Allgemeine Unterbaltungs Blatter zur Verbreitung des Schönen, Guten und Dritter Jahrgang 8 2 9 in W9 4. B a nden. Red ig#r## unte: Verantwortlichkeit der Vertagshondlung. Re Fünften Bandes, zehntes Heft. weite Mai=Hälfte. Aines Das Abonnement Kntn Oonen un Ju un Autauntze gon, Oauntenenrigezächeisertch (Einzeln das Heft 10 Sgr.) Münster und Hamm, n der G. A. Wundermann'schen Buchhandlung. An die geehrten Leser der Allg. Unterhaltungsblätter. Die fortdauernde, steigende Unterstützung, deren sich die gegenwärtigen Blätter zu erfreuen haben, setzen die Redaction derselben in den Stand, den Plan derselben zu erweitern, und einer Vollkommenheit näher zu führen, die das Ziel derselben zu sein nie aufhören wird. Indem die Redaction sich bemüht, in den veränderten Plan eine größere Ordnung, als anfangs möglich war, zu legen, indem sie den Raum für Gegenstände erweitert, welche seit der Erscheinung der Blätter an Interesse gewonnen haben, indem sie die wohlwollenden Rathschläge gütiger theilnehmender Leser dabei berücksichtigt hat, glaudt sie einen Theil der Erkenntlichkeit zu beweisen, zu welcher das geehrte Publikum, welches einer, unter mancherlei Hindernissen aufkeimenden, Unternehmung einen so gütigen nachsichtsvollen Beifall schenkte, sie verpflichter hat. Die eigentlichen allgemeinen Unterhaltungsblätter werden 3 Bogen stark erscheinen. Die Gegenstände dersetben zerfallen in 3 Hauptabtheilungen: 1. Ergögliche Unterhaltung; 2. Rützliche Unterhaltung, und 3. Zeitgeschichte. Die erste Abtheilung enthält Erzählungen, Novellen, Gedichte, humoristische und satyrische Aufsätze, Anekdoten und Bemerkungen; Schöpfungen der Pbantasie und des Geschmacks. Die zweite Abtheilung enthält Gegenstände der nützlichen Wissenschaften und Künste; Produktionen des Verstandes und der Erfahrung. Sie ist der Anfnahme von Bearbeitungen aller wissenschaftlichen, Kunst=Handels= und Gewerbsgegenständen gewidmet, und schließt mit Nachrichten über Erfindungen, Entdeckungen, Fortschritten und Erfahrungen. Die dritte Abtheilung ist für die Geschichte der gegenwärtigen Zeit bestimmt, sie nimmt Abhandlungen über Politik und Zeitgeschichte auf und gibt einen Ueberblick der wichtigsten Weltereignisse. Als Zugabe wird, wenn und so weit es der Raum erlaubt, ein Literaturblatt beigegeben. Es wird weniger Kritik, als eine unbefangene kurze Darstillung des Inhalts solcher Werke enthalten, welche das größere Publikum interessiren können, und ist nicht sowohl für den Gelehrten als für den Laien bestimmt. Die Redaktion ist zu der., leicht zu bemerkenden Abänderung im Plane der Zeitschrift sowohl durch die Wünsche und Anforderungen der geehrten Leser, als auch durch die Zeitumstände veranlaßt worden. Sie brabsichtigt dadurch, mihr Raum für Besprechungen und Mittheilungen über die mannichfachen interessanten Ereignisse unserer bewegten Zeut zu erlangen, ohne den Umfang der Zeitschrift zu veraröhern. Sie hofft, daß sie mit den Ansichten der geehrten Leser auch vier in Uebereinstimmung handelt, um so mehr, da es keinesweges ihre Absicht ist, die Literaturberichte gänzlich fallen zu lassen, sondern nur sie auf solche zu beschränken, die entweder in Hinsicht auf ihre Bearbettung oder auf ihren Gegenstand, eine unterhaltende oder nützliche Lektüre gewähren. Alle Gegenstände, welche in den allgem. Unterhaltungsblättern behandelt werden, sollen von allgemeinem Intcresse sein; dagegen sind alle solche Gegenstände, welche nur den näbern Kreis der Leser, die westlichen preußischen Provinzen berühren, den mit diesen Quartdeften jezt vereinigten Beiblättern überweesen, die sich über ihre Tendenz noch ausführlicher aussprechen werden. Die geehrten Herrn Mitarbeiter, denen die Redaction hiermit ihren Dank für die bisherige gütige Unterstützung ausdrückt, werden ergebenst gebeten, auf den Plan der Zeitschrift bei ihren künftigen Sendungen gefälligst Rücksicht zu nehmen. Die Beiträge, weiche unter der Adresse: nan die G. A. Wundermann'sche Buchhandlung(für die Unterhaltungsblätter) abgesandt werden können, werden dem Verlangen der geehrten Einsender gemäß anständig honorirt. Die Redaction. ** Die Bedingungen, unter denen dieses Blatt, vereinigt mit den Beiblättern, bezogen wird, bleiden die bieberigen. In der Expedition zu Hamm und Müngter beiragt der halbeguna oder ein Bans zu 12 Heften, jedes aus 6 Bogen auf mischweißes Papter 2 Thir, 20 Sor., die pränumeriet werden.Mittein der könial. wopnödlichen Postämter und Buchhandtungen Rhein and= Wesirhalens bezuht man beide Bietter, einschit=ßtich aller Untosten, für 3 Thir. halbjährtich.— Außerbalb dieser Provinzen eosten diese Biätter 7 Thir. jährlich. Die resr. Namen der Subsertbeuten werden wie bisher aus dankbarer Anerkennuna und zur Bezeigung der allgemeinen Theilnahme fortlausend in den Heften abgedruckt, weßhalb um eine deutliche und vollständige Unterzeichnung gebeten wird. Die Verlagshandlung. Allgemeine Unterhaltungs=Blätter. Fünften Bandes, zehntes Heft. Durch Vernünfteln wird Poesie vertrieben; Aber sie mag das Vernünftige lieben. Gothe. Biondetta. (Novelle nach dem Französischen.) Don Alvarez von Maravillas, Hauptmann in der Leibgarde des Königs von Neapel, liebte wie alle jungen Helden eine gute Mahlzeit, das Spiel und schöne Mädchen. Damit vergnügte er sich täglich, so lange der Sold reichte. Klang der nicht mehr im Beutel, so diente ihm etwas Philosophie zur flüchtigen Zerstreuung. Eines Abends— Don Alvarez erzählt selbst — hatten wir uns bei einem hageren engbrüsti gen Fläschlein Cyperwein durch Unterhaltung über mancherlei Gegenstände erschöpft, als das Gespräch auf Schwarzkunst und Schwarzkünstler fiel. Einer von uns behauptete, die Schwarzkunst sei eine wahre Wissenschaft. Vier der Jüngsten verbannten sie gradezu in das Gebiet der Ungereimtheit und Chimäre; der älteste unter uns, Soberano geheißen und Flamländee von Geburt rauchte mit zerstreuter Miene sein Pfeifchen und sagte nichts. Die Nacht kam heran; man schied; Soberano und ich blieben allein. Junger Freund— begann er zu mir, warum ließet Ihr Euch nicht auch in den Streit ein? Weil ich lieber schweige, als billige oder Unt. Bl. V. Bd. 1o. H. tadle, was ich nicht kenne— gab ich zur Antwort. Theurer Genosse— erwiederte er— ich liebe Eure Unkunde; sie bedarf Anderer Lehre. Versichert mir die größte Verschwiegenheit auf Euer Ehrenwort, versprecht Euch klug zu betragen, und Ihr sollt mein Schüler sein. Neugierig nahm ich mit Dank das Anerbieten an, und als erste Frage fragte ich: ob eine Verbindung mit Geistern möglich sei? Freilich, ohne Zweifel— antwortete Soberano— und ohne weitere Erläuterung gebe ich Euch eine Probe. Kaum hatte er die Worte gesprochen, als er die Pfeife aus dem Munde nahm, dreimal klopfte, um die Asche herauszubringen, und dann rief er: Calderon, Calderon, nimm meine Pfeife, zünde sie an, und bringe sie mir zurück. Noch ehe ausgesprochen, verschwand die Pfeise und erschien brennend wieder. Er that einige Züge, stand auf und sprach: Geht zu Bette, seid weise, und wir werden uns wiedersehen. Meine Ueberraschung glich, meiner Neugier. Am andren Tage sah ich ihn wieder; ich ward sein Schatten, ich verdoppelte meine Fragen über Geister u. s. w. Ihr gebietet den Geistern, sagt Ihr; wohlan Ee ich will in Gemeinschaft mit ihnen treten. Ich will es, ich will es. Soberano wich bald aus, bald antwortete er im Orakeltone. Aber wie lange währen die Proben? fragte ich. Bisweilen zwei Jahre, lautete seine monotone Antwort. Zwei Jahre? Ihr seid grausam, Soberano! Könntet Ihr mein glühendes Verlangen fassen; es verbrennt, es verzehrt mich. Alvarez, erwiederte er, Ihr macht mich zittern für Euch und für mich. Was, Ihr wollt Geister citiren ohne Vorbereitung? Ihr habt Muth. Aber wenn Ihr Euch der Gefahr aussetztet, den Kopf zu verlieren? wenn Ihr den Teufel sähet, Alvarez? Ha— ich zupfe dem Teufel am Ohre! fuhr ich auf. Bravo— jubelte Soberand— am Freitag! Ihr esset mit zweien der Unsrigen zu Mittag, und wir bringen das Abenteuer zu Ende. Heute ist's Dienstag. ** * Der Tag kam endlich. Die Beiden erschienen; ihre Gesichtsbildung hatte wenig Einnehmendes. Wir nahmen das Mittagsmal ein; nach demselben schlug man einen Spaziergang nach den Ruinen von Portici vor. Wir kamen an. Meine Fantasie entflammte bei dem Anblick dieser Trümmer erhabener Denkmale, die vernichtet, zusammengestürzt und von Strauchwerk bedeckt dalagen. Wir gingen weiter und drangen in das Dunkel der Gewölbe ein. Einer von uns schlug Feuer und zündete ein Licht an. Wir waren in einem Gewölbe von vier und zwanzig Fuß im Umkreise mit vier Ausgängen. Tiefe Stille. Soberano beschrieb mit dem Stocke, den er trug, einen Kreis um sich, machte einige Zeichen, und hieß mich hineintreten. Dann gab er mir eine Formel zum Geisterbeschwören, kurz und gedrängt, worunter einige Worte, die ich nie vergessen werde. Dann hieß er mich dreimal laut den Namen Beelzebub rufen. Alle Drei zogen sich, zurück. Ich war allein. Selbst ein Wagehals befand sich nie in erner schwierigen Lage. Ich überlegte; dazu hatte ich Zeit. Die Eigenliebe bestimmte und ermuthigte mich, und mit anhaltendem Tone rief ich dreimal, jedesmal nach kurzer Zwischenpause: Beelzebub! Ein geheimer Schauer lief durch meine Adern, und meine Haare sträubten sich aufwärts. Das Gewölbe öffnete sich; ein Lichtstral drang durch die Oeffnung. Ein Kameelkopf, grausig durch seine Größe und Gestalt, mit unmäßigen Ohren, zeigte sich, und eine furchtbare Stimme rief: Was willst du? und zahllos hallte das schreckliche: Was willst du? wieder. Aengstlich war meine Lage; ich suchte Herr meiner Furcht zu bleiben; starr den Blick auf das Gespenst gerichtet, fragte ich: Was verlangst du, Verwegener, dich in dieser gräßlichen Gestalt zeigend? Du hast mich gerufen, erwiederte das Gespenst in dumpftiefem Tone. Will der Sklave seinen Herrn erschricken? erwiederte ich. Nimm eine ziemendere Gestalt an und einen unterwürfigen Ton. Nahe in Hundesgestalt! Und das Kameel streckte den Hals und spie einen Hund aus mit feinem Haar und langen, bis zur Erde hinabhängenden Ohren. Ich und der Hund waren jetzt allein in dem Gewölde. Meister, begann er— gern wollte ich Eure Füße lecken; aber der Kreis hält mich zurück. Ich trete aus dem Kreise, strecke den Fuß aus; der Hund leckt ihn. Ich schicke mich an, Wort zu halten und ihn am Ohre zu zupfen. Er legt sich nieder— es ist eine Hündin. Steh' auf— sprach ich— ich verzeihe dir. Du siehst, ich habe Gesellschaft. Bereite ein Mahl! Der Saal wird prachtvoll und hell. Biondetta!(den Namen gab ich der Hündin) lade die Herren ein. Der Hund führt, in einen Pagen verwan delt, sie herein. Man nimmt Platz; es wird gespeist. Ich spreche gut oder schlecht über eine 219 neue Oper u. dgl. Der aufwartende Page vervielfältigt sich. Biondetta— beginne ich— führe Signora Fiorentina herein, die Sängerin; sie hat versprochen, mir einen Augenblick zu schenken. Signora Fiorentina kommt, setzt sich, singt ein Recitativ und eine Arie präludirt auf der Harfe, singt zum Entzücken, und Fiorentina ist, wie ich gewahre, keine andere als Biondetta. Ich verlange eine Kutsche; sie steht da mit Bedienten, Kutscher und Postillion, und wir fahren nach Neapel zu. Ein Freund Soberanos, Bernadillo, wünscht mir Glück zu dem glänzendem Erfolge. Innerhalb 40 Jahren hatte er es weit nicht gebracht. Ich versichere ihm, die Ursache dieser so ausgezeichneten Gunst nicht zu wissen. Während ich im Innern schauderte ob dem Uebermaaß meiner Unbesonnenheit, erreichte die Kutsche Neapel. Mein Kammerdiener Karlo wollte Aufklärung über die Pracht, womit ich erschien. Ich gebot ihm Stillschweigen und hieß ihn, mich mit Biondetta allein zu lassen: Ich will sie zurückschicken; allein sie fleht, sie nicht zu verstoßen, entdeckt mir ihr Geschlecht, umfaßt meine Knie, und ich erlaube ihr, sich in meinem Gemache schlafen zu legen. Sie legt sich nieder und löscht das Licht. Daß ich wenig schlief, kann man denken; denn war Biondetta nicht jenes garstige Kameel? Hin und her warf ich mich; meine Bettstelle stürzte lärmend zusammen. Biondetta eilte herbei, preßte mich in ihre Arme. Meine Lage war bedenklich; aber der Gedanke an das Kameel war mein Hort. Ich wies sie zurück, und in meiner Ungeduld rieth ich ihr scherzweise, sich in einem Spinnengewebe niederzulegen, welches sich in einer Ecke des Zimmers befand. Schluchzend zog sie sich zurück. Mit Mühe schlief ich ein, erwachte mit dem Tage und erblicke meinen weiblichen Pagen angekleidet dasitzen. Eine kleine Bewegung verkündete ihr mein Erwachen, und mit der Hand schlug sie die Locken, die ihr Antlitz umschatteten zurück. Denke dir die Morgenröthe im Lenze mit ihrem Thaue, ihrer Frische und ihrem Balsam, geneigter Leser. [Fortsetzung folgt.] Die Faschingsritter. (Fortsetzung.) Andere Straße. Jude Isaschar und Donna Antonia. Isaschar. Bei meinem Madda! bei meinem Eide! Es ist nicht anders, als ich Euch gesagt habe. Antonia. So ware ich die Aermste auf der Erde. Isaschar. Es ist die Wahrheit; denn was hätte ich für Ursache, Euch zu betrügen? Ich weiß, Ihr seid eine ehrliche Frau; es ist nicht anders, so wahr ich ein Israelit bin, heute geschachert habe und am Schabbes nicht schachere. Antonia. Unglaublich scheint's mir dennoch, Isaschar. Isaschar. Unglaublich? Warum unglaublich? Es geschieht dergleichen wohl mehr, und Ihr kennt das Sprüchwort: Tod und Heirath entdecken alle Dinge. Antonia. Mein lieber Isaschar, so leiht mir doch Zwei, auch dreihundert Thaler wenige Tage; Mein Unterpfand ist gut, versichr' ich Euch. Isaschar. Nun was für ein Unterpfand? Laßt hören. Antonia. Ihr könnt es sehn, ich trag' es bei mir— schaut, ’ne schöne goldne Keite mit Demanten. Isaschar. Donna Antonia, wir sind gute Freunde. Wie viel wollt Ihr, daß ich Euch auf diese Chach leihe? Ee 2 Antonia. Dreihundert Thaler, Isaschar, nicht mehr. Zum mind'sten gilt Viertausende die Kette. Isaschar(die Kette gegen das Licht spielen lassend.) Donna, mit einem Worte: ich will Euch auf die Kette schielen— fünf Silbergroschen. Antonia. Fünf Silbergroschen?— Jude, seid Ihr toll? Isaschar. Donna, ich bin Chachan; aber die Kette ist von Messing und die Steinicher von Glas. Das sag' ich Euch bei meinem Eid. Antonia. Nicht möglich! hat sie doch noch vor zwei Stunden Ein Kavalier— der tapferste getragen. Isaschar. Traut meinem Worte, Donna. Sie ist von Messina.— Der tapferste Kavalier— sagt Ihr. O— es gibt Viele, die dergleichen Ketten tragen. .. Antonia. So ist nicht Treu', nicht Glauben in der Welt! Isaschar. Und von wem habt Ihr sie? vom Kapitak noch von den Procenten. Das Beste wird sein, ich lasse ihn fassen und einstecken. Antonia. ist unmöglich, Isaschar, unmöglsch! Isaschar. Nicht mir allein ist er schuldig. Da ist kein Schneider, kein Schuster, kein Hutmacher, in dessen Buche sein Ellenname nicht auf vierzig Seiten paradirt.—'s wird also nichts aus unsrem Geschäfte, Donna. Adieu! Antonia. Sei stark, mein Herz, und blute nicht vor Gram! In welches Elend hast du mich und dich Gestürzt durch deine Unbesonnenheit, o Tochter! Dritter Aufzug. Florian, Diener des Stadtmarschalls, mit vollen Weinflaschen in den Händen, berauscht. Er singt: Wer niemals einen Rausch gehabt, Der ist kein braver Mann. Wer seinen Mund mit Schoppen labt, Der fange nur nicht an. Antonia. Von Daradiridatumdarides Dem Hauptmann, der sich— doch Ihr kennt ihn wohl. Graschur. Recht gut, recht gut! Er ist der gröf Windbeutel und Maulheld in ganz Hispanien Antonia. Bedenke, Jude, ernstlich, was du plauderst. Isaschar. Ich wollte es ihm in's Gesicht sagen— falsche Siegel nachzumachen, Handschriften zu fälschen, Wechsel auszustellen auf seinen schwindsüchtigen Geidbeutel— darin findet Ihr seines Gleichen nicht in ganz Hispanien. Achthundert Piaster ist er mir schuldig und schwört alle Tage, er wolle mir zahlen. Aber ich sehe weder etwas Das ist ein fröhlicher Tag! Ich bin sticke wicke voll.“ Und morgen erst— juchhei! Das herrliche Bankett bei meinem Herrn! Antonia und Selene treten auf. Selene. Florian! Florian. Holla, wer ruft mich? Selene. Kennst du mich nicht mehr? Florian. O Jungfer Selenissa! habt Ihr doch zwei Köpfe und vier Augen bekommen. O seht doch wie viel Sonnen! Eins, zwei, drei, vier, fünf!— Aber hört mal: das ist ein Weinchen, wie nie eins unter einem Korkstöpsel gesessen. Es ist aber auch ein Hochzeitweinchen; wir machen nem 221 lich Hochzeit, der Herr Marschall und Jungfrau Cölestine, und ich und Rosinichen. Selene. Du dienst nicht mehr dem Don Palladio? Florian. Warum nicht, besonders da es so herrlich bei ihm hergeht. Ja, Jungfräulein, glaubt's mir, sein Haushimmel hängt voll Geigen. Und morgen erst, morgen, ja morgen gibt er uns Allen neue Mäntel und Hosen von safrangelbem Sammt mit echtgoldenen Tressen. Antonia. Was machst du denn bei dem Marschall? Florian. Ihr seid trunken. Denn, wenn ich bei Don Palladio bin, so bin ich ja bei dem Marschall. Wißt Ihr denn nicht, daß mein Herr Marschall geworden ist? Antonia. Daß Gott erbarme! O Tochter, Tochter, wir sind verloren. Florian. Jungfer Selene! Auf meines Herrn Hochzeit wollen wir mit einander tanzen. Selene. Ja, wenn dein Herr mit wir Hochzeit halten wird. Antonia. O Tochter, Tochter, welch Glück hast du verschleudert!— Straße. Cyrille. Don Daradiridatumdarides. Sempronius. Cyrille und Daradiridatumdarides kommen von entgegengesetzten Seiten. Darad. Unsre Erden= eindrückenden Schenkel werden nunmehr den bettlichten Himmel meiner irdischen Juno niedertreten sollen. Weil wir aber es an nothwendigen Speisen nicht müssen mangeln lassen, so wollen wir diesen Ring so lange zum Pfande setzen, bis wir Gelegenheit haben, ihn wieder an uns zu bringen.— Mein Knappe hat die alte Cprille, la diablesse des femmes, hieher bestellt; wir wollen sie erwarten. Cyrille bei Seite. Der Hauptmann mit dem Siebenellennamen hat mich hieher erbitten lassen. Weil er bald heirathet, hat er meine Hülfe gewiß nöthig. Da gibts wieder klingende Belohnung. Sie singt: Kasper, Balthasar, Melchior zart; Herodes hat'nen langen Bart, Sie liegen zu Köln am Rheine. Florian. Nein, nein; daraus wird nichts; er wird mit Cölestine Hochzeit halten. Antonia. Mit Cölestine?— Ich raufe mir die Haare aus. Selene. Wer hat das gesagt? Florian. Ich hab' es gesagt, mein Herr hat es gesagt, und Jungfer Cölestine hat es gesagt. O— er hat Cölestinen eine Perlenschnur gegeben, sechs Ruthen lang; jede Perle war so groß als mein Kopf. Darad. Da kommt die Alte herangeschlichen. Guten Tag, Frau Cyrille. Hört etwas ganz Neues: ich habe Geld nöthig. Cyrille. Ach lieber Herr, das ist etwas ganz Altes weiß es doch die ganze Welt. Darad. Könnt ihr mir auf diesen Ring nichts schaffen? Cyrille. Ich will sehen. Aber wann verlangt ihr das Geld? Darad. Noch heute Abend. Cyrille. Ich will sehn, ob's möglich ist. Darad. So erwarte ich euch dann heute Abend. Adieu. (Er geht ab.) Cyrille. Seid gegrüßt, lieber Herr.— Aber sieh— da kommt der Magister Sempronius gegangen; dem will ich den Ring geben und sagen, Cölestina schicke ihn als Liebespfand. Die Perlen behalte ich für mein Katterle, und den Siebenellennamensyerrn werde ich auf geziemende Art abspeisen. Sempronius tritt auf. Tot sunt in amore dolores! sagt mit vollem Rechte der unübertreffliche Poet Virgilius. Nun, wo mag Cyrille so lange stecken? Eisieh— da ist sie ja. Cyrillle singt. Im Himmel, im Himmel sind Freuden so viel, Da tanzen die Engel gar freudiges Spiel. Sempronius. Nun, Cyrille, was hat meines Herzens Göttin Cölestine gesagt? Cyrille. Glücklicher Herr Magister, sie ist verwundet und läßt euch einen guten Täg vermelden. Sempronius. Verwundet? Von Amors Pfeil? Ach mein Glückshimmel hängt voll Geigen!— Aber schickt sie mir den„Guten Tag" allein und kein Geschenk dabei? Cyrille. Ei freilich, Herr. Sie küßt euch die Hände, schickt diesen Ring, und läßt euch sagen, daß sie euch heute Abend um nenn Uhr im Garten erwarte. Sempronius. Um nenn Uhr im Garten?— Himmel, ich werde raseno prae lactitia gaudioque. Cyrille kreuzt sich, abgewandt. Nun, hab' ich's doch lange gedacht, daß er nicht bei Sinnen ist, weil er so seltsame Worte spricht. Und jetzt sagt er's gar selbst. Sempronius. Ich bin nicht von Sinnen; ich jede nur Latein. Cyrille. So wollt ihr diesen Abend kommen? Sempronius. Die tollste Frage, die ich je gehert. Geht nur und verkündet ihr, ich würde kommen, und keine Gewalt würde mich zurückhalten.— Unterdessen will ich die neun und neunzig Stufen zu meinem Musenkämmerlein hinaufklettern, und auf diesen Rina, hoc amoris pignus, hane fidei arrham dreißigtausend Epigramme, siebenhundert Sonnette und hundert Oden machen. Cyrille abgewandt. Und ich will mich am Abend im Garten verstecken. Herr Sempronius wird mich für Cölestine halten, und kriegt er mich einmal, muß er mich behalten sein Lebenlang. M ark t. Don Daradiridatumdarides und Diavolo, sein Knappe. Darad. O desespoir! Das müssen siebzehn hundert tausend Franzosen walten, daß meine Braut so arm ist. Statt vollen Geldbeutels erhalte ich einen Bettelsack. Das wäre ein Fressen für den Capitano Daradiridatumdarides. Diavolo. Was ich sage, hab ich aus glaubwürdigen Berichten. Darad. Da hat mich Freund Beelzebub hinter's Licht gefuhrt. Ah füneste opjet. Bei der Seele des Großvaters Mahomets, die Erzbestien ziehn auf wie Prinzessinnen, es bleibt nicht bei Tausenden, man kommt auf hunderttausend. Doch bei Lichte besehn, fehle's sogar an Hemden.— Doch pomt de bruit! Sie hat noch goldene Ketten und Per 223 len; die müssen Hebräisch studiren. Und im Vertrauen— wir spannen morgen, wenn sie noch schläft, in aller Frühe die Segel. Was nicht mitgehen will, das nehmen wir und sehn, ob unsre Klepper noch das Thor finden können. Selene und Antonia treten auf. Selene für sich. Mit dem Klepper zum Thore hinaus? Da soll der Teufel ihm eher den Hals brechen, als es dazu kommt. Darad. Sieh— da kommt meine Reiche! Selene. Finde ich meinen Bräutigam so allein hier? Darad. Nein, sondern in in Gesellschaft mit seinen unüberwindlichen Gedanken, avec un coeur d’un Mars. Was macht meine Werthe hier? Selene. Sie muß sehr unwerth sein, weil ihr Geschenk so gering geachtet wird, daß es nicht einmal Platz an eurem Finger findet. Darad. Mort de ma vie! Wurst wieder Wurst! Well sie unsre Kette nicht eines Platzes an ihrem Halse würdigt, findet auch der Ring keine Stille an unserm Finger. Selene. Wir sind nicht gewohnt, Ketten von Messing zu tragen. Darad. Arrogante Kokette! Ich will lieber Messing, das mein eigen ist, als geliehenes Gold. Ich halte die Kette höher als allen Toilettenkram. Habe ich sie euch für golden gegeben? Dem Könige in Ehina habe ich sie mit eigenen Händen vom Halse gerissen, als ich vor drei Jahren mit den Tartaren in sein Riesenreich siel. Und dort schätzt man Messing höher als Gold. Antonia. So heirathe er eine Andre und betrüge nicht mich, noch meine Tochter. Darad. Was? Ihr wollt mir die Heirath aufkündigen? Da soll euch der Blitz zerschmettern! Euch zum Trotz müßt ihr mich haben; ich will euch haben, damit ihr seht, daß es nicht in eurer Macht stehe, sondern in der meinigen, mit euch zu thun, zu lassen, zu schalten und zu walten. Ich mag euch verschenken, verkaufen, verjagen, verschicken, verwechseln, verpfänden— ihr seid nichts anders als leibeigen.— Das ist unser endlicher, ernster, ungnädigster Wille; wornach sich jedermänniglich Selene. Mein Leben will ich daran setzen und nicht eher ruhen, bis ich ihn losgeworden. Den Capitain Hortibilikribrifax will ich auf ein Paar Worte zu mir bitten lassen; er soll mir beistehn. (Schluß folgt.) Ge d ich t e. (Rach Walter Scott.) 1. Nora's Gelübde. Jört, was Hochland's Nora spricht: „Den. Sohn des Early frei' ich nicht! Und sollten alle Menschen sterben, Und außer ihm und mir verderben! Für alle Schätze, alles Geld, Für alle Länder in der Welt, Um die man kühn gestritten schon, Freit' ich ihn nicht, des Earlie's Sohn!“ „Ein Mädchenschwur,“ sprach Callum alt, „Ist bald gesagt, gebrochen bald! Das Heidkraut auf des Berges Kranz Beginnt zu blühn im Purpurglanz! Doch bald, auf Berg, und Thal und Höh'n Verwelkt es bei des Forstes Wehn. Doch eh' sein Schimmer ganz entflohn, Freit Nora gern des Earlie's Sohn.“ „Tauscht,“ sprach sie,„auch den klaren See Der Schwan mit Adlers Felsenhöh', Rauscht brausend rückwärts Awestroms Fall, Stürzt donnernd das Gebirg' in's Thal; 224 Erlischt, in heißen Kampfes Gluth, Der leichtgeschürzten Clane Muth; Geschehen all' die Wunder schon, Doch frei' ich nie des Earlie's Sohn.“ Noch brütet an des Ufers Saum Der Schwan in weichen Nestes Flaum; Den Berg bestrahlt der Sonne Gluth, Und abwärts strömt des Awestroms Fluth; Noch zeigt dem Feind die offne Brust Der Hochlandskrieger, siegbewußt. Doch Nora gab den süßen Lohn: Sie freite ihn, des Earlie's Sohn. 2. Der Einfall. (The Foray.) Verzehrt im Gemach ist das reichliche Mahl; Schon perlet die Neige im goldnen Pokal! Auf, auf! und ümgürtet das Schwerd euch! von hinnen! Gefahr ist zu wagen, und Lohn zu gewinnen! Das Auge, das jüngst noch mit lächelndem Strahl Dem unsern begegnet„blickt trübe dürch's Thal, Hernieder vom Thurm, durch die Nacht zu erspähn Das bäumende Roß, und des Helmbusches Wehn. Wie der Wind sich erhebt! wie der Platzregen rauscht! Der Mond hinter Wolken in Nebelduft lauscht! So recht, ihr Genossen! des Thurmwarts Gesicht, Vom Dunkel befangen, erspäht uns dann nicht! Wie stampfen die Rosse! hört! das ist mein Sein Huf klingt so markvoll, sein Wiehern so keck! Wie der Blitz des Gewitters in Sturm und in Dampf, Soll der Blitz seiner Mähne euch führen zum Kampf! Die Brücke fiel nieder! schon tönte das Horn! Ein Glas noch:— und dann gebt den Rossen die Spor’n!— Ein ehrendes Grab dem Gefall'nen voll Muth, und Glück dem, der heimkehrt zu Teriots Fluth! 3. Das Mädchen von Toro. Es nahte die Sonne des Torosee's Wogen, Sanft kühlte der Westwind der Sommertags Gluth; Da saß eine Jungfrau, von Schwermuth umzogen, Am Ufer, und weinte hinab in die Fluth: „Ihr Heiligen! dort in den seligen Höhen! O, süßeste Jungfrau, vernimm meine Noth! Gewährt meine Bitte, mein ängstliches Flehen! Gebt Heinrich mir wieder! sonst gebt mir den Tod! Es tönte herüber vom waldigen Hügel Bald stärker, bald schwächer, des Kampfes Gewirr; Da plötzlich, getragen vom schwellenden Flügel Des Windes, scholl Schlachtruf und Waffengeklirr. Sie horchte, sie blickte zur Ferne, sie lauschte; Es nahte ein Krieger; wie schlug ihr das Herz! Sein Schritt war so langsam, sein Leben verrauschte; Sein Helm war gespalten, sein Antlitz sprach Schmerz. *„ O, r e t t e d i c h, M ä d c h e n! e s f l i e h e n d i e H e e r e! O, rette dich! hin ist dein Schützer, dein Freund! Dein Heinrich, er fiel auf dem Felde der Ehre, Und rasch durch die Waldungen naht sich der Feind!“ Kaum, stammelnd, vollbracht er sein schreckliches „Rette!“ Verzweifelnd vernahm ihn das Mädchen. Den Lauf Versenkte die Sonne in Torosee's Bette, Doch ging sie den beiden wohl- nimmermehr auf! T. Aufldsung der Charade im vorigen Heft: Hanswurst. 225 Literarische Aphorismen. (Aus A. W. von Schlegels mündlichen Vorlesungen über deutsche Literaturgeschichte.) Das Nibelungenlied. Ulngeachtet der dichterischen Vortrefflichkeit und historischen Wichtigkeit war das Nibelungenlied gänzlich außer Kunde gekommen; dreihundert Jahre hindurch hat es verborgen gelegen, selbst dem Gelehrten unbekannt. Bodmer, Professor der Geschichte zu Zürich, fand ein lückenhaftes Manuscript zu Hohenems, dessen Ende, weil es ihm am besten gefiel, er im Jahre 1757 unter dem Titel: Chriemhilde's Rache drucken ließ. Den Inhalt brachte er auch in schlechte Hexameter in hochdeutscher Sprache, und gab dieses Produkt unter dem Namen: Der Schwester Rache heraus. Das von Bodmer herausgegebene Originai=Nibelungen= Fragment fand wenig Aufmerksamkeit. Klopstock hat sich des Nibelungenliedes gar nicht angenommen, wiewohl ihn das Auffinden altdeutscher Gedichte anzog. Auch Lessing hat sich nicht darüber vernehmen lassen. Johannes Müller würdigte es zuerst um 1770; er nannte es die Ilias des Nordens. Durch vereinigtes Streben vieler Alterthumsforscher ist jetzt das Gedicht in jeder Hinsicht in das hellste Licht gesetzt. Früher bis zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts war das Lied in jedem Munde; man hat ältere Erwähnungen desselben wie unsere Handschriften des Liedes selbst; die älteste ist ein lateinisches Gedicht aus dem 9ten Jahrhundert. Hinsichtlich seiner dichterischen Vorzüglichkeit ist es das vorzüglichste Dichtwerk einheimischen Ursprunges, welches aus dem Mittelalter zu uns gekommen ist, ausgezeichnet durch Tiefe, inneren Zusammenhang, Individualität der Charaktere, große Gewalt in der Darstellung und epische Einheit. Einfach sind die Motive, die durch's Ganze hingehen; einfach wird der Knoten geknüpft; eine tragische Catastrophe schürzt ihn, und eine Heldenwelt geht darin unter wie in Homer's Ilias. Dazu kommen rasche Darstellung, körnige Sprache, Ausbildung des Sildenmaßes, Kürze, Gebundenheit und eine Fülle von Worten, dem Epos angemessen und durch raschen Flug verbunden. Das Nibelungenlied ist auf mündliche Ueberlieferungen seit der Völkerwanderung gegründet, und schildert die Deutschen um die Zeit des Ueberganges der Vorzeit in die geschichtliche Periode. Attila und das älteste burgundische Reich werden darin geschilunt. Bl. V. Bd. 10. H. dert; indeß läßt es sich nicht ganz historisch nennen; viele Anachronismen und Anklänge nordischer Poesie kommen darin vor. Doch sind diese meist spätere Zusätze zum Original, welches als Volksgedicht wahrscheinlich seit der Geschichte der darin besungenen Thaten im Munde des Volkes lebend gesungen ward. Ist der Keim auch uralt, so ist doch unste Bearbeitung erst aus dem Ende des zwölften Jahrhunderts und vielleicht die vierte. Einheit des Verfassers muß durchaus behauptet werden. Ein Faden zieht sich durch das Ganze, ein Geist, ein Plan herrscht ob, der den verschiedenen Abtheilungen zum Grunde liegt. Die Verkettung der Theile und ihr steter Bezug auf das Hauptmoment des Gedichtes und die Befolgung eines und desselben Planes weisen auf einen Verfasser hin. Sowohl die Widersprüche als Wiederholungen lassen sich hiermit wohl vereinigen. Um treu zu sein, schildert der Verfasser die Geschichte grade so, wie sie Sage des Volkes war, und wie die Ueberlieferung sie darbot. Vielleicht war diese verschieden, und daher Widerspruch in treuer Darstellung leicht möglich. Die Wiederholungen lassen sich aus dem rhapsodenmäßigen Absingen des Liedes erklären; der Sänger sah sich oft genöthigt., um seine Rhabsode verständig zu machen, in die früheren Gesänge des Dichters einzugehen, und das Nöthige zu wiederholen. Die Einschiebsel, welche sich hie und da finden, sind von späteren Sängern mehrerer Deutlichkeit wegen geschehen. * Klopstock's Messias. Klopstock emancipirte die deutsche Poesie; vor ihm galt nur Nachahmung des Auslandes, besonders Frankreichs und Vernachlässigung des klassischen Alterthums. Muster waren ihm das kiassische Alterthum und Milton. Hinsichtlich der Messiade hat man Klopstock mit Milton zusammengestellt.„Dante übertrifft Beide. Ein unheilbarer Fehler im Messias ist der Stoff des Gedichtes, der nur einen kleinen Theil desselben ausmacht; alles Uebrige ist Episode, und somit kann das Gedicht nicht als musterhaftes Gesammt= werk aufgestellt werden; aber in vielem Einzelnen hat der Dichter das Höchste erreicht. Die guten Engel haben keine Macht wider die bösen Engel, weil gleich anfangs von der Vorsehung der Ausgang beschlossen ist; sie steigen als Boten vom Himmel zur Erde und umgekehrt, und zwar unnütz, grübelnd, ohne Einwirkung. Dante läßt uns Gott nicht schauen; Klopstock zieht die Wolke Ff 226 der Sterblichkeit hinweg, und läßt uns den Himmel schauen, Gott in Unteeredungen u. s. w. Die früheren Gesänge in ihrer ersten Gestalt haben den Vorzug vor den späteren und den umgearbeiteten; erstre sind einfach und in Begeisterung geschrieben, letztre durch Hand und Kunst geändert. Eine schneidende Grenze zeigt sich hinter dem Schlusse des zehnten Gesanges; die Gesänge nach diesem sind künstlicher, nicht in der Einfachheit der Ersteren, aber auch labyrinthischer und verwirrender. Die Zeit ist der Prüfstein aller Dichterwerke, wir können, da die frühere Begeisterung für Klopstock erloschen ist, das Feh lende im Messias besser erkennen. In Klopstock ist im Allgemeinen das lyrische Element vorherrschend; die Messiade ist mehr ein lyrischer und oft ermüdender Hymnus auf die Erlösung als ein Epos. Sie hat jetzt wenige Leser; im jugendlichen Alter lese man ein Buch, auch ohne Hinneigung zu demselben, wenn man nur weiß, daß es Hohes enthält; man wird sich hierdurch in Rücksicht des Messias belohnt finden, wenn auch Mängel hinsichtlich des Epos und seiner Requisite darin sind. Göthe als Volksdichter. Dieser allseitige Genius, reichbegabt, hatte anfangs meist in Prosa geschrieben, nur kleine Lieder mit ziemlicher Licenz. Nachher gab er Beweise seiner Fähigkeit als Volksliederdichter, wo er sich durch eine gewisse schmucklose Nachlässigkeit auszeichnet; ohne üppige Entfaltung und reiche Pracht, ganz im Kostüm des Volksdichters sind seine Lieder, Balladen und Romanzen. Er begann gleichsam mit einer Protestation gegen alles Conventionelle in der Poesie durch seinen. Werther und Götz. Am frühsten offenbarte er sein Talent zur Versifikation in seinen Liedern, die in diesem Betrachte ganz Geist, ganz Musik sind. Zu eben jener Protestation gehört auch, daß Götbe in der Poesie keine Büchersprache dulden wollte; sie sollte volks= und gesprächsweise sein, und das zeigte er auch durch seine lyrischen Produktionen. Auch er neigte sich wie Bürger zu den altenglischen Balladen. Die Braut von Corinth. Diese vielbewunderte und Bewunderung verdienende Ballade hebt sich mehr zum Epos, weshalb auch das Versmaaß eine Mischung von Volksmäßigem und Epischem an sich trägt. Erlkonig. Beruht auf der kindlichen Einbildungskraft und hat sie zum Gegenstande, einst und pathetisch zugleich; der Beginn ist ganz in der Weise der alten Billadensänger, und führt gleich medias in res. Vor der Fantasie des Knaben bildet sich der König der Elfen, aus den Gestalten der Wolken und Monoschein. Ein schönes Gemälde— der Landmann von der Arbeit auf dem Felde am Abend heimkehrend, seinen Knaben vor sich auf dem Pferde in seinen Mantel gehüllt. In des Kindes Seele ein wunderbares Gemisch von Schrecken und Reiz. Die Erklärung der Einwirkungen auf die Fantafte des Kindes höchst phychologisch getreu und richtig, vielleicht allzu psychologisch. Daran schließt sich der Fischer. Die spiegelnde, wellenförmige Bewegung erregt träumerische Stimmung, der man sich nachgebend leicht verunglückt in dem Elemente. Dies ist in allen Mythologien personificitt durch Sirenen, Nixen, Meerfeien u. s. w. Die ersten vier Verse stellen eine ganze Landschaft dar, mit der Wellenbewegung des Wassers beginnend; der Fischer ist, mit wenigen Zügen gemalt. Die Worte der Nixe bezeichnen das in der Seele des Fischers Vorgehende, das Reizende, Anziehende des Wassers. * Der Sänger im Versmaaße der Bürgerschen Ballade Lenore mit Hinweglassung des letzten Verses enthält die Schilderung des Dichterlebens, versetzt in die Zeit der Troubadaurs und Minnesänger; sie ist dramatisch, des Dichters Gesinnung darstellend, was sein Lohn ist, und warum er singt. Des Dichters Leben wird ausgesprochen, verständlich für jeden und doch die Poesie ganz umfassend. Im ganzen Gedichte ist etwas Unbefriedigendes, nur leise Angedeutetes. * Wieland. Aus steifer Beschränkung machte er Sprache und Versform frei. Eine gewisse Nachlässigkeit, grillenhafte Laune und heitere Fantasie sind seine Vorzüge, welche sich in starren Formen nicht fügen konnten; daher seine freien Verse. Zuerst trat er mit scherzhaften Erzählungen auf aus der Mythologie, wobei ihm Lucians Göttergespräche vorschwebten; sie sind weitschweifig, und seine gefälligen Plaudereien übertrieben. Er suchte die Freiheit in der Breite, statt daß er sie in gewissen Sonderbarkeiten. Grenzen wiedersuchen sollte. Früher arbeitete er nach Klopstocks Vorbild, und ward, als er in neuer Gestalt auftrat, mit lebhafter Bewunderung empfangen; seine Neigung und Gabe zum Scherz vereinte sich mit einer Lebensphilosophie, die sich dem Epikurismus zuneigte, als er auf's neue auftrat, was mehr Anstoß gab, als hätte geschehen sollen. Aber seine Lebensphilosophie ist minder zu billigen: Sinnlichkeit habe unüberwindliche Gewalt über dem Menschen, lasse reine Liebe, die nur Tänschung sei, nicht aufkommen; die Tugend des Cato sei eine Dulcinea (Don Quixote's eingebildete Geliebte). Diese Ansicht stellte er in allerlei Formen auf u. a. in solchen, die sich den Formen der Alten anschlossen, dann in fantastischen, worin Feen und dergleichen überirdische Wesen auftraten. Im Agathon ist ernste Anstrengung sichtbar, uns nach Griechenland in die klassische Zeit zu versetzen, was ihm indeß nie vollkommen gelungen ist, wie sehr er auch Namen und Aeußerlichkeiten entlehnte. Musarion. eine junge Athenerin, der er seine eigene Philosophie in den Mund legt, stellt Engel als eine neue Art Lehrgedicht auf, und zugleich als unvergleichlich, worin man indeß nicht ganz einstimmen mögte; es ist sehr ausgebildet, voll Grazie und Rundung, und lehnt sich auf gewisse Weise an Lucian; allein sonst ist sie Wielands eigene Erfindung. Der Styl ist elegant und einfach; er ist in dieser Schrift am meisten Original. Aristippus gewissermaßen dem Agathon sich anschließend ist sein vorzüglichstes Werk in Prosa; das griechische Leben mit den reizendsten Farben und angenehmsten Bildern darstellend, enthält es zugleich eine nicht zu billigende Polemik gegen Plato, welche fast einen ganzen Band füllt. Justus Möser, ein durchaus praktischer Mann, den gelehrten Beschäftigungen nur wenige Stunden widmend. Seine osnabrückische Geschichte ist das erste deutsche Geschichtswerk im eigentlichen historischen Style. Sein Werth besteht in seinem durchaus praktischen Sinne, der vom wirklichen Leben ausgehend auch Alles dahin zurückführte. * Gepner bildete die Idylle so um, daß er als Original betrachtet werden kann. Er fand bei seinem Auftreten glänzende Aufnahme und außerordentlichen Beifall in ganz Europa. Von 1730 bis 1788 erlebten seine Idyllen 18 Auflagen. „Kein Genie ohne einen keinen Anstrich von Thorheit“ ist ein Satz, der sprüchwörtlich geworden. Man setze statt Thorheit Sonderbarkeit, so möchte der Ausspruch, besonders in Hinsicht auf seine Allgemeinheit wohl geltender, und in der Erfahrung mehr nachzuweisen seyn. Die thatsächliche Bestätigung bietet auf jeden Fall dem Menschenbeobachter viel Interessantes dar, und deßhalb scheint es wol der Mühe werth, Einiges der Art zusammen zu stellen. Nichts gewöhnlicher so wie nichts natürlicher, als daß Denker, Dichter, überhaupt Gelehrte, auch Geschäftsmänner, die ganz ihrem Fache leben, äußerst zerstreut sind, und eben deßwegen im geselligen Verkehr eine sonderbare oft lächerliche Rolle spielen. Göthe, in seiner Selbstbiographie(Th. 1. S. 169) macht uns mit den Gebrüdern Senkenberg bekannt, die alle drey später als Männer von ungemeinen Talenten sich auszeichneten.„Allein, sagt er, wie große Vorzüge sich oft in der Jugend durch etwas Wunderliches und Unschickliches sich ankündigen, so war dies auch hier der Fall... Der jüngste, ein Arzt, behielt bis in sein höchstes Alter immer ein wunderliches Ansehen, und man sah ihn nie anders auf der Straße als in Schuhen und Strümpfen und einer wohlgepuderten Lockenperücke, den Hut unterm Arm. Er ging schnell, doch mit einem seltsamen Schwanken vor sich hin, so daß er bald auf dieser bald auf jener Seite der Straße sich befand, und im Gehen ein Zickzack bildete. Spottvögel sagten, er suche durch diesen abweichenden Schritt den abgeschiedenen Seelen aus dem Wege zu gehen, die ihn in grader Linie wol verfolgen möchten.“— Von dem ältern bemerkt er weiter nichts, als daß er der nachmals so rühmlich bekannte Reichshofrath von Senkenbera war. Von eben diesem aber erzählt man folgende Anecdote: Er wurde zu einer Zeit, da seine Frau eben entbunden war, in ein vorneht. sich an die Tafel gesetzt, und die Suppe so stand er auf und sagte ganz laut:„Meine verehrten Gäste werden verzeihen, daß die Suppe nicht taugt: meine Frau liegt in den Wochen.“ Als ein lächerliches Beispiel von Zerstreutheit wird häuf; erzählt: Jemand, der, mit einem Andern im Gespräch begriffen, von einer Mücke gestochen worden, habe einige Minuten lang des Andern Bein anstatt des seinigen gekratzt. Dies, was einer Erdichtung ähnlich sieht, ist keine 228 * dichtung: der berühmte Dr. Tillotson soll es wirklich gethan haben. Moliere hatte sich einmal, da er zum Schauspiel mußte, etwas verspätet. In der Hast nahm er das erste beste Fuhrwerk, einen Tragsessel auf zwei Rädern. Da es für seine Ungeduld zu langsam ging, schrie er unaufhörlich vite, vite, pius vite! Plötzlich sprang er mit seinen soidnen Strümpfen hinaus in den Koth, machte sich hinter das Fuhrwerk, und fing an aus allen Kräften zu schieben, und schnaubte und schob, bis ihn das Gelächter der Zuschauer zur Besinnung brachte. Von Lafontaine, dem französischen Fabeldichter, wird erzählt, er habe seinen eignen Sohn nicht wiedererkannt. Als er ihn nach einer längern Trennung sprach, sagte er,„ der junge Mensch hat Geist und Geschmack.“ Es ist ja ihr Sohn, antwortete man ihm.„Ey!“, versetzte er,„das freut mich.“ Ein andersmal, als man ihn auf seinen Sohn aufmerksam machte, sagte er:„mir däucht, ich habe ihn irgendwo gesehen.“ Er lebte getrennt von seiner Frau. Auf einmal siel es ihm ein, sich mit ihr auszusöhnen, und sogleich reisite er ab. Da sie gerade nicht zu Hause war, so besuchte er indeß einen Freund, ließ sich zwey Tage bewirthen und fuhr dann nach Paris zurück. Als seine Freunde ihn nach seiner Frau fragten, versetzte er:„ich habe sie ja nicht angetroffen, sie war in der Kirche.“ * Auch daß ist in der Ordnung und leicht zu erklären, daß Männer von ungewöhnlichem Geiste sich nicht der gemeinen Ordnung der Dinge fügen, sondern in ihrer Lebensart so wie in ihrem Aeußern und ihrem Betragen von dem Gewöhnlichen abweichen. Meperay, der berühmte Historiograph von Frankreich, war so nachläßig in seinem Anzuge, daß er oft für einen Bettler angesehen, und einmal wirklich von den Bettelvögten angehalten wurde:(wahrscheinlich jedoch nur früher, ehe er für seine Geschichte von Frankreich die Pension von viertausend Livres erhielt, oder später, nachdem er diese eingebüßt hatte.) Er zeichnete sich, aber außerdem noch durch manche Sonderbarkeit aus.. Unter andern hatte er die Gewohnheit, beständig bei der Lampe oder beim Kerzenlichte zu arbeiten. Alle Fenster seiner Studierstube waren verhängt; so daß Kein Tagesschimmer hindurchdringen konnte. Wenn ihn jemand besuchte, so begleitete er denselben, auch am hellen Mittag, mit dem Lichte in der Hand bis vor die Hausthüre. Malherbe, einer der klassischen Lyriker der Franzosen, eben so geizig, wie man sagt, als sarkastisch, bewohnte eine elende Stube, in welcher nur etwa ein haldes Dutzend Strohstühle waren. Er empfing aber zahlreichen Besuch. Waren nun die Stühle besetzt, so schloß er die Thüre ab, und rief denen; welche noch kamen und anpochten, zu:„Wartet, es sind keine Stühle mehr da.“ Andere sagen, er habe nur einen Stuhl gehabt, und deßhalb nie mehr als einen Fremden eingelassen. Ben Johnson hatte solch ein plumpes massives Aeußere, daß es allenfalls seiner massiven Gelehrsamkeit, aber nicht der Eleganz seines Geistes und der Feinheit seines Geschmackes entsprach:„Das ist doch ein sonderbarer Mann,“ sagte Boswell, der Vater, zu seinem Sohne, der ihn bey dem Vater eingeführt hatte. Bei uns, in London, versetzte dieser, ist er ein Stern erster Größe; worauf der Vater antwortete:„Veimuthlich der große Bär.“— Als er einmal in dem Hause eines Lords, der ihn zu Tisch geladen hatte, erschien, wollte ihn der Pförtner nicht einlassen, weil er ihm nicht darnach aussah, daß er seines vornehmen Herrn Gast seyn könne. Der dazu kommende Lord, der ihn ebenfalls noch nicht vom Ansehen kannte, fragte, ob er Ben Johnson sey. Auf die Bejahung versetzte er,„ das ist unmöglich: Ihr seht ja aus, als wenn Ihr nicht einmal zu einer Gans Bo sagen könnt. Bo! sagte Johnson, sich zu dem Lord hindeugend.“— Dem zu Folge muß man es treffend finden, daß ihn einst eine junge Dame mit einem Elephanten verglich, der mit seinem Rüssel die feinste Nadel aufhebt, und mit seinen kolossalen Füßen alles zermalmt. + Häufig zeichnen sich außerordentliche Menschen auch durch sonderbare Gewohnheiten, Neigungen, Liedhabereien und Grillen aus, die nicht selten mit ihrer Ungemeinheit im schärfsten Contraste stehen. Bayle sah nichts lieber als Marktschreier, Gaukler, Springer und Seiltänzer. Diese Liedhaberey blieb ihm, wie man versichert, sein ganzes Leben, und noch in spätern Jahren lief er wie ein Gassenjunge vor allem Volke nach solchen Possen umher.— Dagegen soll er das Rinnen des Wassers aus einer Röhre durchaus nicht haben leiden können; wofür ein Andrer, ich entsinne mich nicht; welcher Lord, solch eine Vorliebe hatte, daß er in seinem Schlafgemachs eine 229 Röhre anbringen ließ, aus welcher das Wasser Tropfenweise in ein darunterstehendes Becken fiel. Man begreift, wie so etwas dienen kann, den Schlaf zu befördern, aber auch eben so gut, daß es vielleicht eben darum einem so lebhaften und thätigen Geiste, wie Bayle, widrig seyn konnte. + Dichter stellt man sich gewöhnlich als halb ätherische Wesen vor, die das gemeinere Bedürfniß wenig anficht; man findet aber unter ihnen recht tüchtige Gourmands. So z. B. war Lainez, einer der lieblichsten Dichter Frankreichs, ein gewaltiger Esser. Einst hatte er fünf bis sechs Stunden zu Tische gesessen, und ließ sich gleich darauf wieder an der Abendtafel nieder. Gar wunderlich aber erscheint die Eigenheit der Anna Maria Schürmann(bekannt als eine der gelehrtesten Frauen aller Zeiten*), daß sie mit ganz besonderm Appetit— Spinnen aß Ob sie persönlich etwas von Spinnen=Natur an sich gehabt, davon sagt uns die Ehronik nichts. Menas hatte die Gewohnheit unter der Arbeit beständig zu pfeifen: Er konnte nicht anders, und that es auch, wie man sagt, als er den König. von Neapel und den Pabst malte. Cujacius legte sich, wenn er studirte, mit dem Bauch auf die Erde, und seine Bücher und Schriften um sich hei. Allatius, der sehr viele Schriften hinterlassen hat, bediente sich vierzig Jahr lang nur Einer Feder, und konnte sich der Thränen nicht enthalten, als er sie endlich durch einen Zufall verlor. Salomon Maimon, ein jüdischer Gelehrter, der sich um die Transcendental=Philosophie berühmt gemacht, war ein Sonderling, und zwar ein Cyniker erster Art. Er lebte in beständigem Unfrieden mit seiner Frau, deren Denk= und Sinnesart wohl wenig mit der seinigen übereinstimmte. Auf einen Brief von ihr, der ihn ermahnte zurückzukommen, antwortete er:„Liebe Frau! Ich bin nicht klug. Denn schriebe ich, Du wärest nicht klug, so liesest Du: Ich wär: nicht klug;: so aber schreibe ich, Ich bin nicht klug, und Du liesest nun ganz richtig: Du bist nicht klug.“ Von Swift wird erzählt, er habe seinen Dienstmägden bedeutet, sie hätten nur zweierley zu beobachten, nämlich beim Kommen und beim Hinausgehen immer die Thüre zu schließen. Eine *) Geb. zu Cöln am 5. Nov: 1607, gest. 5. May 1678: Man hat von ihr hebräische, griechische, lateinische und französische Schriften. derselben bat ihn einmal um einige Tage Urlaub, um zu ihrer Schwester zu reisen, und deren Hochzeit beizuwohnen. Swift bewilligte es, und voll Freude zog sie ab. Sie mochte schon ein paar englische Meilen zurückgelegt haben, als sie durch einen Eilboten den Befehl erhielt sogleich zurück. zukehren. Aeußerst niedergeschagen trat sie ein, und fragte zitternd, was sie solle?„Weiter nichts, als die Thüre, die Du offen gelassen, wieder machen,“ versetzte er gelassen; und nun konnte sie wieder reisen. P2 Völkerkunde. Die Seihks und ihre Religion. Unter allen Religionen des Orients zeichnet sich die der Seihks in Asien durch ihre Toleranz und Vernunftmäßigkeit aus. Der englische Oberst Malcolm ertheilt folgende Nachricht darüber: Die Seihks bewohnen in Asien ein Land von 4000 QMeilen auf 5 Millionen Einwohner, welches in Süden, an die endlose Sandwüste von Redschistan, und nördlich an das Hochland Persiens und Tibets gränzt. Im Jahre 1469 ward unter diesem Volke Hindostans ein Mann geboren zu Schukguhr in Cahore, Namens Nahak. Er liedte schon in der Jugend die Weisheit der Alten, hörte die Lehren der Gueber und Muhamedaner, worin er keine des Göttlichen und Ewigwahren fand. Er predigte Tugend, Liebe und Gehorsam: der Himmel sandte mich,— sagte er— alle Namen welche dem höchsten Wesen gegeben werden,, in einem einzigen Namen Gott aufzulösen, und den Glaubenszwist der Moslemins und Hindus zu tilgen; mogen sie ihre heiligen B'icher lesen, aber das bloße Lesen hilft ihnen nichts ohne Gehorsam gegen die darin enthaltenen Lehren der Liebe gegen alle Geschöpfe Gottes. Es kann kein Sterblicher seelig werden, als durch reinen Sinn und heilige That. Der Allmächtige fragt nicht, welchem Volksstamme, welcher Glaubensparthei der Mensch angehöre. Er fragt nur: Was hat er geleistet? Nur derjenige ist ihm nahe und ein ächter Hindu, dessen Herz voll Gerechtigkeit ist; nur derjenige ist ihm nahe und ein ächter Muselmann, der ein heiliges Leben führt. Er verrichtete keine Wunder, und verachtete die, welche jemals von Kindern des Staubes gethan worden sein sollen. Von Muhamed sagte er: Ihn hat Gott ins Leben gesandt, daß er. Gutes thun, und durch 230 den Koran die Erkenntniß des einzigen Gottes verbreite, aber er hat willkührliches gethan, und alle menschliche Geschöpfe in Unruhe gebracht.— Es ist abscheulich das Vieh zu mißhandeln, das dem Sterblichen zugethan ist, und ihm die Beschwerden des Lebens erleichtert. Keinem Geschöpfe soll man wehe thun, denn der Odem Gottes ist in jedes Wesen ausgegossen.— Alles Geschaffene athmet durch seine Liebe, und sieht seinen Wohlthäter nicht; darum läßt sich von ihm kein Bildniß machen. Er ist allenthalben wie allenthalben, immer wie immer, und wohnt an einem Orte nicht mehr, als am Andern. Nahak's Hauptlehren waren: Andächtige Verehrung des Höchsten aller Wesen,— des Einzigen und Liebe zu allen Menschen, ohne Unterschied der Nationen und Kasten, denn die menschlichen Geister waren einander alle gleich vor dem Urgeiste; reiner Sinn von Innen, und äußere Reinlichkeit.— Uebrigens eiferte er gegen fromme Selbstqualen, und Entsagung aller erlaubten Lebensfieuden. Das Oberhaupt dieser Nation hat nur den Willen Aller zu vollziehen. Wenn die Fürsten vereint mit den Alkali's zusammentraten, so verbeugen sie sich in einem prachtvollen Saale vor den daselbst liegenden heiligen Büchern; dann sprechen die Alkali's ein feierliches Gebet zu Gott, und decken das Tuch ab von einer Menge von Kuchen, welche vor den heiligen Büchern ausgebreitet liegen; die Alkali's-theilen die Kuchen aus und sprechen zu den Fürsten und Gesetzgebern die Worte Nahaks des Weisen: Esset, und gebet zu essen. Der Engländer Wilkins besuchte ihren Tempel. Sie sagten zu ihm: Der Ort, wo Gott verehrt wird, stehet allen Menschen offen. Doch mußte er vor dem Eintritt die Schuhe ausziehen; man gab ihm einen Sitz mitten in der Versammlung auf einem Teppich. Er sahe 6 bis 7 Pulte, und auf jedem ein aufgeschlagenes Buch: Im Hintergrunde stand ein mit Gold gewirktem Tuche umgebener Tisch, darauf lag ein Schwert; unweit diesem Tische befand sich ebenfalls ein niederer Pult, und ein großes verschlossenes Buch darauf. Nun wurde gerufen: Es sei die Ote Stunde und die Gottesverehrung beginne. Einige Männer ergriffen das Pult mit dem großen Buche, und trugen es auf die entgegengesetzte Seite des Versammlungsorts; dann trat ein Greis mit langem Silberbarte zum Pulte, knieete nieder vor demselben, öffnete das große Buch und stimmte einen Gesang an. Das Volk, so oft der Gesang endete, erhob dann die Stimme, wie zu einem lauten Amen, alle Gesichter drückten eine fromme Freudigkeit aus. Es war ein Gesang zum Lobe des höchsten Wesens. Dann erschien ein junger Alkali; er sprach laut und feierlich ein langes Gebet, um Kraft gegen das Böse, um Stärke zu guten Thaten; um das allgemeine Wohl der Menschheit, um den Segen des Höchsten über das Volk des Seihks. Von Zeit zu Zeit stimmten, wenn der Betende schwieg, die Versammelten alle vorschriftsmäßig den Ausruf: Wa Goru! an, worauf der Alkali fortfuhr zu beten. Nach dieser Andacht erhob sich der Greis wieder, und sprach einen kurzen Seegenswunsch über die Anwesenden, und lud sie zu einer freundlichen Brudermahlzeit ein. W. Bruchstück e. Zur Geschichte der Literatur Italiens. (Fortsetzung.) (M. s. Unt. Bl. Bd. V. H. 7.) Bocraccio. Die italiänische Prose dagegen erhielt die erste Ausbildung durch Boccaccio, geboren zu Paris 1313 starb zu Cerfaldo 1375. Freund des Petrarka und wie dieser den Wissenschaften und gelehrten Forschung mit großem Eifer ergeben, erwarb er sich, wie in öffentlichen Verhältnissen und Aemtern, bei seinen Zeitgenossen, so wie bei ihnen, wie bei der Nachwelt, großen Beifall durch seine in italiänischer Sprache verfaßten Werke, und ein dauerndes Verdienst um die spätere Erforschung des klassischen Alterthums, durch Nachsuchung und Aufbewahrung alter Handschriften und als Beförderer der griechischen Sprache. Den größten Ruhm brachte ihm der Decamerone, eine Sammlung von 100 auf sinnvolle Weise zu einem Ganzen verbundenen Novellen in italiänischer Prosa, zu allen Zeiten gelesen und bewundert. Die Erzählungen sind mit großer Anmuth und Kunst vorgetragen, und ist das Werk in Ansehung der Darstellung in hohem Grade gelungen zu nennen; es sinkt aber in sittlicher Hinsicht oft in solchem Maaße, daß wir diese Seite, wohl schwerlich hinreichend durch die Zeit, in der es entstanden,entschuldigen können. Nicht unbedeutend, wiewohl nicht in demselben Maaße wie die Decamerone allgemein ge schätzt und gelesen, sind seine andern ital. Werke. In Hinsicht der Darstellung und Ausbildung der Sprache verdienen einige großes Lob, weniger die meisten, wenn wir auf die Komposition des Ganzen und den Inhalt sehen. Der Decamerone ist eine Sammlung-von 100 Erzählungen verschiedenen Inhalts auf kunstvolle Weise verbunden und zum Ganzen. Die Einleitung beschreibt die Pest und 1300 in Italien, darauf nimmt er an, eine Gesellschaft sei ihr auf ein Landgut entflohen, wo sie sich Unterhaltungs halber vereinten 10 Tage hindurch, daß jeder täglich eine Novelle erzählen sollte. Nachgeahmt ist diese Art von Göthe in den Horen. Ein großer Theil ist von edlem, tiefem Sinne, ein andrer von gewaktiger, unsaubrer Art, der man durchaus seine Darstellungskunst nicht zum Gegengewicht setzen kann.(Aehnlich den Novellen dieser Art des Boccaccio sind Lucinde von Friedr. Schlegel, und Ardingello und Tiemona von Heinse.) Es ward auf einem Coneslium verboten, 1573 u. 1782 erschien es mit Erlaudniß des Pabstes mit Auslassung des Schmutzigen.(Bürgers Lenardo und Shakespeare Cymbelin sind nach Novellen des Boccacc o.) Philostrato, eine romantische Erzählung in Oktavreimen, die Liebe des Trailus und Cressala enthaltend. Der Ton ist mehr scherzhaftironisch: Die Theseide enthält eine Liebesgeschichte des Philemon zur Emilia, der Schwester des Theseus in Oktavreimen. Filepona ist eine Art epischer Erzählung in Prosa, die Geschichte von Blancheur enthaltend. Ameto, ein allegorischer Roman, seltsam zusammengesetzt, schön dargestellt. Urbano, eine größre Novelle, sorgfältig. u. schön erzählt. Nimfale Fiesolano, eine versificirte Novelle. Laberinto= d’amore, eine Satire auf das weibliche Geschlecht, unsittlich. Fiagnetta, ein Roman, ist eine in Prosa dargestellte Liebeselegie in antikem Style, vortrefflich in der Darstellung, der Inhalt ist verwerflich. di vita di Dante; ganz im Styl des Antiken geschrieben, weitschweifig, doch mit interessanten Notizen. Außer einigen rühmlichen Versuchen in der Geschichte(Giovanni, Maleo,. Fileppo Velani) hat das nächste Jahrhundert nach jenen drei großen Schriftstellern in der Landessprache nichts hervorgebracht, was ausgezeichnet oder besonderer Erwähnung würdig ware. Francesko Sachetti, geboren um 1335 gestorben um 1400, schrieb eine Sammlung Novellen, die durch gute Schreibart sich empfehlen. Alle geistige Thätigkeit aber die besten Kräfte waren dem immer mehr und mehr aus der Vergessenheit wieder hervortretenden klassischen Alterthum zugewandt, das wie eine neue Welt dem regen Geiste entgegen trat, woran jeder Theil zu haben, wo jeder sich anbauen zu müssen glaubte. Erst unter der Gunst und dem Schutze der Mediceer erscheint für die vaterländische Literatur und Sprache eine neue Morgenröthe. Lorenzo von Medici, geboren zu Florenz 1448 gestorben 1492, vornemlich war er, der von seinem Volke geehrt und geliebt mitten im Glanze irdischer Hoheit, selbst Gelehrter, Philosoph und Dichter, dieses neue Zeitalter der italiänischen Literatur beförderte und die frischen Keime desselben mit Sorgfalt pflegte. Angelo Poliziano, geboren zu Monte Pulzano 1454 gestorden 1494, so wie die Brüder Pulci, die den erstrn Versuch in der Ritterdichtung wagten, gediehen in jenem leuchtenden Kreise, den Lorenzo eröffnete; nährend in genauerer Verbindung mit dem glänzenden die Wissenschaften nicht in geringem Maaße begünstigenden Hofe von Ferrara:. Maria Mateo Bojardo, Graf von Scandiano, geb. 1430 gestord. 1494, durch seinen Orlando inamorato aus reicher Phantasie mit der Kunst lebendiger Darstellung und besonderer Erfindungsgabe, eben für jene Gattung des Rittergedichts eine neue Bahn aufschloß, die nach ihm vor allen Ariosto mit Glück betrat und auf ihr sich dauernden Ruhm erwarb. II. Das Rittergedicht. Ludoviko Artosto. Torquato Tasso.. Ihre Zeitgenossen und Nachfolger. Von den 3. Hauptkreisen fabelhafter: Ge schichten des Mittelalters, auf denen die epischen Dichtungen desselben beruhen oder ihnen als ihr Mittelpunkte selbst in den willkürlichsten Erfindungen sich anschließen, ist es besonders der von Karl dem Großen und seinen Paladim, in den französischen Ritterromanen durch den Einfluß der Normannen, dann der Kreuzzüge mit den man nichfaltigsten Abenteuern und wunderbaren Erzählungen bereichert„welchen die italiänischen Dichter mehr oder weniger ihren Rittergedichten zum Grunde legen; und auf eigenthümliche Weise darstellen und ausschmücken. Die Hauptquelle, woraus sie schöpfen, ist die Chronik Turpins, Erzbischof von Rheims: historia di vita Carli magui et Rolandi, der Hauptheld ihrer Dichtungen, selbst aber eigentlich und gewöhnlich Roland oder Orlando; seine ritterliche Tugend und Tapferkeit, sein Kampf mit Riesen und Zaudrern und in andern Abenteuern; der an ihn durch Gannalan geübte Verrath; wie er die Heiden bekämpft und besiegt, und endlich in der Schlacht von Ronceval, sein glorreiches Leben endet. Dies ist der mannichfaltige und reiche Inhalt, den die Italiäner in ihren Ritterdichtungen besingen. Lorenzo von Medici schrieb selbst 28 Jahr alt 140 Sonetten, 20 Kanzonen nach Art Petrarkas; dann ein Gedicht Ambrone in Oktav= reimen und ein andres Nenciadi Perberina in der toskanischen Mundart, dann Altercatione ein philosophisches Gedicht, dann Beoni oder die Trinker, eine Satyre, dann Karnevalsgedichte, (Göthe's Maskenzüge scheinen diese zum Vorbild gehabt zu haben). Noch mehr ausgezeichnet als Beschützer der Wissenschaft, Poesie, Philosophie u. s. w. Unter seinen Anhängern, die sich an seinem Hof versammelten, zeichnet sich aus Angelo Policiano; er versuchte sich in einer neuen Gattung von Gedichten nemlich im Rittergedicht. Auch suchte er die Tragödie der Alten zu beleben, er schrieb eine, mehr ein dialogisirtes Hirtengedicht: Fabula di Orseo, ward auch damals mit vielem Beifall aufgeführt in Mantua. Nach ihm ragen hervor: die Brüder Pulci durch Ausführung des Rittergedichts. Bernardo übersetzte die Eklogen Virgils; er suchte seinen Sonetten mehr Einfachheit und Würde zu geben; sein Bruder Lukka hat das Verdienst die Ritterpoesie begründen gesucht zu haben durch seinen Ciriffo Cavavenco; der jüngste Aici schrieb Sonette, Kanzonen, Novellen und geistliche Gedichte, dann den Morgante Majore, dessen Held Orlando ist und sein Sieg über den Riesen Morgante. Es besteht aus 26 Gesängen. Vollendeter ging das Rittergedicht am Hofe von Ferrara aus durch Bojardo, der den Orlando inamorato schrieb, doch ist es nicht ganz geendet. Was in Toskana unter der Pflege der Mediceer in dieser Art zuerst sich zu entwickeln begann, entfaltete sich immer mehr in der Lombardei, am Hofe zu Ferrara und gedieh hier zur höchsten Blüte; was bei Louici Pulgi, geboren zu Florenz 1432 gestorben 1700, noch in unentschiedenen Bestrebungen, in sehr lokaler Darstellungsweise größtentheils gehaltlos und dürftig bei Bojardo schon in vollem Zauber der Phantasie und in reichster Fülle der Erfindung sich zeigt, tritt nunmehr in den Gesängen des Ariosto bis zur höchsten Anmuth, in Sprache und Versbau auf das sorgfältigste ausgebildet und nach den Mustern der Alten mehr geregelt und verfeinert in größerer Vollendung und Schönheit auf. [Schluß folgt.] Bilder aus der Türkei und der Geschichte derselben. Charakter der Muselmänner. Zu leugnen ist nicht, daß der Türke grausam ist; aber ihn allein als Barbaren und entmenschten Wütherich darzustellen, ist viel zu weit gegangen. Der Koran predigt nicht die Liebe, welche die Bibel predigt. Und dennoch gibt es gar viele, die sich zum Christenthum bekennen, welche dem Muhamedaner nicht nachstehen an Barbarei und Entmenschtheit. Man erinnere sich nur der fürchterlichen Behandlung der Sklaven und aller furchtbaren Grausamkeiten, welche sich Christen in dieser Beziehung erlauben. Der Türke quält einen Menschen, aber nur dann, wenn er sein Feind ist oder scheint, und auch die gesetzlichen Strafen in der Türkei sind grausam. Aber er erniedrigt einen Menschen nicht. Qual und Erniedrigung aber wird dem Sklaven überall zu Theil; er wird zum Vieh berabgestoßen. In Batavia kommt der beliebte holländische Mynheer zum Rathhause gefahren; und wer zieht seine Kutsche? Sechs Sklaven thun Pferdedienste. Dort kommt ein Frachtwagen heran? Und wer seufzt unter dieser Last? Achtzehn Sklaven, von einem gefühllosen Holländer gepeitscht. Die Greuel und Schandthaten, welche die Colonisten Amerika's sich an Sklaven erlauben, der Sklavenhandel und die Behandlung derselben auf Schiffen und Märkten sind zu bekannt, aber dem Muselmanne sind solche raffinirte Tücke, solche teuflische Bosheit unbekannt. Wahrlich— es wäre besser, wenn die Missionsanstalten Missionaire nach den christlichen Holländern, Spaniern und Portugiesen aussendeten, um ihnen das Christenthum und christliche Liebe zu predigen, statt sie zur Bekehrung der heidnischen, aber christlich und menschlich fühlenden Kalmucken und Tungusen auszusenden. ** 233 Sitten und Gebräuche der Osmanen. Die verschiedenen Gebräuche der Osmanen haben veel Interesse für den Fremden. Hinsichtlich ihrer äußern Erscheinung sind die Türken das schönste Volk Europa's und ihre Gestalten werden durch ihre prachtvollen Anzüge noch sehr gehoben. Während des Bairamfestes, wo Jedermann, vom Fürsten bis zum Bauern, seinen besten Staat anzieht, kann nichts überraschender sein, als die unendliche Mannigfaltigkeit und Pracht ihrer Gewänder. Die Schönheit der Türken ist ganz eigenthümlich; ihre Züge sind alle gerundet, ohne Ecken oder Winkel. Die dichten Augenbraunen beschatten ein volles rundes dunkles Auge; die Nase ist gerade, das Kinn rund, der Mund sehr schön gebildet. Sie gehen außerordentlich gerade; ihre wohlbesetzten Schenkel, der langsame Gang und das faltige Gewand geben ihnen ein sehr majestätisches Ansehen. Den größten Theil des Tages sitzen sie an der frischen Luft auf Bänken, die mit weichen Kissen belegt sind; einige von ihnen lehnen so unbeweglich da, das Haupt und den schönen weißen Bart auf die Brust gesenkt, und in ein weißes Faltengewand gehüllt, daß man unwillkührlich an jene alten römischen Senatoren erinnert wird, welche von den auf das Forum dringenden Galliern für Statuen angesehen wurden. Nichts aber geht über die Indolenz der Türken; sie halten einen vielfarbigen Rosenkranz in der Hand, und spielen, während der Pausen des Rauchens, aus bloßer Gedankenlosigkeit wie Kinder damit. Wegen der außerordentlichen Ruhe und Regelmäßigkeit ihrer Ledensweise und ihrer Entfernung von allen starken Leidenschaften ist Sinnenverwirrung sehr selten bei ihnen. Ich besuchte eines Tages das einzige Irrenhaus in der Stadt. Es hatte einen geräumigen Hof mit einem Springbruunen und Bäumen in der Mitte; die Gänge waren rings um denselben angebracht. Nur sehr wenige Personen befanden sich daselbst; und ihr Wahnsinn war ruhiger und tiefsinniger Art: keine gewaltsame oder heftige Bewegung von irgend einer Art war bemerkbar. Die Liebe kann über den Geist von Menschen, denen ein freier Umgang beider Geschlechter durch ihre Sitten verboten ist, nur wenig Gewalt ausüben. Der Ehrgeiz oder jene rastlose Sucht, sich in der Welt vorwärts zu bringen, sei es durch Reichthum oder Ruhm, kümmert den Türken weniger, als irgend ein anderes Wesen. Familienstolz berührt ihn wenig, Unt. Bl. V. Bd. 10. H. da er keine Abstufungen des Adels kennt. Gebt ihm seine arabischen Pferde, seine glänzenden Waffen, seine Pfeife und Tasse Kaffee, seinen schattigen Sitz, und der Türke ist im Allgemeinen mit dem Platze zufrieden, den ihm Allah angewiesen hat. Die Vergnügungen der Tafel haben wenig Reiz für ihn, keine andere Nation kann es ihm hierin an Mäßigkeit gleich thun. Aber sein Idol, seine herrschende Leidenschaft ist weibliche Schönheit; für diese bezahlt er jeden Preis. Diese sucht er sich von jeder Nation zu verschaffen; und wenn das erste Weib seiner Neigung die Frische zu verlieren anfängt, so wird er eine andere, noch reizendere suchen, sie sei nun eine Perserin, Cirkassierin, Griechin oder Armenierin. Wie vortrefflich hat doch der Prophet sein Paradies den Leidenschaften seiner Landsleute anzupassen gewußt. Das Lager von Rosen, auf welches der wahre Gläubige hinsinkt, die Palme, der Orangenbaum, und die Balsambäume, die ihre ewigen Schatten über ihn ausbreiten, Quellen, welche melodisch dahin rauschen, Alles wäre zu gewöhnlich; zu wenig hinreißend, wären nicht die Mädchen von unvergänglicher Schönheit, die seiner dort harren! Die Lebensweise eines Orientalen ist sehr einfach; der Mangel an jeder Art öffentlicher Beschäftigung oder Zerstreuung, verbunden mit der strengen Anhänglichkeit an die Gewohnheiten der Väter, machen einen Tag des Gemäldes dem andern gleich. Der Türke von Stande steht mit der Sonne auf, und da er auf weichen Kissen schläft, und sich nur eines geringen Theiles seines Anzuges entledigt, so kostet ihn seine Toilette sehr wenig Mühe. Er verrichtet dann sein Gebet, und nimmt darnach zum Frühstück eine Tasse Kaffee, etwas Zuckerwerk und einige köstliche Pfeifen. Vielleicht liest er dann im Koran, oder in den glühenden Poesien von Hafiz und Sadi, denn die Kenntniß des Persischen gehört zur guten Erziehung beider Geschlechter in den höhern Klassen. Dann läßt er sein arabisches Pferd kommen, reitet zwei bis drei Stunden, oder übt sich im Oscheridwerfen; nachher speist er seinen hochgeschätzten Pillau zu Mittage. Nachmittags sind die Kaffeehäuser, wo sich die orientalischen Mährchen=Erzähler hören lassen, seine Lieblings=Unterhaltungsplätze; oder er sitzt an den Ufern des Bosphorus in seinem kühlen Kiosk, und gibt sich seiner Lieblings=Beschäftigung, einem fruchtlosen Hinbrüten hin. Aber die Neige des Tages bringt dem Türken seine höchsten Genüsse; er speist dann mannigfaltige schmackhafte, Gerichte, trinkt seinen Eis=Sorbet, 234 und bewirthet wohl auch Einige seiner Freunde; nachher besucht er den Harem, wo ihm seine liebsten Kinder gebracht werden, und wo sein Weib(oder wenn er mehrere hat, seine Weiber) mit ihren Sklavinnen Alles aufbietet, um den Herrn zu vergnügen. Die Nubierinn bringt ihm die reichsten Wohlgerüche; die Cirkassierin, ausgezeichnet durch ihre Lieblichkeit, bringt den würdigsten Kaffee und die seltenen Konfituren von ihrer eigenen Hand bereitet, und spielt die Guitarre oder Laute, deren Töne sich mit dem Plät. schern der Fontaine auf dem Marmorboden vermischen. Die Lage der Weiber in der Türkei hat wenig Aehnlichkeit mit der Sklaverei, und das Mitleid, welches Europäer denselben zollen, hat seinen Grund mehr in der Einbildung als in der Wirklichkeit. Wegen der ihnen zur andern Natur gewordenen, zurückgezogenen und indolenten Lebensatt, kümmern sie sich weniger um freie Bewegung in frischer Luft, als wir. Sie lieben sehr die Bäder, wo sie öfters in größern Gesellschaften zusammen kommen, und beingen den meisten Theil des Tages damit zu, einander ihre reichen Kleider zu zeigen, zu plaudern und Erfrischungen zu sich zu nehmen. Deshalb, und weil sie sehr wenig der Sonne ausgesetzt sind, haben die Türkinnen oft einen ausgezeichnet schönen Teint. Anek do ten. Bekanntlich hatte Napoleon den Pabst Pius VII. vermocht, nach Paris zu kommen, um sich von ihm zum Kaiser krönen zu lassen. Am Tage der Krönungsfeier, als der Pabst aus dem Pallast der Tuillerien eben nach der Kirche nôtre Dame abfahren wollte, fiel es dem Hofstaat desselben erst ein, wie der Gebrauch erfordere, daß wenn der Pabst ausfahre, um ein großes Hochamt zu halten, sein Oberkammerherr auf einem Esel sitzend, ein großes Prozessionskreuz vor ihm hertragen muß. Vergebens wurde dem Oberkammerherrn zu diesem Zwecke ein Pferd angeboten, er hätte es um kein Gold der Welt gegen einen Esel umgetauscht. Es mußten daher schnell eine Anzahl Reitknechte nach allen Richtungen aus gesandt werden, um einen Esel herbeizuschaffen, und man war so glücklich, einen ziemlich anständigen Esel zu finden, welcher mit Sammtstoffen und Tressen bedeckt wurde. Der Oberkammer= herr setzte sich darauf, und durchschritt mit großer Kaltblütigkeit die Straßen von Paris, zur großen Belustigung der versammelten Menge, über ein so seltsames noch nie gesehenes Schauspiel.— Auf dem Kirchhof des Père de la Chaise in Paris, dem gewöhnlichen Begräbnißplatz der eleganten und vornehmen Pariser Welt, und der daher mit den herrlichsten Grabmälern angefüllt ist, wird die Erde zu einem jeden Grabe fußweise verkauft, und zwar zu sehr hohen Preisen.— Ein in Paris anwesender Engländer verlor seine Gattin und wollte sie auf diesem Gottesacker beisetzen lassen. Er fand jedoch die Summe für den Raum zu einem gewöhnlichen Grabe zu hoch und ließ den Sarg stehend versenken. Im Jahr 1767 ließ Ludwig XV. 10,000 Mann bei Compiegne zusammenziehen und größere Uebungen vor sich ausführen. Nach Beendigung der Manöver speiste der König bei dem Befehlshaber dieser Truppen, dem General Grafen Ségur, in einem Zelt an einer Tafel von hundert Gedecken, wo die Speisen durch Grenadiere aufgetragen wurden. Der Geruch, den die Soldaten in einem so engen, heißen Orte verbreiteten, beleidigte die Nase des Königs, und er sagte etwas laut: diese braven Leute riechen verteufelt nach den Socken.— Das kommt daher, antwortete ein Grenadier ganz barsch, weil man uns keine liefert. Ein tiefes Schweigen folgte auf diese freimüthige derbe Aeußerung. Der Französische Artillerie=Hauptmann Duplessis=Mauduit, welcher in St. Domingo bei dem Aufstande der Neger sein Leben einbüßte, hatte den originellsten Charakter. In seiner Jugend wettete er einst bei einem Streite, einen Thaler über die wahre Stellung der Atheniensischen und Persischen Armeen in der Schlacht bei Platäa, und da er eben so arm als eigensinnig war und durchaus den Streitpunkt ermitteln wollte, unternahm er eine Reise nach Griechenland und führte sie wirklich zu Fuß aus. Die berühmte Schauspielerin Arnauld hatte eine Menge schöner, vornehmer und reicher Anbeter gehabt und wollte zuletzt einen armen Architekten heirathen. Alle ihre Freundinnen machten ihr darüber Vorstellungen.— Was wollt ihr, entgegnete sie ihnen, die ganze Welt reißt meinen guten Ruf darnieder, ich muß doch endlich an einen denken, der sich auf's Aufbauen versteht. Scherz und Ernst. Schreiben des Dorfschulzen in A. an den Schulmeister in B. Lieber Freund! Wenn du dich noch bei guter Gesundheit befindest, ist es mir recht lieb. Ich bin gottlob noch recht gesund; vor einigen Tagen war ich aber recht sehr ohne Paß!) Ich hatte mir mit einem neuen Gerüchte") den Magen verdorben; ich glaube es war eine Dardanellen= Sose.3) die meine Tochter gemacht hatte, und ich kriegte davon ein dürres Reb“). Unser Bader hat mir ein Positin') eingegeben; da hab' ich dann garstig movirt%), und wurde recht krank. Was es für eine Krankheit gewesen, weiß ich nicht; unsre französische Einquartitung nannte sie eine Melodie"). Ich habe mich aber mit dem guten Schnaps, dem Risiko") selbst wieder kurirt. An der infamen Krankheit ist niemand schuld als mein Mädel; in bin ihr aber doch gut; denn sie ist ein Blir?) Mädel und hat dir in der Stadt gar vielerlei prophetirt“). Sie weiß sich so hübsch zu tragen, daß sie allen Leuten gefällt, und unser gnädiger Herr hat selbst mal gesagt, sie ware eine Gratis"). Auch in der Komedge ist sie oft gewesen, und wenn sie mir mal von der Arie auf Abson") erzählt, da wird mir ganz wunderlich. Und gelesen hat sie so allerhand, ja sogar auch die Elephanten=Zei tung""). Dein Sohn wird sich auf ihr freuen, besonders wenn er wird finden, daß sie französisch parirt.") Sie freut sich auch recht sehr, da sie gehört, daß er Sündenkus“) werden wird, und da will sie ihm mit einer Remise“"), woran sie arbeitet, eine Freude machen. Wenn das Pillenkollegium“) wird vollends derangirt") haben, und ich Gans mit meiner Gesundheit werde prostituirt“) sein. — Denke dir nur: die Gerichtsmanns Liese hat wollen den Gerichtsschreiber heirathen; aber der ist infam kastrirt?°) worden, weil er Confekt?) in der Casse gemacht hat; jetzt hat sie mit einem Gänsedarm?*) eine neue Liebschaft antir?). Schreibe mir nur bald, wieviel dein, 1) Unpaß. 2) Gericht. 3) Sardellen= Sauce. 4) Diarrhoe. 5) Vomitiv. 6) vomirt. 7) Maladie. 8) Persiko. 9) Blitz. 10) profitirt. 11) Grazie. 12) Ariadne auf Naxos(die Oper). 13) Elegante Zeitung. 14) parlirt. 15) Syndikus. 16) Chemise. 17) Pupillenkollegium. 18) dechargirt. 19) restaurirt. 20) infam kassirt. 21) Defekt. Zeiten sehr für die Manege“); indeß mögte ich dich doch gern darüber mündlich insultiren, der ich bin dein tre simple servithör. Literarische Novitäten und Klatschereien. Die neue Damenzeitung von Spindler, dem bekannten Nov=llisten, beginnt schon im Anfange des dritten Monatshefis alte Gerichte aufzutischen, indem darin die alte Novelle Cazotte's: die schöne Jüdin, übersetzt von dem deutschen Improvisator Wolff, zum Besten gegeben wird. Ei, ei, Herr Improvisater, Sie geben alte verlegene Waare, die noch neuerdings das Berliner Conversationsblatt aufgewärmt hat? Wie verhält sich das zu Ihrer, stets Neues fördernden Improvisirkunst? Einige neue Impromx= tu's wären besser am Platze gewesen als die alte Novelle aus dem 17ten Jahrhundert. Kartoffeln über Alles. Kaufe, kaufe ein Jeder, wer 7 Silbergroschen 6 Pf. im Besitze hat, und waren es auch die letzten im Beutel. Der Buchhändler Weber zu Ronneburg hat das unschätzbarste aller Kleinodien zum Verkauf für obigen geringen Betrag. Und was ist's?— Ein kleines Schrifichen benannt: Deutlicher Unterricht, wie man leicht und mit wenig Kosten aus den Kartoffeln(hört! hört!) Reiß, Sago, Gries, Nudeln, Mehl, Stärke, Brod, Butter, Käse, Zucker, Syrup, Kaffee, Wein, Branntwein, Essigrc. verfertigen kann. Kauft, kauft! denn wer weiß was dies 2c. für einen Schatz in sich hält— vielleicht gar Gold. Kauft, kauft ihr Reiß= Sago= GriesNudeln= Käse= Brod= Butter=Esser, ihr Zuckerund Syrup=Lecker, ihr Kaffee=Wein= und Branntwein= Trinker und Trinkerinnen! Das ist der Universalbrunnen, die nicht versiegende Quelle für Gaumen und Magen! Kauft, kauft! Und wenn ihr steinreich geworden, so laßt auch mir ein Scherflein zukommen von eurem Mammon; denn ich mache euch auf diese Fundgrube, dem Borne Eures Titels: Millionär aufmerksam durch diese Zeilen. 22) Gensdarm. 23) entrirt(entrer). 24) Gage. 25) Menage. G92 236 Geschichte unserer Zeit. „„„„„„„„„„„„ Ueber den gegenwärtigen Stand des russisch=türkischen Krieges. Ob der am 11ten Juni von dem General, Grafen Diebitsch errungene Sieg entscheidende Folgen für den Feldzug haben wird, oder nicht, ist jetzt, wo wir nur den ersten unmittelbar nach der Schlacht verfaßten Bericht vor Augen haben, schwer vorauszusehen; die Schlacht wirft aber ein so helles Licht auf den, bis jetzt für uns ziemlich dunkeln, Kriegsschauplatz, daß es der Mühe lohnt, diesen, einem mächtigen Blitze ähnlichen, Schein zur nähern Betrachtung desselben zu benutzen. Für diejenigen unserer Leser, welche den Bericht über die Schlacht bei Schumla entweder nicht gelesen haben, oder denen derselbe nicht klar genug geworden ist, fügen wir unsern Betrachtungen eine kurze, aber hoffentlich auch ohne Karten verständliche Beschreibung der, jedenfalls wichtigen, Schlacht bei. Bekanntlich hatte die russiche Armee im Anfange des Monat Juni nicht nur die ganze Moldau und Wallachei nebst dem Theile Bulgariens inne, welcher, von Silistria abwärts, zwischen der Donau und dem schwarzen Meere liegt, sondern sie war auch, von Rustschuck bis Silistria, Meister des rechten Donauufers, und im Besitze von Varna, um welches 5 Meilen von der Festung entfernt die Vorposten des Rothschen Armeekorps in befestigten Orten wie Prawody, Koslodschi und Basardschick standen. Silistria wurde belagert, die Belagerung durch ein Observasionskorps gedeckt, Rustschuck blokirt, und der Oberbefehlshaber der Armee, Graf Diebitsch, befand sich bei Silistria auf dem rechten Donauufer. Wie stark jede Abtheilung der russischen aktiven Streitkräfte war, wußte man nicht mit Gewißheit; voraussetzen ließ sich aber, daß die Hauptkraft bei Silistria versammelt war, theils weil dort der kommandirende General sich befand, theils weil Silistria der Mittelpunkt der russischen Operationsbasis war. Unter dem Oberbefehlshaber des Großveziers versammelte sich die türkische Armee der ersten Linie im verschanzten Lager bei Schumla, die der zweiten bei Adrianopel, die Reserve bei Konstantinopel. Ueber die Stärke der Armee war man in Ungewißheit. Wir haben es hier hauptsächlich mit der Armee des Großveziers zu thun, das Uebrige war zu entfernt, um auf den Kriegsschauplatz unmittelbaren Einfluß zu äußern, so wie auch die ruffische Besatzung von Siffedoli nur später auf den Gang des Krieges wirken kann. Der Großvezier war in seiner Stellung zu Schumla von der russischen Armee in einem Halbkreise umgeben, dessen mittlere Entfernung nur 10 deutsche Meilen betrug. So nahe stand demselben die russische Hauptmacht bei Silistria, während die befestigten Vorposten von Varna nur 5 Meilen von ihm entfernt waren. Silistria, Schumla und Varna liegen in einem rechtwinkligen Dreiecke, Schumla am rechten Winkel; die Entfernung von Schumla nach Silistria ist der von Schumla nach Varna fast gleich, d. h. 10 bis 11 Meilen. Prawody, einer der befestigten rufsischen Vorposten von Varna, liegt auf dem halben Wege zwischen Schumla und Varna. Der Großvezier, welcher vor sich die russische Hauptarmee bei Silistric, zu seiner rechten das Korps des General Roth bei Varna hatte, wollte, wie es scheint, die ihm am nächsten stehenden feindlichen Streitkräfte in seiner rechten Flanke verdrängen. Er brach daher mit, bei weitem dem größten Theile seiner Armee, welchen der russische Bericht auf 22 Regimenter regulairer Infanterie, einige Regimenter, regulairer Kaval= lerie und 15000 Mann unregulairem Fußvolk und Reiterei, im Ganzen aus mehr als 40000 Mann bestand, gegen Prawody auf und belagerte diesen Ort 10 Tage lang ohne Erfolg. Unterdessen vereinigte der General Diebitsch zwischen Varna und Silistria die Korps von Pahlen und Roth, und marschitte mit denselben, ohne daß der Großvezier eine Ahnung davon hatte, zwischen Prawody und Schumla hinein, so den Großvezier von Schumla abschneidend. Als dieser die russische Bewegung, nachdem sie vollbracht war, bemerkte, hob er die Belagerung von Prawody auf und wollte auf dem gradesten Wege nach Schumla zurückgehen, indem er wahrscheinlich den hinter ihm befindlichen Feind nicht für hinreichend stark hielt um ihm den Weg verlegen zu können. Auf dem halben Wege zwischen Prawody und Schumla stießen die beiden Armeen auf einander, nach einem vierstündigen, sehr heftigen Kampfe, während dessen von beiden. Seiten Niemand wich, kam der Großvezier zu der Ueber zeugung, daß er hier seinen Weg nicht verfolgen könne, und zog sich, jedoch in Ordnung, in eine vortheilhafte Stellung zurück. Seine Absicht war, hier feine Truppen ruhen zu lassen, um dann, indem er links weg über den Fluß Kamtschick sich zurückziehen wollte, die rechte Flanke der russischen Armee zu umgehen und Schumla auf einem Umwege zu erreichen. Der russische Heerführer ließ ihm jedoch hierzu keine Zeit. Nachdem derselbe die vom Gefecht ermüdeten Truppen durch frische ersetzt und das, zur Deckung seines Rückens gegen Schumla aufgestellte, Korps verstärkt hatte, griff er mit Heftigkeit den Großvezier in dessen Stellung an. Das erneuerte Gefecht war bald entschieden, die vom vorhergegangenen Kampfe erschöpften türkischen Truppen konnten dem Andringen ungeschwächter Kräfte nicht widerstehen, und bald verließ die geschlagene Armee des Großveziers in eiliger Flucht das Schlachtfeld, sich mit Unordnung in die Wälder am Kamtschick werfend. Die russische Armee eroberte auf dem Schlachtfelde 40 Kanonen, alle Munitionswagen und Lagerge räthschaften und machte 1500 Mann zu Gefangenen. Bei der Verfolgung fielen ihr noch 16 Kanonen in die Hände. Der russische Bericht über diese Schlacht, in der preußischen Staatszeitung, als aus offizieller Quelle kommend, mitgetheilt, trägt überdies alle Spuren der Aechtheit; an dem Faktum selbst ist daher nicht zu zweifeln. Nimmt man den Bericht auch als ausführlich und keinen wesentlichen Umstand weglassend, an, so läßt sich Folgendes daraus folgern. Die russische Armee befindet sich keinesweges in der traurigen Verfassung, welche ihr einige Zeitungen beigemessen haben. Zwei Korps, welche eine Bewegung, wie sie Graf. Dieditsch unter nommen hat, mit solcher Präsisien und„Ordnung ausführend und sich dabei, so gut als es geschehen, schlagen, müssen gut organisirt, disziplinirt und wohl versehen sein, und aus kräftigen, gesunden Menschen bestehen. Wenn die Armee bisher, nach unserer Ansicht, zu lange an der Donau verweilte, so muß diese Zögerung wahrscheinlich nothwendig, und durch die Erfahrungen des vorjährigen Feldzuges gehoten sein. Gewiß ist, daß eine russische Armee nur dann tiefer in das Innere des türkischen Reichs dringen darf, wenn sie im Besitze der Donaufestungen ist. Eroberung derselben muß also naturlich dem Vorrücken über den Balkan voraussehen. Auch nach dem erfochtenen Siege wird iraf Diebitsch gewiß nicht in den Balkan eindringen, eheer die Festungen Silistria und schuck nicht in seinen Händen hat; selbst die Eroberung von Schumla wird ihn nicht dazu bewegen können, so wie überhaupt Schumla für die Russen nicht von so hoher Wichtigkeit in als für die Türken. Es sind nicht nur rein militairische Gründe, welche gegen ein Vordringen in den Balkan, ohne die Donaufestungen zu besitzen, sprechen, sondern, und hauptsächlich Verpflegungsrücksichten, eingeben. Die Donau ist eine Wasserstraße, die, sicherer als das schwarze Meer einer Armee in Bulgarien alle Bedürfnisse zuführt, und von da aus selbst der nördliche Theil Rumeliens versorgt werden kann. Auf der andern Seite hat man Streitkräfte der Türken überschätzt. Die geschlagenen 40000 Mann scheinen die ganze Macht derselben diesseits des Balkan gewesen zu sein Der russische Bericht spricht nicht davon, daß das gegen Schumla aufgestellte Detachement in ein Gefecht gezogen sei, folglich konnte im Lager von Schumla sich nur eine sehr schwache Besatzung befinden. Wäre dieselbe stark gewesen, so würde sie gewiß die Russen angegriffen und so zwischen zwei Feuer gebracht haben, denn die Schlacht fand höchstens 3 Meilen von Schumla Von einem unternehmenden Manne, wie Graf Diebitsch, läßt sich erwarten, daß er seinen Sieg verfolgen werde. Nach Beendigung der Schlacht stand er näher an Schumla als sein geschlagener Gegner, er kann also früher als der schnellste türkische Flüchtling mit seiner ganzen Macht in Schumla anlangen. Gelingt es ihm auch nicht das verschanzte Lager sogleich zu nehmen, so kann er doch den Großvezier mit dem Reste seiner Truppen davon ausschließen und das Lager in einigen Tagen erobern. Die des Balkan, der Sammelpunkt der türkischen Kräfte, von dem aus die Donaufestungen unterstützt wurden, sind dann sein, ungerechnet den moralischen Eindruck, den der Verlust von Schumsa auf die Türken machen muß. Nach Schumla werden sich die Donaufestungen nicht lange mehr halten, dann steht, wenn die Stärke der Armee und die Vorräthe und Transportmittel den Gebrauch desselben erlauben, der Weg. nach Stambül offen. 238 Uebersicht der Weltereignisse. Rußland. Sr. Majestät der Kaiser befindet sich in Warschau, wohin derselbe sich nach dem freundlichen Besuche in Berlin begeben hat. Frankreich. Die Deputirtenkammer, welche ihrer baldigen Auflösung entgegen sieht, beschäftigt sich jetzt nur noch mit Dingen, welche für das Auslond wenig Interesse haben. Ihr Hauptgeschäft ist die Bewilligung der Gelder für den Staatshaushalt. Füglich könnte man sich die Debatten dabei ersparen, denn, nachdem man lange genug sich herumgezankt hat, gibt man am Ende doch, was verlangt wurde. Nebenbei macht sich der Partheigeist Luft, was allenfalls noch einige Ergötzung bieten kann. England. Der große Gegenstand der katholischen Emancipation scheint alle Kräfte absorbirt zu haben, und nach Beseitigung desselben eine Erschlaffung eingetreten zu sein. Dies gilt hauptsächlich vom Parlamente, das freilich, eben so wie die französische Deputirtenkammer, bald sein höchstes Alter erreicht hat. Die Prorogationsrede soll schon einstudirt sein. Was die äußere Politik Englands betrifft, so scheint dieselbe sich in der letzten Zeit nicht geändert zu haben. Freundschaft, aber vorsichtige Beweise derselben, den Türken; Freundschaft dem Don Miguel von Portugal, scheinen die Hauptgrundsätze der englischen Politik zu sein. Ueberhaupt möchte man fast glauben, daß England dahin strebt, Barbarei, Unwissenheit und Trägheit in Europa zu erhalten und zu unterstützen, was auch seinem Charakter, als Handelsmacht ganz angemessen ist. Ein aufgeklärtes, thätiges, gut regiertes Volk hat auch Industrie, ist folglich der Nebenbuhler Englands, daher die Erbfeindschaft gegen Frankreich mehr aus diesem, als aus jedem andern Grunde; England will die einzige Stadt in Europa sein, alle übrigen Nationen sollen den Acker bauen und zwar schlecht, damit sie nach Bezahlung der übrigen Lebensbedürfnisse, welche England liefert, nichts übrig behalten, was sie zu Fabriken und Manufakturen anwenden könnten. Auffallend ist es, trotz der bekannten Politik Englands, daß dasselbe die griechischen Blokaden nicht anerkennt, nachdem es nicht allein die von Don Miguel verhängten strenge anerkannt, sondern sich sogar, bei Terceira, herabgewürdigt hat, sie selbst auszuführen. Die junge, vielbeklagte Königin von Portugal, mit welcher die englische Politik ein grausames Spiel getrieben hat, ist im Begriffe, nach Brasilien zurückzukehren. Sie wird wahrscheinlich ihre Ansprüche an den Thren Portugals aufgeben müssen, da selbst ihr Vater erklärt hat, ihm mangele die Kraft, Don Miguel zur Nachgiebigkeit zu bringen. Griechenland. Der Krieg im nördlichen Griechenland wird, so viel es die Macht der Regierung gestattet, lebhaft fortgesetzt. Griechenland reinigt sich immer mehr von den Türken, selbst Missolunghi, wo schon so viel Blut geflossen ist, gehört wieder Griechenland an. Candia ist noch dem Kriege, oder vielmehr der gegenseitigen Plünderung Preis gegeben. Amerika. Der neue Präsident der vereinigten Staaten Nordamerika's benimmt sich mit Festigkeit und Würde. Man hofft von seiner Verwaltung viel Gutes. Mexrko ist noch im konvulsivischen Zustande, das Dekret der Austreibung der Spanier wird in Ausführung gesetzt, plundernde Banden streifen umher und von Cuba droht Admiral Laborde mit einer Landung. Peru und Columbia haben Frieden geschlossen, beide bedürfen denselben, da innerer Krieg sie zerreißt. Auch der Staat Bolivia genießt keiner ungestörten Ruhe, eben so wenig Mittelamerika, wo die einzelnen Provinzen Krieg mit einander führen. Die Argentinische Republik(Vereinigte Staaten vom Rio de la Plata) kann noch nicht ruhig werden, Revolution folgt auf Revolution. Nur in Brasilien herrscht Friede, und ron dem Staate des Doktor Francia hört man nichts. Kurze Notizen. n einer kleinen Stadt in Irland(Carrik on Suir), hat kürzlich eine Schlacht zwischen katbolischen und protestantischen Soldaten statt gefunden, an der die Einwohner thätigen Theil nahmen. Unter andern wurden zwei Weiber, ein Pfarrer und ein Polizeisoldat verwundet, letztere beide, indem sie wie turnierende Ritter gegen einander ritten. In einer andern kleinen Stadt in England (Huckwood) sind zwei Leute vermählt werden, welche zusammen 143 Jahr alt waren und einander vor 50 Jahren die Ehe versprochen hatten. Auf den Werften von Philadelphia wird jetzt ein Schiff mit 4 Verdecken gebaut, das 200 Kanonen und 1400 Mann Besatzung führen soll. In Berlin wird eine Denkmünze auf die Schlacht bei Schumla geschlagen. Prinz Chosreff=Mirza, der Sohn des Thronerben von Persien, ist in Tiflis angekommen. Er soll an den russischen Hof gesandt sein, um die Ermordung des Gesandten zu entschuldigen. In Toulon werden mehrere Schiffe ausgerüstet, deren Bestimmung man nicht kennt. Die Herren Commissionäte dieser Folgende geehrte Handlungen und Commissionäre in den diesseitigen(rheinisch= westphälischen) Provinzen befassen sich mit Commissionen auf die Allgem. Unterhaltungs=Blätter, woselbst auch die diese vaterländische Zeitschrift betreffenden Bestellungen und sonstigen Mittheilungen zur Ersparung des Porto's zur weitern Beförderung abgegeben werden können. In Aachen: die Buchhandlung des Herrn Wilh. Cremer. In Arnsbera: Herr Buchdrucker Grote. In Barmen: Die Manufaktur=Waarenhandlung des Herrn J. O. Jansson. In Biekefeld: Herr Postdirector Derling. In Bochum: Herr Kaufmann I. W. Brinkmann. In Bonn: Herr Buchhändler Marcus. In Coblenz: Die Buchhandlung des Herrn Holscher. In Coln: Die Buchhandlungen der Herrn Dü Mont=Schauberg, Bachem, Peter Schmie, I. G. Schmitz, und Pappers und Kohnsen. In Dortmund: Herr Joh. Hülsemann. In Duisburg: Herr Kaufmann Joh. Felix. In Dusseldors: Herr Kupferstecher Breitenstein. In Elberfeld: Herr Postsekretair Dieckmann. In Emmerich: Herr Postsekretair Seid el. In Gummersbach: Herr Postmeister Huland. In Hagen: Herr Buchbinder Voigt. In Herford: Herr Buchbinder Hoffmann. In Iserlohn: Herr Hermann Hellmann. In Jülich: Herr Postsetretair Beckers. In Kettwig: Herr Buchbinder„Wilhelm Girardet. In Lippstadt: Herr Buchdrucker Staats. In Minden: Herr Registrator C. Luttgert. In Olpe: Herr Postverwalter Weder. In Osnabrück: Herr Postverwälter Arens. In Paderborn: Herr H. Lunz. In Siegen: Herr Buchbinder wender sen. In Solingen: Herr Buchbinder Amberger. In Süchreln: Herr Kaufmann P. Raty. In Unna: Herr Gastwirth Nottevom. In Wesel: Herr Wagenmeister Schalkmüller. Nro. 1300. 1361. amen verehrter Beförderer. Drei und fünfzigste Unterzeichnung, Ex. Nro. 1362. 1363. Amsterdam. Herr Joseph Bancken, Kaufmann Brilon. Herr Teuto, Postmeister Dermold. Frau Wittwe Brügemeyer Herr Gregoriur, Kanzlei=Rath. Dortmund. 1364. Herr Crone, Ober=Bergrath Lengerich. 1365. Herr Fr W. Banning, Kaufmann Menzel. 1365. werr Ludwig, Postmeister. Mühlheim a. d. Mosel. 1367. Herr kudovici, Pfarrer Ostönnen. 1 1368. Herr Seidenstücker, Pastor. Oienstein. 1 1369. Herr Joseph Bancken, Kaufmann Padberg. 13.10. Herr Kenner, Lehrer Paderborn. 1371. Herr Müßen, Gastwirth Hiezu die vorige Liste mit Summa (Fortsetzung folgt.) Ex. 12 1433 1445 1 1. Biondetta Die Faschingsritter(Fortsetzung) Gedichte Literarische Aphorismen..... Sonderbarkeiten. Die Seihks und ihre Religion.. Bruchstücke zur Geschichte der Literatur liens(Fortsetzung) Bilder aus der Türkei und der Gesc derselben.... Anekdoten Scherz und Ernnt Literarische Novitäten und Klatschereien Ueber den gegenwärtigen Stand des ru türkischen Krieges Uebersicht der Weltereignisse.. Kurze Notizen Literaturblatt Nro. 6. a t. II. Inhalt der Beiblätter. Inhalt der Gesetzsammlung Städtekunde. Die Stadt Köln Steuer Angelegenheiten. Was ersetzt, zur Verhütung des Schmuggelns und der daraus entspringenden Demoralisation 2c. die Mauthen und Verbrauchsteuer Ueber den Studierjammer. Replik auf die Mittheilung im 3. Heft ser Blätter Wohlthätigkeit. Fräulein Fritze in Horter Zeitspiegel. Braute über Braute. Correspondenz. Ueber die Anwesenheit der Demoiselle Sontag in Düsseldorf Chronik Rheinland= Westphalens Allgemeines Anzeigeblatt(die Bekanntmachungen Nro. 19 bis 31 enthaltend). Seite 215 daf. 217 (Ausgegeben den 4. Juli:) (Die folgenden Hefte folgen rascher auf einander.)