Unterhaltungsblatt. 7 IIGARE ZUM WESTFELISCHEN MERKUR. Das Torfschiff. Aus den neuesten historischen von E. Gehe. Leipzig bei C. Ein kalter Februarmorgen 1590 färdte mit blaßröchlichem Scheine die Thärme und Wälle der brabantischen Stadt Breda. Auf den Ravelins bünkte noch Schne und Eis. Tief in ihre Mäntel gehüllt, verdrossen und halb erfroren, schritten die italienischen Wachen des Marchese Guasto auf und ab. Ihre und hageren Züge, vom tragikomischen Frostleiden entstellt, stachen sehr gegen die runden und blühenden Gesichter des brabantischen Landvolks ab, das am großen Markttage nach Breda zog, und zwischen diesen Steindämmen und Candlen, diesen Morgennebeln und Wasserdünsten sich ganz behaglich und einheimisch fühlte. mige, breitschultrige Brabanter, den Pfeifenstummel im Munde, den Hut mit dreitem Rande auf dem Kopfe, scheitten rasch vorwärts. Ihre rohe, doch kräftige Natur machte sich von Zeit zu Zeit in einem stigen Schreien geltend und in derden Worten, mit denen sie unverholen die Plage ihres Landes, die Spanier und Itattener, durchhechelten.„Seht,“ sprachen sie,„dte welschen Hungerleider dort an den Thoren. Wie sie über den Paar Schneeflocken hin und her trippeln! Thun sie nicht, als beiße die frische Morgenluft ihn die Nase ab! Aber rücken wir nur mit unsern Waaren nach der Stadt oder äuft eins unster Mädel an ihnen vorbei, — Blitz! stürzen sie wie die Geier darauf Die Pest an den Hals dieser Prahlhälse und Gauner! Aus allen Provinzen müssen wie sie noch Linauegelischen, wie die See die faulen Flsche auswirft, daß sie am Ufer llegen mit weißgrauem Bauche.“ Während so auf dem Fußsteige die Brabanter Männer schalten, trabten schwere braune Rosse, mit ungeheuren, Hufen an den elephantenartigen Füßen, die S dämme entlang der Stadt zu. Ihnen Seite tauchten aus den ziefer geleg Canälen die Mastdäume der Schupten welche die Rosse zogen. Auf den Schiffen stlbst aver neben vollen Frucht Aeven, Täuden= und Hühnersteigen saßen Ad Sach ue viomn ue err ech rothem, schwarzem oder grünem Mieder, an Stmmschand un den Tasichigen mische weißen Hals und schneeiges Linnenzeug straff über die volle Beust gezogen. Die Dirnen verhlelten sich nicht stumm, lachtenund sangen. Einige Püffe und kleine Faust schläge, die sie ganz im Scherze unter einander anstauschten, dürgten für die fröhliche Kraft auch dieser Gesellschaft. Zugleich rasselten auf der Landstraße die kleinen, dort üblichen zweiräorigen Wagen, in Roth, Blau, Grün und Goldgelb gemalt; denn der farbenlustige Niederländer pinselt Jahr aus Jahr ein und Tag für Tag an seinem Haus und Geräth. In den Wagen saßen die reicheren Landbesitzer, die Dächter und Pächterinnen, letztere schmuck und volldusig und sich mit einer Miene aus dem Fuhrwerk lehnend, als wollten sie sagen: dei mie ist Jäu' und Segen. Nimmt man dazu die Schaaren der andern Kaufs= und Verkaufslustigen, die Heerden des schönsten Viehs, welches Händer nach der Stadt trieben, Lastträger aller Art, zwei Bärenführer mit ihren brummenden Thieren und Affen und den wandelnden Kram eines marktschreierischen Doctors nebst Fahne, trommelndem Hanswurst und Todtenskelett— so muß man gestehn, daß selbst aus dem Dunstkreise dieses Nedel=Landes sich bunte Bilder entwickelten. Nach dem Hauptthore der Stadt, zu welchem die niedergelassene Zugbrücke führte, drängte das Volk jetzt an, und brach in nalve Bewunderung und lautes Hoho! dei der seltsamen Steuer aus, welche die Will. kühr der Itallener und ihres Anführers Heldenmagen den Bradantern auflegte. „Für unsern Herrn Marchese zum Morgenbrod!“ rief einer der welschen Schwarzbärte und nahm einer Brabanterin Eierkord, Truthühner und Zicklein weg. Zu diesem Frühstücke des Helden gesellte sich nach und nach, so wie die Reihe der Verkäufer und Verkäuferinnen deraubt zum Thore einschelit, die süßeste Milch, die besten Feld= und Gartenfrüchte, die größten Kälder. Das Morgenbrod des Mar chese Guasto, rechts am Thore aufgethürmt, alich bald einem Berge. Vater Wilhelm von Oranien war doch auch ein Held,“ sagte lachend ein Brabanter,„ader in solchen Schlachten thut EueMarchese es ihm zuvar!“ „Schweiat von Oranien, dem Rezer, dessen Seele im Fegseuer brenne," donner ten, durch die haldstverstandene Rede ge reizt, die Italiener. Aber sie weckten nur— dadurch des Löwen Kraft. Schulter an Schulter gedrängt, die entgegengehaltenen Partisanen der Söldlinge für nichts achtend, rückten die Bauern auf sie ein. „Hört, ihr Weischen,“ riefen sie,„der Niederländer läßt sich manchmal, um nicht aus seiner Ruhe zu kommen, so zu sagen: etwas schinden, auch bleibt uns, Gott und unserm fetten Lande sey's gedankt, immer noch genug, um die gebratnen Ochsen, die täglich in Eure Mäuler spazieren, nicht allzusehr zu vermissen. Aber den Vater Wilhelm und sein Grab zu Dest laßt uns unangetastet. Sein, von den Nassauern her, war Stadt und Baronie Breda. Hier hat er geledt, für uns gesorgt, gelitten, und jetzt, wo Eure Jesuiten'hn erschlugen, dittet sein Geist im Himmer für uns, sein unterdräcktes Volk. Den laßt uns also ungekränkt. Habt Ihr's verstanden, he? oder sollen wir Euch Fortlästernden die Zähne einschlagen?“ Die Wache, so bedrängt, schrie durch das Thor um Beistand. Zulauf und Getöse wuchs, das Morgenbrod des Marchese Guasto, in so weit es aus zwei= und vierbeinigen Geschöpfen bestand, lief und flog davon, die zwei Bären, sich auf die Hintertatzen thürmend, mit ihren Ketten rasselnd, heutten aus weltaufgerissenem Rachen über den ganzen Halloh hinweg und der Wunderdoctor, dessen Kram bei dieser Gelegenheit auch ins Gedränge kam, scheie mit seinem Harlekine Zeter. Während dieses Lärms war ein Einzeiner ganz undemerkt durch das Thor in die Stadt geschritten. Der Mann, eine hohe, jugendliche, kräftige Gestalt, trug ein stattliches Gewehr und ein einfach Jagdkleid, das sich leicht an seine gewandten nervigen Glieder schmiegte. Auf der Stirn des Rüstigen lag kecker Muth. Der kräftige Schnauzbart üder der vollen Lippe ließ dem Manne wohl. Seine gebräunte Wange blühte dunkel. Eine Narde, hald verdorgen durch schwarzes Lockenhaar, das in reicher Fülle unter dem etwas schief gesetzten Jägerhute hervordrang, erhöhte den männlichen Ausdruck dieses Antlitzes, in welchem zwei kiuge Augen blitzten. Wo sich eine Aussicht nach den Festungswerken zeigte, warf der Jäger nur verstohine, aber scharfe Blicke dahin. Die Häuser an der Katzhan, die Straßen Sanct Anna und Johann und den Falkenbergischen Hof berrachtete er nachdenklich, wie in Erinnerung verloren, und schritt dann bis zu der Pforte, vor welcher sich ihm das eigentliche Bollwerk der Stadt, das Schloß zeigte. Von dem Grafen Heinrich von Nassau erbaut, und mit einer vergoldeten Gallerie umgeben, die auf blauen, steinernen Pfeilern ruhte, glänzte es so heiter als fest. Ueber diese Treppe von edlem Ordewinstein war Wilhelm der Schweigende gar oft zu den hellen Sälen des Schlossesz emporgewandelt. In jener Capelle hatte er, als Alba's Uebermacht ihn zum Räckzug nach Deutschland nöthlgte, zum letztenmal auf heimathlicher Erde mit seinen Unterthanen den gereinigten Gottesdienst begangen. Jenes Zeughaus, mit dem Schlosse verbunden, und einst so reich, hatte die edten Metallstücke, welche die Könige von Ungarn denen von Nassau, wegen ihrer getreuen Dienste gegen die Türken verehrten, und die 52 große Mauerbrecher, vom Kaiser Ferdinandus dem Hause Oranien verllehen, aufbewahrt, bis Alda's Raubgier sie entführte. „Sohn des großen Vaters, feuriger Moritz Oranien, was würdest Du empfinden, gelänge es Deinen Treuen, Dich wieder in dies Erbe Deiner Väter einzuführen!“ sprach der Jäger still vor sich hin und musterte dann von seinem gut gewählten Standpunkte aus die Außenwerke des Schlosses, welches, gleich der Stadt, durch einen Graben und Ravelins geschützt war, über denen hinaus gen Nordwest sich das Gewässer der Aa zeigte. Auf demselben und innerhalb des letzten Baums lag ein unbedeutendes Fahrzeug, ein Tocfschiff, welches die spanische Besatzung des Castelle in diesen kalten Monden mit Feuerung versorgte. Wie durch eine geheime Macht angezogen ruhte das Auge des Jägers auf dem Schifflein. Doch jetzt hörte man hinter der letzten Schutzwehr Stimmen und vom Castell her der Stadt zu wandelten drei Männer, deren Jeder in Gang, Ton, Geberde und übriger Haltung sich charakteristisch vom Andern unterschied. Klirrenden Sporns schritt ein spanischer Jängling, Paolo Lansavechta, der Lieutenant des Castells, in welchem sein Vater Antonlo Lansavechlo den Oderbefehl führte, voran. Der junge Mann mit der stolzen Stirn, dem sorgsam gepflegten Zwickeldärtchen und dem brennenden Augenpaare, über welchem hoch gezogen sich scharfe Braunen wöldten, würde sehr schön zu nennen gewesen seyn, harte nicht ein stolzer Siegerhohn— solcher Jugend unzlemlich— auf seiner Lippe gethront und ein Ausdruck von Tücke die Anmuth dieser Züge entstellt. Auch fehlten üder der Adlernase, nach beiden Braunen hin geschweift, die zwei kleinen Fältchen nicht, welche dem Antlize des Spaniers Finsterkeit und Strenge geben, und selbst auf den Porteaits Philiops II. so chazakterlstisch hervortreten. Der Jüngling tuug den Kopf dech und keck und warf nur von Zeit zu Zelt mit vornehmer Miene einige Worte seinem Gefährten zu, der unter dem Namen„der Corporal“ in der ganzen Stadt Breda bekannt war. Mit schlaffen Knieen mehr über den Boden hinwegrutschend als schreitend, war dieser das vollendetste Bild jener Liederlichkeit, welche während der nun schon vier und zwanzigjährigen Kriegsfurie unter der dermaligen Soldateska, ihren Glücksrittern und Gaunern, gleich einem Giftpilze wucherte. Betrachtete man die Schwammnatur dieses Kriegskaechts, seine aufgedunsene Wan ge und das gläserne Auge, so konnte man darauf schwören, dieser Mädchenjäger, Spieler und Säufer werde, wenn die rächende Nemesis ihm nicht eine andere Todesart bestimme, einst der Wassersucht anheim fallen! Aber ohne dies zu ahnen, schwebte seine Seele, immer fröhlich, zwischen Franzdranntweinflaschen und falschen Würfeln. Vater, Mutter, selbst das Land, das ihn geboren, kannte er nicht. Der Kriegsbesen, ihn dahln, dorthin segend, war sein Erzieher gewesen, selbst die Sprache hatte er aus deutschen, spanischen, irallänischen, französischen und holländischen Worten bunt zusammengestoppelt, fing jedoch, jetzt schon ein Funfziger, an, im Waffendienst nachlässiger zu werden, und das Knallen eines Flaschenstöpsels lieber wie Kanonendonner zu hören. Mit dem Lieutenant Lansavechia und dem Stadtobersten Guasto stand er jedoch in einigem Vernehmen und diente als alter Vocatlous und darum guter Kundschafter den Lüsten des Einen und dem Magen des Andern. Der letzte der drei Männer, welche aus dem Castell kamen, hielt sich in bescheide ner Entfernung von den belden Andern. Der junge breitschultrige, kaum 25jährige Bursche, In Schifferhut und Schifferjacke, unterhalb des nackten nervigen Haises ein rothes Tuch leicht geschlungen, war das treffendste Bild eines gesunden, einfachen und kräftigen Niederländers. Das Gesicht, mit leichtem Bartanfluge, war rund und schimmerte in aller Frische der Jugend. Jeder Zug derb und kräftig. Das nußdraune Haar lag glatt an Stirn und Schläfen. Lichtbraune muntre Augen, nicht funkeind, aber klar und sicher blickend, zeugten von Kraft und Muth. Der Bursch, dessen stämmige Glieder dem jungen Herkules glichen, konnte auch sehr gemüthlich lachen, wobei sich hinter den kirschrothen Lippen zwei Reihen der glän. zendsten Zähne zeigten. Den Schalk hatte er offenbar hinter den Ohren, und eine heitere Naturkraft sprach sich in jeder seiner Bewegungen aus. Den Jäger gewahrend, der links in einiger Entfernung sich zeigte, schien er Lust zu haben, mit vor Verwunderung hald offenem Munde stehen zu bleiden. Da jedoch die beiden Voranwandelnden in diesem Augenblicke nach dem Schiffer zurückschauten, wandte dieser, als habe er zu seiner Linken nichts erdlickt, den Kopf gleichgüttig nach der rechten Seite. Nach einigen Schritten blieb jedoch der Bursche wieder stehen, schlug sich Feuer für seine Pfeife an und lugte während dessen verstohlen, aber scharf, wieder nach dem Jäger hinüber. Sein lachendes Gesicht sah in diesem Augendlicke sehr klug aus. Seiner Sache gewiß, setzte er dann den Weg nach der Stadt fort, während allerhand lustige, selbst kriegerische Gedanken ihm durch den Kopf fuhren. Doch hütete er sich wohl, sie vor spanischen Ohren laut werden zu lassen. Stille Stunde, rechter Ort zur Bekanntschaft mit dem Jäger finden sich heute wohl noch, dachte er, und bald hing seine frische Seele andern, gar anmuthigen Bildern nach, bei deren Erscheinen es dem braven Jungen ganz heiß im Kopf und Herzen ward.„Margarethe, Goldkind!“ rief er, wadrend ihm das Herz vor Freude hüpfte,„Dich muß ich wiedersehen und sollte ich auch nur durch die Finger nach der— Bürgermeisterstochter blinzeln dür. sen. Blitzt was das Mädel für Augen hat! Hals und Arme wie gedrechselt! Und wie sie so flink ist, wie sie sprechen kann, wenn sie vor den Landesfeinden es will. Wer die einmal herzen und küssen und heimführen därfte! Verlobung— Hochzelt— der Himmel voll Geigen! Aber halt, was für ein häßlicher Ton schrillt in deinen Reigen? Die Tochter des hier vor neun Jahren im Kampf für Republikaner= freihelt gesunkenen Bürgermeisters Godewart Montens ist für dich, armer Johann Johannsen, noch immer viel zu hoch.— Zu hoch? Ich kämpfte unter den Geusen, leitete, zuletzt allein, das Hakenschiff, das die Brücke bel Antwerpen sprengte. Und lebt Margareth denn jetzt im Weinschank der Muhme ein fröhliches Leden? Das schöne große Haus des Montens an die alte Here, statt an die junge Herrin zu vergeben, von Spankern und Itallenern wimmelnd! Wer die einmal samme und sonders über Bord werfen und Margareth und Breda und Vaterland von dem Feinde befreien könnte!"— Unwillkührlich sah er sich bei diesen Worten noch einmal nach dem Jäger um, dann eilte er, von den belden Voranschreitenden angerufen, ihnen und der Stadt zu, um schön Margareth zu sehen und den Corporal bei einer Flasche Franzbranntwein plaudern zu machen. Man wollte munkeln, Dame Sadina, bei welcher die junge Montens jetzt, eine Waise und liebliche niederländische Aschenbrödel, lebte, habe vor neun Jahren nach dem großen Kampfe, in dem Breda's Republikaner fielen, das Haus ihres entfernten Verwandten Godewart Montens nicht umsonst zugetheilt erhalten. Mit hohem Gibeldache und großen spiegelblanken Fenstern glänzte es wohnlich hell, von außen schön mit Oelfarbe angestrichen, mie blauen und gelden Feldern mit vergoldetem Gieterwerk vertert und auch im Innern nach ächt niederländ blendender Re die Hausflue n Weiß getäfelter treten und S des Hauses, re gut. Zu eign sen der Zeit für die jetziger großen Weinsch lebhaft herging. desto-besser für die Goldgulder fielen. Der# Spaniern und katholischen Gl ding, verbunde ihrer Muhme Gefährtin zu! gen und rosige verlende Wein schworen diese, doch volle Ge Hals, so biü Jugendfrische g garethens Gem Schmeichelreden Den Feind drückern ihres abhold, vermie so viel es sich der stille Mur ihr trauriges# sättigen Bewerk nahm sichtbar male einen al Meierhof, wo sucht hatte. wenn sie sich einmal zeigen braunem seiden Haupt nicht m Sie zeigte de spanischen Haus ner Niederländ dem alten M die sie ihm a gen konnte.# stube die Decke een Teitten G Stockwerk des seinem Wohnst setzt zum erneu erhod. Sadina, und schwarzer anliegend, die des hod, stellt nen Pokal u. vom Marchese auf. Jetzt erst ausfüllend, b## lang und doch großes schwarze Brauen überwi senhaupte herv Wunderbau, gellend gemach die Backen in ächt niederländischer Weise geputzt und in blendender Reinlichkeit erhalten. Schon die Hausflur mit dem zierlich in Roth und Weiß getäfelten Fußboden lockte zum Eintreten und Sadina, die neue Besitzerin des Hauses, rechnete auch sonst schlau und gut. Zu eignem Vortheil den Bedürfnissen der Zeit entgegenkommend, hatte sie für die jetzigen Herren der Stadt einen großen Weinschank angelegt, in dem es oft lebhaft herging. Je tüchtiger gezecht ward, desto-besser für Sadinen, in deren Secke die Goldgulden der fremden Soldateska fielen. Der Menschenkennerin, mit den Spaniern und Italien#en schon durch den katholischen Glauben, dem sie eifrigst anhing, verbunden, kam es sehr gelegen, in ihrer Muhme eine so liebliche jugendliche Gefährtin zu besitzen, deren funkelnde Augen und rosige Wange mehr noch wie der verlende Wein die Gäste lockten. Auch schworen diese, nie eine so, schlanke und doch volle Gestalt, einen so alabasternen Hals, so blühende Lippen und reizende Jugendfrische gesehen zu haben. An Margarethens Gemüth gingen jedoch alle diese Schmeichelreden verloren. Den Feinden ihres Vaters, den Bedrückern ihres Landes im tiefsten Herzen abhold, vermied Margaretha die Fremden so viel es sich nur immer thun ließ und der stille Muth, mit dem das Mädchen ihr trauriges Geschick trug, und die vielsättigen Bewerbungen der Sieger abwies, nahm sichtbar zu, seit Margarethe einigemale einen außer der Stadt gelegenen Meierhof, wo ihr eine Freundin lebte, besucht hatte. Seit dieser Zeit senkte sie, wenn sie sich auf den Ruf der Muhme einmal zeigen mußte, das schöne, mit hell braunem seidenweichem Haare geschmückte Haupt nicht mehr magdlich leidend nieder. Sie zeigte den jungen italienischen und spanischen Hauptleuten den edlen Stolz einer Niederländerin und widmete höchstens dem alten Marchese die Aufmerksamkeit, die sie ihm als Stadtobersten nicht versagen konnte. Eben dröhnte über der Weinstube die Decke von den großen und schweeen Tritten Guasto's, welcher das erste Stockwerk des Montensschen Hauses zu seinem Wohnsitze auserkoren hatte und sich setzt zum erneuten Kampf mit— Fiaschen erhod. Sabina, in dunkelfarbigem Gewand und schwarzer Sammethaube, welche, eng anliegend, die scharfen Züge dieses Aneli des hod, stellte geschäftig einen helschliffenen Pokal und ein halbes Dutzend der vom Marchese zu bezwingenden Feinde auf. Jetzt erschien in der Thür, sie ganz ausfüllend, die kolossale Gestalt Guasto's, lang und doch fast eben so breit. Sein großes schwarzes Augenpaar, von duschigen Brauen überwöldt, glotzte aus dem Riesenhaupte hervor, dessen Adlernase, ein Wunderbau, sich in aller ihrer Majestät zelund gemacht haben würde, hätten nicht die Backen in unheurer Fülle sich bestredt, jenem Vorgebirge nachzukommen. So und nicht anders würde Atlas der Weltenträger sich ausgenommen haben, hätte er über seine breiten Schultern Waffenrock und Feldbinde dieses Jialieners geworsen. Schon seine Athemzüge, tief und gewaltig, rauschten wie Sturmesmacht, und öffnete der Held die dicken, vom schwarzgrauen Schnurdarte überschatteten Lippen, tieß er im tefsten Baß die Kraftsprüche seines Feldherrngeistes tönen, so mußten alle Feinde König Philipps schon vor diesen Siegerphrasen umfallen. Seiner eignen Meinung nach war Guasto dereits selt Jahrzehnten dauerndste Stütze des spanischen Ansehns in den Niederlanden. Er war gerade dort eingetroffen, als der kluge und stolze Granvella es nicht länger in Brüssel anshalten konnte, weil sein Cardinalehut als Narrenkappe auf allen Livreen der Be dienten Egmonts und des andern flandeischen Adels gestickt erschien. Als die spanische Statthalterin Margarethe ihre Adschiedsthränen vor den versammelten Ständen weinen wollte, aber nicht durfte, weil der strenge Phitipp ihr die Trauerwonne des öffentlichen Abschieds versagte, hatte Guasto den Blick erhascht, mit welchem der damals allmächtige Alba der entihronten Fürstin das Valet gab. Ader auch diesen Eisenmann hatte er später vor Grimm über den belgischen Löwen das Podagra bekommen und sich in die Bäder von Spaa flüchten sehen. So konnte Guasto mit Recht sich rühmen, alle diese Herrschergeister in den Niederlanden überdauert zu baden. Dieser langen Dienstzeit und einer Pulverdampfwolke, welche in zweien Schlachten eine augendlickliche Nervenschwäche Guasto's sehr gefällig verschleiert hatte, verdankte es der Marchese, daß ihm, selbst unter dem scharfdlickenden Herzog von Parma, der Oberbefehl über den in militalrischer Hinsicht wichtigen Platz Breda verblieben war. Eden ließ er sich, von den jüngeen bereits anwesenden Offizieren begrüßt, im Hochgefühl seiner Kriegswürde, doch mit finsterer Miene, am Weintische im wohldurchwärmten Gemache nieder. „Bei der Furle von Antwerpen!“ rief er, und leerte mit einem Zuge den Pokal, „das soll uns,“ er trank nochmals,„nicht noch einmal vorkommen.“ Er hielt inne, leerte wieder den Becher, schnaufte. „Eln unangenehmer Rapport?“ fragte näherräckend Lansavecchla. „Die Maus gegen den köwen,“ brumm. te Guasto.„Mailands Söhne am hiesigen Stadtthor sind— während unsere Morgenschlummers— vom niederländischen Bauer insultirt worden.“ „Laßt die Hunde niederschießen!" schrie in fliegender Hitze der hochfahrende spanische Jüngling. „Niederschießen! nur niederschießen? wem sagt Ihr das, junger Mensch!“ entgegnete das alte Krlegshaupt.„Als ob Marchese Pompeo Guasto solchen Frevel nicht zu Krafen wüßte! Wenn wir nur“ — er trank—„die Frevler— schon hätten.“ „Sie sitzen noch nicht in Ketten?“ fragte höhnisch Lansavechia. Der Marchese, braunroth vor Zorn, stierte ihn an, trank wieder. „Jängling! laßt Euch belehren," sprach er. Die Kriegshistorie besagt, daß selbst unüberwindliche Heiden von Naturereignissen, von Hite und Kälte, bezwungen werden. Cäsar und Hannidal, beide gleich große Feldherren, haben das erfahren, und so konnte es sich auch gegen Marchese Guasto begeben, daß er die Rebellen darum nicht sing, weil seinen edlen Maitändern durch die ungewohnte Kälte dieses Landes die Finger an den Partisanen verstelft waren.“ Schon vor und während dieses patheilschen Vortrags hatte der jüngere Theil der Kriegs= und Zechgesellschaft, Lansavechia an der Spitze, ungeduldige und drennende Blicke nach der Thür gerichtet. „Wo bleidt Eure Republikanerin,“ fragte er Sadinen. Die andern Hauptleute, schwarzäugige witde Gesellen, um die runden Tische gelagert, den Becher in der Faust, stimmten in die Frage ein. „Ihr Vater war ein schlimmer Rebell, aber um ihrer Rosenwangen willen sey ihr ihre Abkunft vergeben,“ rief ein Zweiter. „Das schmucke Kind möge uns zu künftigen Victorien den Becher credenzen!“ schmunzette Guasto.„Daß Venus nahe, gestattet Mars.“ „Ich werde Euren Augen diese Freude nur verschaffen müssen, ihr Herren,“ entgegnete mit einiger Wichtigkeit Sabina, und schritt zur Thür. Während jedoch die Blicke der Hauptleute der Verheißenen entgegen flogen, die je seltener um so willkommener sich zeigte, gedenken wir eines Gesprächs, das in der zweiten einfachen Gaststude zwischen dem Corporal und Johann Johansen sich entsponnen hatte und von dem alten Kriegsknechte in ausplaudernder Weinlaune, von dem Schiffer mit Klugheit fortgesetzt wurde. „Sagt doch, wie ging es denn eigentlich damit zu, daß vor neun Jahren die— Zecher dort drüben so über Nacht Herren von Breda wurden?" fragte Johannsen und schenkte dem Corporal ein. Dieser schlug ein gellendes Gelächter auf.„Du erinnerst mich da an etwas Lustiges,“ entgegnete er.„Und jetzt, we wir in Castell und Stadt so fest und warm, wie der Kasser auf seinem Thron= und König Phllipp im Eskuriale sitzen, mag ich schon davon schwätzen. Auch gefänst du mir, mein Bursch; din überhaupe lieber mit Jungen, wie mit Alten. Hör' denn, wie die absonderliche Victorte sich begab.“ Belde rückten näher zusammen, der Corporal nach einem tächtigen Zuge fuhr fort: „Schon lange hatten die Königlichen nach dieser oranischen Besitzung gelugt. Ader Stadt und Casten ist wohl defestige und nicht ohne besondere Kriegslist zu nehmen. Nun lag damals im Schlosse als Gefangener Carl von Gaverne, Herr von Fresin, auf Befehl der Staaten wegen eiVerständnisses mit den Spanischen bereits seit zwei Jahren verhaftet. Den wurmte der Verlust seiner Freiheit sehr. Der Racheteufel setzte ihm auch daß zu und wie er merkte, daß bald ein Theil der Besatzung des Castells ausrücken werde, trachtete er, es dem Herzoge von Parma zu stecken. Aber wie das Brieflein zwischen den Wachen hindurch aus dem Castell und in des Fürsten Hände bringen? Gelt, das war schwer? und doch ging's, fein angefangen.“ „Hatte der Gaverne etwa einen guten Freund im Castell? fragte, ausholend, der Schiffer. „Haha, richtig! im Schlosse einen guten, sehr klugen, sehr verwegenen Freund, und in der Stadt— hier sah er sich nach Sabinen in der zweiten Gaststube um— eine Freundin!“ Des Schiffers Augen folgten des Zechers Blicke. Als sie ihn auf Sadinene finsterer Gestalt haftend fanden, stieg eine leise Zornesröche auf Johannsens Antlitz empor. „Ei seht doch, wie manches in der Welt zugeht,“ rief Johannsen, und schenkte dem Trinker wieder ein. „Danke, danke, mein Bursch,“ entgegnete dieser, den Franzbranntwein durch die Gurgel gießend und nach und nach immer stärker erglühend.„Nun— Gaverne's Brief schlug Feuer. In der Nacht vom 25. zum 26. Junius zogen die Kö niglichen unter Hautepenne und Schenk leise, leise an das Kastell heran. Im Schlosse war der Herr von Fresin auch nicht mäßig geblieben und hatte die geringe Mannschaft— denn ein Theil davon war unter Oberst la Garde ausgerückt— dergestalt mit starkem Biere zugedeckt, daß— habaha! Alle nicht wußten, wo ihnen die Köpfe standen. Erinnerten sich zwar dunkel, sie seyen Soldaten im Dienste Oraniens und der Staaten, kamen auch ein paar Mal zu dem Schildwächter gelaufen, der auf dem Walle stand, und wollten ihn ablösen. Aber der ehrenfeste Kerl, die gute Wache wies die Abtösung immer wieder zurück. Sauft, liede Kameraden, sprach ich, wollte sagen, sprach er: sauft in des Teuf— in Gottes Namen bis zum Frühroth, ich bleide und versehe hier für Euch die Hut. Die Andern rannten wieder zum Faß. Der Schildwächter aber, höchst vergnägt, denn neben dem kargen Niederländersolde klangen Parma's und Gaverne's Goldgulden in seiner Tasche, stand die ganze Nacht hindurch auf dem Walle, nach den Spaniern lugend, dis endlich in der vierten Morgenstunde— na Kerl, was rückst und zerist Du denn so am Tische?“— „Eure Mähr, von der man sich hier In der Stadt nicht viel träumen läßt, Angt gar zu lustig,“ antwortete, eine gewaltige Bewegung niederdrückend, Johannsen.“ Dech fahrt nur fort.“ „Bis endlich in der vierten Morgenstunde, durch den Graben und an dem Walle aufkletternd, der Feind, von der Schildwache geführt, ins Castell brach.“ Während dieser Worte trat, vom Corporal unbemerkt, der hohe Jägersmann, der früher an den Festungswerken sich ge## zeigt hatte, in die Gaststube und nahm dort still einen Platz ein, von welchem aus er beide Gemächer und die Zechgruppen übersehen konnte. „Ins Castell brach,“ wiederholte, den willkommenen Fremden mit großen Augen musternd, Johannsen.= Nur weiter, Herr Corporal, nur weiter! Der Feind also?“— (Fortsetzung folgt.) Phantasie am Sylvesterabend. (1832—33 nach dem Fall Antwerpens.) Was schleicht mit blutrothem Gewande In Nebelschleiern am Saume der Berge? Es ist die Sonne des alten Jahrs, Die Sonne Antwerpens.— Das Werk war vollbracht, Zu welchem sie leuchtete, Millionen Augen Schauten anklagend zum Himmel. Da wob sie die Schleier Von Menschenthränen, Und tauchte abwaschend Die blutrothe Farbe neun Mal Tief in den Ocean; Doch der Ocean Gab sie ihr neun Mal zurück, Und mit Thränen atzte In die Tafeln der Weltgeschichte Die That Polphimnia. Es ist dunkel geworden; Zur Ruhe bereitet Die Natur sich, wie sonst; Nur der Mensch bleibt wach, denn es klopft An seine Brust Des scheidenden Jahres donnerndes Echo: Hin zu den Gräbern wankt der Gedanke, Wo todtmüde Der Freund schläft, oder die Freundin; Hin zu der Wiege, wo im Schlummer Ein Geist zum Leben heranreift. Welche Zeit war es, Da Du das Licht sahest Und Deines Vaters Vater Dich lächelnd segnete? Welche Zeit ist es, Wann Dein Auge bricht Und von den Schollen, mit welchen Feacht von Thränen die Hand der Freunde Deinen Leib deckt, Des Grabes dunkle Höhlung dumpf wiederhallt? Sieh diesen Jüngling, den kräftigen, Ein muthiges Ros stürzt er vorwärts; Sein Verlangen stürmt ein Jahrhundert: Doch noch heute Greilt ihn der bleiche Tod. Sieh diese Jungfrau, der Myrthe Jartes Reis pflegt“ sie erröthend: Aber es blühr ihr nicht; Denn ihre Stirn schmückt bald ein Kranz von Cypressen. Es ist hoch Mitternacht! Hörst Du? die Zeiten sprechen— Sechs Laute und noch sechs Laute, Das ist der Gruß des neuen Jahrs. Millionen Zungen jauchzen, Denn es trägt Der Hoffnung mildes Gewand, Trocknet Thränen der Trauer, Heilt blutende Wunden und bringt Spenden für Tausende. Behutsam schreitet die Zeit, Was sie niedertritt, Ist Oben gerichtet; Vorwärts schreitet die Zeit Aus dem Chaos der Welten Zum hellen Sphären= Licht. Warum blickst Du zagend zu Boden, Wo die Schatten der Nacht Im Staube hinziehn, Und Deines Bleidens keine Stätte ist? Erhebe Dein Auge: Dort endet der Weg, den Du wanbelst, Es tagt nur in Osten! Saxo de Porte. Buchstabenräthsel. Das ganze Räthselwort ist klein; Es schließt der Zeichen fünf blos ein. Dies Wörtchen will ich klug verdreh'n, Und bilden draus der Wörtlein zehn. Das erste allenthalben ist, Wo Du auch, lieder Leser, bist.— Das dritte wird, gezeugt vom zweiten, Bald sanft und mild vorübergleiten Am vierten; und bald wird es Dich Als fünftes widerlich berühren, Fällt nur dem tollen sechtten ein, as zweite an den Mund zu führen— Bringst Du in's Dritte noch ein Zeichen, Erscheint das siebente: es wird,— Dem Laute nach,— dem dritten gleichen; Dem Wesen nach— wird's Erde seyn.— Wenn je den Eisenarm des achten Du fürchtest, darfst Du nie verachten Das treue neunte, Deinen Freund; Es ist Dir Schutz, wenn Alles sich Zu Deinem Untergang vereint.— Soll ich nun noch das zehnte schildern?— Du siehst es oft an bunten Bildern.— Zum Ganzen wirst Du schüchtern treten, So lang es Staub vom Staube ist; Doch mit Vertrauen wirst Du beten Zu dem, der war, seyn wird und ist. Mänster. Druck und Verlag der Coppenrathschen Buch= und Kunsthandlung. 4