Ottomane wälzte. Aber weder sie noch ihre Mutter ahnte, daß Vernhard Shadow von einem ganz ähnlichen Leid heimgesucht wurde. Der Millionär saß untätig in seinem Privatzimmer. Seine Blicke ruhten immer am selben Punkt, an dem zweiten Tisch, an dem früher Neuate gesessen hatte. Und alle paar Augenblicke stand er auf, ging hin und strich über den Stuhl, auf dem sie geruht. Eine Episode seines Lebens, die schönste und nachhaltigste, war vorüber wie ein schöner Traum. Da half alle Liebe und alles Hoffen nichts, Nenate war und blieb verschwunden. Er hatte er den Büroangestellten noch nicht mitgeteilt, daß die Privatsekretärin ausgeschieden sei. Er hätte es ja tun können. Mit einem Wort wäre diese Sache erledigt gewesen. Aber er fürchtete sich vor diesem Wort und fürchtete sich vor den neugierigen Gesichtern der Leute. Am Ende fragte semand nach der Arsache, und zu einer solchen Frage wollte er keine Veranlassung geben. Und dennoch fragte jemand. Dr. Alsleben kam am Dienstagmorgen ins Direktionszimmer. Er hatte einige Dinge mit Shadow zu besprechen. Als das geschehen war, sab er sich nach dem Tisch Nenates um, und der Millionär senkte den Kopf. „Ist Fräulein Niemand krank?“ erkundigte sich der Prokurist.„Ich habe sie bereits gestern vermißt.“ Da konnte Shadow nicht mehr aus. Er hob den Kopf, und seine gramerfüllten Blicke streiften ebenfalls den zweiten Tisch.„Fräulein Niemand hat ihren Abschied genommen“, sogte er hart. Dr. Alsleben machte eine übbewegung. stürzt, und möglich? Es gefiel ihr dech so gn Der Millionär zuckte die Schultern und sagte nichts. Der Prokurist hatte tausend Fragen auf den Lippen, aber er erinnerte sich, daß er Chef gegenüberstand. Er ging kopfschüttelnd hinaus. Eine Stunde spöter kam er wieder. Mit gesenktem Kopf trat er vor Shadow hin.„Die Sache — ich meine das unvermittelte Ausscheiden von Fräulein Niemand— läßt mir keine Ruhe, um so mehr, als vielleicht— ich die Schuld daran trage“, kam er stockend über seinen Mund. Bernhard Shadow sah auf, und die Verstörung in den Mienen seines Prokuristen ließ etwas Warmes in ihm aufsteigen.„Setzen Sie sich, Alsleben“. sagte er freundlich, und der andere nahm schweigend Platz. Der Millionär sah ihn eine Weile wortlos an, dann fuhr er fort:„Wie kommen Sie auf solche Gedauken! (Fortsetzung foigt.) #che, un-Aep)-4,#cmu# i M n un m 2ie mud so t i un i uc uu nlir m 1 Tahmn bog uskub ung#g##il sic uag e“„u i hog unn 21 g Muld.1 uuc mac“ wva zppung tu i ite g iuc M c### unc ui i wchn uii uut zbune beantwortete sie mit ihrem Heimweh, und die Alten fanden diese Erklärung begreiflich. Dann plauderte sie von Berlin, und die beiden Leutchen und die Knaben hörten ihr in atemlosem Interesse zu. Man brachte ihr zu essen. Nauchfleisch, Butter, Brot. Nenate hatte den ganzen Tag über nichts zu sich genommen und auch niemals Appetit verspürt. Aber beim Anblick der Speisen, so kärglich de waren, regte sich ihr Hunger, und sie griff herzhaft zu. Dann, nachdem sie sich gesättigt, kam sie auf ihre Zukunft zu sprechen. „Könnte ich vielleicht irgendwo hier in der Nähe bleiden? Wißt ihr eine passende Stelle?" Zu ihrer Freude nickte der Mann.„Eine sehr gute sogar. Der Baron Stetten sucht eben nach einem Mädchen für seinen Haushalt. Die Betreffende sollte aber auch in der Buchführung ein dißchen bewandert sein. Kannst du das?“ „Ich denke,“ nickte Nenate und lächelte. Es war ein halb belustigtes, hald wehes Lächeln. Im übrigen stimmten sie die Worte des Mannes freudig. Sie kannte von früher her sowohl Baron Stetten als auch dessen großes Gut. Dieses lag etwa zwei Stunden vom Dorf entfernt, und der Baron war ein alter, biederer Herr.„Ich werde mich gleich morgen früh auf den Weg machen.“ lagte, sie. „Da wirst du etwas sehr Interessantes zu sehen bekommen,“ mengte sich die Frau ins Geprach.„Auf der grohen Ebene vor dem Gut hat eine Filmgesellschaft ihr Lager aufgeschlagen. Es ist herrlich, ihnen zuzusehen. Ich war erst vorgestern mit den Jungen dort. Eine Schar Zigeuner stritt und raufte miteinander, und alles wurde photographiert. Wir hätten stundenlang sodlen Teunen. Als ader meine Buben#. hler begannen, kam ein wütender Mann auf uns zu und jagte uns fort.“ Die Erwähnung der Filmgesellschaft erinnerte Nenate daran, daß sie einmal mit Shadow einen Tonfilm besucht hatte. und diese Erinnerung genügte, um ihr alle Teilnahme für andere Dinge zu rauben. Bei jeder anderen Gelegenheit aber hätte ke dem Bericht der Frau mit größter Aufmerkamkeit gelauscht; denn sie hatte niemals ähnliches gesehen. Man saß noch eine Weile plaudernd beisammen, dann führten die beiden Leute Nenate in eine freie Kammer, wo sie nächten sollte. Es erfüllte is Mädchen mit einer prickelnden Freude, als man ihr das Zimmer anbot, in dem sie früher geschlasen hatte. Sie blieb, als die beiden Alten gegangen waren, lange in Gedanken versunken, an dem unbedeckten Tisch des kärglichen Raumes sihzen. Dann sah sle um sich. Es war alles beim alten geblieben. Sogar das unscheinbare Madonnenbild, das sie vor vielen Jahren am Kopfende des Bettes angebracht hatte, hing noch an derselben Stelle. Es ging bereits auf Mitternacht, als sie die Kerze auslöschte und fröstelnd ins Bett Aetterte. 13 Sie erhob sich am folgenden Morgen frühzeitig und erschien bereits zum Weitergang angekleidet und den Koffer in der Hand in der unteren Stube. Den Vorschlag der beiden Leutchen, eine Weile bei ihnen zu bleiben, lehnte sie mit Bestimmtheit ab. Man setzte ihr zum Frühstück knusprige Brötchen vor, und daraus konnte Nenate ersehen, daß der Mann bereits in aller Frühe ins größere Nachdardorf gelausen war, wo ein Bäcker sein Gewerbe ausübte. Dieses liebevolle Entgegenkommen rührte sie. und beim Abschied drückte sie dem Mann eine Banknote in die Hand. Er sah den Schein an und machte eine beinahe entsetzte Bewegung. „Um des Himmels willen. Neuate! Soviel Geld habe ich seit Jahren nicht mehr in der Hand gehabt. Du hast dich getäuscht!“ „Rein,“ lächelte sie.„Behalt es nur. Ich habe gut verdient. Ihr könnt eo brauchen, und ich werde mich durchschlagen.“ Der Mann wollte den Schein nicht nehmen, aber Nenate hatte bereits die Stube verlassen. Er eilte ihr nach.„Nenate!" Sie hatte bereits den Dorsplatz erreicht, sah sich um und winkte vergnügt zurück, dann schritt sie rosch ans. Sie kam aber doch nicht so schnell aus dem Dorf, wie sie gewünscht hätte. Leute begegneten ihr, alte Bekannte und Schulkameraden, bis be endlich im Friedhof anlangte, wo sie an den Grädern ihrer Angehörigen eine Viertelstunde im Killen Gebete verharrte. Die milde Herbstsonne schüttete ihr Gold über die welken Kränze und toten Blumen und da erwachte das alte Weh wieder. Das Leid um den Mann, den die von ganzem Herzen liebte, und der doch für de unerreichbar war wie die Toten, die zu ihren Füßen schlummerten. Sie stand mit Tränen in den Augen und zum erstenmal stellte sie die Frage. ob Vernhard Sbadow ihr mehr als n Achtung entgegengebracht habe. Er war immer so gutig und so liebevoll zu ihr gewesen. hatte sie immer ritterlich und herzlich behandelt. Sie erinnerte sich jener Aussprache im Garten, wo er sie fragte, ob sie den Prokuristen liebte. Diese Frage erschien ihr nun in einem neuen Lichte. War es vielleicht doch Liebe gewesen. die ihn diese Frage hatte stellen lassen? Die Tränen in ihren Augen versiegten. Wie dem auch war, sie durfte nicht mehr zu Shadow zurückkehren. Er war Millionär, und sie ein armes Mädchen, und sie hatte Astrids gehässige Worte nicht vergessen. Nein, sie durfte sich Shadow nicht wieder nähern. Aber wenn er kam, wenn er sie suchte! Wie ein Rausch überkam es sie bei dieser Vorstellung, dann lächelte sie. Das war natürlich ein ganz dummer Mädchentraum, und sie ärgerte sich, daß sie darauf gekommen war. Zu Shadows Füßen lagen ganz andere Frauen. Und was war sie denn? Aber hatte er nicht selbst gesagt, sie wäre eine Frau, wie er niemals eine andere kennengelernt habe? Sie verließ den Friedhof und schritt durch den prangenden Herbsttag ihrem Ziele entgegen. Eine Weile beschäftigten sich ihre Gedanken mit Baron Stetten und dessen Gut. Die Frage, ob sie dort wirklich aufgenommen würde, bereitete ihr wenig Pein. Dieses Thema rückte sehr bald in den Hintergrund und verblaßte vor dem, was ihre Seele voll und ganz beschäftigte. Wenn Shadow kam! Immer wieder packte sie diese Vorstellung. Ach, wenn er kam, sie zu holen. Bernhard Shadow. der Gütige, der Ritterliche, oh—! Natürlich würde sie ihm folgen. Ins Glück! Oder durfte sie das nicht? Er mußte es wissen. Wenn er sie suchte, dann durfte sie ihm angehören. Und dann würde er sie in die Arme nehmen wie damals im Keller, als sie die Aufzeichnungen des Ingenieurs gefunden hatte. In lebendiger Deutlichkeit erstand jene Situation vor ihrem Geiste und trieb eine lodernde Röte in ihre Wangen. So wanderte sie dahin, und ganz plötzlich sah sie sich einem seltsamen Bild gegenüber. Sie war auf den ausgedehnten Feldern vor Baron Stettens Gut angelangt. Eine Anzahl von großen Omnibussen parkte zu ihrer Linken, und seitlich davon war ein romantisches Zeltlager aufgeschlagen. Leute standen da oder liefen dazwischen umher, aber niemand sprach ein Wort. Renate verhielt, noch immer in ihre lockenden Gedanken versunken, die Schritte, und sie entsann sich eben dunkel der Worte, die die Bäuerin von einer Filmgesellschaft zu ihr gesprochen hatte, als eine schrille Stimme an ihr Ohr schlug:„Hab' ich dich endlich. Dirne!" Sie fuhr mit jäher Bewegung herum. Jemand gab ihr einen Wink, stehen zu bleiben. Sie merkte es nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt einem wildaussehenden Kerl. der plötzlich von irgendwoher auftauchte und auf ein junges, flitterbehangenes Mädchen zusprang. Im nächsten Augenblick hatte er das Mädchen erreicht und derb bei den Schultern gefaßt. Nenate sah die Kamera nicht, die, durch ein vorstehendes Zelt gedeckt, die Szene aufnahm. Sie hatte nur Augen für den wilden Kerl. der das schreiende Mädchen schüttelte. Und da gab es für sie kein Besinnen. Sie warf den Koffer weg und eilte auf die beiden zu. „Schämen Sie sich nicht, ein wehrloses Mädchen zu überfallen; Sie stieß den Mann mit flatternden Haaren zur Seite und schlang den Arm schützend um das junge Mädchen. Die schwarzen Augen funkelnd auf den Angreifer gerichtet, stand sie wie eine Amazone, und von ihrer seltsamen Erscheinung ging etwas derart Bezwingendes aus, daß weder der Mann noch das Mädchen imstande waren, irgend etwas zu unternehmen. „Weiter! Weiter!" brüllte der Regisseur den Kameramann an, der die Aufnahme unterbrechen wollte. Nenate sah nach dem Schreienden, gewahrte die Kamera und ließ wie erstarrt die Arme sinken. Und in diesem Augenblick verlor ihr Gesicht alles Unbewegliche und Beherrschte. Sie merkte, daß hier nur gespielt wurde, und diese Erkenntnis hatte etwas so Beschämendes für sie, daß sie am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Der Regisseur hieb den Kameramann begeistert ins Genick.„Sidock!“ johlte er.„Haben Sie so etwas schon gesehen? Narren sind wir alle, verstehen Sie! Wir suchen auf den Bühnen nach Kräften und Talenten und vergessen, daß das Stärkste im Volke schlummert!“ Er schlug sich auf die Schenkel und eilte auf Nenate zu.„Mein Fräulein,“ schrie er sie an, und faßte sie an die Schultern.„Sie sind engagiert! Verstehen Sie das? Die Phönix=Film=.=., Leipzig, hat Sie engagiert! Sie dürfen die größten Rollen spielen und verdienen Tausende. Eingeschlagen!" Sie schüttelte ihn ab.„Ich pfeise darauf. Lassen Sie mich in Ruhe!" Der Mann hörte ihre Worte nicht. Er sah nur ihr ausdrucksvolles Gesicht, die weißblonden Haare. die wie Flammen um Stirn und Wangen loderten, und die übergroßen, schwarzen Augen.„Sie sind engagiert!“ rief er zum drittenmal.„Wissen Sie denn nicht, was das bedeutet? Sie werden spielen, und alle Welt wird Sie bewundern!" „Ich will nicht!“ rief sie dagegen, und stampfte mit dem Fuß. Leute liefen zusammen. Die Begeisterung des Regisseurs wuchs. Er hob beschwörend die Arme. „Wir wollen vernünftig über die Sache reden, weine Werte...“ „Das wollen wir,“ nickte sie grimmig.„Adien!" Sie bückte sich nach dem Koffer, drehte sich brüsk um und schritt dann rasch davon. Mit einigen Sprüngen holte sie der Regisseur ein.„Sie sind verrückt!“ schrie er heiser und aufgeregt. „Wissen Sie denn nicht, was es heißt, ein Engagement bei einer Filmgesellschaft und noch dazu bei der„Phönix" zu erhalten? Sie werden reich und berühmt!" „Ich hole einen Gendarmen herbei, wenn Sie mich nicht auf der Stelle ungeschoren lassen!“ fauchte sie ihn an, und ihr Gesicht zeigte eine solche Wut, daß der Mann vergeblich nach Worten suchte. „Sie werden reich und berühmt!“ rief er ihr nach. Ohne sich umzusehen, eilte sie weiter. Der Regisseur kehrte fassungslos und verzweifelt zu seinen Leuten zurück. Unter den mitwirkenden Komparsen befanden sich einige Leute aus der Umgebung. An diese wandte er sich.„Weiß denn niemand, wer dies Mädel ist?“ Die Gefragten schüttelten die Köpfe. Es haudelte sich um Burschen und Mädchen der umliegenden Dörfer, aber aus Renates Heimatdorf war niemand dabei. „Es ist zum Verzweifeln,“ nlagte der Regisseur händeringend. Er kehrte sich dem Kameramann zu. „Sagen Sie, Sidock, ist Ihnen je ein talentierteres Mädel in den Weg gelaufen als diese Unbekannte?“ „Ich könnte mich nicht erinnern,“ war die Antwort.„Schon die ganze Erscheinung! Das fast weiße Haar und die schwarzen Augen! Und die Figur und das Auftreten!“ „Hören Sie auf!“ heulte der Regisseur. „Wenn wir die herumkriegen könnten, mein lieber Nowack; sämtliche Filmgesellschaften müßten uns beneiden. Denken Sie bloß, wie sich die auf der Leinwand ausnehmen müßte. Und die Filme, die wir mit ihr herausbrächten!“ „Wir müssen sie herumkriegen!“ schrie Nowak, Der Kameramann zuckte die Schultern. müßte eben wissen, wer sie ist. Gespielt hat sie noch nie, sonst hätte sie uns nicht die Szene ver„Kann das kein Trick gewesen sein?“ unterbrach ihn der andere. Denke ich nicht. Nein, das ist ausgeschlossen. Das Ganze war natürlich. Sie konnte ja die Kamera anfänglich nicht sehen. Wenn sie sich bloß einen Witz erlaubt hätte, müßte sie vom Bau sein. Das ist sie eben nicht. Oder kennen Sie eine Darstellerin, die ihr ähnlich sieht? Es gibt keine.“ „Aber warum weigerte sie sich dann, auf mein Angebot einzugehen? Kennen Sie ein Mädel, das nicht zum Film möchte?“ „Bis heute kannte ich keines. Aber jetzt haben wir beide eins kennengelernt. Wir müssen ihren Namen herauskriegen. Passen Sie auf, ich hab' eine Idee!" Er winkte einen der Edelkomparsen heran.„Thomas, legen Sie mal flink Ihren Tand ab, und laufen Sie dem Mädel nach. Sie müssen herausbekommen, wo sie wohnt und wer sie ist. Sonst nichts. Beileibe nicht ansprechen. Verstanan„„ Der junge Mann verschwand in einem Wagen und kam eine Minute darauf in einem unauffälligen Straßenanzug zum Vorschein, um Renate nachzufolgen. Zwei Stunden später— in der Zwischenzeit waren die Aufnahmen weitergedreht worden — kam Thomas zurück. Der Negisseur und Sidock nahmen ihn beiseite. „Ihren Namen konnte ich nicht in Erfahrung bringen“, leitete der Komparse seinen Bericht ein. „Ich konnte ihr überhaupt nicht richtig folgen und habe sie auch gar nicht zu sehen bekommen; denn sie war bereits verschwunden, als ich mich auf den Weg machte. Ich dachte, sie könne nur Stettens Gutshof betreten haben, und ging dorthin. Die Wirtschafterin dort sagte mir, das Mädchen, von dem ich eine genaue Beschreibung gab, sei tatsächlich dort gewesen und habe nach dem Baron und nach dem Verwalter gefragt. Die beiden waren aber nicht anwesend, und daraushin war das Mädchen wieder gegangen, ohne ihren Namen zu nennen. Die Wirtschafterin meint aber, sie habe vielleicht nach einer Stellung fragen wollen.“ Der Regisseur und der Kameramann sahen sich in die Augen. „Nach einer Sellung!" kam es verblüfft über Nowacks Mund.„Herr im Himmel! Sie will im Gut waschen und putzen, vielleicht für zwanzig bis dreißig Mark im Monat, und unser Anerbieten, das ihr Tausende eingebracht hätte, schlug sie aus! So was hab' ich noch nicht einmal in einem Märchenbuch gelesen! Weiter, Thomas! Wissen Sie seost nichte? „Die Gutswirtschafterin konnte mir nicht sagen, wohin das Mädchen gegangen sei. Es sind einige Dörfer ringsum, aber weiere Nachforschungen hätten ziemliche Zeit gefordert, und ich wußte nicht, ob ich eigenmächtig etwas unternehmen durfte. Ich begab mich in die nächstliegende Ortschaft, und als ich die Unbekannte nicht sand, kehrte ich um.“ „Dann setzen Sie sich bloß gleich wieder in Trab und nehmen Sie noch ein paar Leute mit. Das Mädel muß her, tot oder lebendig! Verstehen Sie!“ Mit zwei Kollegen zog der Komparse ab, um neuerdings nach Renate zu forschen. Sie kehrten nachmittags erschöpft zurück. Von der Unbekannten hatten sie keine Speer gefunden. Bunuundg Mhgcen uo Wut ug M in mipole M10 2m8. p uttam f. gu Muin cih ug 100 zug K 2 2. de mstng nase van wala ane onn n utct uag mpplig sve gun u verobenständer gleiten.— Durch den Garten tritt die Mutter ins Haus. Während sie mit ihrem Schlüssel die Haustür öffnet und von dem Briefträger die Post entgegennimmt, schmiegt Paul sich weinend an sie und erzählt schluchzend sein Mißgeschhc. Warme, sanfte, mütterliche Trostworte hemmen den Tränenstrom.—„Laß doch den dummen Schlüssel, mein Junge, wir werden ihn schon wiederfinden. Komm, ich habe auch noch Stachelbeeren im Korb.. Jedes Wort der tröstenden Mutter, die auch seine eigene, seine geliebte Mutter, seine einzige, allerbeste Mutter ist, trifft Robert wie ein Peitschenschlag. Er ist Kain. Oh, unerträglich ist das alles! Wie gehetzt eilt er in den Garten, hinter dessen letzten Sträuchern er sich verbirgt und den Schlägen seines bösen, mißgünstigen, kindlichen Herzens lauschend, weint er schmerzhafte Tränen und summt monoton und in gleichmäßigem Rhythmus die fremde Melodie seines Schmerzes und seiner Neue. Die kleine Reisegesellschaft auf ihren weichen, erhabenen Sitzen schwankte und schwebte mit. Friedel schlug mit den Armen auf und nieder, als wäre er ein Vogel und trüge ihn die Kraft seiner Arme in die Ferne. Die Häuser zogen an ihnen vorüber; sie schienen auch ins Schwanken geraten zu sein; auch die Menschen und Bäume, alles schwankte und wackelte. Nichts stand mehr fest. Die Fenster öffneten sich, Gesichter drängten sich herver, und Hände winkten. Die Mutter grüßte mit stummem Gruß hinab; mancher rief noch ein gutes Wort nach, das sie mit einem ernsten Kopfnicken aufnahm. Ja, warum war denn die Mutter so ernst und still? Mau war jetzt schon außerhalb des Dorfes angekommen. und der Friedel wollte mit ihr spielen und plaudern. Er schaute sie an. Ihre Lippen bewegten sich; die Augen hatten einen feuchten Glanz. Sonderbar. Es kam über ihn selbst fast eine trübe Stimmung Er fragte und schwatzte tausend Dinge. Die Mutter stand Red' und Antwort. Aber ganz anders als sonst. Es war, als ob sie weit von ihm entfernt sei und nur ein Odem, ein schwacher Hauch ihrer Rede zu ihm dringe. And ihre Rede war kurz, abgerissen. Rein, die Mutter war heute gar nicht lieb! Er wurde ungeduldig, wand sich aus ihrem Arm, kroch zum Nestchen seiner Schwester hinüber und streichelte das glatte, glänzende Haar der braunen Kälber. Da sie kläglich schrien, reichte er ihnen die Finger. und sie sogen daran und waren zufrieden. Die„böse" Mutter konnte allein sitzen. Dummer Bub! Du hättest etwas Großes erschauen können, hast keine Augen dafür gehabt. Hast du es denn nicht gesehen, wie deine Mutter gerungen hat um ihr Weh und ihren Schmerz vor dir zu verbergen? Die anstürmenden Tränen hat sie zurückgedrängt, um dir nicht Tränen zu wecken! Vom Tale ihrer Jugend. von den Gräbern ihrer lieben Toten, vom Kirchlein, von dem Altar, an dem sie so oft gekniet, als stünde der Himmel hinter ihm. hat sie scheiden müssen! Und ach, die scheidende Welt, die verlassene Heimat liegt immer im Sonnenlicht; der Abschied übergießt sie mit den goldenen Strahlen der Erinnerung. Die Zukunft aber ist dunkel, ein unbekannten Land, über dem ein banges Schweigen liegt. Mit Liebe. Von F. Schrönghammer=Heimdal, Passan=Haidenhof. Die Sonntage meiner Jugendzeit stehen mir in unvergessener Erinnerung. Sie sind mir verklärt in den Worten Sommer und Sonne, und als Drittes gesellte sich das Wörtlein Liebe dazu. Dieser wundersame Dreiklang lebt mir immerfort im Herzen und erhält mir in Stunden der Stille den reichen, reinen Lebenssinn. Sonntag. Sommer, Sonne.... Da ging ich mit Vater immer aufs Feld hinaus. Hinten am Hütberg, wo die ewigen Wälder über die Höhen herblauten, hatten wir den Kornacker. Wir gingen wortlos die Raine entlang. Zuweilen streifte Vaters Hand wie kosend über die blühenden Aehren. In seinem Antlitz war ein seliges Leuchten. Die Aehren aber, als verstünden sie seine Grüße, neigten sich und schwankten hin und her, wie von zärtlichen Winden gewiegt. So schritten wir auf den sonntagsstillen Rainen rund um den ganzen Acker. Zum Schlusse setzten wir uns auf die Findlingssteine, die damals noch als Marksteine dienten. Weder beim Schreiten vorher, noch jetzt beim Rasten am Rand der Feldmark fiel ein Wort. Ich fand das ganz in der Ordnung. Mir kam dieses Feldgehen am Sonntagnachmittag ebenso feierlich vor wie der Gottesdienst am Vormittag in der Kirche. Und in diesem Schweigen kam es mir recht eindrucksam zum Bewußtsein, daß der liebe Gott allgegenwärtig ist, auch auf unserm Acker. Warum auch nicht? Die Frucht darauf stand je wieder, wie ich mit heimlichem Stolze feststellte, weit schöner als auf den Nachbaräckern. Auch Vater mochte das nämliche sinnen, denn seine Augen hingen immer noch ganz glücklich, wie verklärt, an der Fülle der nahen Erntesegens. An einem Sonntag gesellte sich der Blaslbauer zu uns und sprach unwillig:„Michel, du mußt rein das Hexen können. Wie dein Korn dasteht— wie eine Reihe himmlischer Heerscharen! Kein Unkraut, und ein Halm wie der andere. Wenn ich das meine dagegen betrachte, da möcht einen je der Gugetzer holen!“ „Mit Hexen“, sprach mein Vater, unverwandten Blickes auf das Feld hin,„geht es nicht. Das geht nur mit Liebe. Eine große Liebe gehört her— und die muß schon beim Mist anfangen. Den Mist und den Acker, die Saat und die Frucht muß einer hegen und pflegen wie ein leibliches Kind. Und wenns einer so weit hat, daß das Korn zum Blühen kommt, nachher muß er das ganze Feld mit seiner großen Liebe anschauen und jedes Hälmlein segnen. Das ist die ganze Hexerei.“ Friedels Auszug. Von Peter Dörfler. Gerne verliert sich das Herz in Erinnerungen an vergangene Tage. Wenn aber ein Dichter noch einmal das Land der Kindheit durchwandert, dann wird Gestern Heute, dann wird lebendig, was gestorben, und jung— wie einst— lächelt das Antlitz der Mutter. So ist eines der schönsten Bücher Peter Dörflers„Als Mutter noch lebte“(Leinen.70), das demnächst in neuer Auflage.— 70. bis 76. Tausend — im Verlag Herder, Freiburg, erscheint und dem wir das nachstehende Kapitel entnommen haben. Der kleine Friedel hatte bereits abenteuerliche Reisen um alle Hecken seines Dorfes, ja sogar hinauf bis an den Rand des schwarzen Tannenwaldes unternommen, in dem die Hasen und Hexen wohnen. Da machte das Geschick Ernst und führte ihn volle drei Stunden in die weite Welt hinaus und setzte ihn fernab von seiner Heimat Tal wie in ein neues Erdreich nieder. Es war das im dritten Frühjahr seines Lebens, und dieses Ereignis wirkte auf ihn wie ein Donnerschlag auf einen Schläfer. Die Tage der Reise sind Friedels ältestes Denken. Sie warfen scharfes Licht in den Dämmermorgen seines Daseins und prägten tiefe Bilder auf den weichen Grund seiner Seele, und kein Erlebnis der späteren Tage hat sie wieder ausgelöscht. Der Vater zog nach Patriarchenart aus dem Lande seiner Väter und von den Gräbern seiner Ahnen weg. Er trieb seine Herde, sie war nicht allzu groß, seine Pferde und Fohlen vor sich her. einem neuen Dorfe und Hofe zu, und führte auf schweren Wagen die Habe und all das Gerät, mit dem die Vorfahren das Feld bebaut und die Wirtschaft bestellt hatten, vom Stammsitz weg: die Pflüge und Eggen, die Truhen mit kupfernen Pfannen und Kesseln und die Kästen mit weißem Linnen, an dem manche Generation gesponnen hatte. All die alten mit ihren Plätzchen und Winkelchen verwachsenen Schränke und Laden und Bilder wurden weggehoben. Und all der würdige Hausrat kam ächzend und mit kläglichem Geseufze an die Sonne; denn, wahrhaftig, die Wegführung glich einer Schändung. Aus ihrem Verbande gerissen und kunterbunt auf den Wagen gestellt, sahen die würdigen Geräte aus wie Trödlerware. Allein, was kümmert es den Menschen, der für seine Zukunft plant und für die Kinder sorgt. wenn sein wohlerwogener Wille grundverwachsene Familienstücke aus ihrer heiligen Ruhe schrecken und altersgeweihte Fugen sprengen und vernichten muß? Der Lebende hat recht. Friedels Vater wußte gar wohl. warum er zerstören mußte. Acht Köpfe zählte seine Familie. Von diesen aber wollten sechs immer höher hinaus und schossen mächtig empor. Die Kinder wuchsen wie Tannen, und der Aelteste, der lange Gottlieb, stieß mit den emporstarrenden Borsten seines blonden Hauptes bereits gegen die Dielen, und wenn er sich gegen sie streckte und stemmte, so krachte und knackte es im rauchigen Gebälke. Nein, da steckte Kraft und Saft und wollte sich etwas entfalten; da mußten auch die Ställe bald zu eng und die Felder zu klein werden und der Hunger zu groß. Denn wer viel Stockwerke bauen will, der braucht auch viel Kalk und Stein. Der Bau der schlanken Glieder fraß alles Mehl in der Truhe und alles Schmalz im Krug. Von Jahr zu Jahr wuchsen all die Kinder näher an Vaters Schulter heran, und die zwei Aeltesten trieben schon über ihn empor; da mußte er sich nach einer Stube umschauen, wo sie auch„höher hinaus“ konnten. Die Mutter hatte sich in ihrer sorgenden Art längst unzählige Male folgendes Rechenexempel vorgelegt:„Noch ein paar Jahre, und ich kann ihnen im Hause nicht mehr Arbeit und Atzung geben. Dann muß ich sie in die Fremde jagen, damit sie dort ihr Brot verdienen, und ich weiß nicht, was die Welt aus ihnen macht. Wäre es nicht besser, ich ginge mit ihnen in die Fremde?“ Und als der Vater kam und sagte:„Drüben in dem weiten Tal, wo die schweren Kornfelder liegen, ist ein Hof leer geworden. Ein wenig groß ist er, und wir werden Schulden machen müssen; aber wenn du„Ja und Amen“ sagst, greif' ich zu; denn das Gut ist schön und das Angebot günstig, und du weißt, wie es mit der Pudelkappe voll Kinder steht,“ da schaute sie ihn tapfer an und sagte:„Wenn's so ist, will ich heut' noch aufbrechen. Man muß Vertrauen haben!" Da wagte er es und kaufte den großen Hof mit dem Gelde, das er besaß, und dem Gelde, das er borgte. Fridolin, dem Jüngsten, kam das Abschiednehmen von der Stätte seines unbewußten Kinderglückes nicht schwer. Er hatte ja noch keine Vertrautheit mit der eigenen Heimat, das Bettchen und die Schüsselchen und das wenige Spielgerät ausgeschlossen, und das wanderte sa mit. And er hatte noch keine Vergangenheit, die zu ihm sprechen konnte. An keinen Winkel knüpften sich alte, traute Erinnerungen. Ihn konnte auch kein Zukunftsbild schrecken und ängstigen; er sah ja wirklich nicht über seine Nase hinaus. Für ihn war bis jetzt nur die Gegenwart lebendig: in ihrer rinnenden Flut plätscherte er fröhlich und ziellos umher, als ob das Leben ein ewiges Heute sei. Und so jauchzte denn der Grünschnabel hellauf, als es hieß:„Wir fahren fort!“ Denn„Fortfahren".„Gassi gehen“, das war ja allzeit sein Glück und Verlangen. Draußen auf der Straße stand ein Wagen mit einer Schütte Heu und Stroh beladen. Auf ihm saß die kleine Schwester. in einem dunkeln, warmen Schal verpackt, und machte ein Gesicht, als ob sie friere oder krank sei oder noch an den Nachwehen einer Strafe leide. Und daneben, juchheißa! regten sich zwei unbeholfene Kälblein mit dummsanften Augen. die ebenso wenig wie Friedel Verständnis äußerten für das, was eigentlich hier vorgehe. Nun aber hob man gar die Mutter auf den Wagen. Sie sagte ein über das andere Mal: „Es wird schon gehen, in Gottes Namen. Und er gibt überall brave Leut'.“ Dann nahm sie einen riesigen Korb in Empfang, in dessen bauchigem Innern etwas kratzte und krabbelte. Der Deckel hob und senkte sich, als machte jemand krampfhafte Versuche, ihn zu öffnen. Nun hörte man ein zorniges Flügelschlagen und kurze, entrüstete Laute, die nur aus der Brust eines Hahnes kommen konnten. Im Korbe saß ja der alte, stolze Gockel, der im Hose und ringsumher nicht so fast wie ein König. sondern vielmehr als grimmiger Tyrann geberrscht hatte; denn er war im Hahnenkampf jedesmal im ersten Anlauf Sieger geblieben, und darum war ihm der Kamm so gestiegen, daß er eine Art Willkürherrschaft ausgeübt hatte. Und nun in schmählicher Gefangenschaft! Er, der Unbesiegte! Ach, er konnte ja nicht wissen, daß er ein Duodezfürstentum mit einem Kaisertum vertauschen würde und seinen kleinen Thron mit einem viel gewaltigeren Misthaufen. Zuletzt streckte die Mutter die Arme aus und zog auch den Friedel zu sich herauf; er hängte sich lachend an ihren Hals und rief:„Gelt, ich darf fahren, weit, weit fort?“ Und er zeigte mit seinen Händen in den fernen, niedergehenden Blauhimmel hinaus. Die Mutter lächelte und sagte mit Betonung: „Ja, weit fort!“ Dann redete sie wieder mit den Frauen und Mädchen, die rings um den Wagen standen und ihre Schürzen vor die Augen hielten und so spaßig schnupften, als weinten sie. „Komm frei bald wieder,“ rief sie. „Ja, auf Georgitag,“ antwortete die Mutter. Darüber war Friedel sehr unzufrieden und protestierte:„Nein, nein, Mama, wir kommen nit bald wieder; wir fahren auf Amerika und kommen vielleicht erst morgen wieder.“ Da lachten einige ein wenig, andere fingen erst recht zu schnupfen an. „Fahren, hü, hott,“ mahnte nun der ungeduldige Bub und schaukelte hin und her. Er fragte nicht„wohin". Ging's nicht nach Amerika, so ging es in den Wald oder auf die Wiese, und das war fast ebenso weit. Was braucht sich ein Kind um ein Ziel zu kümmern? Nun endlich zogen die Pferde an. Nochmals ein Winken, ein„'hüt Gott“, ein„Wünsch Glück“, und der Wagen kroch den steilen, holprigen Steig hinauf, zu dessen beiden Seiten die niedrigen, armen Hütten des Dorfes lagen. Der Nachbar ist kopfschüttelnd weggegangen. über er hat auch angesangen mit der großen Liebe — erst beim Mist, nachher bei der Ackerkrume und dem Unkraut, und das nächste Saatkorn hat er sich vom Vater ausgeborgt. Und als die junge Saat in die Halme schoß, ist er auch über die Raine hingegangen und hat mit der großen Liebe in die werFrude Frucht hineingesegnet. So ist auch ihm die Ernte über die Maßen gut geraten. Und er hat es meinem Vater gedankt, als er das geborgte Saatkorn zurückgab:„Michel, ich hätte es nimmer für möglich gehalten, daß man mit der großen Liebe hexen kann. Aber jetzt weiß ichs selber.“ „Warum nicht? Tut unser Herrgott denn enders?“ Da ist der Nachbar wieder kopfschüttelnd weggegangen, aber dennoch mit einem Leuchten in den harten Zügen, als dem Widerschein einer großen Liebe im Herzen, die ihm durch meinen Vater lebendig geworden. Wortlos begriff er den göttlichen Sinn dieser Worte, und auch mir ging ein Ahnen auf von der großen Sendung, die in dem Wörtlein als Keim und Wesen verborgen ruhte. Durch wen sollte denn das große Göttliche, die Liebe, irdisch und lebendig werden, wenn nicht durch das Ebenbild Mensch? Die ganze Kreatur, Tier und Baum und Blume, verlangt nach sorgender Liebe und ist so dankbar, wenn ihr vom Menschen Wort und Blick der großen Liebe kommt. Den Segen erntet der Mensch selber, wie jeder weiß, der das Geheimnis der großen Liebe täglich ausschöpft. Sein Leben hat immer Sommer, Sonne und Sonntag, wenn das Dritte im heiligen Dreiklang schwingt:„Mit Liebe!“ Mein Vater der Liebe, du bist heimgegangen zum Vater der ewigen Liebe. So sei dies ein Denkmal dir, deiner wert:„Mit Liebe!“ Der Serert auf ZintlterNr. 18. Von Georg Geiersberg. Als es immer weiter vom Himmel floß, rettete Irma Mümmerling vom Spaziergang zurück ins Hotelzimmer. Unerklärbare Unrast scheuchte se aber bald wieder aus den vier Wänden. Sie wandte sich ins Gesellschaftszimmer. Höflich stellte die Hausangestellte den Lautsprecher an. Irma Mümmerling blätterte in Zeitschriften und fing mit halbem Ohr die Musikklänge auf. Das Hotel war bei dem schlechten Wetter nur mäßig besetzt. Jedes Geräusch ließ aufhorchen. Neue Gäste? Abreise—?" Jeder Laut drang ins Gesellschaftszimmer und übertönte das Geplätscher des Regens. „Tu ich nicht!“ schrie plötzlich eine Stimme chriu. Irma Mümmerling fuhr zusammen, als hätte ihr das Wort gegolten. „Anton!— Zum Bahnhof!“ klang der ruhige Baß des Hotelbesitzers vom Tiefgeschoß herauf. Die schrille Stimme von vorhin ließ eine Folge Ausrufe in das heftig aufsteigende Sturmgekläff dringen. Zu verstehen war davon kein zusammenhängendes Wort. Nur die Richtung, aus der die erregte Stimme auf die ungewollte Lauscherin eindrang, ließ sich feststellen: Unmittelbar über dem Gesellschaftszimmer bewegten sich rasche Schritte, und dazu klangen Drohworte und eine beschwichtigende, bald leiser werdende Männerstimme. Diese Stimme klang ganz unwirklich, wie aus weiter Ferne, als käme sie nicht mehr von dieser Welt. Sonderbar, dachte die Lauscherin. „Rein, nein“, verstand Irma Mümmerling, als der Sturm kurz innehielt. Sie hielt den Atem an. Die Zeitschrift fesselte se nicht. Untérhaltung fehlte. Menschen, mit denen sie unter einem Dach wohnte, stritten sich erregt. Vielleicht wegen des Wetters, vielleicht aus nichtigem Anlaß. Ober wegen ernstlicher Dinge? „Rein, nein, nein!“ tobte die schrille Stimme. Jeder im Hotel mußte es nun hören. Der Regen fiel mit eintönig klagendem Singen. Unbekümmert fröhlich spielte die Musik. Irma Mümmerling wollte sich erheben und den Apparat ausschalten. Da endete der Tanz. Eine Stimme sagte klar und deutlich, unmittelbar im Anschluß an die Musikübertragung, was gesendet worden war, und setzte hinzu:. „Es folgt die Zeitangabe.— Mit dem wongschlag ist es 14 Uhr.“ Im gleichen Augenblick schrie die schrille Stimme wie sinnlos: „Das wollte ich nicht!— Das wollte ich nicht!“ Regungslos verharrte Irma Mümmerling auf ihrem Platz im Gesellschaftszimmer des Hotels. Um 1 Uhr mittags hatten die wenigen Gäste des Hotels gegessen. Mit dem anschließenden Spaziergang war es nichts geworden. Nun überfiel sie Müdigkeit und ein unklarer Drang, Rettung unter der schützenden Bettdecke zu suchen. Als Irma Mümmerling erwachte, hörte sie summenden Lärm im Hotel. Sie sah nach der Uhr. Es war nach 5 Uhr nachmittags. Noch immer fiel der Negen in eintönigem, einschläserndem Plätschern. Irma Mümmerling blieb auf ihrem Zimmer. Sie hatte noch zu schreiben und erledigte die Briefe und Karten. In unklarer Erregung trat sie mitunter zum Fenster. Unten auf der Straße zeigte sich aber wenig vom Kurleben. Beim Abendessen waren nur drei Tische besetzt. An den übrigen beiden Tischen unterhielt man sich gedämpft. Der Wirt ging mit verstörtem Gesicht durch den Speisesaal, die leitende Angestellte hatte ein verweintes Gesicht. „Wissen Sie noch nicht?“, fragte der Wirt nach Beendigung des Essens.„Ein schrecklicher Vorfall. Ich will Ihnen lieber selber davon erzählten. Wahrscheinlich werden Sie uun gleich abreisen weilen* „Aber warum denn? Ich bin nicht furchtsam. R etwas passiert?“„ Simme. g. „Ja, etwas Schrealiches! In Zimmer Nr. 18 liegt der Herr— ein Ausländer— erstochen auf dem Diwan, und keiner weiß, ob er es selber getan hat, oder ob ein Verbrechen vorliegt.— Die Polizei war schon da, und die ist der Meinung, Selbstmord wäre ausgeschlossen. Die junge Frau ist außer sich, weil sie sich mit ihrem Mann etwas gezankt hatte, und nun liegt sie wie niedergebrochen da, weil mittlerweile so etwas Schreckliches pasIrma Mümmerling stellte keine Frage. Sie ug in den Regen hinaus und überlegte. Um 14 Uhr, als das Zeitzeichen gegeben wurde, hörte sie einen entsetzten Schrei. Vorher hatte die gleiche schrille weibliche Stimme gelärmt. Diesen Zank und bösen Streit konnte jeder im Hotel hören. patte niemand darauf achtgegeben? Was sollte sie nun tun? Sie hatte von dem Lärm gehört und hatte den entsetzten Schrei vernommen. Der Wirt sagte, die junge Frau sei außer sich vor Schmerz. Nach dem Essen sei sie fortggengn Gs Die Widersprüche erregten Srma Mummerling. Aber sie wußte nicht, was sie zu tun hatte. Wie durfte sie Argwohn hegen? Vielleicht rührte der Streit von anderen Gästen her, die mittlerweile abgereist waren? Oder sie hatte sich geirrt und bei der Tanzmusik die Zusammenhänge willkürlich geAm Abend wurden nach den Angestellten auch die Gäste vernommen. Irma Mümmerling hielt sich auffallend zurück. Sie erklärte, daß sie das ausländische Ehepaar bei Tisch nicht beachtet und nach Tisch nicht wiedergesehen hatte. Die belastendsten Aussagen für die junge Frau, die schmerzverstört in der Ecke saß, machte der Hausdiener, als er aussagte, die Schuhe der Frau zeigten keinerlei Zeichen von Nässe, als er das Schuhwerk der Gäste vorhin zum Trocknen und Putzen einsammel:, 44u,N K2 2 E „Sie sino wirtlich unmirtelbar nach dem Essen spazierengegangen?“ wurde die bleiche, schluchzende Frau von dem Beamten gefragt.„Wohin haben Sie sich denn in dem Regen gewandt?“ „Ich weiß es nicht—.“ Niemand hatte die junge Frau bemerkt. Nicht als sie fortging, nicht als sie zurückkam. „Um 14 Uhr etwa ist der Tote erstochen worden. Mit einem kleinen Federmesser, das später im Garten gefunden wurde. Hat niemand im Hotel einen Schrei oder ein verdächtiges Geräusch gehört?“ Irma Mümmerling fuhlte brennendes Mitleid mit der gramzerstörten jungen Frau. Alle Blicke richteten sich auf sie, weil sie zugegeben hatte, über Mittag im Hotel geblieben zu sein und im Gesellschaftszimmer gesessen zu haben, das unmittelbar unter dem Zimmer Nr. 18 lag. „Hörten Sie nichts— keinen Zank, keinen Schrei oder dergleichen?“ Irma Mümmerling fing den spöttischen, für eine Sekunde überlegenen, dann wieder gleichgültigen Blick der anderen Frau auf. Ihr Mitleid wich. Sie mußte sagen, was sie wußte. Wie konnte sie das Gefühl des Mitleids Herr über sich werden lassen? Unschuldige mußten anstatt der Täterin in Verdacht kommen. So sagte sie in dürren Worten, was sie gehört hatte— den Zank, die Schreie „Nein, nein“, und den erregenden Ausruf:„Das wollte ich nicht!“ „Um welche Zeit etwa hörten Sie dies?“ fragte der vernehmende Beamte zurückhaltend. „In dem Augenblick, als im Radio angesagt wurde:„Mit dem Gongschlag ist es 14 Uhr.“ Bei dieser Aussage fiel die Täterin zusammen. Später gestand sie, die Tat in höchster Erregung, im Streit mit ihrem Mann, begangen zu haben und die Zeitangabe im Radio ebenfalls gehört zu haben. Darüber sei sie ohnmächtig zusammengesunken. Nach dem Erwachen habe sie dann die Ahnungslose gespielt und die Rückkehr vom Spaziergang vorgetäuscht, um die Schuld von sich zu wälzen, da sie glaubte, den Mann treffe nach vielen ärgerlichen Vorfällen die gleiche Schuld an der Schwere des Streites. Legende vom Rotkehlchen. In jener glücklichen Zeit, da noch die Tiere zu den Menschen redeten und die Menschen die Tiere verstanden, da lebte ein reicher Mann in einem großen Schloß. das mitten in einem weiten Lustgarten lag. Man mochte wohl nichts Herrlicheres schauen weit im Lande als den Garten und das Haus dieses reichen Mannes. Gar viele der seltensten Bäume wuchsen und blühten auf grünen Wiesen. Ein Obstgarten voll der köstlichen Früchte lag inmitten des Anwesens. Ein silbernes Bächlein floß fröhlich den Wiesenabhang zu Tal. Die Vögel des Himmels kehrten in großen Scharen ein in diesem herrlichen Garten. Sie freuten sich der Lust des Lebens und sangen ihrem Schöpfer Lob und Preis. A Gus. Aber der Herr des Hauses war ein finsterer Mann. Eine dunkle Schuld hatte ihm alle Freude weggenommen, so daß ihn der Gesang der Vögel störte und ihn peinvoll erinnerte an die Gerechtigkeit des Herrn. Eines Tages hatte sich der reiche Mann in seinem Obstgarten niedergelegt, um das Mahnen seiner Seele zu vergessen. Da fliegt ein kleines Rotkehlchen ganz in seiner Nähe auf einen Baum. Mit lieblicher Stimme beginnt das Vöglein zu singen. Da kam den Reichen ein großes Zürnen an. Er wollte das Rotkehlchen fangen. Er steht auf, holt aus dem Hause ein großes Vogelnetz und wirft es heimlich und geschickt über das Vöglein, daß es darin gefangen ward. Das Vöglein faßte sich ein Herz und sprach: „Du reicher Mann, warum nur hast du dir so große Mühe gemacht, mich zu fangen? Welchen Vorteil könnte ich dir denn bringen, wenn du mir die Freiheit nimmst?“.. „Ich will dich gefangenhalten, murrte der Mann.„Du sollst mir singen, wenn ich will, und du sollst auch schweigen, wenn ich will.“ „Ich kann nur singen, wie es mich der Herrgott heißt. Ich kann nicht singen um Lohn oder Befehl.“ „Willst du mir nicht singen, wie ich es mag, dann werde ich dich aufessen.“ Da war’s, als hätte das Vöglein leise gelacht. Es sagte:„Wenn du mich kochst, bin ich zu hart. Wenn du mich brätst, werde ich zu wenig sein. Laß mich doch fliegen, reicher Mann. Du sollst großen Vorteil haben, wenn du mir die Freiheit „Welchen?“ fragt der Reiche gierig. „Ich will dir drei gute Ratschläge geben, die werden dir nützlicher sein als alles Gut deines Der Reiche vertraute dem Versprechen des Rotkehlchens. Er öffnete das Netz und ließ das Vöglein fliegen. Das Vöglein setzte sich gleich in die Spitze des Baumes auf einen blühenden Zweig und sagte diese drei Ratschläge: Glaube nicht alles, was man dir sagt! Halte immer fest, was dir gehört! Frame dich nicht, wenn du ein Gut verloren hast! Dann fing das Vöglein wieder zu singen an mit gar lieblicher Stimme. Noch einmal sprach es zu dem Mann und sagte:„Gepriesen sei der Herr, der alle Klugheit von dir nahm. Hättest du meinen Vogelleib ausgemacht, du hättest darin einen kostbaren Edelstein gefunden von großem Gewicht.“ Da sank der Mann ins grüne Gras und hub zu klagen an. Aber das Vögelein sprach zu ihm: „Sieh doch, wie schnell du meine Ratschläge vergessen hast. Habe ich dir nicht empfohlen, du solltest nicht alles glauben, was man dir sagt? Wie kannst du glauben, daß in meinem kleinen Vogelleib ein Edelstein verborgen sei von beträchtlichem Gewicht, da ich selber nur ein leichtes Vögelchen bin? Und, guter Freund, habe ich dir nicht auch gesagt, du sollst dich nicht grämen, wenn du ein Gut verloren hast? Warum also betrübst du dich um einen kostbaren Edelstein?“ So spottete das Vöglein. Dann flog es fort in den grünen Wald. Literatur. Henriette Brey: Die blaue Stunde. Besinnliches zwischen Tag und Traum. 2. Auflage. 184 Seiten. Brosch. 2 Mk., künstl. Leinen.50 Mk. Verlag Franz Borgmeyer, Hildesheim. In„Die blaue Stunde" erweist sich Henriette Brey als eine feinsinnige Kennerin der menschlichen Seele in besinnlichen Stunden. Die kleinen Essays vermitteln im Kleide einer anschaulichen, dichterischen Sprache eigene Seelenerlebnisse. Das Buch wird die Leser, denen es auf Gedankenreichtum beim Nachspüren von„Welträtseln in der Menschenbrust" ankommt, innerlich stark bereichern. H. T. Ae. Der Schicksals- und Liebesroman eines rapferen Ulädchen J. L. Hecker. Urheberrecht: Herold=Verlag. Homburg(Saar). (Nachdruck verboten.) 6) Eine Welt voll Seligkeiten und geheimster Hoffnungen brach in Shadows Herzen zusammen, und das löste zugleich die Binde, die vor seinen Augen gelegen hatte. Drei kleine Worte gaben ihm Antwort auf all die tausend Fragen, die ihn in den vergangenen Wochen gequält und gefoltert hatten: Ich liebe sie! Und diese Erkenntnis, die sich mit Flammenzeichen in seine Seele fraß, linderte seinen Schmerz und brachte seine Verzweiflung zum Verebben. Die Privatsekretärin war ihm verloren, aber die Braut gehörte ihm, und als Braut durfte er sie sich zurückholen. Der Gedanke daran hatte ein so übermäßiges Glück zur Folge. daß sich Shadow schwindelbefallen an die Fensternische lehnen mußte. Nenate seine Braut! War denn das auszudenken! Und da hatte er ein haldes Jahr an ihrer Seite gelebt, hatte sich immerwährenden Qualen und Zweifeln hingegeben, ohne je die innerste Ursache der Seelenkämpfe, seine Liebe zu Nenate zu entdecken. Wie war das nur möglich gewesen? Das schillernde Gespenst Astrid gab Antwort auf die Frage Und jetzt erst, nachdem Renate gegangen war, wußte er, daß er ohne sie nicht leben konnte, und das brachte die Lösung. istrid hatte jede Bedeutung verloren. Er hatte sie niemals geliebt. Das fühlt er jetzt. Und bei ihr verhielt es sich auch nicht anders. Oder waren ihre Sticheleien Liebe gewesen? Seine Person hatte Astrid nicht zu locken vermocht. Sein Geld wohl eher. 12. Jemand klopfte an die Tür, und auf Shadows Aufforderung trat Ninette ins Zimmer. Die Zofe hatte ihre Tränen getrocknet, und der Ausdruck ihres Gesichtes erweckte das Interesse des Millioalre „Ich habe Afra von dem Verschwinden Nenates berichtet," erklärte das Mädchen mit leiser Stimme. „Afra bemerkte, sie könne sich das Verhalten Renates erklären. Mir gegenüber drückte sie sich aber nicht deutlicher aus. Wollen Sie sie anhören?“ „Afra soll sofort kommen", nickte Shadow erwartungsvoll. Die Zofe ging, und wenige Minuten später erschien das Küchenmädchen. Ihr Gesicht war blaß und verhärmt. Ohne die Aufforderung des Millionärs abzuwarten, begann sie:„Ich hatte gestern abend in dem Raum zu tun, in dem Speisevorräte aufbewahrt werden. Als ich einmal zufällig ans Fenster trat, sah ich Fräulein Niemand im Garten stehen. Sie wollte anscheinend auf das Haus zu gehen. Im selben Augenblick erschien Fräulein Bornemann hinter ihr.“ Shadow machte eine überraschte Handbewegung, und eine dumpfe Ahnung sprang in ihm auf. „Wirklich Fräulein Bornemann?“ fragte er, um endgültige Gewißheit zu erhalten. Afra nickte mit Bestimmtheit.„Ja. Es war noch hell und ich konnte das Fräulein genau erkennen. Sie sprach Fräulein Niemand an. Von dem Gespräch verstand ich kein Wort, da die Fenster geschlossen waren. Aber Fräulein Bornemann schien auf Fräulein Niemand sehr böse zu sein, denn ihre Mienen waren völlig haßentstellt, und sie machte drohende Handbewegungen. Diese Privatsekretärin war anfänglich sehr erschrocken. Ich habe sie nie so entsetzt und bestürzt gesehen. Dann aber sagte sie einige Worte und streckte den Arm aus, worauf sich Fräulein Bornemann entfernte. Das ist alles, was ich weiß, aber ich dachte, der Streit, den die Privatsekretärin mit dem Fräulein hatte, könnte vielleicht dazu beigetragen haben, daß Renate kopfüber das Haus verließ.“ Shadow hatte den Worten des Mädchens atemlos zugehört. Er biß die Zähne zusammen und nickte unmerklich.„Und was tat meine Sekretärin, nachdem Fräulein Bornemann gegangen war?“ fragte er heiser. „Fräulein Nenate blieb im Garten. Sie stand lange vor den Blumen, dann setzte sie sich auf die Bank unter der Akazie. Weiter konnte ich sie nicht desbachten. Der Millionär stand, nachdem Afra wieder gegangen war, lange in dumpfes Brüten versunken. die Aussage des Küchenmädchens klärte das letzte Rätsel. Astrid hatte Nenate vertrieben? Wie mochte sie es angestellt haben? Shadow lachte bitter auf. Er erinnerte sich unwillkürlich der Auseinandersetzung mit Astrid. als diese Renate seine Mätresse genannt hatte. Vermutlich hatte sie Renate am vergangenen Abend dieselbe Beleidigung an den Kopf geschleudert. Es sah ihr ähnlich. Das Blut stieg ihm in die Wangen. Einen Augenblick war er entschlossen, Astrid auszusuchen und sie zur Rede zu stellen. Aber diesen Vorsatz gab er sofort auf. Er wollte Astrid nie wieder sehen und kein Wort mehr mit ihr wechseln. Das, was noch zu erledigen war, konnte brieflich geschehen. Er begab sich ins anstoßende Zimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Eine Viertelstunde später trug Ninette einen Brief für Astrid zum nächsten Postkasten. Damit war diese Sache für Shadow erledigt, und nun stand er vor der letzten Frage: Wohin hat sich Nenate gewendet. Darüber war er sich völlig im Zweifel. Nenate war in dieser Hinsicht unberechenbar, so daß er sich unmöglich aufs Raten verlegen dürfe. Er vernahm die Dienerschaft, aber niemand vermochte ihm anzugeben, zu welcher Nachtzeit Renate das Haus verlassen hatte. In Berlin war sie jedenfalls nicht mehr Das stand für den Millionär fest. Er begab sich neuerdings in ihr Zimmer, und sein Herz begann zu bluten. als er sich in dem stillen, freundlichen Raum umsah, in dem sie viele Monate geweilt und geschlafen. Er öffnete die Schränke und sah, daß sie nichts von dem mitgenommen, was er ihr geschenkt hatte. Alles war da. Nicht das geringste fehlte. Und er stieß auf nichts, aus dem hervorgegangen wäre, wohin sie sich gewendet hatte. Der Tag verrann mit schmerzhafter Trägheit. Bleiern schlichen die Stunden vorüber, und jede dieser Stunden traf den Millionär freudlos und untätig an. Wohin hatte sich Nenate begeben? Wohin, wohin? Er stellte sich die Frage stündlich hundertmal und fand keine Antwort darauf. Und ebensowenig vermochte er die zweite Frage zu beantworten: War sie gegangen, weil sie ihn liebte, oder hatte sie sich durch Astrids Gehässigkeiten verscheuchen lassen? Er wollte die erste Möglichkeit nicht bejahen, trotzdem ihm die zweite wenig wahrscheinlich schien. Ihre Flucht mußte auf anderen, tieferen Ursachen beruhen. Vielleicht empfand sie doch tiefer für ihn. Er versenkte sich in die Vergangenheit und suchte sich einzelne Gespräche mit Nenate zu vergegenwärtigen. Vieles schien seine zaghafte Hoffnung zu bestätigen, und dennoch waren Zweifel in ihm. Während sich Shadow tausend Zweiseln hingab, saß Renate in einem langweiligen Eisenbahnabteil, das sie in gemächlicher Fahrt durch die weiten ostpreußischen Gaue trug. Es war ein gewöhnlicher Bummelzug, der an allen Stationen hielt, um Leute aufzunehmen und abzusetzen. In Nenates Abteil kam niemand, und sie war froh darüber. Sie kauerte still auf der groben, hölzernen Bank. Ueber ihr, im Netzträger, lag ihr Koffer. Er enthielt ein zweites Kleid und Unterwäsche, lauter Dinge, die sie sich selbst gekauft hatte, und ihr erspartes Geld. Kurz vor fünf Uhr morgens erst hatte sie heimlich Shadows Villa verlassen. Eine Stunde später trug sie der Zug bereits aus der Reichshauptstadt nach Osten. Ihre anfängliche gute Stimmmung war sehr rasch geschwunden, als es ihr zum Bewußtsein kam, daß sie jeder Näderstoß weiter von Shadow entfernte. Bernhard Shadow war der Pol, um den sich seit Monaten ihr ganzes Sein bewegt hatte. Sein immer ritterliches und immer liebenswürdiges Wesen war nicht ohne tiefste Einwirkung auf ihr unberührtes Herz geblieben. Sie hatte ihn verehrt, ohne es zu ahnen, daß diese Verehrung, die sie ihm entgegenbrachte, Liebe war. Aber jetzt, da sie der Zug in immer weitere Fernen entführte und unerbittlich Meilen zwischen sie und Shadow legte, kam sie zur Erkenntnis dieser ihrer Liebe. Und sie wußte auch, daß diese Erkenntnis bereits am Vorabend in ihrem Unterbewußtsein gestanden hatte, denn sonst hätte sie sich durch Astrid nicht vertreiben lassen. Und nachdem sie sich nunmehr über ihre Gefühle völlig klar geworden war, stand für sie fest, daß er kein Zweifel mehr gab. Sie durfte Vernhard Shadow nicht wieder sehen. Er war reich, sie arm. Sie mußte ihn vergessen. Ein wehes Lachen spielte um ihren Mund. Vergessen, nein, vergessen würde sie Shadow nicht. Der Gedanke an ihn würde immerfort in ihrem Herzen leben, denn sie fühlte sich zu tief mit ihm verbunden. Aber sie wollte versuchen, das Leid aus ihrer Seele zu bannen. Was nicht sein konnte, das konnte eben nicht sein, und sie war Kart Draußen glitt das herbstliche Land vorüber. Unermeßliche Stoppelfelder, über die ein rauher Wind hinwegbrauste. Manchmal einsame Bäume, Ortschaften. Nenate sah nicht hinaus. Der Nachmittag entschwand, und als die Dämmerung hereingebrochen war, holte sie ihren Koffer aus dem Gepäcknetz. Zweimal hielt der Zug noch an, dann befand sie sich an der Endstation. Sie stieg aus. Mechanisch machte sie einige Schritte auf das Stationsgebäude zu, blieb unvermittelt stehen, setzte den Koffer, der Zentnerlasten zu enthalten schien, nieder, und sah um sich. Keuchend fuhr der Zug an, spie Wolken und verschwand im trüben Grau des Herbstabends. Nenate starrte nach den blanken Schienen und wußte: Diese Schienen bedeuten die Welt. Sie konnte auf ihnen zu Shadow zurückkehren. Nein. Sie hob den Koffer auf und passierte die Station. Dahinter schlängelte sich ein schmaler Feldweg durch die wehenden Nebel nach ihrem Geburtsort. Renate hatte eine halbe Stunde zu gehen und schritt rasch aus. Und es gelang ihr, alle trüben Gedanken aus sich zu verscheuchen und nur an die Heimat zu denken. Es gab je so viele traute Erinnerungen. Die Kindheit erstand vor ihrem Geiste. Es war keine sonnige Kindheit gewesen. An ihre Eltern konnte sie sich überhaupt nicht erinnern. Die waren bald nach ihrer Geburt beide verstorben. An der Seite ihres um zwölf Jahre älteren Bruders war sie aufgewachsen und hatte nichts anderes als Dürftigkeit und Kampf gekannt. Und trotz alledem klangen diese Erinnerungen wie alte, traute Lieder durch Nenates Brust, und sie vergaß darüber das große Leid ihres Herzeus. Ihr Bruder hatte durchaus nicht ihre Stärke geteilt. Er war ein stiller, versonnener Mensch gewesen, den der harte Daseinskampf zermürbt hätte, wenn die kleine, aber trotzige Schwester nicht an seiner Seite gestanden wäre. Du hast drei Männer in dir, Nenate, hatte er oft bewundernd zu ihr gesagt, wenn sie allen Anfeindungen die Stirne bot und durch ihre verbissene Art den Sieg erzwang. Und nun war ihr Bruder auch tot. Sie hatte keinen Menschen mehr auf der Welt, der ihren Geschicken Anteil entgegenbrachte. Sie war heimatlos. Der Weg führte eine Senkung hinunter. Nenate verlangsamte ihre Schritte und stieß gegen einen Markstein. Das bedeutete eine Aufforderung. Sie setzte den Koffer nieder und kauerte sich auf den Stein. Und das war nun Heimatluft. Unter ihr, aus dem brodelnden Nebel, schimmerten die Lichter des Dorfes, das ihr das Leben geschenkt und ihre Jugend behütet. Das Dorf, in dessen stillem Friedhof Vater, Mutter und Bruder den ewigen Schlaf schliefen. Was wollte sie hier eigentlich? Ganz unvermittelt tauchte Shadows gütiges Gesicht vor ihr auf, und das riß die große Wunde wieder auf. Sie barg das Gesicht zwischen den Händen und weinte wie ein Kind. Minuten saß sie so, zeit= und ortentrückt, nur in ihrem Schmerz aufgelöst, dis sich die impulsive Anwandlung legte. Sie reinigte ihr Gesicht von den Tränenspuren und erhob sich, um das letzte Stück Weges zurückzulegen. Wenige Minuten später hatte sie das Dorf erreicht. Sie schritt durch die stillen Straßen. Keine Menschenrie begegnete ihr. Da war die Kirche. Sie blieb kurz stehen und sah hinüber. Dort tauchte das alte Schulhaus aus der Dämmerung, einige Schritte noch und sie stand vor dem Häuschen, in dem sie ihre Kindheit verbracht. Das Haus war noch zu ihres Bruders Lebzeiten in fremden Besitz übergegangen. Die Läden waren geschlossen, und aus den Spalten schimmerte Licht. Nenate trat hinzu und klopfte gegen einen der morschen Läden. Im Innern der Stube winselte ein Hund, dann wurde eine männliche Stimme laut:„Wer ist draußen?“ „Ich bin's, Nenate.“ Ein freudig überraschter Ausruf folgte dieser Erwiderung, und gleich darauf wurde die Haustür geöffnet. Ein Mann und eine Frau erschienen auf der Schwelle. Die Flurbeleuchtung schüttete ihr Licht über das Gesicht des herzutretenden Mädchene. „Sie ist's wirklich!“ rief die Frau und schlug die Hände zusammen.„Ist es denn möglich, Renate! Komm nur gleich herein!“ Sie drückte die Widerstrebende nach ungestümer Begrüßung in die niedere Stube, wo sich zwei Knaben mit einem Hund auf dem Boden balgten und ein kleines Mädel in der Wiege schrie. Die beiden Jungen drängten sich mit einem Jubelgeheul um die Eintretende, und in Nenate stieg ein Glücksgefühl auf, wie sie es an diesem Tage nicht mehr für möglich gehalten hätte. Sie streichelte die Knaben herzte das Kind in der Wiege, dann setzte sie sich an den groben Tisch. Die beiden Alten stellten tausend Fragen zu eiec un Keadt Bonr 4h denr. 88 sah siee in dem ärmlichen Raum mit der rußgeschoärzten Decke um, und da schien ihr all das Erlebte während der vergangenen Wochen wie ein Traum. War sie denn wirklich fortgewesen? Hatte sie nicht immer in dieser Stube, in der sie jede unbedeutendste Kleinigkeit kannte, verweilt? Wo sie gewesen, und wie es ihr ergangen sei? Sie erzählte von ihrem Dienst als Zimmermädchen, vermied es aber, den Mann zu erwähnen, in dessen Diensten sie gestanden. Ob sie ihre Stellung freiwillig aufgegeben habe, oder eb sie auf die Straße gesetzt worden sei? Diese Frag