0 *„*„ 0 Samstag, den 2. Taoduor. Aus Witten und Umgegend. Witten, den 2 Javuar. Ein neues Jahr! So sind wir denn in ein neues Jahr eingetreten. Der Beginn desselben wurde in der Silvesternacht wie üblich mit lautem Jubel begrüßt. Vereinzelt hörte man auch Schüsse knallen. Diese leidige Unsitte ist trotz aller Unglücke und Strafmandate noch nicht ganz ausgerottet. Mit neuen Hoffnungen auf die Zukunft haben wir das neue Jahr begonnen, denn der Mensch glaubt nun einmal so gern an sein Glück. Möchten doch alle Wünsche und Hoffnungen in Erfüllung gehen!— Das neue Jahr hat mit der strengen Kälte gebrochen und uns mildes Wetter gebracht. Dieser Witterungsumschlag hat sein gutes, denn infolge der grimmigen Kälte waren vielfach schon die Flüsse zugefroren, wodurch die Schiffahrt stellenweise stockte und am Wasser liegende Werke den Betrieb ruhen lassen mußten. Auch im Uebrigen herrschte infolge der unnatürlichen Kälte Arbeitsmangel. Hoffen wir vom begonnenen neuen Jahre das Beste. * Wir wollen nicht verfehlen, auf die morgen im kath. Gesellenhause stattfindende Weihnachtsfeier der Marianischen Jungfrauen=Kongregation nochmals aufmerksam zu machen. Den Glanzpunkt der Feier wird die bereits erwähnte Aufführung des Dramas„Die Macht des Gebetes" bilden. Dasselbe spielt im 13. Jahrhundert im südlichen Frankreich und ist von packender Wirkung. Zweifellos wird das Drama allgemein gefallen. g Stadttheater.„Der Walzerkönig“ eine von den Possen, die in Berlin unzählige Wiederholungen löste, gsangt wongen chbecd ger Kastetung 6tt. einstudiert und inszeniert wird die humorvolle Posse dem Publikum einige genußreiche Stunden bereiten — Dienstag geht Sudermanns neues Werk„Das Blumenboot“ in Szene. ? Ein junges Mädchen von hier verlor gestern auf dem Wege von Bommern nach der Annenstraße ihre als Weihnachtsgeschenk erhaltene Uhr. Hoffentlich meldet sich der ehrliche Zinder. a In Haft genommen wurde der Arbeiter K., welcher schon längere Zeit im Verdacht stand, bei dem Kaufmann H. an der Bahnhofstraße Diebstähle auszuführen. Er stieg nächtlicher Weise durch ein Kellerfenster ein und stahl in Gemeinschaft mit dem Arbeiter D. Hasen, Gänse und sonstige Nahrungsmittel. Auf diese Weise führten beide eine ganze Menge Diebstähle aus.„ 9 8 * Gegen die Schundbücher, die die Jugend vergiften, ist der Rat der Stadt Leipzig vorgegangen. Auf Antrag des Leipziger Sittlichkeitsvereins hat er den Verkauf von zwölf zu den sogenannten Nik CarterBüchern gehörenden Schriften an den Zeitungsständen und Kiosken vom 1. Januar 1909 ab verboten und den öffentlichen Aushang oder die Auslegung anderer hierher gehörenden Schriften erheblich eingeschränkt. Zur Nachahmung empfohlen! * Besteht eine Haftpficht des Eisenbahnunternehmers für Raubanfälle, welche auf die Reisenden während der Fahrt unternommen werden? Bekanntlich ist es in letzter Zeit häufiger vorgekommen, daß auf Reisende in Eisenbahnzügen Raubanfälle unternommen wurden. Die Frage, ob der Eisenbahnunternehmer hierfür haften muß, hat der 6. Zivilsenat des Reichsgerichts in einer am 22. Oktober v. Is. eedmn Kasthahtung un atiathr Thuache verneint. In dieser Entscheidung wird ausgeführt, daß der Eisenbahnunternehmer nur nach dem mutmaßlichen Willen der Reisenden handelt, und der Verkehrssitte Rechnung trägt, wenn er, soweit die Raumverhältnisse es gestatten, den Fahrgästen überläßt, sich je nach ihren Wünschen einen Platz in einem stärkeren oder in einem möglichst weniger besetzten oder ganz leeren Abteil zu fuchen, und seinerseits auch nichts tut, um zu verhindern, daß zwei Personen allein miteinander in einem Abteil fahren, und wenn er auch die Kontrollmaßregeln auf dasjenige beschränkt, was der Fahrdienst erfordert. Wird durch alles dies in einem einzelnen Fall die Ausführung eines Raubanfalls in einem Abteil erleichtert, so kann dieserhalb der Bahnunternehmer nicht wegen Verletzung seiner vertraglichen Pflichten in Anspruch genommen werden. a En ttauiger Unglucksfull ereignete sich sitzende Knecht auf die Straß: sortgetragen werden. 1909. und mußte bewußtlos in der Silvesternacht am Westbahnhof. Dort wurde 1. Male. dem Lokomotivführer W. ein Bein unterhalb des Knies von einer Maschine abgefahren. W. wurde dem Krankenhause überwiesen. ? Zu einer Schlägerei kam es auf dem Pferdemarkte zwischen mehreren Händlern, welche in Streit geraten waren. Die Polizei mußte einschreiten. ? Die Silvesternacht ist diesmal ruhig verlaufen. Ausschreitungen sind nicht vorgekommen. Auch hat das Neujahrschießen gegen früher abgenommen. a Annen, 2. Jan. In der Silvesternacht wurden den Berginvaliden N. in Bebbelsdorf 6 Gänse und mehrere Enten aus dem erbrochenen Stalle gestohlen. Die Diebe sind unbekannt. * Annen, 1. Jan. In der Roonstraße wurde das vor einer Sturzkarre gespannte Pferd scheu und gina durch. Infolgedessen stürzte der auf dem Bock Spielplan des Dortmunder Stadttheaters von Sonntog, den 3. Jan. bis Sonntag, den 10. Jan Sonntag, den 3. Januar, nachmittags 3½ Uhr. Goldfische. Abends 7½ Uhr. Samson und Dalila. Montag, den 4. Januar. Anfang 7½ Uhr. Sappho. Dienstag, den 5. Jauuar. Anfang 7½ Uhr. Mignon. Mittwoch, den 6. Januar. Anfang 7½ Uhr. Doktor Klaus. Donnerstag, den 7. Januar. Anfang 7½ Uhr. Der Bajazzo. Hierauf: Cavalleria rusticana. Freitag, den 8. Januar. Anfang 7½ Uhr. Zum 1. Male. Vater. Samstag, den 9. Januar. Anfang 7½ Uhr. Undine. Sonntag, den 10. Jannar, nachmittags 3½ Uhr. Panne. Abends 7½ Uhr. Zum Tiefland. Marktbericht. Witten, 31. Tez. 1908. Auf dem heutigen Viehmarkte stunden 98 Pferde zum Verkaufe. Ein gutes Arbeitspferd kostete 1000—1300 Mk. Kübe waren 3 Stück aufgetrieben. Eine milchgebende Kuy kostete 200 bis 300 Mark. Ein tragendes Rind„ 200„ 250„ Eine manse Kuh„ 160„ 220„ 50 kg Rindfleisch kosteten 65„ 70„ Schweine waren 1137 vorhanden. Ein überjähriges Schwein kostete 120 bis 130 Mk. Ein achtmonatiges„„ 80„ 95„ Ein dreimonatiges„„ 50„ 60„ Ein sechswöchiges„„ 12„ 18„ 50 ke Schweinesleisch kosteten 68„ 73„ KI Zwangs=Versteigerung. Im Wege der Zwangsvollstreckung sollen die in Witten Band 20 Artikel 46 zur gung des Versteigerungsvermerkes auf den Namen der Ehefrau Lederhäneler August Schuhmacher Zeit der Eintrein Witten nicht in ehelicher Gütergemeinschaft lebend und im Geuadbuche von Witten Band 32, Glatt Nr. 112 zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes auf den Namen des Kaufmanns August Schuhmacher zu Witten eingetragenen Grundstücke Artikel der Mutterrolle 1119. Nr. der Gebäudesteuerrolle 1306. ## Marian. Jungfrauen-Kongregatior Am Conntag. den S. hause die übliche 95 Januar findet im kath. Gesellen Weihnachts-Feier Lausende Rummer der GrundRtücke, T Hooe herige laufende Rummer der Grund stücke. X Gemar= kung Witten Flurbuch Kartenblatt (Flur) Ne. Porzelle Nr. 48 274/1 etc. Grundsteuerautter rolle Art. 1595 Ge. bäude: steuerrolle Nr. 1893 Wirtschaftsart und Lage Wohnhaus mit Hofraum Wilhelmstr. Nr. 51. Stöße be a am 48 Grundseuer reinertrag Tr.(18 GebäudeNteuer wugungswert Mark 10. 1540 Zum bingen Schunladen! A. Schäfers Ruhrstraße 16. Für jeden Preis kaufen Sie bei mir die billigsten Winterschuhe von 63 Pfg. an Räumungs- Ausverkauf am 20. Februar 1909, vormittags 9½ Uhr, durch das unterzeichnete Gericht— an der Gerichtsstelle— Zimmer Nr. 4 versteigert werden. Der Versteigerungsvermerk ist am 23. November 1908 in das Grundbuch eingetragen. Es ergeht die Aufforderung, Rechte, soweit sie zur Zeit der Einteagung des Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuche nicht ersichtlich waren, spätestens im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaushaft zu machen, widrigenfalls sie bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt und bei der Verieilung des Versteigerungserlöses dem Anspruche des Gläubigers und den übrigen Rechten nachgesetzt werden. Diejenigen, welche ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht haben, werden aufgefordert, vor der Erteilung des Zuschlags die Aufhebung oder einstweilige Einstellung des Verfahrens herbeizuführen, widrigenfalls für das Recht der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Gegenstandes teitt. Witten, den 15. Dezember 1908. Jon. Fann, Witten. Wiesenstrasse Nr. 42. Telefon Nr. 595. VS TANUAAD coar JEnglischer Paletot(Ulster) nach Mass per Casse 45 Mark. 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Unsere Rekruten haben in den jüngsten Wochen den Soldateneid geleistet, man nennt ihn Fahneneid, weil er ursprünglich unter Berührung der Fahne geschworen wurde; auch jetzt noch muß hergebrachtermaßen bei diesem Anlasse die Fahne des Truppenteils anwesend sein. Der Eid verpflichtet ja dazu, der Fahne, welche die Führung des Heeres darstellt, und damit dem obersten Kriegsherrn, den die Fahne versinnbildlicht, zu folgen und ihm bedingten Gehorsam zu leisten. Der Muselman schwört beim Barte des Propheten Mohammed, das eidliche Versprechen, die eidliche Bekundung soll ihm so heilig sein, wie dieser Bart, welcher eine der hervorragendsten Reliquien des Islam ist. Im alten Testamente ist die Rede vom Salböle, das herabfließt in den Bart, den Bart Aarons. Graf Eberhard im Barte, Württembergs geliebter Herr. ist aus allen Schulbüchern bekannt, der in Wäldern noch so groß sein Haupt konnte kühnlich legen jedem Untertan in Schoß — ein Vorzug, der in unserer Zeit bei mehr als einem gekrönten Haupte wohl recht zweifelhaft geworden ist. Unter den römischen Kaisern deutscher Nation ist besonders volkstümlich bis in die Gegenwart Friedrich II., den die Italiener wegen seines blonden Bartes„Barbarossa“, den Rotbart, nannten: „Sprengt ein gelbgelockter Kämpe In des Volks empörte Wogen, Feuerfarb auf goldner Brünne Wallt sein Bart zum Sattelbogen.“ Das deutsche Volk hat ihn so lieb, daß er, als er serne im Orient im rauschenden Strome seinen Tod fand, an sein Ende nicht glauben wollte; er hatte sich nach der Sage, die übrigens nach älteren Vorbildern auf ihn übertragen ist, im Kyffhäuser eingeschlossen: „Er hat hinabgenommen Des Reiches Herrlichkeit, Und wird einst wiederkommen Mit ihr zu seiner Zeit.“ Auch hier ist sein Bart charakteristisch: „Sein Bart ist nicht von Flachsen, Ist lichte Feuersglut, Ist durch den Tisch gewachsen, Worauf sein Kinn ausruht.“ Der Bart des Mannes hat eine reiche Geschichte, er ist bei allen Kulturvölkern mehr oder minder der Rode unterworfen gewesen und auch jetzt ist das noch er Fall, wenn auch nicht so ausschließlich wie ehedem. icht sehr weit liegt die Zeit hinter uns, in der die härte sich viel seltener zeigten als jetzt. Die Vollbärte waren seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch die französische Mode in die Acht erklärt, erst eit der Eroberung Algeriens durch Frankreich kam die wieder in Mode, aber lang: Zeit hatten sie etwas Verdächtiges an sich; noch 1848, im„tollen Jahre“, war das der Fall. Wie der„Demokratenhut“ wurde auch der„Demokratenbart“ mit scheelen Augen angesehen. Jetzt allerdings haben wir längst entdeckt, daß wir schließlich alle mit einem Tropfen demokratischen Oeles gesalbt sind, und lassen im bürgerlichen Leben jeden mit seiner Bartfasson selig werden. Beim Militär ist auch der Vollbart nicht mehr verpönt, wenn er auch im allgemeinen nicht gern gesehen wird, aber über seine Vorschriftsmäßigkeit wird strenge gewacht von allen Vorgesetzten, vom hochmögenden Unteroffizier bis zur Exzellenz hinauf. Nur ein Stand hat sich noch immer nicht die Anerkennung des vollen Bartrechtes durchaus zu erringen vermocht, nämlich der der Kellner, obwohl es bei ihnen bereits Streiks wegen der Bartfrage gegeben hat; der Schnuribart wird ziemlich allgemein gestattet, von weiterem höchstens die„Kotelettes“, offenbar, weil sie zu dem Berufe in namensvetterlicher Verwandtschaft stehen. Beim römisch=katholischen Weltklerus ist in unserer Zeit das Rasieren des ganzen Bartes üblich, der Ordensklerus hält es damit verschieden; die Franziskaner von der strengen Observanz z. B. tragen in Europa keinen Bart, die Angehörigen des jüngeren Zweiges des Ordens, die Kapuziner, haben dagegen die Vollbärte als Regel, und ihn darf kein Rasiermesser und keine Schere berühren. In den Missionsländern richten sich auch die Ordensleute zumeist nach der landesüblichen Weise, den Bart zu tragen. Der russische Priester, der„Pove“, trägt stets einen Vollbart und dabei langes Polkahaar, das in Strähnen auf die Schulter wallt; die platte Nase und das breite Gesicht, das durch den wuchernden Bartwuchs nicht schmäler wird, gibt ihnen etwas ausgesprochen Mongolisches, Asiatisches, und die hohe schwarze Mütze, einem Zylinderhut ohne Krempe nicht unähnlich, kann diesen Eindruck nur verstärken. Meinen ersten Bart trug ich im Alter von etwa fünf Jahren, jedenfalls vor der Zeit, als mein hochverehrter Lehrer mich in die Geheimnisse der endlosen Zahl von Alphabeten einzuweihen begann, die wir Deutsche als zwecklosen Luxus uns noch immer leisten. Und das kam so. Ich hatte eine besondere Vorliebe für das Militär gefaßt, wahrscheinlich, weil ich damals, wie angeblich jetzt noch viele Damen, für „zweierlei Tuch“ schwärmte. Diese Neigung wußte ein nahe dem elterlichen Hause wohnender Tagelöhner auszugestalten, der ehedem den Korporalstock geschwungen hatte. Bevor er seine Kunst an mir versuchte, erklärte er mir, wenn ich Soldat werden wollte, müßte ich unbedingt einen Bart haben. Der Notwendigkeit hatte ich mich zu fügen, aber wie? Es „saßz nichts davon“. Und doch half er mir. Ein Stückchen Hasenfell, entsprechend geschnitten und mit Bindfäden hinter den Ohren befestigt, leistete vollkommen den Dienst, mir das für meine Jahre nötige Martialische zu geben, ein sehr primitiver Holzsäbel, ebenfalls am Bindfaden, und eine dito Flinte, gerade nicht Magazinsystem, vervollständigten meine Ausrüstung, und jetzt nahm mich mein Instrukteur in seinen freien Stunden in die Rekrutenzeit, zu welchem Zwecke ich mich auf seine Tenne verfügen mußte, die den Kasernenhof vorderhand ersetzen konnte; aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange, nur zu bald hatte ich nämlich einen nicht unbedeutenden Vorrat von Kasernenhofausdrücken mir bestens zu eigen gemacht, womit ich zu Hause nicht geizte. Als es damit zu arg wurde, kam das strikte Verbot meines Vaters, diesen Unterricht noch weiter zu besuchen, und so hat denn meine militärische Laufbahn ein frühes und jähes Ende erreicht. Der Bart des Jünglings ist ansangs weich und flaumig, man nennt ihn„Milchbart“, wohl deshalb, weil er gewissermaßen ausgepäppelt werden muß, um es später zu etwas zu bringen. Obwohl er eigentlich nichts ausmacht, wird er doch oft von jüngen Leuten mit dem Stolze, aber nicht mit der Grandezza eines Spaniers getragen und soviel Bartwichse an ihn getan, daß er dadurch fast verdeckt und verklebt wird. Industrieritter haben ein Geschäft aus dieser Barteitelkreit des männlichen Backfischtums gemacht und preisen allerlei Mittel zur Erzielung eines starken Schnurr= oder gar Vollbarts bei ganz jungen Leuten an;— bei den meisten helfen sie auch, wenn sie die Mittel nur lange genug gebrauchen, denn „kommt Zeit, kommt Bart“. Andere sehen die Wesenlosigkeit des Flaumbartes ein, aber finden ihre Genugtuung darin, recht oft zum Barbier zu laufen. Dort werden sie dann zuvorkommend empfangen und als„Herren“ behandelt, während sie bei ihren Lehrherren oder Lehrern öfters andere Bezeichnungen zu hören bekommen. Verstand und Bart kommen nicht mit den Jahren; mit dem Schwabenalter soll der Verstand seine Höhe erreichen, der Bart ist dann aber schon vielfach über den Zenith des Rühmenswerten herüber: erst zeigt sich hier ein graues Haar, dann dort ein Strähnchen Weißliches, bald ist die ganze Fläche„meliert", und das kopfhaar, soweit es noch vorhanden ist, dabei. Es sind dies so etwas wie Signale für die Zukunft: die besten Jahre sind gewesen, dem„melierten“ Zeitalter folgt das„graue“ und diesem das„weiße", und wenn dies erst kommt, dann geht es bald mit dem Leben so bergab, wie es bei uns mit dem Jahre 08 der Fall ist. Das Barthaar hält sich in der Regel besser als das Knfhaar. Worauf mag das wohl beruhen? Vielleicht deshalb, weil zumeist dasjenige, was im Kopfe verschlossen bleibt, wichtiger ist und mehr Gedankentraft abforbiert, als dasjenige, was gesprochen wird. Als der Jesnitenpater Roh einst von einem „Aufgeklärten“, der noch dunkles Kopfhaar, aber einen grauen Bart hatte, nach dem Grunde dieser Erscheinung gefragt wurde, meinte Pater Roh:„Sie werden vielleicht in Ihrem Leben wenig gedacht und viel gesprochen haben.“ Der„Aufgeklärte“ hatte darauf keine weiteren neugierigen Fragen mehr zu stellen. Die Frauen haben keinen Bart— einige wohl ein Schmetterlingsbärtchen, aber davon spricht man nicht und ein galanter Mann sieht es überhaupt nicht—, wie kommt das? Die Erklärung liegt nicht fern. Wenn die Frauen Bärte hätten, würden sie sich auch rasieren lassen müssen. Das gäbe aber großes Unglück, weil sie doch so lange nicht den Mund halten könnten und deshalb Wunden über Wunden erhielten. Es ist deshalb besser so. # d i e k ü n s t l i c h e r D ü n g e r entsteht. Die immer wachsende Nachfrage nach künstlichem Stickstofsdünger, dessen Fabrikation aus der Luft in den letzten Jahren bereits gute Ergebnisse gezeitigt hat, drängt unaufhörlich zu neuen Methoden und Gedanken. Unter den industriellen Unternehmungen, die sich mit der Oxydation des Luftstickstoffs im elektrischen Flammenbogen und der weitern Verarbeitung der in dieser Weise gewonnenen salpetrigen Säure zu Calciumnitrat, das an Stelle des Chilisalpeters landwirtschaftliche Verwendung finden soll, beschäftigen, haben die Birkeland=Eyde=Werke in Notodden(Norwegen) die führende Stelle eingenommen. Es ist ihnen aber in jüngster Zeit eine gewaltige Konkurrenz in einem neuen Verfahren zur Gewinnung des Luftstickstoffs, dem sogenannten Cyanomidprozeß ermachsen, der in Norwegen selbst sowie in anderen Ländern in großem Stil verwertet wird. Erhitzt man Caleiumkarbig in einem Strom von Stickstoff, wie er durch Abscheidung des Sauerstoffs aus atmosphärischer Luft gewonnen werden kann, so setzt es sich in Caleiumzyanamid um, womit eine billigere Herstellung eines künstlichen Stickstoffdüngemittels ermöglicht wird, als bei Verwendung des elektrischen Flammenbogens. Das Calciumzyanamid wurde im Zahre 1895 von Frank und Caro entdeckt. Die beiden Forscher versuchten damals, Zyanide in der Weise herzustellen, daß sie ein Gemisch von Calciumkarbid und kohlensaurem Natron in Gegenwart von Stickstoff erhitzten. Sie erhielten aber keine sonderlichen Resultate und gingen daher zur Anwendung von Bariumkarbid über, das auch eine Reaktion im gewünschten Sinne zeigte, indem es bei einer Temperatur von 700—800 Grad reichliche Mengen von Stickstoff absorbierte. Die Untersuchung des Reaktionsverlaufs ließ erkennen, daß nicht allein Bartumzyanid gebildet wurde, sondern daß neben diesem eine größere Menge einer eigentümlichen Substanz entstand, die sich als Bariumzyanamid erwies, und zwar verlief der Prozeß gewöhnlich so, daß auf 30 Prozent Zyanid 40 Prozent Zyanamid kamen, während der Rest aus Bariumoryd und Kohle bestand. Auf Grund dieser Beobachtungen gelang es dann auch, vom Caleiumkarbid ausgehend, die entsprechenden Calciumverbindungen zu erhalten. Das Caleiumzyanamid zersetzt sich bei der Behandlung mit Wasser zu kohlensaurem Kalk und freiem Ammoniak. Dies legte den Gedanken nahe, es an sich als Düngemittel zu verwerten. Allerdings wandten Fachleute ein, daß die Bodenfeuchtigkeit kaum ausreichen dürfte, um das Ammoniak in Freiheit zu setzen, da die eben genannte Reaktion nur bei hoher Temperatur eintritt. Gleichwohl zeigten die Versuche, daß sich das Zyanamid tatsächlich im Boden zersetzt und als Stickstoffquelle zu gebrauchen ist. Es wurde unter der Bezeichnung „Nitrolim“ auf den Markt gebracht. Zunächst hafteten ihm jedoch noch unangenehme Eigenschaften an. So enthielt es nicht selten gewisse Mengen von Calciumoxyd, das in Berührung mit der Luftfeuchtigkeit ein Bersten der Jutesäcke, die als Packung dienten, bewirkte. Doch gelang es, durch entsprechende Papiereinlagen und vor allem durch Vermeidung der unliebsamen Beimengung, des Uebelstandes Herr zu werden. Die Wirkung des Zyanamids ist in den verschiedenen Bodengattungen sehr verschieden. Wenn der Boden an sich sauer ist, erscheint ein Kalkzusatz unerläßlich. In gewissen kalkarmen Böden wirkt das Zyanamid ohne diesen Zusatz sogar direkt schädlich. Das„Nitrolim“ kann natürlich auch mit allen möglichen anderen Kunstdüngern gemischt zur Anwendung gelangen. Gegenüber dem Chilisalpeter weist es den Vorteil geringerer Wasserlöslichkeit auf, so daß es nicht so leicht weggespült werden kann. Zur Herstellung dieses Düngemittels dient genau dasselbe Calciumkarbid, das auch zu Beleuchtungszwecken fabriziert wird. Man bringt es in seuerfesten Retorten bei 800—1000 Grad mit dem Stickstofs in Berührung, der entweder nach dem Lindéschen Verfahren durch fraktionierte Destillation von Luft oder durch Ueberleiten von Luft über Kupfer erzeugt wird. Wenn das Calciumkarbid gesättigt ist, was ohne weiteres durch den Gasdruck ersichtlich ist, wird der Retorteninhalt in luftdicht abgeschlossene Formen abgelassen und nach dem Abkühlen sein gepulvert, womit das Nitrolim zum Gebrauch fertig ist. Das Erhitzen geschieht seit etwa Jahresfrist mittels Elektrizität, wodurch eine wesentliche Verbilligung, namentlich durch Ersparnis an Retortenmaterial, erzielt wird. Man rechnet zwei Tonnen Karbid auf das Kilowattjahr, die 500 Kilogramm Stickstoff in Form von Nitrolim zu binden vermögen. Jede Tonne Stickstoff verbraucht etwa 23/8 Pferdestärke im Jahre, wozu noch ½ Pferdestärke für alle anderen Operationen zu rechnen ist. Nitrolim ist zugleich auch noch das Ausgangsmaterial für zahlreiche chemische Präparate. Wie die„Nature“ mitteilt, verarbeitet die Zyanamidgesellschaft in Odde bereits dieselbe Stickstoffmenge wie Notodden. Die erste Anlage dieser Art wurde vor 2½ Jahren in Piano d’Orta in Mittelitalien errichtet, und zwar mit einer Jahresproduktion von 4000 Tonnen, die heute bereits auf 10000 Tonnen gestiegen ist. Auch andere Anlagen sind in Italien entstanden. In Deutschland werden in Westeregeln und Brühl jährlich 10000 Tonnen Nitrolim hergestellt. An letzterem Orte gestatten die günstigen Kohlenverhältnisse sogar, es ohne Wasserkraft zu fabrizieren. In Oesterreich=Ungarn wurde auf Grund einer Wasserkraft von 50000 Pferdekräften bei Almissa eine Fabrik ins Leben gerufen. In großartigem Stile wird in Nordamerika vorgegangen, wo an der kanadischen Seite des Niagarafalles die„Amexican=Zyanamid=Company“, Werke plant, die die ungeheure Menge von 400 000 Tonnen jährlich liefern sollen. England ist in dieser Industrie hauptsächlich durch die einer englischen Gesellschaft gehörenden Werke in Odde vertreten. scheinlich ist sie auf Störungen der Gleichgewichtsempfindung zurückzuführen, die durch eine anormale Beschaffenheit eines oder mehrerer Sinnesorgane entsteht. Die Folge sind Uebelkeit, Blässe, feuchte Haut, Erbrechen und ähnliches. Es fragt sich zunächst, welches Organ als Sitz der Störung anzusprechen ist. Erwachsene Personen, die ihr unterworfen sind, geben an, daß bei ihnen die Bewegung des Fahrens weiterempfunden wird, nachdem sie das Fuhrwerk verlassen haben. Setzt das Leiden erst in reiferem Alter ein, so ist es gewöhnlich auf das Auftreten von Sel störungen zurückzuführen. Mit ihrer Beseitigung verschwindet dann auch das Uebel. Beim weiblichen Geschlechte sind nicht selten Frauenleiden ein prä disponierendes Moment. Was eine allgemeine Erkl.rung am meisten erschwert, ist der Umstand, daß in den Kinderjahren, in der Zeit, wo die Sinnesorgane noch in der Entwicklung begriffen sind, das Anstreten der Krankheit am häufigsten beobachtet wird. Auch tritt sie während des Schlafes auf, wobei Sehstörungen völlig außer Betracht bleiben. Auch die Verdauun ist im allgemeinen nicht verantwortlich zu machen, da Kinder beim Fahren von Uebelkeiten befallen werden. gleichviel ob ihr Magen gefüllt ist oder nicht. Die Tageszeit und die Stunde der Mahlzeiten scheint ohne Einfluß zu sein. Es scheint vielmeyr, daß durch die Bewegung des Inhalts der Halbzirkelkanäle im 1 ein Reiz auf gewisse Nervenzentren geübt wird, der das Uebelbefinden bedingt. Sehr häufig gibt Wagenkrankheit zu ganz falschen Diagnosen, wie auf Trunkenheit und dergleichen Anlaß. Sie kann jet mit Sicherheit als eine Neurose angesprochen werden. Vermischtes. 6 Sinst und jetzt. So lange es Weizen gibt, hat es auch Unkraut unter ihm gegeben, so lange Korn existiert, war auch Spreu vorhanden, und so lange es vernünftige, denkende Leute auf der Welt gibt, wird es auch Hausmichels geben, die der Welt eigentlich für das Stroh zu teuer zu stehen kommen, das sie im Kopfe herumtragen.— Es gibt auch nichts Lächerlicheres als die sogenannten„Zeitjeremiaden“, deren ganzer Grundgedanke ist:„Noch niemals war es in der Welt so schlecht wie jetzt.“ Derartige Klagen hat es ziemlich zu allen Zeiten gegeben; ein alter römischer Dichter spöttelt schon über den„laudator temporis acti, se puero“, über den„Lobredner der Vergangenheit, als er noch ein Knabe war“, und dieser Ausspruch ist noch heutigen Tages genau so zutreffend wie damals. Wir Menschen haben von dem gütigen Gott ein unschätzbares Gut bekommen, was wir für den täglichen Gebrauch nicht hinreichend genug zu würdigen pflegen: die Kunst zu vergessen; durch Hilfe dieser kommen wir sehr leicht dazu, das Vergangene in weit besserem Lichte anzusehen, als die Gegenwart. Wenn ein Künstler eine Bildsäule gemacht hat und es sind kleine Fehler daran, so entdeckt man dieselben in der Regel nur dann, wenn man aus nächster Nähe die Einzelheiten betrachtet, so daß einem nicht das Kleinste entgeht; aus weiterer Entfernung es betrachtend, wird man aber sagen, das Werk sei sehlerfrei, weil man eben dann nicht imstande ist, die kleinen Mängel zu entdecken. Je weiter man sich entfernt, desto mehr entschwindet das Einzelne dem Blicke, und nur die großen, allgemeinen Züge bleiben übrig. So ist es leicht zu erklären, daß der Mensch, wenn er erst in die reiferen Jahre kommt, sehr leicht geneigt ist, die Zeiten seiner Jugend und Kindheit für besser zu halten, als die Gegenwart, an der so manche Unebenheiten und Astlöcher sich befinden. Dazu kommt, daß der Mensch in den reiferen Jahren genauer und eingehender beobachtet, mehr auf das Ganze und doch wieder in seinem engeren Kreise auch auf das Einzelne das Auge gerichtet hält, eine ernstere, mehr philisterhafte Auffassung des Lebens und was mit demselben zusammenhängt, sich aneignet, manches schon für etwas gar nichts Leichtes ansieht, was er in der Jugend bezw. in der Kindheit für etwas dicht so Arges angesehen hat, wobei dann wieder wetratht kommt, daß das Alter istellach zu bart gar in b. über dieses oder jenes urteilt, die Jugend aber zu milde und zu leichtsinnig. Die Kindheit faßt alles als Spiel auf, die Jugend in leichtlebiger, das Mannesalter in ernster, das Greisenalter in trüber Manier, oder was dasselbe ist, der Knabe ist ein Spielkind, der Jüngling ein Sausewind, der Mann ein Grübelkopf, der Greis ein Sauertopf. So ist es mindestens, wenn es seinen normalen Gang geht, wobei es erstens nicht notwendig ist, daß jedermann gerade diesen ausgesprochenen Charakter jeder Periode an sich habe, und es zweitens auch Ausnahmen geben kann, was aber stets zu Verzerrungen führt. Ein Jüngling mit dem Ernste eines Höllenrichters und der Miene eines Dorfgärtners, dem die Petersilte verhagelt ist, macht einen ebenso schlechten Eindruck, wie ein Mümmelgreis, der den Bruder Lustig herausbeißen möchte und sich aufführt, als ob er mitten in den Flegeljahren stehe. Der Verstand kommt mit den Jahren, sagt das Sprichwort; freilich; die Jahre kommen sicher, aber ob der Verstand dann auch kommt, ist doch noch immer eine Frage. Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er sicher Verstand dazu, aber gegenwärtig liegt die Sache so, daß die meisten Aemter von den Behörden oder den Wählern besetzt werden, und dabei kommt es vor, in China nämlich—, daß die größten Henochsen in einflußreiche Aemter gelangen, für welche sie weder Verstand mitbringen, noch ihn sich nachträglich erwerben. nur eine— Frau pflegen solche in der Regel zu bekommen. Wir brauchen uns nicht gerade zu beeilen und können uns die Schwaben als Grundlage für unsere harmlose Betrachtung annehmen: die bekommen den Verstand zwar erst mit 40 Jahren, aber sie kriegen ihn doch, und das ist immerhin etwas. Mit vierzig Jahren urteilt man schon ganz anders, als z. B mit zwanzig. Was um uns wegstirbt, fällt uns nicht so sehr auf, wenigstens im täglichen Leben nicht, als was um uns heranwächst. Mit zwanzig Jahren findet man sich noch, falls man ungestört auf heimatlicher Scholle oder in der Nähe heranwächst, gewissermaßen mit unter der jungen Generation, die etwas werden will, der Abstand zwischen uns und der Schuljugend ist noch nicht so groß. Dann blicken wir aber auch nach oben, d. h. zu den älteren Erwachsenen empor, wie zu einem durchaus verschiedenen Geschlechte, das mitten in der Tätigkeit steht, für die wir uns vorberetten; die alte Generation aber hat mit uns weniger Büblung. sie steht und ehen zu fern. Versetzen wir #. Die Wagenkrankheit. Bisweilen erregen sehr häusig und offen zutage liegende krankhafte Zustände die Aufmerksamkeit der medizinischen Wissenschaft in weit geringerem Maße als Einzeluntersuchungen auf irgend einem Sondergebiet. Dies trifft beispielsweise bei einer eigentümlichen Art körperlicher Verstimmung zu, die sich bei vielen Menschen als Folge von Wagen= oder Eisenbahnfahrten einstellt und eine nahe Verwandschaft mit der Seekrankheit ausweist. Die Symptome: Schwindel, Brechreiz usw. sind die gleichen; aber trotzdem scheint es sich nicht um dasselbe Leiden zu handeln. Das „Newyork Medical Journal“ macht die Erklärungsversuche, die von verschiedenen Seiten unternommen worden sind, zum Gegenstande einer Besprechung. Wohl handelt es sich ebenso wie bei der Seekrankheit um eine Neurose. Es kommt aber vor, daß Leute daran leiden, die sich zur See vollkommen wohl fühlen und umgekehrt. Von der Seekrankheit werden Kinder und alte Leute nur sehr selten ergriffen, während die Wagenkrankheit in ellen Lebensaltern auftritt. In beiden Fällen ist das weibliche Geschlecht empfindlicher. Die Wagenkrankheit weist zwar eine Eigentümlichkeit auf, die bei jener fehlt; sie vererbt sich nämlich sehr oft in der weiblichen Linie. WahrDie Welterzeugung an Baumwolloel. Wie auf so vielen andern Gebieten hat England auch hinsichtlich der Gewinnung von Oel aus den fruher fast wertlos betrachteten Baumwollsamen s#. seinerzeit zu sichern gewußt. Vor etwa 25 Jahren stand es in dieser Fabritation, die damals etwa 200 0 Tonnen Baumwollsamen verarbeitete, an erster Steu. Da die Samen jedoch aus dem Transport leicht ver derben, erwies es sich als nötig, die„Oelmühlen in möglichster Nähe der Gewinnungsorte anzulegen, so daß sich bald die Baumwollsamenmüllerei in den Vereinigten Staaten und in letzter Zeit in Britisch Indien und Aegypten kräftig entwickelte. Die Anzah! der Baumwollmühlen in den einzelnen Ländern ist recht bezeichnend; während auf die Vereinigten Staa ten 786 und auf England 25 entfallen, findet man in Frankreich nur 5 und in Deutschland gar nur zwei. Auch die übrigen Länder weisen ganz bescheiden: Ziffern auf, die in nicht allzuweiten Grenzen um 10 herum schwanken. Im Jahre 1907 verarbeiteten die 786 Mühlen der Vereinigten Staaten, wie„Der Tropenpflanzer“ mitteilt, über 2½ Millionen Tonnen Baumwollsamen, die einen Wert von fast 200 Mill. Mark darstellen. Im Jahre 1906 wurden nach GroßBritannien über 600000 Tonnen Vaumwollsamen eingeführt, die dort mit den noch garan befindlichen Fasern und mit den Hüllen gepreßt werden, wodurch man eine größere Ausbeute an Oelkuchen erzielt, die in England sehr geschätzt sind. Tas Oel selbst eignet sich zu Genußzwecken nur wenig und wird fast ausschließlich in der Seisenfabrikation verwendet. In Südamerika steht Pern mit 15 Mühlen an erster Stelle, die im Jahre etwa 28000 Tonnen verarbeiten können. doch ist die Nachfrage nach Samen zur Ausfuhr so groß, daß nicht einmal alle diese Mühlen viel beschäftigt werden können. Das elektrische Licht im Kleinen. Große Errungenschaften der Technik, die sich so recht in der breiten Oeffentlichkeit sehen lassen, machen gewiß einen imposanten Eindruck auf die breitern Volksschichten, soweit sie an ihrer Wahrnehmung beteiligt sind. Dennoch kann man wohl sagen, daß die rechte Volkstümlichkeit einer Erfindung oder eines Industriezweigs erst dann beginnt, wenn ihre Erzeugnisse in die Häuslichkeit und in das tägliche Leben eindringen. In dieser Hinsicht hat sogar die Elektrotechnik noch viel zu leisten, und virlleicht beruht auf dieser Erkenntnis die so oft genannte Prophezeihung eines hervoragenden Physikers, daß erst das zwanzigste Jahrhundert das eigentliche Säkulum der Elektrizität sein werde. Jetzt ist si: jedenfalls auf dem besten Wege dazu, denn sie erobert sich nun auch die kleineren Wohnungen und solche mechanischen Betätigungen, für die sie früher als zu großartig und teuer erschien. Für diesen Erfolg ist die Elektrizität freilich, wie ein Aussatz von Friedrich Hansen im Elektrotechnischen Anzeiger treffend ausführt, auf die Entwicklung eines andern technischen Gebiets angewiesen gewesen, nämlich auf die Industrie der Motoren. Erst der Benzinmotor, der durch den Aufschwung des Automobilwesens so ungemein schnell in die Höhe gekommen ist, wird voraussichtlich dem elektrischen Kleinbetrieb alle oder viele der ihm bisher verschlossen gewesenen kleinen Pforten öffnen. Dabei handelt es sich in erster Linie darum, was der Fachmann„elektrische Kleinbeleuchtung“ nennt, für die seit der großartigen Entwicklung der Glühlampen mit Metallfäden die Aussichten sehr gewachsen sind. Mit solchen Lampen und einem kleinen Benzinmotor läßt sich die Beleuchtung z. B. einer kleinen Villa auch ohne das nahe Vorhandensein eines Elektrizitätswenks mit nicht zu hohen Kosten bewirken. Selbstverständlich kann, wenn günstige Gelegenheit dazu gegeben ist, auch andere Kraft, wie die von Wasser und Wind herangczogen werden. Auch die Gasmotoren erobern sich im Kleinbetrieb noch immer mehr Raum. uns nun zwanzig Jahre weiter, so hat die Sache ein ganz anderes Aussehen. Was damals noch in den Windeln lag oder den Kopf mit den Schulaufgaben abquälte, steht jetzt im Begriffe, in das aktive Leben einzutreten, ist teilweise schon„in Amt und Würden“, hinter ihm aber marschiert bereits eine junge Schar, die uns in ihrer Gesamtheit fremd geblieben ist, die Hoffnung einer neuen Zeit. Was dagegen in unserer Jugend das Mannesalter vertrat, was rüstig am Schaffen war, ruht entweder auf dem Friedhofe oder steht im Greisenalter, in dem kein eigentliches Schaffen mehr möglich ist; an die Vertreter des Greisenalters aus unserer Kindheit erinnern wir uns kaum noch. Schon einige Jahre können einen Uebergang schaffen, den man in seiner Bedeutsamkeit nur dann voll erkennt, wenn man ihn in seiner Unmittelbarkeit schaut. Seit mehreren Jahren war ich nur vorübergehend in meinem Heimatsorte gewesen, meine Zeit hatte es mir nicht erlaubt. Als ich zum letzten Mal auf etwas längere Zeit da sein konnte, staunte ich nicht wenig über die Wandlungen, welche in der noch nicht langen Spanne Zeit vorgegangen waren. Ich fragte nach diesen und jenen, die vordem noch ganz rüstig und wohlauf waren: die einen lagen im Grabe, die anderen waren von Altersschwäche ans Bett oder an den Lehnstuhl gefesselt. Einigen hatte freilich, wie es schien, die Zeit trotz ihrer Jahre noch nichts anhaben können, von einem, der damals noch durchaus munter war und seines Amtes eifrig waltete, sagt man mir:„Der ist jetzt der älteste Mann im Orte, er ist achtzig Jahre alt und in der Kindheit!". Ja, so geht's, die Jahre gehen dahin, und wenn man im selben Kreise ruhig weiter lebt, merkt man nicht, wie man ganz allmählich in andere Alters= und andere Gedanken= und Ansichtsregionen kommt; die frühere Zeit entschwindet unvermerkt den Blicken, wir sehen sie nur noch in allgemeineren Umrissen vor uns und sind dann leicht geneigt, das Bild für abgerundeter, vollkommener zu halten, als es in der Tat war, schon aus dem Grunde, weil wir in den Jugendjahren eine ganz andere, mehr heitere, man möchte sagen, leichtsertigere, Lebensanschauung hatten, als sie sich später ganz von selbst einstellt. Wie mit dem einzelnen Menschenleben, ist es im großen und ganzen mit einzelnen Zeitabschnitten der Weltgeschichte. Unsere Zeit hat ihre Mängel, vielleicht sehr schwere, aber wenn wir tun wollten, als ob sie eine so arge tel. ndie nach nie narher In Schlitten mnir das Kind mit dem Bade aus. Was jetzt aus alter Zeit wie Gold glauzt, mag in der Tat mit einem ordentlichen Stück Kupfer durchsetzt gewesen sein, und was uns aus früherer Zeit als beinahe trostlos erscheint, war vielleicht, aus nächster Nähe betrachtet, nicht gerade so arg, hatte vielleicht noch mehr als eine mildere Seite, die wir aber jetzt, als zu weit davon entfernt, mit unserem Geistesauge nicht mehr erblicken. An der Welt läßt sich gewiß vieles bessern, und wir alle müssen dazu mitwirken; aber der eigentliche prosessionelle„Weltverbesserer", der rund um sich nichts als Schlimmes, Verächtliches, Lächerliches und Zerstörungswürdiges sieht, wird nie zu einer vernünftigen Leistung kommen. In alter Zeit soll es zwar Riesen, sogenannte Giganten, gegeben haben, welche es verstanden, Berge zu versetzen; sie türmten, wie uns Ovid erzählt, den Pelion auf den Ossa, aber auch sie haben nichts erreicht, ihr Himmelstürmen bekam ihnen vielmehr so schlecht, daß sie selbst unter ihre eigenen Lasten gebettet wurden und fortan noch weniger zu sagen hatten, wie der gewöhnlichste Tagesmensch. All das Pläneschmieden im großen Maßstabe, all die Phantasterei, eine neue Welt zu schaffen, in der das„tantum quantum", das„Wieviel=Soviel", mit anderen Worten die dem Menschen angeborenen guten und bösen Triebe durch ein selbstgegebenes Gesetz erst unterbrückt und dann reguliert werden sollen, fallen stets in sich selbst zusammen, sind für die Nachwelt nutzloser, als die ruhige besonnene Kleinarbeit, das stille Wirken des einzelnen Menschen in seinem ihm angewiesenen, wenn auch noch so bescheidenen Kreise. Alle die großen Kriege der Weltgeschichte mit ihren hochberühmten Helden und menschenmordenden Schlachten haben auf die Entwickelung der Verhältnisse der Menschheit nicht entfernt so viel Einfluß gehabt, wie z. B. die einzige Erfindung des Buchdrucks oder der Dampfkraft. Die menschliche Kultur hat zu verschiedenen Zeiten ein verschiedenes Bild gezeigt, aber die Menschheit ist sich schließlich in allen ihren Grundzügen gleich geblieben, und so wird es auch ferner sein: „Denn so lange Haß und Liebe, Furcht und Gier auf Erden schalten, Werden sich der Menschheit Lose Aehnlich oder gleich gestalten.“