Zur Nachricht. Die ervaltene geneigte Erlaubniß der höhern Behörde, in unsern Blättern auch Geschichte der gegenwärtigen Zeir und politische Nachrichten aufzunehmen, veranlaßt die Redaktion den Plan der Zeitschrift zu erweitern. Vom Januar dieses Jahres an wird ihr Inhalt in vier Hauprabtheilungen zerfallen: 1. Schöne Künste. Enthält, wie bisher, Erzeugnisse der Phantasie: Erzählungen, Novellen, Phantasiestücke, humoristische und satyrische Darstellungen, metrische Produktionen u. s. w. 2. Wissenschaften und nützliche Künste. Abhandlungen, Mittheilungen, Notizen aus der Geschichte der Vergangenheit, aus der Erdund Völkerkunde, Naturkunde. Zustand und Fortschritte der Wissenschaften, Künste, Gewerbe, der Kultur und Civilisation. Miszellen, Anckdoten, Reflektionen schließen diese theilung. 3. Geschichte unsrer Zeit. Aufsätze über interessante Begebenheiten, Ereignisse, Verhältnisse u. s. w. der gegenwärtigen Zeit. Fortlaufende kurze Andeutungen der politischen Ereignisse. 4. Literatur. Beurtheilungen, Benachrichtigungen, Anzeigen über interessante Erscheinungen in allen chern der Literatur. Wie bisher wird die Chronik Westphalens und der Rheinlande den eigentlichen Unterhaltungs: Blättern sich anschließen und ein Anzeigeblatt denselben folgen. Die Verlagshandlung ihrerseits wird fortfahren, alles Mögliche aufzubieten, um diese Blätter durc ein würdiges Aeußere in der bisherigen großen Gunst ihrer zahlreichen Leser und Leserinnen zu erhalten.— Auch soll der wohlfeile Subscriptionspreis eines halben Jahrgangs oder ganzen Bandes aus 12 Heften(jedes aus 3 bis 4 Bogen) mit 1 ½ Thir. in der Expedition zu Hamm und Münster fortdauern.— Auf den Königl. Postämtern so wie bei den löbl. Buchhandlungen Rheinland=Westphalens zahlt man(einschließlich akler Unkosten) 2 Thlr.— In entfernten Ländern des In= und Auslandes besteht der Ladenpreis mit 4½ Thlr. für den ganzen Jahrgang aus 2 Bänden, ohne weitere ErDie resp. Namen der Subseribenten werden, wie bisher, aus dankbarer Anerkennung und zur Bezeugung der allgemeinen Theilnahme, fortlaufend in den Heften abgedruckt. G. A. Wundermann'sche Buchhandlung. Folgende geehrte Handlungen und Commissionäre in den diesseitigen(rheinisch= westphälischen) Provinzen befassen sich mit Commissionen auf die Allgem. Unterhaltungs=Blätter, woselbst auch die diese vaterländische Zeitschrift betreffenden Bestellungen und sonstigen Mittheilungen zur Ersparung des Porto's zur weitern Beförderung abgegeben werden können. In Aachen: die Buchhandlung des Herrn Wilh. In Dortmund: Herr Joh. Hülsemann. Cremer. In Düsseldorr: Herr Kupferstecher BreiIn Arnsberg: Herr Buchdrucker Grote. tenstein. In Barmen: Die Manufaetur=Waarenhand= In Elberfeld: Herr Postsekretair Dieckmann. lung des Herrn J. O. Jansson...—. In Emmerich: Herr Postsekretair Radtke. In Bonn: Herr Buchhändler Marcus und In Emmerich:Herr Post Herr Weber. In Minden: Herr Registrator C. Lüttgert. In Coblenz: Die Buchhandlung des Herrn In Osnabrück: Herr Postverwalter Arens. Carl Badeker.## In Paderborn: Herr Calkulator Struck. Tchmie(Buodengasen=Ecke Kro. 25.)., In Suchteln: Herr Kaufmann p. Rath. Desgleichen die Herrn Pappers und Koh= In Wesel: Die Buchhandlung der Herrn nen(Sachsenhausen Nro. 1.„ Klönne und Mannberger. Dritten Bandes, erstes Heft. Der Eine liebt dies, der Andre das, Der hält's mit dem Ernst, und der mit dem Spaß; Wem aber gar nichts will gefallen, Das ist der einz'ge Narr unter Allen. Neue Hoffnung, neues Glück, Frohen Sinn und heitern Blick, Gold und Geld viel tausend Stück, Freunde, ohne Trug und Tück' Festen Fuß und steif Genick, Stets Gesundheit, gut Geschick, Lust zum Lesen immerdar: Wünschen wir zum neuen Jahr Unsern lieben Lesern allen. Helles Auge, leichtes Blut, Phantasie und Herzensglut, Einen Kopf, der nimmer ruht, Viel Gedanken unterm Hut, Für das Gute starken Muth, Scharfe Federn ohne Wuth, Lust zum Schreiben immerdar: Wünschen wir zum neuen Jahr Unsern Mitarbeitern allen. Unt. Bl. III. B. 1. H. A 2 Günst'ge Leser, viele gar, Beifall und ein weites Wallen, Güt'ges Urtheil, recht und wahr, Fern der Mißgunst gift'ge Krallen, Kritiker, die nicht aufs Haar Richten unsrer Verse Lallen, Censor, der nicht Staatsgefahr Träumt in jedes Wortes Schallen, Leser, denen immerdar Ernst und Scherz und Spott gefallen: Wünschen wir zum neuen Jahr Unsern künft'gen Heften allen. Die allgemeinen Unterhaltungs=Blätter. Kampf und Sieg. (Fortsetzung.) Ueber die Seine ging der Zug in die engen, mit hohen Häusern eingefaßten, Straßen hinein, die noch deutliche Spuren eines hitzigen Gefechts trugen, dessen Schauplatz sie kürzlich gewesen waren. Hier und da steckte noch eine Kanonenkugel, oder eine große Oeffnung zeigte den Durchgang einer solchen; häufig sah man zerbrochene Fensterscheiben, und die Wände der Häuser waren von oben bis unten mit kleinen, durch Flintenkugeln gemachten, Eindrücken besäet. Tiefer hinein in die Stadt verloren sich diese kriegerischen Andenken, und die ermüdeten Wanderer, die damit lebhaft beschäftigt gewesen waren, sehnten sich nun nach Ruhe und nach Sicherung vor dem gaffenden neckenden Volksschwarme. Aber schon viele Kirchen, ihre gewöhnlichen Gasthäuser, lagen hinter ihnen und bei jedem neuen Gotteshause, bei jedem geräumigen Gebäude ward ihre Hoffnung aufs Neue getäuscht. Immer weiter durch die Stadt ging ihr Weg, und es schien ihnen zuletzt als würden sie absichtlich durch alle Straßen geführt, um dem Volke zur Schau gestellt zu werden. Zwar nicht Alle, welche die Straßen füllten, höhnten und neckten die Gefangenen; Mancher steckte ihnen ein Brod, eine Flasche oder ein Stück Geld zu, und aus den geöffneten Fenstern fiel aus schönen Händen manches beschwerte Tuch auf den Zug herab. Auch vor Eduard fiel ein solches Tuch nieder; er überließ es den hinter ihm gehenden Soldaten zum Aufnehmen, konnte aber doch nicht unterlassen, nach dem. Geber empor zu schauen. Doch kaum hatte er sein Gesicht nach oben gewendet, als ein durchdringender Schrei von einem Fenster herab ertönte, von dem Eduard zugleich einige erschreckte Damen sich zurückziehen sah, in Verwirrung mit einer andern beschäftigt, von der er nur die ausgestreckte Hand erblickte. Der Zug ging unaufhaltsam vorwärts; Eduard, dem der Schrei, er wußte nicht warum, ins Herz gedrungen war, ware gern stehen geblieben, um der Ursache desselben nachzuforschen, aber er durfte nicht. Nur zurückschauen konnte er, aber er, sah nichts weiter, als einige fremde Frauenköpfe, die neugierig der Spitze des Zuges nachblickten und dann rasch zurück traten. Endlich sahen die Pilger wohl, daß ihnen die Stadt nicht zur Ruhestätte dienen sollte. Die Häuser zu beiden Seiten schwanden, Montereau lag hinter ihnen, vor ihnen eine Brücke, jenseits derselben in einiger Entfernung ein großes Gebäude. Die Brücke führte wieder über den Fluß, man näherte sich dem Gebäude, dessen Thüren geöffnet und von Soldaten bewacht waren. Es war das Nachtquartier der Müden. Paar nach Paar wurden sie hinein gezählt und jedem dabei ein Brod zugetheilt. Die Gefangenen traten in einen weiten Saal, von dessen hochgewölbter Decke ein prächtiger Kronleuchter herab hing. Auf der Hälfte des großen Ovals, das der Saal bildete, lief an den Wänden eine Reihe Logen hin, die andere Hälfte nahm eine Bühne ein, die mit einer Walddekoration geziert war. Ueber der Scene und an den Logen zeigten sich die Embleme der Freimaurerey. So wenig die Gefangenen auch zur Freude gestimmt waren, so setzte sie ihr seltsames Nachtquartier doch in die beste Laune. Eine Menge von Einfällen und Bemerkungen ließen sich hören.„Na!“ sagte ein Soldat,„das muß man den Franzosen lassen, ihre Gäste wissen sie gut zu behandeln; gestern führten sie uns in die Kirche, heute in die Komödie.“„Ja“ sprach ein anderer, sein Kommißbrod in die Höhe haltend,„und Entree geben sie uns noch obendrein!“ Die Gefangenen nahmen Besitz von ihrem Nachtquartier, die mehrsten blieben im Parterre, einige stiegen nach den Logen hinauf, unter denen auch Eduard sich befand, der sich mit einigen Kameraden in einer nett tapezierten Loge einrichtete; andere erklärten, sie wollten heute bivakiren und lagerten sich in den Koulissen, einer kroch sogar in den Soufleurkasten. Nachdem man sich geruht und an den empfangenen Gaben erquickt hatte, stieg die fröhliche Stimmung der Gefangenen sogar zur lauten Freude. Ein Theil derselben verabredete sich zur Darstellung eines Theaterstücks, und improvisirte wirklich eine Posse, die den aufmerksamen Zuschauern ein Gelächter über das andre abnöthigte. Selbst die Wache, von dem Gelächter herbeigelockt, stand, sah und lachte, und dachte nicht daran, die harmlose Belustigung zu stören. Eduard saß in seiner Loge auf die Brüstung gelehnt und schaute in das muntre Treiben unter ihm. Seine Lage kam ihm vor, wie ein lebhafter Traum. Sinnend blickte er auf die zerlumpten Schauspieler und auf die Zuschauer, deren bleiche, kummervolle Gesichter von krampfhaftem Lachen verzerrt wurden. Er konnte nicht mitlachen; aber es war nicht die Derbheit der rohen Soldatenspäße, die ihn daran hinderte; denn auf Märschen und im Lager hatten die oft gehörten ihn doch jedesmal zum Lächeln gebracht. Es war der grelle grauenerregende Kontrast, in dem das der Freude geweihte Haus mit seinen jetzigen Bewohnern stand. Seine Phantasie ward reger, je mehr er starr in den Saal blickte. Immer fratzenhafter wurden die Schauspieler, immer unheimlicher die Zuschauer. Ihm war zuletzt als säh er abgeschiedene Geister, die zur Strafe ihrer Sünden hier nach ihrem Tode dramatische Vorstellungen geben und sehen müßten, und der Schrei, den er vorher in der Straße gehört hatte, erhob sich aus seiner Brust und klang wie ein zitterndes Wehel durch den Saal. Da wurden aber Eduards melancholische Visionen und das Schauspiel zugleich unterbrochen. Die Thüren des großen Einganges öffneten sich:„vous aurez plus de monde!“ rief die Wache herein, und bald darauf strömte ein neuer Zug Gefangener in den Saal. Europa und Asien schien heute seine Kinder in das Schauspielhaus zu Montereau zu senden. Oestreicher und Preußen, Baiern und Wirtemberger, Russen, Kosaken und Baschkiren wanderten bunt durcheinander herein. Immer mehr füllte sich das Haus, und immer neue Gäste gingen ein durch das offene Thor. Endlich schloß sich die Pforte; aber Kopf an Kopf stand die Menge gedrängt im Parterre. Welch Gewimmel, welches Drängen und Schieben und Stoßen. Jeder suchte nun nach einem Ruheplätzchen, denn — eine seltsame Prätension in einem Schauspielhause— man wollte weder stehen noch sitzen, man wollte liegen. Aus war es mit dem Schauspiele; die Bühne bedeckte sich mit müden Menschen, alle Logen füllten sich, Eduard und seine Genossen mußten die ihrige gegen fremde ungeA 2 4 stüme Eindringlinge vertheidigen, und doch saß im Parterre noch Mann an Mann. Als die wogende Menge sich einigermaßen beruhigt hatte, war es ein interessantes Schauspiel, das Betragen der verschiedenen Nationen in einer und derselben Lage zu beobachten. Der höhere Grad von Civilisation hatte zum Gefährten auch immer einen höhern Grad von muth und Niedergeschlagenheit; je näher der Natur oder der Rohheit, je unbefangener und sorgloser war der Mensch. Die Wachen, welche anfangs, um Ordnung zu bewirken, im Saale gewesen waren, hatten sich zurückgezogen; nur ein einziger Soldat mit grauem Mantel, das weiße Säbelgehenk über demselben, die Feldmütze mit herabhangendem Zipfel tief über die Ohren gezogen, wanderte langsam durch die Reihen der Gefangenen, sprach hier ein Paar gebrochene Worte, gab dort einen Schluck aus seiner Feldflasche oder ein Stück Geld aus seinem kleinen Beutel, und war, wo er sich hinwendete, mit seinem freundlichen Gesichte willkommen. Dazwischen warf er von Zeit zu Zeit seine Blicke, wie suchend, nach den Logen. Vor einer Gruppe Kosaken stand er endlich eine Weile still. Die Kinder des Sattels saßen abgesondert von den Uebrigen auf Brettern und Stangen, die sie im Saale zusammengesucht, und auf ein wenig Stroh, das sie wahrscheinlich mit hereingebracht hatten, im Kreise, und unterhielten sich zwar mit ernsten Gesichtern, aber ganz gemüthlich. Der Franzose trat zu ihnen, klopfte einigen vertraulich auf die Schulter und reichte ihnen seine Flasche, indem er sie durch Zeichen bedeutete, daß sie in die Runde gehen sollte. Die bärtigen Gesichter klärten sich auf; ihr neuer Freund fragte mit Zeichen, ob ihnen sonst noch etwas fehle. Einige machten die Pantomime des Zusammenschaudern und rieben die Hände, was auf Kälte deuten sollte, andre zeigten mit einer Jammermiene ihre leeren Pfeifenstummel. Der Voltigeur zog einige Pakete Taback hervor und fügte ein Feuerzeug zu diesem Geschenke. Die Kosaken waren überglücklich, sie küßten den Mantelsaum ihres Wohlthäters, der unter ihren wiederholten Segnungen verschwand. Jeder war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf die Kosaken besonders zu achten. Sie hatten allen Kummer vergessen. Nachdem sie mit inniger Behaglichkeit einige Züge des, wie vom Himmel gefallenen, Tabacks geschmaucht hatten, sannen sie auf mehr Genüsse. Aus ihren Sitzen holten sie einige Stangen hervor, brachen sie in Stücke, legten sie fein säuberlich zu einem kleinen Scheiterhaufen, in ihrer Mitte auf die Dielen nieder, steckten ein Stückchen Schwamm in eine Handvoll Stroh, das durch Schwenken in Brand gerieth, und bald brannte das Feuerchen zum größten Ergötzen der Kosaken. In dem dichten Menschenhaufen bemerkte anfangs niemand das Feuer, aber bald stieg der Dampf zu den Musen an der Decke empor, das Feuer fraß in die Dielen und der Brandgeruch verbreitete sich im ganzen Hause. Ein entsetzlicher Tumult bewegte, so wie die Entdeckung sich fortpflanzte, die eingeschlossene Menge. Die Dämmerung war schon weit vorgeschritten, gespensterhaft stieg der erleuchtete Dampf in die graue Höhe, Alles stand auf, im angstvollen Wahne, dem Feuer überliefert zu werden. Alles drängte und stieß und tobte, und ein wirres Getümmel durchwogte den Tempel der friedlichen Musen. Bald drang der Lärm und der Brandgeruch zu den Ohren und Nasen der Wachhaltenden. Die Thüren sprangen auf, und unter entsetzlichem Fluchen stürzte die ganze Wache herein und bahnte sich mit Kolbenstößen einen Weg zu der Brandstätte. In demselben Augenblick öffnete sich leise die Thür von Eduards Loge, eine Hand ergriff ihn beim Arme, zog den Ueberraschten schnell aus dem Behälter, schloß die Thüre hinter ihm, und bekleidete ihn mit seltener Gewandheit mit einem grauen Mantel. Eduard sah in der Dämmerung denselben Soldaten vor sich, der den Kosaken Taback gegeben hatte. Willenlos ließ er sich noch einen Säbel über den Mantel hängen, und eine Feldmütze auf die Ohren drücken.„Suivez 5 moi“ flüsterte der Soldat ihm zu„cest pour vous delivrer“ und beide stiegen die Treppe herab und befanden sich bald, ohne auf ein Hinderniß zu stoßen, im Freien. [Fortsetzung folgt. Der welsche Gast. istorie aus dem sechszehnten Jahrhundert. war im Jahr des Herrn 1521, als der weltbekannte Reichstag in der ehrwürdigen Reichsstadt Worms am Rhein gehalten werden sollte. Die Kurfürsten, samt den andern fürstlichen, gräflichen hochahnlichen Herrschaften, hatten sich schon, gefolgt von ihren Mannen und Hofgesinde eingefunden, und auch Karl der Fünfte, der gewaltige Kaiser, war mit seinem großen prächtigen Hofgefolge im stattlichen Zuge in die Stadt eingezogen, bewillkommnet von dem Bürgermeister und weisem Rathe der freien Reichsstadt, die ihm kniefällig gedankt hatten ob der hohen Gnade, daß die geringe Stadt Worms zu so hoher Ehre war ausersehn worden, und dann empfangen auf dem Rathhause von der Wahl= und Reichsfürsten stattlich versammeltem Verein. Auch der Legat des Pabstes, Cardinal Aleander, war von Rom angekommen und mit ihm ein Heer von Geistlichen aller Art und Orden, Doctöres theologiae und Juris canonici, Prokuratoren, Kommissarien, Cancellarien und Dekane, also daß ihrer schier eine Unzahl in den reichsstädtischen Mauern beisammen war. Unter Allen zog vorzüglich der Prokurator Cypriano della Porta die Augen der freien Reichsstädter so wie der fremden Gäste auf sich, weil er ein gar seltsames Aeußere zur Schau trug, nie ohne große Hornbrille äuf dem Antlitzhöcker und in Ermanglung eigenen Haares, nie ohne hochgeräumige, aufgestutzte Perücke auf dem gelehrten, kanonischen Rechtskopfe erschien. Zudem war er bis zu den wadenlosen Beinen hinab schwarz angethan, gleichsam als sei er in steter Trauer, trug sein dunkles Filzhütlein stets demüthig unter dem linken Arm, und fuhr— ein seltsamer Brauch— sonder Unterlaß mit der dürren Rechten die hageren Wangen bis zum Kinn hinab. Bei gelehrten Disputationen aber reckte er den Mittelfinger mit dem rothen Rubingestein weit aus und lehnte ihn an die lange Habichsnase. Weil nun dieses gelehrte, schwarzes Herrlein gleichsam die Spule ist, worauf sich die Faden des angesponnenen Geschichtsleins aufwinden, so wird man seines genauen Konterfei's halber nicht murren. Damit nun auch die hohen Gäste, welche ob einem hochernsten Geschäfte sich in Worms versammelt, den Mund zuweilen zum Lachen zogern und den Ernst bei Seite ließen, und auch die vereinte zahllose Volksmenge aus der ganzen weiten Umgegend nicht sonder Lust sei, so war kein Mangel an Leuten, welche darob um Geld emsige Sorge trugen. Bänkelsänger, Pickelhäringe, fahrende Schüler und Fräulein, Dudelsackpfeifer, Bratschengeiger, Hackbrettschläger und Fastnachtspieler waren wie Unsaat auf einem ungejäteten Fruchtacker rings auf allen Gassen reichlich ausgestreut, die wogenden Volkshaufen, die von fern und nah herbeigeströmt waren, auf mancherlei Weise erlustigend und ergötzend. Dabei zogen viel Kriegsleute in allerlei Farben und Trachten, welche dem Gefolge des Kaisers und der fürstlichen Herrschaften angehörten, überall umher, sowohl Reiter als Fußknechte, Teutsche und Hispanier, also daß selbst der drei und achtzigjährige Schenkwirth zum rothen Hahn gestehen mußte, nie etwas dergleichen in Worms Mauern gesehn zu haben. Darunter war manch blühender Fußknecht, manch stattlicher Reiter, daß den rosigen freien Reichsstädterinnen die zen gleich hurtigen Fröschen lautpochend hochaufsprangen, wenn sie solchen wackren Burschen in's Auge und Angesicht schauten, und sich ob dem freundlichen Gegenblicke und Gruße— wie denn nicht selten geschah— höchlich freuten, daß fie bald leise kicherten, bald laut lachten. Die Feldobersten und Hauptleute mit ihren reichen Waffenröcken, goldenen Schärpen, wehenden Helmbüschen und blinkenden Schwertern fanden bald Eingang bei den Töchtern der Raths 6 herrn und Stadtschöffen; man gab ihnen zu Ehren viele Gelage und Bankete, wo Gerichte in reichster Menge die Tische füllten, und die Becher voll des seltensten gediegensten Rheinweingoldes funkelten, und im lustigen Vereine mit herrlicher Musik hell aneinander klangen. Vor Allen war Herr Georg Frundsberg angesehn, damals noch Feldhauptmann, ob seiner stattlichen Gestalt und seltenen Liebenswürdigkeit. Schlank und hoch gleich einer Tanne ragte er über Alle weit hervor; frei und groß blickte sein glänzendes Auge umher, uund obwohl er noch Jüngling war, konnte man sich zu ihm doch jetzt schon des Heldensinnes und kühnen Muthes versehen, die er nachher so rühmlich an den Tag gelegt, und mit Recht sang man späterwon ihm: Er überwand Mit eigner Hand Venedisch Macht, Der Schweizer Pracht, Französisch Schaar Legt nieder gar, Mit großer Macht Des Pabstes Bündniß zu Schanden macht. Der hatte denn nun ein jungwarmes reges Blut, und sah darum die Mägdlein ebensogern, als sie sehnsuchtsvoll nach ihm hinschielten. Zumeist aber hatte der Feldhauptmann Frundsberg sein Augenmerk auf ein Mägdlein gerichtet, die hieß Margreth und war die einzige Tochter des Rathsherrn Jodokus Paumstainer. Weil ihres Vaters Wohnung grade am Markt rechts, wenn man von Heidelberg und Manheim hinunterkommt, gelegen war, und sie gewöhnlich mit ihrem Stick= und Webrahmen am Fenster weilte, so war es wohl nicht zu wundern, daß man nach jenem Fenster hinschaute, und ihre Schönheit und ihr Liebreiz gebührend allüberall gepriesen ward. Dazu war sie gar sittig und fromm, und wer ihres Anblicks gewiß sein wollte, mogte sich nur jeden Morgen, wenn die Domuhr Acht geschlagen, nach dem Dome begeben, wo sie in Andacht der Messe beiwohnend am Altare hinkniete, oder sich nur auf dem Markte einfinden, wo sie ihm jedesmal in einen weißen Schleier gehüllt und ein sauberes Gebetbüchlein in rothen Saffianeinbande mit silbernen Schließkrampen in der Hand zu Gesicht kam. Auch dem jungen Feldhauptmann war gleich, wie er von Schwaben nach Worms hineingekommen, das liebliche Maidröslein nicht entgangen. Er hatte sie ziemend gegrüßt, wie er seinen Rottenzug führend im Geleite des Kaisers vorüberritt. Leicht hatte es sich gefügt, daß er sich bald eines freundlichen Empfanges im Hause des Rathsherrn erfreute und oftmals die schöne Margreth heimsuchte, wo er denn oft viel schmucke Mägdlein aus den ersten Häusern der Stadt antraf; doch aus der ganzen Zahl stralte Margreth herrlich hervor wie das Abendgestirn aus dem großen Reigen der Sterne. Keine kam ihr an Liebreiz und Anmuth gleich, keine war so sinnig als sie, weshalb er sich stets an Margreth anschloß. Und das war die Ursache, daß man in ganz Worms die Köpfe häufig zusammensteckte, von Margreths Brauttag und Hochzeit mit dem stattlichen Feldhauptmann munkelnd. Ob solches Ziel gedachter Rittersmann wirklich vor Augen gehabt, ist nicht bekannt, und bringt in dieses Geschichtlein weder mehr Einklang noch Misklang.— Dem Signor Cypriano della Porta schienen trotz seinem gelehrten Hirn und seinen schwarzgelockten italiänischen Landsmänninnen die schliten deutschen Reichsstädterinnen nicht ganz der Beachtung unwerry zu sein; denn er lugte gar scharf durch seine Hornbrille, so oft eine derselben in seinen Gesichtsbezirk kam. Und so hatte denn auch Margreth, das freundliche Wormser Glanzsternlein, chell durch seine Brillenfenster geleuchtet, und er, ein kundiger, emsiger Astronom selbes gar oft mit gierigen Blicken betrachtet; zugleich war der Herr auch ein kundiger wohlerfahrener Astrolog, und mußte daher zu seinem größten Herzleid an dem Lieblingssterne wahrnehmen, daß er nicht sein Glücksstern sei, sondern mit gleichgültigen Blicken auf ihn niedersah und manchen lichtfeurigen Wort=Sternschnuppen als ein gar übles Anzeichen nach ihm sandte. 7 Dabei trat der junge deutsche Feldhauptmann als rüstig=eifriger Wiedersacher gegen ihn auf, ihm gar sehr die Tage erbitternd, die er auf deutschem Boden zubrachte. Wohl war jener ein gefährlicher mächtiger Gegner, ein Zaubermagnet, der alle Mädchenaugen an sich fesselte, mogte er in schlichtem deutschen Waffenrocke, Kriegshelm und Reiterstiefeln erscheinen, oder in spanischer Hoftracht mit dem blauen Barett samt dem rothsammetnen, goldverbrämten Mantel, rothen Saffianstiefeln und Goldspornen einhergehen. Denn neben ihm stand stets das kleine hagere Männlein samt seiner übergroßen juristischen Weisheit und erlernter Spitfindigkeit, mogte er auch mit seiner glänzenden Goldbrille und seiner neusten Prachtperücke belastet sein, in gar weitem, drolligen Abstande. Dem Frundsberg war er ein spitzer Dorn im Auge und ein anreizender Stachel im Herzen, der ihn zu manchem lustigen Scherz antrieb, welche er denn auch in großer Zahl gegen den welschen Gast ausließ, und bei einem ansehnlichen Bankett beginnend eine Reihe von Nachfolgern hatten. Der reiche Wormser Kaufherr, Sebastian Trauthold, gab, wie in dieser Frist oft geschah, ein großes stattliches Gelage, wozu viel hohe fremde Herrn zu der Zahl reichsstädtischer Patrizier, deren sittigen Frauen und holdseligen Töchtern geladen waren, unter letzteren auch die holde Margreth und unter den fremden Gästen Herr Georg Frundsberg und der welsche Prokurator. Was die Kunst der besten Köche vermogte, fand man hier auf den langen prachtvollen Reihentischen vereint, zusammengebracht aus allen Theilen der Erde. Der Liebreiz der Frauen und Jungfrauen ward erhöht durch die Auswahl der prächtigsten Kleider und den blendenden Schein von zahllosem Gold und Edelgestein, darin der Schein der vielarmigen Kronampeln und Wachslichter im buntesten Farbenspiele magisch sich wiederspiegelte. Einfach und ohne alle prunkende Zier erschien dagegen Margreth. Ein hellrothes Sammt= mieder, eine breite zierlichgefältete Halskrause von Spitzen aus Brabants kunstreichen Werkstätten, ein schneeweißes Seidenröcklein mit Rosengewinden waren nebst einer kunstlosen Verschlingung des blonden Haares ihr ganzer Schmuck. Kaum trat sie in den hellerleuchteten Saal als ihr der Kriegshauptmann Frundsberg in reicher Hoftracht entgegentrat und sie mit freundlichem Gruße bewillkommend zu einem Polstersitze hinleitete und in ihrer Nähe weilte. Auch der Prokurator war längst eingetroffen und hüpfte unter steten Bücklingen, einen fast betäubenden Orangenblütenduft verbreitend, von einer Schönen zur Andren. Unaufhalrsam sich in italiänischen Süßworten ergießend hatte er endlich auch die schöne Margreth erlauscht, rannte auf sie zu, begann mit zahllosen Verbeugungen und Lobeserhebungen und ging dann schnell zu Minnebetheurungen über, wobei sein Blick gleich einer Klette an dem Rosenantlitz des Fräuleins hing. Und trotz daß sie sich stets mehr von ihm wandte, ließ er dennoch nicht ab. Frundsberg, höchlich belästigt und aufgebracht durch diese italiänische Keckheit, hätte den Zudringlichen gerne derb abgespeißt; doch als Gast durfte er gegen den Mitgast nicht so verfahren, weshalb er ein anderes Mittel ersann, sich und das Mägdlein des festhangenden Blutigels zu entledigen. Signor! begann er mit erzwungener Heiterterkeit, wen der Zufall nach Deutschland geführt hat, der verlangt ohne Zweifel auch deutsche Weise und Sitte aller Art kennen zu lernen. Gar weniges wird eurem Scharfblick entgangen sein. Ihr beliebtet zu schauen, was deutsche Sitte dem deutschen Manne in der Gesellschaft deutscher Frauen und Fräulein gebeut; Ihr werdet. ihr Ohr tauber gegen manches jenseits der Alpenhöhen unschuldige Wörtlein gefunden haben. Das Alles hat eure Einsicht bis in's Tiefste ergründet; dagegen mögte euch hie und da etwas Geringes entgangen sein, und ich bin gern erbötig, euch darin nach besten Kräften einzuweihen. Ist es u. a. eurer Gelahrtheit nicht unhold, die deutsche Zechweise gleichfalls mit eignen Augen zu ergründen, so würde ich gern behülflich sein. 8 Und damit schritt er in ein Nebengemach auf den nächsten Schenktisch zu, der, umstanden von vielen reichsstädtischen Patriziern, und fremden Obersten und Kriegshauptleuten, viel zierliche Becher und schöngeschliffene Bauchflaschen, wie auch blanke Henkelkrüge und weitbauchige Humpen entgegenbot. Langsam und neugierig folgte der Prokurator und der deutsche Schalk trat ihm mit einem Humpen in der Rechten also sprechend entgegen: Solch ein Gebäu, Herr Prokurator, heißt ein Humpen, freilich ein übelklingender unitaliänischer Name; aber sein Inhalt ist ein lieblicher Wein, Frauenmilch geheißen. Des deutschen Trinkweise ist es nun, solcher Humpen viele in kurzen Zwischenräumen bis zur Nagelprobe auszuleeren, und wer in diesem Wettkampfe den Sieg erringt, wird als Zechkönig mit einem Rebenkranze geschmückt. Versucht diesen Kampf; gewiß wird er euch gelingen, denn der Inhalt ist nur deutscher Wein, nicht halb so feurig und kräftig als euer schlechtester Appenninerwein. Sehr schmeichelten diese Worte den Prokurator, und hastig griff er zumungewohnten Humpen, setzte ihn an und leerte ihn in einem Zuge. Reichliches Lob ward ihm; man trank ihm tapfer zu, und mehrere Humpen Wein glitten die italiänische Kehle hinunter, bis die hageren Beine ungetreu wurden und nach und nach ihre Dienste versagten. Vorhin stolpernd ließ er den aus der Scheide gleitenden Galladegen auf dem Boden, und dann mehrmals wieder in's Gleichgewicht rücktaumelnd die Perücke an dem Schnörkelgesimse des Marmorheerdes zurück, und wankte also baarhaupt, die Brille bis zur Stirn hinaufgeschoben, durch den geräumigen Saal unter lautem Gelächter aller Gäste, bis sich einige seiner Kollegen erbarmten und ihn hinaus= und heimgeleiteten. Deß war Herr Frundsberg sehr froh und äußerte laut zu den Umstehenden, worunter sich auch einige Herrn aus Rom befanden, daß seine Absicht schön in Erfüllung gegangen. Dann wandte er sich wieder zu Margreth, die froh, des lästigen Gastes los zu sein, sich ihm nahte. Das Mahl war nach einigen Stunden zu Ende, als sich zwei hohe Flügelthüren öffneten, und eine liebliche Musik die Gäste in den weitgeräumigen Saal ladete. Man trat hinein, Tanze begannen, reger wurde die Menge, lauter und jubelnder die Lust, freier Arm und Lippen. Also währte die Erlustigung bis zum rosigen Morgen, wo die Gäste traulich schieden von einander und von dem gastlich=freigebigen Wirthe.— Um selbe Zeit erwachte aus tiefem Schlafe der Prokurator Cypriano della Porta, rieb die Augen, blickte auf und schloß von den rothseidenen Vorhängen und dem übrigen Zustande des Zimmers, zu seiner höchsten Verwunderung, daß er sich in seinem Schlafzimmer befinde. Er klingelte. Angelo, sein Diener, trat ein und gab ihm bald genügenden Aufschluß über sein Hiersein. Kaum hatte er sich vom Pfühle erhoben, als geklopft ward, und der Cancellario Carlo di Ricco eintrat, ihm samt dem Morgengruße ein Kästlein mit den Worten hinreichend: Eure Perücke Freund! Woher die? fragte voll Erstaunen der Prokurator. Der Cancellario hieß den Diener abtreten, warf sich auf eine Polsterbank und that dem staunenden Cypriano kund, welche Abenteuer er in verflossener Nacht bestanden. Und das geschah mit Vorbedacht, mit Absicht, nach langer, schlauer Ueberlegung, schloß der Freund den endlos langen Sermon. Diavolo! fluchte der Betrogene, mit dem Saffianpantoffel den Boden stampfend. Büßen soll er die Hohnthat, büßen den kecken bübischen Uebermuth! schrie er mit kreischender Stimme. Noch mehr angefeuert durch die unablässigen Zureden des Cancellars griff er die Klingel, und Pietro, sein zweiter Diener, erschien, an Bart und Muth seinem apostolischen Namensvetter gleich. Tausend Zechinen sind dein— kreischte der Prokurator racheschnaubend ihm zu— machst du die Brust des deutschen Hauptmanns Frundsberg zur Scheide deines Dolches. Gut, Signor! entgegnete kalt der Bärtige, dem heute nicht zum erstenmal solch Anerbieten geschehn war— ich hoffe, daß ihr mir bald, 0 zufrieden mit meinem Dienste, das Sümmlein reichen werdet. Und damit schloß er die Stubenthür hinter sich. Während noch die beiden römischen Herrn zusammenstanden, hatte sich Pietro, seinen schärfsten Dolchstahl im geheimen Gurte, schon auf die Hofflur der Wohnung Frundsberg's begeben, harrend, ihm mit dem Dolche ein blutiges Glückauf zu bringen. Im weiten Mantel gehüllt schritt er auf und ab, als plötzlich Willibald, der Knappe Frundsbergs, der vom Fenster aus dem Italiäner zugeschaut, Verdacht ahnend mit mehrerem Dienergesinde ihn rückwärts plötzlich angriff, zu Boden warf und in seinem Leibgurte die verborgene Waffe fand, worauf man den kecken Sikkario in eine wohlverriegelte Kammer sperrte, wo man ihm bald das Geständniß seines Vorhabens abzwang. Frundsberg gebot seiner Dienerschaft die strengste Geheimhaltung des Vorfalls, bestieg bald darauf sein Roß im Gefolge seines Knappen und ritt dem Markte zu. Dort sollte am heutigen Morgen, wie ein ehrbarer Rath der freien Reichsstadt angeordnet und befohlen hatte, in allen Ehren und mit höchstem Glanze ein Gesellenstechen gehalten werden, woran viele Söhne der ersten Reichsstädter und Kaufherrn Theil nahmen, daß Seine kaiserliche Majestät mit höchsteigenen Augen schauen mögten zusammt den Herrn aus Rom und Spanien, wie man sich auf teutschem Boden zu erlustigen pflege. Damit sollte zugleich auch ein Schönbartlaufen, wie es zumeist nur in den Tagen der muthwilligen Fastnacht geschieht, vereint werden, samt mancherlei drolligen Mummereien und Verlarvungen daneben. Weil nun solches auf Anordnung des hohen Rathes ausgeschrieben und bestimmt war, wurden viel Kosten und Mühe darauf gewendet, daß es das schönste und prachtvollste werde, welches je in Worms Mauern stattgehabt und gesehen worden. Also waren schöngeschmückte Schranken aufgerichtet, wozwischen das Kampfspiel seinen lustigen Anfang und heiteres Ende nehmen sollte. Viele Gerüste standen ringsum, von welchen herab mancherlei MuUnt. Bl. III. B. 1. sik, Pauken und Drommetenschall, wie Saitengeton und Flötenspiel laut wurden. Wie nun Herr Georg Frundsberg auf den Markt geritten kam, schaute er alles schon in bereitem Werke. Eine gewaltige, unzählige Volksmenge war Kopf an Kopf versammelt, so auf Karren und Wagen, Leitern, Fässern und Schragen, Pferden, Mäulern und Eseln saß oder stand auf seinen beiden lieben Beinen, dabei erschalten ein großes Gelärm und Getöse ohne Aufhören. Alle Fenster waren rings um voll ehrbarer Männer und holdseligen Frauen und Jungfrauen, und selbst auf Dächern, Giebeln und Dacherkern ragte Hut an Hut, Haube an Haube, niederschauend auf den Markt. Nur die Vorsicht, womit er durch die Menge reiten mußte, machte ihn auf das Getümmel aufmerksam; denn eigentlich waren seine Augen von Beginn an nach dem Hause des Rathsherrn Paunsteiner, namentlich nach dem Kammerfensterlein der holden Margreth gewandt, welche er schon aus der weiten Ferne darin erblickte. Endlich angekommen stieg er vom Rosse und eilte die breite Treppe hinauf. Und bald sah man ihn an Margreths Seite im Fenster stehn, beide hochvergnügt, schäkernd und lachend, gar redselig und muntere Kurzweil treibend. Alles harrte in großer Erwartung, und war ob dem langen Harren schier ungeduldig, denn bevor Kaiserliche Majestät angekommen,— konnte das Spiel nicht beginnen. Während dessen nun obenbeschriebener Maßen der Feldhauptmann mit der schönen Wormserin im Fenster stand, kam eine weitgeräumige offene Kalesche langsam den Markt hinaufgefahren, darin saßen vier schwarzgekleidete Herrn, unter welchen der Feldhauptmann gleich den welschen Prokurator erkannte, und seiner Fenstergefährtin lachend die Entdekkung kund that, zugleich aber auch mit Ernst des argen Streiches für sich gedachte, den der racheglühende Römer mit ihm anzuheben gesonnen gewesen. Der Prokurator sucht uns sicherlich heim— begann Margreth. Und nicht unrecht hatte sie geahnt; denn 10 das Fuhrwerk sing schon an, sich ihnen zuzuwenden. Da winkte der Hauptmann seinen Leibknappen, der unten vor der Hauspforte mit den Rossen weilte; und klug und spißzfindig band er die Rosse mit den Zügeln an den Thorpfeiler und trat in die Hausthür, als sei er ein Diener des Hauses. Der Wagen hielt, die Heiducken sprangen hinunter, schlossen die Wagenthür auf, und die gelehrten welschen Herrn stiegen aus, wurden aber auf der Thürschwelle von dem harrenden Willibald etwa folgendergestalt empfanErlaubt, hochgelahrte Herrn, eine geringe Vorstellung des geringen Dieners, welche er Euch vorzubringen wagt. Wie Ihr Euch selbst überzeugen könnt, wenn ihr Eure Augen aufund niederfahren glaßt, ist die ganze Behausung meines Herrn vom untersten Kellerfenster bis zum höchsten Dachluftloche mit schaulustigen Gästen besetzt, und kann er deshalb nicht mehr der Ehre gewärtig sein, Euch aufzunehmen, und grüßt Euch übrigens mein Herr bescheidentlich und mit Ehrfurcht. Wie nun auch die Herrn ihre Häupter aufrichteten und die Augen auf= und niederfahren ließen, vergeblich zuschauend, ob nicht etwa ein Plätzlein an irgenb einem Fenster offen sei, blieb ihnen endlich nichts anderes übrig, als sich wiederum in ihre vierrädrige, bewegliche Hausung zu begeben, was sie mit großem Herzeleid thaten; besonders zog der Prokurator darüber ein höchst unwilliges Gesicht. Kaum waren sie eingestiegen, als die Drommeten plötzlich schmetterten, vereint mit Paukendonner, worin der laute Jubelruf des Volkes gar wunderbar einklang. Denn Kaiserliche Majestät erschien in aller kaisevlichen Pracht und Glorie, gefolgt von den Kur= und Reichsfürsten, Grafen und Herrn auf dem reichgeschmückten Erker des Rathhauses., um dem Gesellenstechen und Schönbartlaufen,, so ihm zu. Ehren veranstaltet worden, zuzuschauen. Jetzt ward es ringsum stille, der Jubel schwieg, die Musik spielte und das Gesellenstechen begann. Den vier welschen izu spät gekommenen Herrn blieb nichts übrig, als still in ihrem Wagenhause zu weilen, da es durchaus unmöglich war, auch nur ein Haarbreit vor oder rückwärts zu kommen. Acht. Gesellen kamen auf Rossen in die Schranken geritten, kostbar und prächtig angethan, alle in verschiedenen Farbenkleidern tüchtige Reisige und gewand im Lanzenstreite. Die Lanzen einlegend rannten sie mit gewaltigem Stoße gegeneinander, daß oft Mann und Gaul mirsammen zu Boden stürzten. Während nun diese sich innerhalb der Schranken umhertummelten, begannen auch die Schönbartläufer mit ihren Feuerroosen umherzurennen, daraus viel drennende Raketen nach allen Seiten hin sprühten; ebenso zeigten sich buntscheckige Hanswürste mit Stöcken und Pritschmeister mit Pritschen, und ward hiebei auf Anstiften des Feldhauptmanns Frundsberg dem Prokurator wiederum ein großer Schabernack angethan, um so größer als der vorige, da er sich vor den Augen Kaiserlicher Majestät und des ganzen Volkes zutrug. Wie derselbe besagter Weise in der Kalesche saß, kam ein Schönbartläufer, der zweite Knappe des Feldhauptmanns in die Nähe des Wagens, richtete ganz unscheinbar sein Raketenbehältniß, das er vortrefflich zu handhaben wußte, weil er ein Nürnberger von Geburt war, allwo dergleichen Spiele fleißig getrieben wurden, nach dem Welschen, zündete und prasselnd fuhr die Feuerschlange auf den Prokurator zu grade auf seine hohe Perücke, daß selbe plötzlich in lichten Flammen stand. Schnell riß der Prokurator sie vom. Kopfe, daß er nicht gebrannt werde, und schleuderte sie unter die hochauflachende Menge. Nun saß er da mit splitternaktem Kahlkopfe, drob das Gelächter noch lauter ward, und Aller Augen und Finger auf ihn gerichtet waren. In Angst und Verwirrung die Blöße mit seinem Samthütlein decken wollend, fand er selbes zu klein, also daß es keinen Augenblick auf dem Kopfe haften blieb; drum sprang er schnell aus dem Wagen, um schnell heimzueilen und sich der Verlegenheit und dem. Gelächter zu entziehen. Da stürzten aber auf Verabredung viele Schönbartläufer, Pickelhäringe und Pritschmeister mit 11 ihren sprühenden Feuerrosen, Stäben und Pritschen auf ihn zu und verfolgten ihn also mit Feuerschlangen, Kopfnüssen und Rückenschlägen, daß er, nachdem er wie besessen den ganzen Markt herumgerannt, endlich in eines Käsekrämers Haus Schutz suchte vor den unablässigen Verfolgern. Nach diesem Vorfall munkelte es hie und da vernehmlich in der Stadt, daß dem Prokurator dieser derbe Fastnachtstreich mit Vorbedacht gespielt sei, wie es denn wirklich auch nicht anders war; und man nannte den Feldhauptmann Frundsberg als Anstifter. Kaum gelangte dieses Gerücht zu seinen Ohren, als es ihm etwas heiß unter dem Waffenrocke ward, weil er gedachte, daß es dem Prokurator bekannt, und er ihn bei dem Richter ob dieser Undill belangen werde. Drum zog er mehrere seiner Waffengefährten, welche darum gewußt, und das Späßlein mit ausgeübet hatten, zu Rathe, und lautete der gefaßte Beschluß dahin, den Prokurator dadurch von Anklage und Rechtsverfolgung abzuhalten, daß man ihn wissen lasse, wie man seinen Diener Pietro aufgefangen, und dieser haarklein ausgesagt habe, auf seines Herrn Geheiß dem Feldhauptmann den Todesheller auszahlen zu wollen. Es ward demnach der Prokurator von dem Kriegshauptmann in folgender Art zur Genugthuung aufgefordert: Dient dem Prokurator della Porta hiermit zum ernstlichen Vermerk, daß der Kriegshauptmann Frundsberg wohl weiß und erkundet hat, was für eine Absicht gegen ihn Banditenknecht Pietro sollte bewerkstelligen auf Geheiß seines Herrn. Und geschiehet derohalber an den Letzteren die Weisung, sich am morgenden Tage acht Uhr auf der Veitswiese einzufinden, wohlversehn mit einem gewetzten Schwerte, um mit obgemeldtem Hauptmann in eigener Person den gedachten Handel auszufechten, auf daß ihm völlige Genugthuung werde nach Ritterweise, widrigenfalls man seine Banditengesinnung zur Ahndung des Richters bringen wird. Dieses Entbietungsbrieflein ward dem Prokurator eingehändigt, als er im Kreise von eilf seiner gelehrten Kollegen vor aufgeschlagenem corpus juris beschloß, den verwegenen Feldhauptmann am kommenden Tage iniuriarum atrocissimarum zu belangen. Allein wie winzig auch das Zettlein war, so war es von großer, entscheider Wirkung im Kreise der Zwölfherrn, und man sann und rathschlagte viel, wie demselben am besten auszuweichen. Wie man aber aus dem Munde des Prokurators selbst erfuhr, daß die in dem Brieflein gedachte Historie von dem Banditen und Meucheldolch keinesweges ein Lügenblendwerk sei, sondern in Wahrheit beruhe, stimmte man einhellig dafür, daß der Kollege Cypriano della Porta sich je eher, desto besser aus dem Staube und Thore mache, was um so leichter geschehen könne, da der Reichstag morgen zu Ende gehe mit der letzten Sitzung. Es wurden deshalb noch in der Nacht alle Habseligkeiten des Prokurators eingepackt, die Reisekarosse geschmiert, und wie die Sonne am anderen Morgen die Gipfel der dunkeln Vogesengebirge erhellte, sah sie den Signor Cypriano della Porta, geheimen Prokurator des päbstlichen Legaten, Kardinals Aleander aus dem Thore dahinrasseln, das Herz hochpochend vor Angst und erfüllt von gewaltigem-Heimweh, nachdem er teutschen Wein aus Humpen gekostet, einem Schönbartlaufen zugeschaut und gelesen hatte, wie ein teutsches Fehdebrieflein laute. W. Türkenlieder. 2. Der Korporalstock. Abgeschafft die Bastonade? Abgedankt Kapidschi Pascha? Seidne Schnur und all dergleichen?— Sie behielten's Regiment noch. Und dazu der Korporalstock Herrscht und waltet nun despotisch. Weißt du denn nicht, Sultan Selim, Das dies Blümlein ist exotisch? B 2 Dort im Lande, das wir kennen, Das vor unsrem Schwert gezittert, Von dem Donaustrom getränket, Ist zu Hause jene Pflanze. Neben Korporales Säbel Thut das Pflänzlein gut gedeihen, Schmiegt sich zärtlich—wenn's geschwungen Um Gesäß und Rücken, Hüften. Hessenzopf und Korporalstock, Großer Sultan, sind vom Uebel, Sind verbannt aus vielen Reichen, Wo das Glaubensbuch die Bibel. Allah!— Und der Landsverwies'ne Findet hier in Mahoms Lande, Wo man lebt nach Korans Satzung, Aufnahm' wieder— o der Schande! Robin der Rothe. Hob Roy, Robin der Rothe(durch Walter Scott's Roman in Deutschland bekannt geworden), gehört selbst bis auf den Namen der Geschichte an, und ist eine rein historische Person. Robert Mac Gregor, von seinem rothen Haare der Rothe genannt, war von dem letzten Viertel des sechszehnten Jahrhunderts an bis in sein hohes Alter der Schrecken der Niederlande Schottlands. Die Kühnheit und List, womit er alle seine Raubzüge ausführte und allen Verfolgungen der Gerechtigkeit trotzte, die Beweise von Großmuth und Gutherzigkeit, welche er zu Zeiten dabei blicken ließ, machten ihn schon damals zum Vorbilde aller edlen und kühnen Räuber. Sein Andenken lebt noch in den Erzählungen des Volkes, in Balladen und Liedern und selbst in historischen Werken. Er stammte aus einer angesehenen Familie der schottischen Hochlande; sein Vater war Haupt der Clans der Mac Gregors und Obristlieutenant in königlichen Diensten; vor Zeit war er reich und mächtig gewesen, allein er gerieth in Streitigkeiten mit seinen Nachbarn, welche erst den Verlust eines großen Theils seines Vermögens herbeiführten, dann aber ihn zu Gewaltstreichen reizten, deren Folge eine wiederholte Achtserklärung gegen den ganzen Stamm ward, und zufolge eines Befehls des geheimen Rathes wurde, unter König Withelm's III. Regierung, Alister:Mac Gregor und alle seines Namens mit Feuer und Schwert wie wilde Thiere verfolgt und selbst ihr Name verboten. Diese Handhabung der Gerechtigkeit vergroßerte das Uebel, und die Gregors wurden durch Verzweiflung und Noth zur höchsten Erbitterung und Verachtung aller gesetzlichen Ordnung getrieben. Bei der Aechtung des ganzen Stammes nannte sich Robert, weil er seinen Namen ablegen mußte, Campbell aus Dankbarkeit gegen John Campbell, Herzog von Argyle, dessen Schutz er genoß; allein unter seinen Landsleuten blieb stets der alte, von den Voreltern angestammte Name. Durch die Untreue eines Handelsgesellschafters und die Ungerechtigkeit, mit welcher der Herzog von Montrose eine Forderung dazu gebrauchte, sich des Gutes Inversnait zu bemächtigen, stürzten ihn in's Verderben. Seine Familie ward mit der größten Härte in seiner Abwesenheit aus Inversnait vertrieben und dabei eine Mishandlung an seinem Weibe verübt, die ihn mit untilgbarer Rachsucht gegen die Grahams erfüllte, zu deren Clan die Herzoge von Montrose gehören.(Vgl. W. Scotts Roman Robin der Rothe, Band II. Kapitel XI.) Er flüchtete mit den Seinigen und dem besten Theile seiner Habe in seine Burg zu Craigrostan am See Lomond, wo er in der Mitte hoher Berge und unzugänglicher Felsen und Schluchten seinen Verfolgern trotzte. Von hieraus befehdete er die Besitzungen des Herzogs Montrose, trieb Vieh weg, plünderte die Getreideboden, gab aber über das Weggenommene förmliche Quittungen und hielt mit der größten Strenge darauf, daß dem armen Landmanne nichts genommen ward. Wohl aber erhob er zuweilen Gefälle des Herzogs von dessen Lehnsleuten, und forderte für die den Uebrigen bewilligte Sicherheit einen förmlichen Tribut von reicheren Gutsbesitzern. Eine Menge Geächteter seines Clans fand sich ein zu Allem bereit, und Mac Gregor ward ihr Hauptmann und Anführer. Die Armen nahm er gern gegen die Reichen in Schutz, besonders diejenigen, die von ihren reichen Gläubigern gedrückt wurden. Mehrere Meilen in die Runde ging nichts vor, was der rothe Robert nicht erfuhr; der arglose Reisende ward gefangen und nicht eher wieder freigegeben, bis er sich mit einer Summe Geldes gelößt hatte; war aber der Gefangene wirklich unvermögend, so war ihm der gastfreie Wirth oft noch zur Weiterreise behülflich. Die Regierung war bemüht, diesen Unfug zu steuern. In das Schloß zu Inversnait ward eine Besatzung gelegt und mehrmals versucht, mit bewaffneter Mannschaft in Roberts Zufluchts 13 ort einzudringen, aber vergeblich. Einigemal hatte man sich seiner schon bemächtigt, aber stets wußte er sich entweder durch Gewalt oder List wieder in Freiheit zu setzen. Im Jahre 1715 stieß Hauptmann Mac Gregor mit 300 Mann seines Clans zu dem Aufrührerheere des Grafen Marr, nahm aber keinen thätigen Antheil am Gefechte, wahrscheinlich seinem Beschützer, dem Herzoge von Argyle zu Gefallen, der sich gegen die Stuarts erklärt hatte; aber mit reicher Beute kehrte er in seine Felsen zurück. Späterhin verfolgte man ihn nicht weiter, und er starb in hohem Alter auf seiner Burg Craigrostan. In seiner letzten Krankheit ermahnte ihn ein Priester, seinen Feinden zu vergeben, wovon er nach langer Widerrede überzeugt ward. Es ist ein hartes Gebot— sagte er— aber wahr ist es, es ist Gottes Gebot. Nun denn— fuhr er fort, sich zu seinem ältesten Sohne wendend— da liegt mein Schwert und mein Dolch. Ziehe sie nicht ohne hinreichende Ursache; aber stecke sie nicht ohne Ehre wieder ein. Ich vergebe meinen Feinden, aber dir gebührt es, mich zu rächen. Mit diesen Worten starb er.— Er hinterließ fünf Söhne; von dreien weiß die Geschichte nichts. Der zweite James Mac Gregor war in allerlei Händel verwickelt, nahm thätigen Antheil an den letzten unglücklichen Unternehmungen des Prätendenten und ward in der Schlacht von Prestonpans schwer verwundet. In Frankreich, wohin er sich geflüchtet, starb er arm und dürftig. Der jüngste Sohn Rob Oig (Robert der Jüngere) wurde eines Verbrechens halber zum Tode verurtheilt und am 16. Februar 1754 mit dem Strange gerichtet. Der letzte des Stammes war Gregor Mac Gregor von Glengyle, der Oberhaupt seines Clans war und ganz in die Fußstapfen Robins des Rothen seines Oheims trat. Er ward meuchelmörderisch überfallen und starb an den Folgen seiner Wunden. So endete dieses unglückliche Geschlecht, dessen gesetzwidrige Lebensweise nicht die Folge eines ursprünglich bösen Sinnes, sondern der Ungerechtigkeit und Grausamkeit, mit welcher es von Mächtigen behandelt wurde, war. M i 8 zekkee n. Thätigkeit und Faulheit. In der diesjährigen Sitzung des Conseil de Perfectionnement de l’ecole de commerce verglich Herr Blanqui den Zustand der industriellen Civilisation von England, Frankreich und Spanien. Unter andern bemerkte er: In Frankreich sind 32 Millionen mehr oder minder aufgeklärte Bürger, mehr oder minder gut gekleidet, genährt und behaust. In England, Irland eingeschlossen, 22 Millionen Einwohner, unter denen mehrere Tausende Palläste bewohnen, und mehrere Millionen nicht einmal eine Hütte haben. In Spanien 10 Millionen Menschen, von denen 1 Million und 500000 Faullenzer von Profession abzurechnen sind und 800000 Domestiken, die nur dazu da sind, um jenen die Mücken abzuwehren. In Frankreich ist Marseille von 80000 Einwohnern seit 1812 auf 125000 gestiegen, Lyon und Havre 2c. haben sich vergrößert. In England sind die Fortschritte noch bedeutender, Liverpool hat seine Einwohner in 60 Jahren verzehnfacht, Glasgow hat sich seit 30 Jahren um 80000 Seelen vermehrt, Manchester und Birmingham sind nicht zurück geblieben. In Spanien ist Burgos von 40000 Einwohnern auf 8000 gesunken; Malaga, Barcellona, Cadix, Alles ist verfallen. Der Professor schätzt die jährliche Produktion eines englischen Arbeiters auf 500 Fr., eines Franzosen auf 225 Fr. und eines Spaniers auf 80. Sitten und Gebräuche. Der heilige Nagel in Mailand. Am Tage des heil. Kreuzfestes geschieht in Mailand eine religiöse Zeremonie, welche an die Schauspiele des Mittelalters= erinnert. Ein Ballon, welcher einen Kanonikus, einen Notar und Zeugen in die Lüfte fährt, erhebt sich, durch künstliches Maschinenwerk, aber auf eine majestätische Weise unter Hymnengesang bis zur Kuppel des Domes, wo aus einer Nische ein Nagel aus dem Kreutze Christi genommen wird. Er wird dann auf dem Hochaltare ausgestellt, in Prozession herumgetragen und die ganze Stadt nimmt Theil an dem großen Feste. Jedesmal bei der Herabnahme und Hinaufbringung des Nagels wird ein Dokument über seine Aechtheit aufgenommen. Die hölzerne Hochzeit in Venedig. In den ersten Zeiten der Republik Venedig wurden alle Heirathen am Feste der Reinigung geschlossen. Später, als bei vermehrter Bevölkerung dieser Gebrauch schwer ausführbar wurde, traf man Veranstaltung, daß um das Andecken daran zu bewahren, an diesem Tage zwölfjunge Mädchen verheirathet wurden, welche auf Kosten 14 des Staates ausgestattet waren. Sie wurden mit einem weißen Schleier und Kleide angethan und mit Edelsteinen geschmückt, die der Staatsschatz dazu herlieh. In Prozession wurden sie in die Kirche geführt, und nach der Trauung begaben sie sich zum Dogen, dem sie ihren Dank für die Wohlthat der Republik darbrachten. Mit der Zeit ward die Reinheit dieser Zeremonie durch Maskeraden und unsittliche Spiele so gestört und befleckt, daß der Magistrat statt der 12 Mädchen, zwölf hölzerne Bilder, welche sie darstellten, in der Kirche vermählen ließ. Diese Bilder wurden die Gegenstände des Spottes der Menge, und man war genöthigt ihn zu dulden. Daher kommt der Name: hölzerne Marie, den die Venezianer einer einfältigen, magern und häßlichen Frau geben. Wie die Thaten so der Lohn. Im Dorfe St. Mateo Tezguiacaque am See St. hlateo im Thal von Toluca in Mejico feiern die Indier am 21 Septbr. das Fest ihres Kirchenpatrons, des heiligen Matthäus. AUm diese Zeit ist der Mais zum Theil noch in der Blüthe, zum Theil hat er zarte Kolben angesetzt. Reift es um diese Zeit, so wird die Blüthe zerstört, weht starker Wind, so werden die Stengel mit den Kolben umgeworfen, daher ist der Matthäustag ein entscheidender für die Ernte. Deshalb machen die Indier am Verabende des Festes dem Heiligen die schönsten Versprechungen eines glänzenden Festes, wenn er die Nacht über gutes Wetter giebt. Ist dies der Fall, so wird das Bild des Heiligen am Morgen mit Musik und Feuerwerk aus der Kirche geholt, und in feierlicher Prozession an den See gebracht. Dort sammelt sich das ganze Dorf, uno zecht und jubelt bis am Abend. Geschieht es aber, daß die Nacht windig oder kalt war, so wird der Heilige ohne alle Freudenbezeugungen an den See getragen, und unbarmherzig hinein gestürzt. Er muß auch mehre Stunden im kalten Bade aushalten, ehe er zur Kirche zurückgebracht wird. Achtung der Frauen. In Indien verbrennen sich die Frauen, wenn der Mann stirbt. In Tonquin ist es eine böse Vorbedeutung, wenn man des Morgens beim ersten Ausgehen einer Frau begegnet. In China werden Weiber vor den Pflug gespannt. In den östlichen Gegenden Asiens werden Weiber wie Waare angesehen. Die Kirgisen werden wegen Frauenmordes nur an Geld gestraft. Die Koreer können ihre Frauen wegschicken, wenn sie wollen. Bei den Regerstämmen in Afrika darf die Frau nicht mit dem Manne essen, und wenn der Mann schläft, muß ihm die Frau die Mücken abwehren. Bei den Mandingos wohnt jede Frau besonders, und muß den Mann auf den Knieen bedienen. Der König der Aschantees muß 3333 Frauen halten, um sie als Belohnung vertheilen zu können, wie bei uns die Orden. Wenn eine Frau das Geheimniß ihres Mannes verräth, wird ihr eine Lippe, und wenn sie es erhorcht hat, ein Ohr abgeschnitten. In Neuseeland lehrt man die Knaben, von früher Jugend an, ihre Mütter verachten. In Nukahiwa tödten und fressen die Männer zur Zeit der Hungersnoth ihre Frauen und Kinder. Wenn die Morlacken eine Frau nennen, so fügen sie hinzu: mit Respekt zu sagen. Anek dote n. Täuschung. Bei der Aufführung der„Tochter der Luft“ von Raupach, in Weimar am 24. Nov. v. J. hatte der Maschinenmeister des Theaters einen besondern Triumph. Bei der Schlußscene wo Semiramis sterbend als Anachis dem Himmelsbräutigam seelig in die Arme sinkt, ergoß sich ein so blendendes purpurnes Licht von oben, daß das Publikum das plötzliche herabströmende Feuermeer für eine wirkliche Feuersbrunst ansah und in Verwirrung und Furcht die Flucht ergreifen wollte. Glücklicherweise ward es bald wieder beruhigt. Babylonische Zeitung. Auf der westindischen Insel St. Thomas, mark zugehörig, erscheint zweimal in der Woche eine Zeitung in Folio. Der Titel ist dänisch. Die politischen Neuigkeiten in englischer Sprache, die Anzeigen sind dänisch, englisch, spanisch und franzssisch. Die Bekanntmachungen der Behörden sind dänisch, mit englischen, französischen und spanischen Uebersetzungen. Der heil. Ferdinand als Negro. Auf dem Fronton des Pallastes der Cortes in Madrid stand die kolossale Statue des heiligen Ferdinands das Kreuz anbetend. Kurz vor dem Einzuge der Franzosen ward die Statue und das Kreuz vom Pöbel zerstört, und am andern Tage enthielt das Diario bei der Erzählung dieser That Stele;,„da die Statue des Peik, Ferdi; 15 bleiben können, so war sie Negra wie diese, und mußte ihr Schickfal theilen.“ Kur i o s: a. Landluft und Buttermilch. Ein Theaterkorrespondenzschreiber berichtet die höchst interessante Weltbegebenheit: er lebe zur Zeit in einem Dörfchen,„um Landluft und Buttermilch zu genießen“ und preist letztere allen Hypochondristen als ein wahres Remedium nebenbei an. Dieser schreiblustige Herr ist der Breslauer Correspondent Harding. vol. Abendzeitung Nro. 220. Nächstens haben wir ausführliche Nachricht über seine Gesundheit, Appetit, Verdauung, Stuhlgang. u. dgl. aller Wahrscheinlichkeit nach zu erwarten; vielleicht werden darüber officielle Bülletins ausgegeben— und mit Recht; denn ein Theaterkorrespondent gehört zu den hohen Personen, auch wenn er nicht auf der Gallerie seinen Platz einnimmt; er ist ein Mann von Ansehn; denn er sieht Alles, was auf, vor und hinter der Bühne sich zuträgt, an, ein Mann von Einfluß, in Beziehung auf das Honorar, das aus den Händen des Abendzeitungsverlegers in seinen Beutel einfließt, ein Mann von Wort, denn er läßt es in seinen Berichten an Worten nicht fehlen. Der Champagnerflaschenkork. In einer hochadlichen Gesellschaft hatte der Wein die Köpfe ziemlich illuminirt, und man trieb daher allerlei Kurzweil. Unter andern wurden die Stöpsel und Korke von den Champag= nerflaschen gesprengt. Ein junges. Fräulein bezeigte gleichfalls Lust, einen solchen Coups zu versuchen. Man reichte ihr eine Flasche; wirklich flog der Kork heraus; in die Höhe, aber— so Wunder! er fiel nicht nieder. Man- staunte, sah umher aber vergeblich. Nicht lange darauf stochorte der dicke Kammerher Y. in den Zähnen; sein aufwärts gerichteter Blick streifte am. Getäfel umher, und siehe— der verlorene Kork hatte bei einem kleinen Engel in Stukatur an einer Stelle Platz und Aufnahme gefunden, deren Namen unter allen Wörtern vielleicht am wenigsten gedruckt worden ist, und deshalb auch hier ungedruckt bleiben soll. Altdeutsche Spruche. (Aus Fischarts Geschichtsklitterung.) Wenn die Henne will krähen und prophezeien, Muß der Hahn schweigen oder Auweh schreien. Voll bringt Groll. Groll schlägt nicht toll. Wohl gemäst, ist wohl getröst und steht fest. Wer die Angel zieht zu früh, fängt das Fischlein nie. Der Neid wird am Hof geboren, im Kloster erzogen, im Spital begraben. Kurze Notizen. In Paris hat ein Liebhaber der Physik, nach Courier, Versuche über die Brennbarkeit des Wassers gemacht und er hofft, durch dasselbe einen großen Theil unsers Bedürfnisses an Brennmaterial decken zu können. — Es ist merkwürdig, daß der Pabst und der türkische Sultan Dekrete gegen die Bibelgesellschaften gegeben haben. — Der Konstitutionel erzählt, daß Hr. v. Villele seine gefallene Exzellenz am 4. Jan. im Hotel der Terrasse logirt habe, wo vorher die Osagen ihre tättowirten Gesichter der immer beweglichen Neugierde der Pariser zur Schau gestellt haben. — Die Spanier haben zwei wichtige Schritte im Anstande und der Gesittung vorwärts gethan. Es dürfen in diesem Lande keine Mützen mit Schirmen getragen werden, und das;, so sehr beliebte, Fluch= Schimpf= und Lästerwort carajo (unübersetzbar wie das französiche bougre) darf nicht mehr ausgesprochen werden. — Der Kaiser von Brafiliem soll eine Prinzessin von Sardinien heirathen wollen. Geschicht.e unserer Zeit. Uebersicht der innern und äußern Verhältnisse der Staaten Europa's beim Anfange des Jahres 1828. Geit der französischen=Revolution, und mehr noch seit dem Sturze der französischen Ueber 16 macht, haben sich die Völker Europa's mehr als jemals einander genähert, mehr als jemals einander kennen gelernt. Nicht nur durch Handelsverbindungen, sondern auch durch geistigen Verkehr, sind die Völker in nähere Gemeinschaft getreten, zahlreicher, kürzer sind die Kommunikationen des einen mit dem andern gewerden, Wissenschaft, Kunst, Gewerbe, Sitten, gesellschaftliche Formen werden gemeinschaftlich gepflegt und haben ein vereinigendes Band über unsern ganzen Erdtheil gezogen. Auch die Regierungen Europa's sind vereinigt durch eine innigere Verbindung als früher; der Begriff des Völkerrechtes hat sich deutlicher und fester ausgebildet, mehr als je sind Rechtlichkeit und Billigkeit wesentliche Bestandtheile der Politik, eine höhere moralische Macht herrscht über alle Staaten und vereinigt alle zu einem einzigen großen Bunde. Aber wie eng auch der gesellschaftliche, sittliche und wissenschaftliche Zusammenhang der europäischen Menschheit, wie übereinstimmend im Allgemeinen auch das Streben der Regierungen sein moge, so bleiben doch überall noch Verschiedenheiten, selbst grelle Kontraste genug übrig, um den Gedanken an eine europäische Nation, an einen ganz nach gleichen Grundsätzen regierten Staatenbund für's erste noch nicht aufsteigen zu lassen. Es läßt sich nicht verkennen, daß Bildung und Kultur auf allen Punkten Europa's, selbst in den vom Unglück heimgesuchten Winkeln, mächtig im Steigen begriffen sind, aber wie verschieden sind die Stufen, welche sie hier oder dort erreicht haben? Es läßt sich noch weniger läugnen, daß alle Regierungen das geistige und leibliche Wohl ihrer Völker ernstlich wollen; aber wie verschieden sind die. Wege welche sie geben, die Mittel welche sie wählen? Rußland und Großbrittannien zuerst, dann Oestreich, Frankreich und Preußen sind die Mächte welche den Vorsitz im europäischen Rathe führen. Rußland, das gigantische Reich, wächst fortwährend an Größe und Macht, so wie an innerer Kraft und an Bildung. Immer geordneter wird seine Verwaltung, fester, sicherer die Regierung. Eine unsinnige, kindische Verschwörung konnte seine Ruhe nicht erschüttern, sie diente nur dazu, die Glieder des großen Reiches fester mit einander zu verbinden. Gesetzmäßige Ordnung, Ruhe und Sicherheit waltet in dem weiten Raume des Staates, Künste, Wissenschaften und Gewerbe keimen, blühen und tragen Früchte auf dem verschiedenartigsten Boden, und die bekenner der mannichfachsten Religionen wohnen friedlich bei einander. Das kraftlose Persien ist für seine unüberlegte Beleidigung bestraft, ein demüthigender Friede nimmt ihm die Provinzen diesseits des Aras, nöthigt es zu großen Geldentschädigungen und zu der Kränkung, russische Truppen im Lande bis zum Urmia= See zu dulden, die das Abderbidschan als Unterpfand besetzt halten. Rußland gewinnt eine fiste natürliche Grenze gegen Persien, es sichert seinen aufblühenden Welthandel zu Tiflis; der jugendlich kräftige Riese umfaßt immer mehr das alterschwache osmanische Reich. Mit ungeschwächter Kraft kann jetzt Rußland den Kampf für die unterdrückten Griechen beginnen, zu dem es durch Mitgefühl und Religionsverwandschaft eben so sehr, als durch den schwach begründeten Starrsinn der hohen Pforte berufen ist. Großbrittannien streckt noch immer seinen mächtigen Arm über die ganze Erde aus. Im innern des Staates herrscht eine liberale Aristokratie. Grundbesitz und Geld haben die Macht. Wer beides nicht besitzt, genießt von den Vorzügen der brittischen Verfassung nur das Recht, zu reden was er will. Obgleich der Staat, als Ganzes, mächtig und fest ist, so findet sich im Innern desselben doch keinesweges eine ungestörte Ruhe. Minister werden vom Volke getadelt und verhöhnt; Landbesitzer verlangen das Verbot der Korneinfuhr, Manufakturarbeiter die freie Einführung des Getreides; Pairs, Gutsherrn und bevorrechtete Städte wollen die unverletzte Beibehaltung der Verfassung, Reformers versammeln sich tumultuarisch und bestürmen mit Verbesserungsadressen und Vorschlägen die Parlamente; die anglikanische Kirche will ausschließlich herrschen, die Katholiken in Irland murren und klagen über schmähliche Bedrückung; der Besitzer ungeheurer Landesstrecken schwelgt in asiatischem Luxus, der Tagehöhner verhungert; Mechanik und Physik bringen erstaunungswürdige Maschinen hervor, der darbende Fabrikarbeiter zerstört sie. Auf eine schwindelnde Höhe sind Handel und Fabrikwesen getrieben, aber Bankerutte sind an der Tagesordnung. Ueber ungeheure Summen gebietet das Parlament, aber die Staatsschuld betragt fast 1000 Millionen Thaler. Großbrittannien, das in allen Theilen der Erde Besitzungen, lonien, Militairposten und Faktoreien hat, ist natürlich dadurch in fast alle Kriege der Erde verwickelt. Der drohende Kampf in der pyrenaischen Halbinsel scheint völlig beseitigt zu sein; friedlich scheint der Streit der liberalen und absoluten Parthei in Portugal geschlichtet zu werden und die englischen Truppen verlassen das Land, wie die Franzosen das unglückliche Spa 17 nien seinem Schicksale überlassen. Aber von neuem werden die Kräfte Englands im Osten in Anspruch genommen, schon liegt die trotzige Flotte der Osmanen im Hafen von Navarino zertrümmert, neue Ausrüstungen bedrohen den türkischen Staat.— Großbrittannien hat im vergangenen Jahre einen empfindlichen Verlust gehabt, es verlor einen Minister, der, immer konsequent und weise, mit kräftiger Hand das Ruder führte. Als Haupt der liberalen Parthei in der zivilisirten Welt wußte er die Macht in seinen Händen mit kluger Mäßigung zu brauchen und zum Beßten seines Vaterlandes, wie zum Wohle der Menschheit, anzuwenden. Seit seinem Tode schwankt das Ministerium Großbrittanniens, denn keiner von denen die ihm folgten steht so fest, handelt so kräftig, wie Canning. Oestreich ist der Staat, der allem unruhigen Treiben, allen luftigen Spekulationen, aller Veränderungssucht zum Gegengewichte dient. Verwaltung und Regierung sind wohlgeordnet, ihre Thätigkeit ist ruhig, unabweichlich von den alten Formen, immer gleichen Schrittes. Die Regierung hält alle Macht fest in ihren Händen, sie betrachtet sich als den Stellvertreter des göttchen Willens in Bezug auf das zeitige Wohl ihrer Unterthanen und nach diesem Prinzip regulirt sie unumschränkt, nur nach eigener Ueberzeugung, aber in dieser wohlwollend, die geistige und körperliche Thätigkeit derselben. Dankbar erkennen die Unterthanen die väterliche Sorge der Regierung, und wenn auch, besonders in einigen neu erworbenen Provinzen, de. Mensch gern sich etwas willkührlicher regen möchte, als das vorsichtige Gesetz verstattet, so verkennt doch kein Oestreicher den gutmeinenden Willen der Regierung und vertraut sicher ihrer höhern Weisheit, die nur in dem längst Bestehenden, durch lange Zeit bewährten, Heil für sich und ihre Länder sieht und findet.— So wie dieser Staat im Innern auf Erfahrung gestützt, mit bedächtiger Ueberlegung handelt, eben so ist seine äußere Thätigkeit. Es ist sein Grundsatz gegen den Umsturz alles Bestehenden zu wirken, es mit aller Macht so lange aufrecht zu erhalten, bis es möglich ist, etwas allgemein anerkannt Besseres an dessen Stelle zu setzen. In diesem Sinne ist Oestreich der Beschützer alles Besitzthums und obgleich Friede und Ruhe seiner Regierung mehr als Alles gilt, so zaudert sie doch nicht ihre Streitkräfte, zur Bewahrung alter anerkannter Rechte, in Bewegung zu setzen. Oestreich ist oft und bitter getadelt worden, und es läßt sich nicht läugnen, daß die Handlungsweise dieses Staates in Unt. Bl. III. B. 1. manchen Punkten von der anderer Staaten abweicht: aber aus einem höhern Gesichtspunkt betrachtet ist diese Handlungsweise nothwendig, sie liegt im Plane des Weltregierers: eine Kraft muß da sein: die das Alte fest hält; damit im Sturm der Leidenschaften, in der Gährung des Geistes, die ein Gefährte der aufstrebenden Kultur ist, nicht Alles rücksichtslos umgeworfen werde, und die Menschheit nicht, statt in dem geträumten Paradiese, auf den Trümmern der zerstörten Welt stehe; denn zum Reifen braucht die Frucht Zeit. Preußen scheint das große Problem glücklich gelößt zu haben, seine Völker naturgemäß vorwärts zu leiten, Neues zu bauen, ohne Nachtheil für den Besitzer des Alten.„Seine aufgeklärte, wohlwollende Regierung hat längst schon erkannt, daß in der geistigen Natur ein Stillstehen nicht ohne Schaden möglich ist, daß vorzugsweise der Menschengeist und Alles, was durch ihn erschaffen und belebt wird, zu einem immerwährenden Fortschreiten, zu immer größerer Vervollkommnung bestimmt ist. Aber sie hat auch erkannt, daß Ungebundenheit und rücksichtslose, thierische Freiheit, die größten Feinde eines, noch nicht ganz zivilisirten, Menschenvereins sind, daß plötzliche Verbesserungen, stürmisches Verwerfen des Alten, mehr schädlich als nützlich sind. Darum befolgte sie das, leider so häufig verkannte, Gesetz der Natur, langsam zu Werke zu gehen, nichts zu übereilen, keinen Zustand herbeizuführen, ehe es an der Zeit für ihn ist. Darum aber haben auch ihre Bemühungen die segensreich= sten Folgen gehabt, darum findet man in keinem Lande der Welt so viel vernünftige Freiheit, so viel Gleichheit reeller Rechte, so viel Achtung für die Würde des Menschen, als in Preußen. Mit weiser Hand räumt die Regierung nach und nach, mit Schonung für den dabei Intressirten, hinweg, was sie als mangelhaft, dem allgemeinen Wohlsein hinderlich, oder dem höhern Stande menschlicher Erkenntnisse und Ueberzeugungen unangemessen erkannt, und setzt jedesmal an die Stelle des Hinweggenommenen das Bessere, Nützlichere und Würdigere. Preußen ist das einzige unter den größeren Ländern Europa's, wo neben Aufklärung und Geistesthätigkeit, eine allgemeine innere Ruhe besteht, wo keine Faktion herrscht, ja nicht existirt, und das unaufgehalten einer höhern Vervollkommnung friedlich zuschreitet. Von dem blühenden Zustande Preußens zeugt nichts so auffallend, als der Umstand, daß in der ganzen Welt nirgends die Bevölkerung in dem Maaße zunimmt als in diesem Staate, eine ZuC 18 nahme, die dem Lande in 25 Jahren eine doppelt so große Einwohnerzahl verheißt, als es jetzt besitzt. Die Vortrefflichkeit der Regierung ist so evident, daß sie, ein seltener Fall, allgemeine Anerkennung findet; man kann ohne Uebertreibung behaupten, daß Preußen der einzige Staat ist, auf den das oft mißgebrauchte Bild einer Familie, anzuwenden ist; so viel väterlicher rein wohlwollender Sinn findet sich im Staatshaupte, so viel, aus Ueberzeugung entspringende, ehrfurchtsvolle Liebe, fern von Affekration, in den untergeordneten Gliedern. Alle äußern Beziehungen Preußens sind friedlich. Sein kräftiges, entscheidendes Handeln im letzten großen Kampfe, die Rechtlichkeit seiner Politik, die vorzügliche Ordnung seiner innern Angelegenheiten, seiner Finanzen und der daraus entspringende allgemeine Staatskredit, die feste Treue seiner Staatsbürger, sein musterhaftes, immer streitfähiges mächtiges Heer; sichern ihm den hohen Rang unter den Staaten Europa's, den es würdig einnimmt, sichern ihm die Achtung aller Staaten, und halten jeden Feind in scheuer Ferne. (Beschluß folgt.) Kurze Uebersicht der Weltereignisse. Türkei. Die Osmanen rüsten sich zum Kriege, geben aber die Hoffnung des Friedens noch nicht auf. Der Sultan hat bedeutende Anerbietungen zum Vortheil der Griechen gemacht, die aber von den vermittelnden Mächten nicht genügend gefunden worden sind. Der Krieg scheint jetzt unzweifelhaft. Die Botschafter von England, Rußland und Frankreich haben Konstantinopel verlassen. Preußen hat eine energische Erklärung für die Sache der Vermittelung an die Pforte erlassen. Ibrahim Pascha soll von den russ. und engl. Admiralen das Anerbieten gemacht sein, ihn mit seinen Truppen nach Egypten zurück zu führen. Er soll nicht abgeneigt gewesen sein, dasselbe anzunehmen. Die Wechabiten in Arabien, welche sich neuerdings gegen die Pforte empört haben, machen bedeutende Fortschritte. Der Pascha von Egypten hat sich genöthigt gesehen; ein starkes Truppenkorps gegen dieselben zu schicken. Die heil. Stadt Mekka ist bereits in ihrer Gewalt. Auch von der persischen Grenze her, wird das osmanische Reich jetzt, nach dem Frieden mit Persien, durch Rußland bedroht. Die Griechen in Epirus und Etolien, welche sich der Pforte unterworfen haben, scheinen, nach den jetzigen Aussichten etwas zu voreilig gewesen zu sein. Wahrscheinlich werden sie sich jetzt eines Andern besinnen. Frankreich. Das alte Ministerium, an dessen Spitze Hr. v. Villele stand, ist aufgelöst und durch ein neues ersetzt worden. Nur drei der ehemaligen Mitglieder sind geblieben. Eben darum aber ist die liberale Parthey eben so wenig mit dem neuen, wie mit dem alten Ministerium zufrieden, und der Federkrieg der liberalen Zeitblätter mit den ministeriellen geht seinen Gang fort. Hr. v. Villele, Corbiere und Clermont=Tonnere sind zu Pairs ernannt worden. Großbrittannien. Das Ministerium ist noch nicht auf festem Fuße organisirt. Gegen die Türkei scheint man ernstlich sich zu rüsten. Die Abholung der Truppen aus Portugal soll aufgeschoben worden sein, weil man, nach den Umständen, sie entweder nach England zurück oder nach den ionischen Inseln senden will. Italien. Im Königreiche beider Sicilien sollen die Umtriebe der Karbonari noch nicht aufgehört haben. Die Verhaftung eines Cavaliere Giuseppe Basile de Luna der als neapol. Verwiesener in Rom lebte, soll neues Licht über die Karbonari verbreitet haben. Spanien. Verhaftungen, Deporkationen, Hinrichtungen 2c. sind nach immer an der Tagesordnung oder vielmehr Unordnung. Der König schlägt sein Hoflager in Barcelona auf und General Espana wüthet im Lande umher. Alles Verfolgen scheint indessen noch immer nicht die Ruhe herstellen zu wollen, für eine zerstreute, gefangene oder todtgeschlagene Bande stehen immer neue wieder auf. So sehr aber die Regierung auch mit ihren Angelegenheiten beschäftigt ist, so bleibt ihr doch noch Zeit genug, auch für ihre Nachbarn zu sorgen. Sie wird, wie es heißt den Frieden zwischen dem Dey von Algier und Sr. allerchristlichen Majestät von Frankreich vermitteln. Dieser Friede wird gewiß für Frankreich sehr vortheilhaft und ehrenvoll sein. Korrespon denz. Indem die Red. den geehrten Mitarbeitern ihren aufrichtigen Dank für die kräftige Unterstützung sagt, welcher sie sich zu erfreuen gehabt hat, ersucht sie Dieselben freundlichst, mit Ihren Bemühungen auch in diesem Jahrgange fortzufahren. Das Unternehmen ist gegenwärtig gesichert, es wird sich in der Folge noch immer fester gründen, da der Hinzutritt würdiger Männer der Zeitschrift eine immer größere Gediegenheit und damit auch den steigenden Beifall. des Publikums verspricht. Unter der obigen Rubrik wird die Red. sich erlauben, den geehrten Mitarbeitern ihre Bemerkungen in der Folge mitzutheilen. Namen verehrter Beförderer, Drei und zwanzigste Unterzeichnung. Nro. Ex. Aachen. 770. Herr Forstmann, Buchhändler. 1 Altena. 771. Herr I. W. von Dreusche 1 772. Herr Opterbeck, Steuereinnehmer.. 1 Aplerbeck. 773. Herr Dieckerhoff, Prediger 1 Arnsberg. 774. Herr Baaden, Director 1 775. Herr von Varenoorr 1 Barmen. 776. Herr L. von Hagen, Makter 1 Bergheim. 777. Herr A. Füsten, Gutsbesitzer 1 Bielefeld. 778. Herr von Nüyß., Land.= und Stadtgerichts=Registrakor 1 779. Herr Schnorr, Superintenden 1 Bilstein. 780. Herr Walloth, Forst=Inspector 1 781. Herr Dr. Weiskirch, Kreisphysikus 1 Bochum. 782, Herr von Beuahem, Astenor 1 783: Herr M. de Boy 1 784. Herr von der Leithen, Landrath 1 Brilon, 785. Herr von Stockhausen, Hofrath und Justizamtmann 1 Büren. 786. Herr Gehlen, Justiz=Asfessor„ 1 787. Herr Raurert., Land= u. Stadrichter. 1 Coblenz. 788. Die Büchhandlung des Herrn Karl Badecker„„„„ 1 Cranenburg. 789. Herr Soistmann, Hauptmann. 1 Dahlhausen bei Bochum. 799. Freiherr von Elverfeld, Erbdrost 4 Dortmund. 791. Herr Hiltrop, Landrath u. Ritter des rothen Adler=Ordens 1 792. Herr Saerberg, Postdirector 1 Düsseldorf. 793. Herr Dedekind, Regierungs=Director: 1 Elberfeld. 794. Werr Doering, Apotherer.„ 1 795. Die Herrn Gebrüder Traberr 1 796. Herr Peter Willemsen.„„ 1 Emmerich. 791. Werr Radtke, Postsekretair 1 798. Werr Koch, Doctor meu.. 1 Nro. 799. 800. 801. 802. 803. 804. 805. 806. 807. 808. 809. 810. 811. 812. 813. 814. 815. 816. 817. 318. 819. 820. Er. Erwitte. Herr Iskenius, Pfarrer 1 Essen. Die Buchhandlung des Herrn G. D. Badecker„ 1 Freudenberg bei Siegen. Herr Klappert, Bürgermeister 1 Fuchten. Herr Schlünder, Professor„„ 1 Gesecke. Herr Bicker, Pfarrer u. Schulinspector 1 Haddenhausen bei MindenHerr Süs, Amtmann 1 Hamburg. Die Buchhandlung des Herrn Herold noch„„„„ 1 Hamm. Herr Chr. Uhlendorfr 1 Hattingen. Herr Hagemeyer, Assessor 1 Horn bei Soest. Herr Wessel, Bürgermeister 1 Huffe bei Herford Freiherr von Vely=Junghann". 1 Iserlohn. Herr Adriani, Amtsrary 1 Herr Florschütz, Superintendent. 1 Kaldenkirchen. Herr P. G. von der Kuhlen—" 1 Kuhhofs hei Bielefeld. Herr von der Decken, Landrath 41 Limburg. Herr Temme, Land= und StadtgerichtsAssessor„„„ 4 Minden. Freiherr von Eller=Eberstein, Major und Commandeur des 1. Bat. 15. Landwehr=Regiments 1 Herr Dr. Hanff, Consistorial=Rath. 1 Herr von Hohenhaufen, RegierungsRary„„„„ 1 Herr Dr. von Möller, RegierungsRary„„„ 1 Herr Rieke, Geheimer RegierungsRarh.„„„„„ 1 Münster. Herr Oelkers, Thor=Controleur 1 Hiezu die vorige Liste mit" 824 Summa„ 875 (Fortsetzung folgt.) Kürze (Ausgegeben den 31. Unsre Wünsche Kampf und Sieg(Fortsetzung) Der welsche Gast Türkenlieder Robin der Rothe Miszellen„ Anekdoten Kuriosa Altdeutsche Sprüchwör en eschichte unserer Zeit.) Uebersicht der Staatenverhältnisse Europa's beim Anfange des Jahres 1828 ürze Uébersicht der Weltereignisse. Literatur=Blatt Nro. t. Chrenik Westphalens und der Rheinlande Anzeige-Blatt Nro. 1