Areis Siurt für das Münsterland. Gratis=Beilage zum Westfälischen Merkur. No. 79. Sonntag, den 2. October 1859. Unterhaltendes. Aus einer Dachstube. Erzählung von Otto Roquette. (Schluß.) Agnes war sehr krank, die nächsten Tage vergingen unter ununterbrochenen Befürchtungen für ihr Leben. Leonhard hatte dem Arzte mitgetheilt, daß ehelige Mißverständnisse der Krankheit vorausgegangen seien und so verbot der erfahrene Mann jedes Gespräch, welches neue Aufregung hervorbringen könnte. Eine Verständigung der jungen Gatten war somit unmöglich. Leonhard mußte seine kranke Frau im Wahne lassen, daß eine andere Liebe sein Herz erfülle, daß er in der That treulos an ihr gehandelt habe. Zwar sah sie ihn in kurzen Augenblicken des wiederkehrenden Bewußtseins in treuer Sorge an ihrem Bette sitzen, aber ein schmerzlicher Zug ging dann durch ihr Antlitz, ein Zeichen tiefer, trostloser Hoffnungslosigkeit. Am dritten dieser aufreibenden Tage nahm Leonhard den kleinen Sarg seines todtgebornen Kindes unter den Arm und schwankte die Treppe hinunter, um in einsamer Zerknirschung nach dem Kirchhof zu fahren. Herr Düring hatte seinen Wagen geschickt. Leonhard stieg ein und fand überrascht seinen Prinzipal im Wagen. Den Sarg zwischen sich, fuhren die Männer schweigend zum Thor hinaus und standen stumm neben dem Grabe. Da faßte der Schmerz den jungen Mann mit ganzer Gewalt an. Er sah sich in Gedanken schon zum zweiten Male hier stehen und den Sarg seiner Gattin versenken und mit furchtbar ausbrechenden Thränen warf er sich Herrn Düring an die Brust. Auch dieser unterdrückte seine Rührung nicht und sprach ihm Trost und Hoffnung ein, so gut er sie finden konnte. Wochen vergingen. Agnes war wie geistesabwesend. Der Arzt hoffte ihr Leben zu retten, aber eine Zerrüttung des Gemüths drohte ein um so jammervolleres Ende der Krankheit. Leonhard ging wie ein Schatten umher, er war vom Schmerz so zermalmt, daß er kaum noch etwas hoffte oder fürchtete. Eines Tages saß er in sich gekehrt am Fenster. Agnes schlief. Da öffnete sich die Thür und herein trat Florentine. Sie winkte ihm zu schweigen und huschte, ohne ein Wort zu sagen, in das Krankenzimmer. Hinter ihr her kam der Arzt. „Fassen Sie Muth,“ sagte er.„Heute früh habe ich Symptome bemerkt, die vielleicht gute Zeichen sind. Das Fräulein da ist auf meine Veranstaltung hier.“— Der Arzt folgte Florentinen, die am Bette Platz genommen hatte und setzte sich, von der Kranken ungesehen nieder. Die Thür war nur angelehnt und durch die Spalte beobachtete Leonhard in ängstlicher Spannung die Vorgänge drinnen. Eine Weile war es still. Dann hob sich die Kranke ein wenig empor, sah ihren Gast lächelnd an und sagte:„Da ist sie wieder, die schöne, junge Dame. Ich weiß nicht, ob ich wachte oder träumte, aber mir ist, als hätte ich Sie schon Einmal hier gesehen. Wer sind Sie, wie soll ich Sie nennen?“ Leonhards Herz schlug heftiger, als er seine Gattin so ruhig und ohne alle Zeichen geistiger Verwirrung sprechen hörte und seine Hoffnung sing an, sich zu beleben. „Nennen Sie mich Ihre Schwester,“ entgegnete Florentine.„Künftig wollen wir ganz zusammen wohnen und uns schwesterlich lieben und auch unsere Männer sollen Brüder und Freunde sein.“ „Sie sind schon glückliche Gattin?“ fragte Agnes in wehmüthigem Tone. „Noch nicht, aber seit drei Tagen bin ich Braut. Mein Vetter Karl liebte mich seit Langem. Ich wollte das nicht erkennen, denn mein Herz war sehr thöricht und verblendet. Endlich aber habe ich seine Vortrefflichkeit eingesehen und ihm ohne Widerstreben Herz und Hand gegeben.“ „Braut....!“ sagte Agnes still vor sich hin.„Ich war auch einst Braut. Das ist lange her.— Hören Sie mich an, Schwester!“ fuhr sie lebhafter fort.„Ich will Ihnen etwas anvertrauen. Ich bin jetzt mit mir im Klaren. Mein Mann liebt mich nicht mehr, ich will mich nicht länger sträuben, sondern mich von ihm scheiden lassen. Warum drei Leben zugleich elend machen? Das seine, das des Mädchens, dem sein Herz gehört, und— das meine. Zwar ich werde immer unglücklich sein, aber ich will ihm nicht länger zur Last fallen!“ —„Ich kenne die ganze Geschichte Ihres Unglücks,“ erwiederte Florentine.„Sie irren sich, wenn Sie Ihres Gatten Herz sich entfremdet wähnen.“— Und nun erzählte Florentine mit Ruhe jene Ereignisse, die wir als die Ursache der Zerwürfnisse schon kennen. Agnes horchte hoch auf, faltete die Hände und sah bald fragend die Erzählerin an, bald Ktill vor sich nieder.—„Glauben Sie mir,“ schloß Florentine, „seine Liebe zu Ihnen, zu seinen Kindern allein hat ihn einen Fehltritt begehen lassen. Jenes Mädchen, daß Sie für Ihre Nebenbuhlerin halten, ist ihm völlig gleichgültig, und sie selbst war es, die, ohne zu wissen, daß er gebunden und glücklich sei, ihn für sich gewinnen wollte. Sie ist bekehrt, seitdem sie das Geheimniß erfahren hat. Und so steht Ihrem Glücke nichts mehr im Wege liebe Schwester, auch Sie dürfen wieder zufrieden und glücklich sein!“ Agnes schwieg eine Weile in tiefen Gedanken.„Das ist eine schöne, trostreiche Geschichte, die Sie mir erzählen,“ sagte sie mit einem Seufzer.„Aber die schönsten Geschichten sind nicht wahr. Daran glauben möchte man so gern!— Armer Leonhard!—— Doch wie ist das?“ fuhr sie lebhafter fort: „Wie wissen Sie das Alles? Sind Sie etwa gar... jetzt geht es mir heller auf!— Sie sind die Tochter des Herrn Düring!" Florentine ließ einen ängstlichen Blick zu dem Arzte hinübergleiten. Er nickte.—„Ja, meine Schwester,“ sagte sie dann,„ich bin Florentine Düring! Hassen Sie mich nicht! Ich war schuldig vor Ihnen, ohne es zu wissen. Leonhard war Ihnen niemals untreu, und wenn er einen Fehler begangen hat, so geschah es— ich wiederhole es— aus Liebe zu Ihnen und zu seinen Kindern!“ Agnes breitete ihre Arme aus und schloß Florentinen, die neben ihr knieete, an das Herz. Beide hemmten ihre Thränen nicht.— Der Arzt schlich an die Thür und winkte Leonhard.„Behutsam!" flüsterte er ihm zu. Keine Scene! Vollkommen Rube!"— Leonhard kam herbei. Mit überquellendem Herzen stand er hinter Florentinen, an deren Brust Agnes ihr Gesicht verborgen hatte. Endlich sah sie auf und erblickte ihn.„Leonhard, vergib mir!" rief sie, ihm beide Hände entgegenstreckend. Er sank, von Freude überwältigt, neben ihr auf die Kniee und hielt sie umschlungen. „Lebt wohl!“ sagte endlich Florentine.„Sie werden genesen, Agnes, und dann kommt mein Vater zu Ihnen und wird Ihnen jedes meiner Worte bestätigen. Ihr zieht hinaus zu uns, und wir wollen Alle glücklich sein. An Sie, Leonhard, habe ich nur noch eine Bitte. Seien Sie ein Freund meines Bräutigams, er ist Ihnen sehr zugethan und ist ein besserer Mann, als ich ihn verdiene.“ Agnes war dem Leben wiedergegeben. Sie erholte sich langsam, aber sichtbar fortschreitend. Als sie das Lager verlassen und mit erwachtem Gefühl der Gesundheit umhergehen konnte, kam Herr Düring und wiederholte zu ihrer Beruhigung die Erzählung seiner Tochter. Schon bedurfte es seiner Bestätigung nicht mehr, denn durch ihren Gatten war Agnes überzeugt worden und fühlte sich wieder in ihrem alten, lange entbehrten Glücke. Es kam, wie Florentine es hoffend vorausgesagt hatte. Das Düring'sche Haus sah bald zwei glückliche Familien vereinigt, und die Verbindung wurde eine dauerhafte, da der Schwiegersohn des Herrn Düring, der das Geschäft später übernahm, Leonhard zu seinem Kompagnon wählte. (Br..) Das Schicksal Sir John Franklins. Die Frage, ob Sir John Franklin, der kühne Nordpolfahrer, spurlos verschollen und untergegangen, oder ob noch eine schwache Aussicht darauf vorhanden sei, daß man von seinem Schicksal etwas erfahre, hat die wissenschaftlichen sowie die nautischen Kreise in England fortwährend aufs Lebhafteste beschäftigt. Gegenwärtig gewinnt dieselbe ein neues Interesse, welches weit über jene Kreise hinausgeht. Wir finden im„Globe“ folgenden Brief des bekannten Kapitäns'Clinkock, der, an die englische Admiralität gerichtet, vom 22. September 10 Uhr 30 Minuten Morgens, am Bord der Bacht„Fox" datirt ist. Dieser Brief lautet: „Mein Herr, ich bitte Sie, die Lord= Kommissäre der Admiralität von der glücklichen Rückkehr der letzten Expedition, die Lady Franklin ausgesendet hat und welche ich kommandirt habe, zu unterrichten. „Ihre Herrlichkeiten werden mit Befriedigung vernehmen, daß unsere Bemühungen, das Schicksal, welches die Expedition Franklin's gehabt hat zu erforschen, von einem vollständigen Erfolg gekrönt worden sind. Man hat an der Landspitze Victory, auf der Nord=West=Seite der Insel König William, ein Schriftstück gefunden, welches von den Kapitänen Crozier und Fitzjames unterzeichnet und vom 25. April 1848 datirt ist. „Dies Dokument gibt uns kund, daß die Schiffe Ihrer Majestät„Erebus" und„Terror“ im Eise, fünf Meilen nordwestlich, verlassen worden waren und daß die überlebenden Personen, 105 an der Zahl, unter dem Kommando des Kapitän Crozier, sich in der Richtung der Great=Fish=River bewegten. Sir John Franklin war am 14. Juni 1847 gestorben. „Zahlreiche sehr interessante Reliquien von unseren Landsleuten wurden an der Westküste der Insel König William gesammelt; andere erhielt man von den Eskimos, welche uns mittheilten, daß die Fahrzeuge verlassen worden seien; das eine sei zertrümmert und unter dem Eise verschwunden; das andere sei gegen die Küste getrieben, wo es für sie eine fast unerschöpfliche Quelle des Reichthums geworden sei. „Da der„Fox“('Clinkock's Schiff) nicht über die Bellotstraße vordringen konnte, so überwinterte er in der Brentford=Bay, und die Durchforschung des Gebiets am GreatFish=River, sowie die Entdeckung von 800 Meilen Küstenland, durch welche wir die Entdeckungen früherer Expeditionen(im Norden und Westen von unserer Position) an die von James Roß, Dease und an diejenigen von Simpson und Rae im Süden geknüpft haben, sind im Frühjahr mittelst Reisen auf Schlitten unter Leitung des Lieutenants Hobson von der königlichen Marine und des Kapitäns Allen Young, so wie unter meiner eigenen Leitung gemacht worden. „Ein detaillirter Bericht über unsere Arbeiten wird ohne Zweifel für Ihre Herrlichkeiten Interesse haben; ich lege ihn, wie auch eine Karte unserer Entdeckungen meinem Briefe bei und werde mich nächstens der Admiralität vorstellen, um ausführlichere Mittheilungen zu machen und das in Port Victory gefundene Dokument Ihren Herrlichkeiten zu unterbreiten. „Ich habe die Ehre u. s. w. u. s. w. F. L.'Clinkock Kapitän der königlichen Marine.“ Der Bericht, von welchem der vorige Brief spricht, gibt eine ausführliche Darstellung von den Entdeckungen, zu denen die Expedition geführt hat. Wir lassen hier einen Auszug desselben folgen: „Eine alte sehr intelligente Frau gab uns mannigfache Auskunft; sie sagte, das Schiff sei gegen das Ende des Jahres an die Küste getrieben worden; viele weiße Männer seien auf dem Wege nach dem großen Flusse gestorben. Dies erfuhr man im folgenden Winter, als man ihre Leichen entdeckte. „..... Nachdem wir die Meerenge von King=Williams= Island— sagt der Bericht— zurückgelegt, fuhren wir fort, die Südküste zu durchforschen; 10 Meilen östlich vom Kap Herschel fand man ein von Fragmenten europäischer Kleidungsstücke bedecktes Gerippe. Als der Schnee weggeräumt worden, fand man ein Taschentuch, welches einige sehr beschädigte, aber nicht unlesbare Briefe enthielt. Nach den Kleidungsstücken zu urtheilen, welche es bedeckten, schien dieses Gerippe das eines Steward oder eines Offizierdieners zu sein, und die Lage des Leichnams schien die Behauptung der Eskimos zu bestätigen, daß die Weißen unterwegs todt niedergefallen seien.“ Nachdem die Entdeckung mehrerer leerer Gräber erwähnt worden, fährt der Bericht fort: „Am 7. Mai errichtete Lieutenant Hobson sein Zelt neben einem großen Grabe am Kap Victory. Unter einigen Steinen, welche sich von dem oberen Theile dieses Grabes losgelöst hatten, fand man ein Etui von Zinn, das folgende Note enthielt: „Dies Grab ist von der Expedition Franklins an dem Orte errichtet, der für das Monument James Roß's, welcher nicht wieder gefunden worden ausersehen war. Der„Erebus“ und der„Terror“ haben ihren ersten Winter an der Insel Beechy verbracht und nachdem sie die Wellington=Meerenge bis zum 77. Grad nöedl. Breite passirt hatten und an der West küste der Insel Cornwallis zurückgekehrt waren, sind sie unter einer nördlichen Breite von 70 Grad 5 Minuten und unter einer westlichen Länge von 98 Grad 23 Minuten vom Eise eingeschlossen worden. „Sir John Franklin ist am 14. Juni 1847 gestorben. Am 22. April 1848 wurden die Fahrzeuge 5 Meilen.N. O. vom Kap Victory verlassen und die Ueberlebenden, 105 an der Zahl, gingen unter dem Kommando des Kapitäns Crozier ans Land. Das betreffende Dokument war vom 25. April 1848 datirt. Am folgenden Tage hatten sie die Absicht, nach dem Great=Fish=River abzugehen. „Der Gesammtverlust der Expedition bis zu jenem Datum betrug 9 Offiziere und 15 Mann. Eine große Menge von Kleidungsstücken und Provisionen aller Art lagen hie und da zerstreut, als habe man Alles weggeworfen, dessen man entbehren konnte: Hacken, Beile, Küchengeräthe, Taue u. s. w. und ein Sextant, auf welchem der Name„F. Thomby“ eingravirt war. „Einige Meilen weiter südlich, jenseits der Black=Bay, fand man eine zweite Note, welche vom Lieutenant Gors und Hrn. Desvoeux im Mai 1847 deponirt worden. Sie enthielt nichts Neues von Bedeutung. „Lieutenant Hobson hat unter dem 69. Grad nördl. Breite und dem 99. Grad westl. Länge. eine große Schaluppe entdeckt, mittelst der man ohne Zweifel den Fisch=Fluß hinauffahren wollte. Sie stand auf einem Schlitten von Eichenholz. „In dieser Schaluppe fand man viele Kleidungsstücke und zwei menschliche Gerippe. Das eine lag auf einem Haufen Kleider, das andere war wahrscheinlich von wilden Thieren hin und her gerissen. Man fand 5 Uhren, viele Gabeln, silberne Löffel, einige Andachtsbücher. Aber es fanden sich weder Journale noch Taschenbücher; zwei Flinten standen aufrecht, absolut in derselben Stellung, in welcher sie vor eilf Jahren verlassen worden. Bei jeder Flinte war je ein Lauf geladen. Man fand Munition und Proviant in Ueberfluß: 30 bis 40 Pfund Chokolade, Thee, Tabak. Auch Holz fehlte nicht.“ Miszellen. (Ein merkwürdiger Selbstmörder.) Aus der hiesigen Straf= und Korrections=Anstalt(schreibt die Köln. Zeit.) haben wir einen Fall mitzutheilen, von welchem es sich kaum sagen läßt, ob er mehr in psychologischer oder in medizinischer Beziehung merkwürdig ist. Der 27jährige Tagelöhner Johann Meisterburg aus Bernkastel, einst Furcht und Schrecken der dortigen Einwohnerschaft, dessen Criminal=Proceß vor dem Schwurgerichte zu Trier wegen siebenmaliger Brandstiftung so große Sensation erregte, wurde bekanntlich zur Verbüßung der gegen ihn erkannten lebenswierigen Zuchthausstrafe hieher nach Köln gebracht. Schon bald nach seiner Hieherkunft machte er Selbstmordversuche, und namentlich im October v. J. dadurch, daß er sich einen anderthalbzölligen Drahtstift durch die Hirnschale trieb, dergestalt, daß der Stift etwa einen Zoll tief durch den Schädel drang. Als der betreffende Aufseher in Folge dieser unerhörten Operation ein auffälliges Verhalten des Gefangenen wahrnahm und diesen fragte, was ihm fehle, gab Meisterburg ohne Zögern zur Antwort, daß er sich einen Nagel in den Kopf geschlagen habe. So unglaublich dies lautete, ergab sich doch bei näherer Besichtigung die Richtigkeit des seltsamen Umstandes. Der Stift saß so fest im Schädel, daß er nur mittels einer Zange und mit Kraftanwendung herausgezogen werden konnte. Meisterburg wurde gleichwohl geheilt. Im April d. I. schlug sich der lebensmüde Sträfling ganz in derselben Weise einen zweiten Drahtstift durch den Schädel, und abermals wurde er hergestellt. Als er aber dann vor Kurzem die qualvolle Operation zum dritten Male ausgeführt, erreichte er endlich seine Absicht: das Gehirn gerieth in Eiterung, und nach schweren Leiden gab der unselige Verbrecher am verwichenen Donnerstag den Geist auf. Der Kopf wurde am Samstag geöffnet, und zu nicht geringer Ueberaschung fanden sich, wie wir hören, im Inneren der Hirnschale, in welcher mehrere wieder zugeheilte kleine Oeffnungen bemerkt wurden, noch einige Nadeln vor, die Meisterburg sich, wahrscheinlich als jene Oeffnungen noch nicht wieder geschlossen waren, in den Kopf prakticirt hatte und wohl geraume Zeit mit sich herumtrug. Die fanatische Beharrlichkeit, mit welcher der Verstorbene seine seltsamen und überaus schmerzhaften Selbstmordversuche fortgesetzt, ist kaum begreiflich. Uebrigens hören wir, daß Meisterburg hier mehrfach Anlaß gegeben, zu vermuthen, daß seine Geistes= und Gemüthszustände etwas sonderbarer Natur gewesen seien. (Originelle Bestrafung eines Diebes.) Aus Berlin meldet der„Publ.“: Kürzlich ist ein ungetreuer Lohnkellner auf eine eigenthümliche Weise bestraft und beschämt worden. In einem hiesigen Hotel war ein großer Hochzeiteschmaus hergerichtet worden, bei welchem zur Bedienung der Gäste, wie dies gewöhnlich geschieht, mehrere Lohnkellner engagirt wurden. Als bei dieser Gelegenheit einer der Kellner eine dampfende Schüssel mit Rebhühner zum Präsentiren für die Gesellschaft erhalten hatte, vermochte er dem Gelüste nach diesem Leckerbissen nicht zu widerstehen, wickelte auf dem Gange eiligst ein Hühnchen in Papier und praktizirte dasselbe in die Tasche seines saubern Fracks. Aber sein Unstern wollte, daß der Hotelbesitzer dies Manoeupre durch eine halbgeöffnete Seitenthür vollständig bemerkt hatte. Derselbe folgte dem Kellner sofort nach dem Saale, nahm eine gefüllte Sauciere und leerte dieselbe in die Tasche des servirenden Diebes mit den lakonischen Worten:„Lieber Freund, damit Sie das Huhn nicht so trocken herunterwürgen, habe ich Ihnen etwas Sauce dazu gegeben.“ Natürlich folgte dieser Szene ein schallendes Gelächter der anwesenden Gäste, welches den untreuen Kellner bewog, den Saal schleunigst zu verlassen und von da ab das Hotel zu meiden. (Alles Gold auf der Welt.) Schätzt man die Bard Gold in runder Zahl auf zwei Millionen Pfund Sterling, so würde alles auf der Welt vorhandene Gold, in Barren eingeschmolzen, in einem vierundzwanzig Fuß im Quadratfuß großen und sechszehn Fuß hohen Keller Platz finden. Alle die unermeßlichen Schätze: die Californien und Australien bereits geliefert haben, könnten in einem eisernen Kasten von neun Fuß Breite, neun Fuß Tiefe und neun Fuß Höhe untergebracht werden— so klein ist der Würfel gelbes Metall, der Völker in Bewegung gesetzt und die ganze Welt mit Staunen erfüllt hat. Die Beisteuern des jüdischen Volkes zu dem Tempelbau zu Jerusalem zu Davids Zeiten überstiegen 6,800,000 Pfund. Der unermeßliche Schatz, den David zu diesem Zwecke gesammelt haben soll, belief sich auf 889 Millionen Pfund Sterling (Crito sagt 798 Millionen), eine Summe, die größer ist als die englische Nationalschuld. Das Gold, womit Salomon das Allerheiligste überzog, ein Gemach von dreißig Fuß im Quadrat, kostete mehr als achtunddreißig Millionen Pfund Sterling. (Ein komischer Druckfehler.) In einer Schweizer Zeitung las man neulich:„Drei Fuder Dünger werden verkaut von Jacob Näff.“ Gemeinnütziges. Gewerbliches. (Klapperschlangen als Handelsartikel!) Auf der canadischen Seite des Niagaraflusses wohnt ein alter Trapper, Mac Connel, der im Sommer einige Monate an jenem Flusse herumstreift, um Klapperschlangen zu tödten. Er erlegt durchschnittlich dreihundert und verkauft das Fett. Seinen Anstand nimmt er dicht an Felsen, in deren Höhlen die Schlangen sich verkriechen. Am liebsten stellt er sich hinter einen Baum und hält seinen Stab immer in Bereitschaft. Wenn die Sonne scheint, kriechen die Thiere langsam hervor, wagen sich aber nicht weit, damit sie nicht eine Beute ihrer Erzfeinde, der Schweine werden. Läßt sich eine Schlange blicken, so tritt Mac Connell vor und erschlägt sie, trifft er fehl und entwischen sie, so sucht er sie am Schwanze herauszuziehen. Wird er an der Hand gebissen, so nimmt er ein„Schlangenkraut“, das er immer im Munde kauet, und legt dasselbe auf die dann ganz ungefährliche Wunde. Er ist gewöhnlich in rauhe Schaffelle gekleidet, durch welche kein Schlangenbiß dringt. Seine Beute hängt er gleich Aalen über ein Feuer, läßt das Fett herauströpfeln, zieht diese auf Flaschen und erhält für jede Flasche nach deutschem Gelde etwa achtzehn Thaler. Es soll ein Mittel gegen Rheumatismus und steife Glieder sein. (Silber in Glocken) macht, wie man bisher sehr allgemein annahm, dieselben klangreich, und man sprach von dem lieblichen Tone silberner Glocken. In manchen Städten wähnt das Publikum, daß auf diesem und jenem Tburme Glocken hängen, welche ganz oder zum Theil aus Silber bestehen sollen. Ich erinnnere mich z.., daß man in Halle von solchen Glocken sprach und vielleicht noch spricht, welche in den„blauen Thürmen“ der dortigen Marienkirche befindlich wären, und ein habsüchtiger, plünderungslustiger Feind könnte sich leicht bewogen fühlen, dieses Silber in seine Tasche stecken zu wollen. Jetzt haben nun Versuche, welche von den Herren Mears in England angestellt worden sind, zur Genüge bewiesen, daß die Glocken, je mehr sie Silber enthalten, desto klangloser sind. So hat also die metallurgische Cbemie reiche Klöster und Kirchen von dem Verdachte silberner Glocken befreit. (Patentverleihung.) Dem Metall=Blasinstrumentenmacher Friedrich Adolph Schmidt zu Köln ist unter dem 25. September 1859 ein Patent auf einen verbesserten Echobogen für die Ventil=Trompete, soweit derselbe in der durch Zeichnung. Beschreibung und Modell nachgewiesenen Zusammensetzung für neu und eigentbümlich erkannt ist, auf fünf Jahre, von jenem Tage an gerechnet und für den Umfang des preußischen Staats ertheilt worden. In Veszprim hat, dem„Pesther Lloyd“ zufolge, ein Herr Ludwig v. Koßta ein Privilegium erbalten auf die„Erfindung eines Apparates, um— Fliegen zu fangen!“ genannt Fliegensang=Apparat oder„Fliegenfänger". Ob selbiger mit Dampf betrieben wird oder nicht, ist leider nicht gesagt.(Floh=Fallen gibt es bekanntlich schon längst.) Landwirthschaftliches. (Der Platt'sche Pflug.) Platt in New=York hat einen Pflug erfunden, der die Aufgabe lösen soll, in einem Gange den Boden zu wenden und die Scholle zu zerkleinern. Die Haupteigentbümlichkeit dieses Pfluges besteht darin, daß an Stelle der Pflugschaar schraubenförmige Klingen wirken, die an einem Schafte in Form einer mehrgängigen Schraube angesetzt sind. Durch den Gang des Pfluges erhält die schraubenförmige Schaar laufende Bewegung und das Instrument wirkt sonach auf das Erd eich bohrend, wendend und zerkleinernd. Platt ist der Meinung, daß sein Instrument hauptsächlich als Untergrundpflug vorzügliche Dienste leisten werde, da es nicht wie gewöhnlich die Bodenschicht blos wendet und über die obere legt, sondern gleichzeitig wendet, zerkleinert und durcheinander bringt. Handels- und ökonomische Nachrichten. Amsterdam, 28. Septbr. Weizen ohne Handel. Preußischer Roggen preisbaltend, getrockneter still. Gerste wie früher. Buchweizen unverändert. Kohlsamen auf das Spätjahr unverändert, auf das Frühjahr ohne Handel. Leinsamen ohne Handel. Rüb= und Leinöl gleich und auf Lieferung etwas williger. Rüböl auf 6 Wochen 35¼ a 34 a 33¾ fl., per Novbr. 34¼ a 34 fl., per Dezbr. 34½ a ¼ fl., per Mai 35¾ fl. Leinöl auf 6 Wochen 34 fl., effectiv 32¾ fl., per October 32½ a ¾ a ½ fl., per November 32¾ fl., per Dezember 32 fl., per März 31¾ fl., per April 32 fl., per Mai 32¼ fl. Köln, 29. September. Rüböl und Weizen behauptet. Roggen auf Termine fester. Spiritus fest.— Am Landmarkt bei einer Zufuhr von 150 Sack feste Stimmung. Durchschnittlich per 200 Pfd. bezahlt: Weizen 6 Thtr. 11 Sgr., Roggen 5 Thlr. 5½ Sgr., Gerste 4 Thlr. 17 Sgr. Witten, 29. Septbr. Weizen 2 Thlr. 20 Sgr.— Pf. Roggen 2 Thlr. 10 Sgr.— Pf. Gerste 1 Thlr. 25 Sgr. — Pf. Hafer 1 Thlr.— Sgr.— Pf. Buchweizen 1 Thlr. 25 Sgr.— Pf.; Erbsen 3 Thlr 15 Sgr.— Pf. Bohnen 1 Thlr 23 Sgr. Rappsamen 3 Thlr.— Sgr. Rübsamen 2 Thlr. 25 Sgr.— Pf. Kartoffeln— Thlr. 25 Sgr.— Pf. Heu per Centner— Thlr. 20 Sgr.— Pf. Stroh per Schock 8 Thlr.— Sgr.— Pf. Butter per Pfd. 8 Sgr.— Pf. Paderborn, 28. Septbr. Weizen 2 Thir. 15 Sgr.— Pf. Roggen 2 Thlr. 3 Sgr.— Pf. Gerste 1 Thlr. 16 Sgr.— Pf. Hafer— Thlr. 26 Sgr.— Pf. Kartoffeln— Thlr. 17 Szr. Erbsen— Thlr.— Sgr.— Pf. Linsen— Thlr.— Sgr. Bohnen— Thlr.— Sgr.— Pf. Butter per Pfd.— Thlr. 7 Sgr. — Pf. Heu pr. Ctr.— Thl.— Sg.— Pf. Neuß, 30. Sept. Weizenà 200 Pfd. Zollgewicht 1. Qual. 6 Thli. 17 Sgr., 2. Qual. 6 Thlr. 9 Sgr., 3. Qual. 6 Thlr. — Sar. Land=Roggen a 200 Pfd. Zollgewicht 5 Thlr. 1 Sgr. Wintergerste do. 4 Thlr. 16 Sgr.— Pf. Sommergerste do. 4 Thlr. 16 Sgr.— Pf. Buchweizen do. 4 Thlr. 10 Sgr.— Pf. Hafer do. 3 Thlr. 28 Sgr.— Pf. Erbsen do. 5 Thlr. 15 Sgr.— Pf.— Rübsamen per berl. Scheffel 3 Thlr. 12 Sgr.— Pf.— Kartoffeln a 200 Pfd. Zollgewicht 1 Thlr. 10 Sgr.— Pf.— Heu per Ctr. a 100 Pfd. — Thlr. 24 Sgr.— Pf.— Stroh per 200 Pfd. Zollgewicht— Thlr. 25 Sgr.— Pf.— Aveel=Samen 3 Thlr. 2 Sgr. — Pf.— Rüböl per 100 Pfd. neues Gewicht 12 Thlr.— Sgr.— Pf.— Rübkuchen per 2000 Stück Stampf 31 Thlr. — Sgr.— Pf.— Preßkuchen per 2000 Pfd. neues Gewicht 30 Thlr.— Sgr. Branntwein per Ohm a 123 Quart zu 47 pCt.(ohne Maklergeld) 15 Thlr. 15 Sgr.— Pf.— Gereinigtes Oel 12 Thlr. 15 Sgr.— Pf.— Für Getreide war die Stimmung flau und mußten-Preise einige Sgr. nachgeben. Rüböl ohne Aenderung. Börsen-Course der Staatspapiere und Actien. Berlin, 30. Septbr. Preuß. Freiw. Anl. 4½ pCt. 99½ Br., 99 Gd.— Staats=Anleihe v. 1850, 1852, 1854, 1855, 1857 4½ pCt. 99½ Br., 99 Gd., do. v. 1856 4½ pCt 99½ Br., 99 Gd., do. v. 1853 4 pCt. 91½ Br.,— Gd. Staats=Schuldscheine 3½ pCt. 84 Br., 83½ Gd. Prämien=Anl. v. 1855 a 100 Thlr. 3½ pCt. 112 Vr., 111 Geld.— Berlin. Stadt=Obligat. 4½ pCt. 99 Br., 98½ Gld., do. 3½ pCt— Br.,— Glb.— Rentenbriefe: Rhein= und Westf. 4 pCt. 92¼ Br.,— Gd. Preuß. Bank= Anth.=Sch. 4½ plt. 132½ Br.,— Gld.— Friedrichsd or 13 7/12 Br., 13½ Geld. Andere Goldmünzen= 5 Thl.— Br., 108½ Gd.— Eisenbahn=Actien. Münster Hammer 4 pCt.— Br.,— Gld.— Köln= Mindener 3½ pCt. — Br, 126 ½ Gld., do. Prior.=Act. 4½ pCt.— Br.,— Geld. Bergisch=Märkische 78 Br., 77 Geld. Aach.=Düsseld. 3½ pCt.— Br.,— Gld.— Rheinische 81 Br., 80 Gd.— Wechsel=Course: Amsterdam Kurz 141 3/4 Br., 141½ Gld., do. 2 M. 141½ Br., 140⅞8 Gd. Hamburg, Kurz 150¼ Br., 150 Gld., 2 Mt. 150 Br., 149 ¾4 Gld.— London, 3 Mt. 6 19½ Br., 6 18 ¼ Gld.— Paris 2 Mt. 79 ½ Br., 79 Gld. Wien 8 T. 83⅝ Br., 82 3/8 Gld. Leipzig 8 Tage 99 11/12 Br., 99¼ Gld. Frankfurt 2 Mt. 56 26 Br., 56 22 Gld. Petersburg 3 Wochen 96 5/8 Br., 96 3/8 Gld.— Die Börse war bei dem äußerst geringen Besuch heute in allen Effektengattungen fast ganz still, aber fest. Von preußischen Fonds, in denen doch Manches gehandelt wurde, blieben 4½= und Sprozentige Anleihen begehrt. Druck und Verlag der Coppenrath'schen Buch= und Kunsthandlung. Herausgeber F. Coppenratd, Münster.