Serie I Hofmann vom Scheidt ter Geschäftsstelle und Anzeigen-Annahme Marzellenstraße 37, im Neubau. Anzeigen-Ureis: 15 Pfs. die einspaltige Zeile. Seigeigen Pitis:— Bevorzugt verlangte Anzeigen (erste und letzte Seite) 20% höher.— Kölner Stellenund Arbeits=Gesuche, sowie Miet=Anzeigen für kleine Wohnungen bis zu 10 Zeilen bei Vorausbezahlung 8 Ofg. die Heile. Offerten=Annahme 25 Ofg. Reklamen 40 Ofg. S 11ird täglich in jedes Haus von Köln sowie in Deutz und fast allen *# Vororten unentgeltlich getragen. Für Stockwerke und Hinterhäuser mit Sonntags-Beilage 30 Ofg. monatlich. Postpreis: M..00(5 Mon.), 67 Ofg.(2 Mon.) 34 Ofg.(1 Mon.). vom Scheidt Obermaier X Kölner Toral-Anzeiger General-Anzeiger für die rheinische Hauptstadt und Fremdenblatt. * Nr. 38.(Colonia.) Sonntags=Beilage. Sonntag, 20. September 1903. Feuilleton de. Kölner Local=Anzeiger. 20. Sept. 1900. 1903 einstudiert e A.„Fauf .„Fedora diert:„Da t. Serie D st. Serie A herie B. Ner ag. 21. Ner ".— Mitt einstudiert samstag, 26 Zengstein. 5356360 rten. tag, 21.er. E sik. Strauß. 199999 Angst. Von Ina Bakker. Aus dem Holländischen übertragen von Gräfin (Schluß.) Droben saß er wieder allein mit seinen Gedanken, mit dem, is in seinem Gehirn bohrte und hämmerte. Er wollte sich singen, es klar und logisch auszudenken, was nun kommen irde. Wenn es so fortging, konnte Verschuer es nicht länger s bis morgen, höchstens übermorgen aushalten. Dann war so doch ein Absceß vorhanden gewesen, und davon kam das eber. Dann hatten die anderen recht gehabt und die Sachlage ser erkannt als er... Ja, es war so; sein Verstand sagte es n. Ja, er sah es ja vor Augen... Und doch, es konnte nicht sein! Wenn er es auch vor Augen #, so stritt seine Ueberzeugung, sein Selbstgefühl verzweifelt der Thatsache, mit seinem Verstand. Es mußte, mußte die nderung kommen! Er hatte Recht! Wenn das Fieber auch eg, das war noch kein Beweis. Er war doch nicht verrückt wesen, als er es so klar erkannte und seine Diagnose stellte. war doch kein Kind, er wußte doch, was er that, als er von r Operation abriet. Der Zustand würde sich verändern, ja nz gewiß... hente Mittag... oder heute Abend, aber einten würde die Veränderung!... Ach, daß er es nicht in ner Macht hatte, zu helfen! Ja, er hatte es gehabt, damals, s die Operation noch möglich war— aber jetzt! Mit neuem Kummer dachte er an Verschner. Der arme Mann, r ihm vertraut hatte! Von ihren Knabenjahren an waren sie eunde gewesen...“ So ein guter lieber Mensch. Nun konnte ihm nicht einmal helfen! Mußte ihn jetzt nur liegen lassen, d— ach, und hätte ihm helfen können! Nein, o Gott, nein, tzert. 2 hätte es nicht gekonnt, es war nicht wahr! Denn das zu Nr. 7, Inken, das mußte ihn ja verrückt machen. Gerade weil er geTrenks. Zaubt, ihn auf diese Weise zu retten, weil dies seine feste Ueber hr ab: Zuigung war, gerade darum hatte er von der Operation nichts e: A s s e n w o l l e n... 8 E. Ach, aber doch kam alles auf ihn, alles, die ganze Schuld n Verschners Tod, und das Elend der armen Frau... Ach, arum mußte dies in sein Leben brechen und zerbrach es, verchtete in drei Tagen seine jahrelange, emsige, auhaltende beit, in die er sein ganzes Selbst gelegt... Und wenn erschuer starb, dann wollte er wissen, wer Recht gehabt, er ürde nicht ruhen, bis er erfahren hatte, ob er die Schuld seines odes trüge... Endlich griff er zur Arbeit... Ja Arbeit, Arbeit, nur um cht mehr denken zu müssen... Um halb drei Uhr war seine Sprechstunde, und seit ein Uhr tte die Klingel an seiner Thür nicht still gestanden; er wußte, is Wartezimmer saß voll Menschen. Also handeln, ja handeln id denken mußte er unter dem Druck dieses anderen, dem er cht mehr entweichen konnte. Niemand ahnte hinter seiner großen Ruhe sein tiefes Elend, s war wenigstens ein kleiner Trost. Er war beschäftigt, einem ugen Mädchen den Kehlkopfspiegel in den Hals zu setzen, es g seine Hand aber immer wieder weg. Zum fünften Mal sobierte er es bereits.„Nein, Herr Doktor, bitte nicht... in!“ Einen Augenblick wurde Forster heftig, dann dachte er: dies eine Angst wie jede andere, warum nicht? Er wendete sich „ der Patientin und redete ihr gut zu. Das Kind nahm sich sammen und saß still. „So, das thut ja garnicht einmal weh!“ In diesem Augenblick klopfte es. Plötzlich ließ Forster den piegel sinken, in dem Vorgefühl von etwas Schrecklichem. „Herr Doktor, da ist Herr Doktor Jonassen.“ Forster rührte sich nicht; sein Herz klopfte zum Zerspringen... ot. tot... War er tot? Es konnte nicht sein... Mit ruhiger Stimme antwortete er:„Wenn ich hier fertig n, sofort.“ Er untersuchte noch einmal, seine Hand zitterte ein wenig. ann sagte er sanft:„Warum durfte ich vorhin nicht in den als sehen?“ „Ich hatte solche Angst.“ schrieb ein Rezept und gab es ihr.„Sie brauchen nur gurgeln und nächsten Dienstag noch einmal zu mir zu kommen, tte.“ Als die Kleine gegangen war, wischte er seine Stirne ab, auf r der Schweiß in großen Tropfen stand. Er ging Jonassen stgegen.„ „Guten Tag. Du, höre, ich wollte dir nur eben sagen, es ht sehr schlecht bei Verschuer, ich komme von dort.“ Forster stand unbeweglich und blickte mit seinen stahlblauen ugen auf Jonassen, der in seinem Antlitz Bestürzung und Ergung suchte. ße 24 Semester an Jung straße 26. Pataky. igung! er jede Hülfe „Volk nsteinfeger i Schlömer. Logis. aunt ahnhof nke. bis 250 K „ 35 „ 5 0 0 „ 100 ren und nringe n in Gold ketten, se. Ringe 2c ind 340 sowie für sen Preisen enter, Köln. „Ich bin heute Morgen dort gewesen; er ist sehr schwach... ja, Fieber 39,6.“ 20 Grad jetzt!" Es breitete sich wie ein Nebel vor Forsters Augen. Jonassen sah ihn mit einem triumphierenden Blick an. Forster fühlte es. Eine dumpfe Wut stieg in ihm empor, daß er diesen Mann nicht packen und hinausschmeißen konnte, damit er ihn nicht mehr so ansehe. „Du siehst es, die Sache geht schief!“ sagte der kleine Dicke. „Du siehst es nun wohl selbst ein. Na, du hast es gewollt, ich habe keine Verantwortung.“ Forster rührte sich nicht.— 8 „Ihr wart befreundet, nicht? Ich begegnete deiner Frau dort. Wieder breitete sich weißer Nebel um Forsters Denken. War es denn noch nicht aus, mußte er denn noch länger hier stehen und zuhören? „Kommst du noch?“ „Ja, heute Abend.“ „Erwartest du denn noch etwas?“ „Du kennst meine Ansicht.“ Seine eigene Stimme klang ihm fremd, wie aus weiter Ferne kommend. Jonassen nahm seinen Hut.„Boujour dann!" Hinter der Thür stand Forster still. Schlimmer, noch schlimmer... Es kam doch, langsam, aber doch. Seine Kehle war trocken, wie ausgebrannt... Also doch! Dann drückte er auf die Klingel.„Nächster Patient.“ * Nun war Stille— endlich keine Menschen mehr, die von ihm zu denken, handeln, reden verlangten. Er hatte nichts gefühlt; keine Freude, als eine Mutter kam, um ihm für die Genesung ihres Kindes zu danken, keine Angst bei kleinen Operationen, keine Befriedigung, nichts. Nun saß er wieder in seinem Zimmer in dumpfes Brüten versunken. Immer dieselben Gedanken, immer. Spät am Abend war Cor herauf gekommen und hatte ihm Gute Nacht gesagt. Er mußte hier sitzen und warten; etwas zwang ihn, hier zu bleiben und zu wachen... Er schrak plötzlich auf. Er wußte nicht, war es der Schlag einer Uhr, oder was war es gewesen? Es war gegen vier Uhr. Jemand kam mit schnellen, leisen Schritten auf sein Zimmer zu. Es war Cor. Nun wußte er, er hatte die Hausthürglocke gehört. Er blickte seiner Frau entgegen. „Tjeerd, da ist Jonassen wieder... schliefst du?“ Er sprang empor und griff nach ihrer Hand.„Jonassen! Geh fort, du!“ sagte er heiser. Sie entzog ihm die Hand.„Natürlich gehe ich fort... O Tjeerd, was ist geschehen? Was ist es?“ Er schüttelte stumm den Kopf; sein Blick schien sie anzuflehen, fortzugehen... Sie blickte sich noch einmal liebevoll um, dann verließ sie ihn. „Mein Mann war auf, er arbeitet,“ sagte sie zu Jonassen mit trockener Stimme. Der Arzt ging hinauf. Cor betrat das kalte, verlassene Wohn zimmer, und hier überwältigte sie der Schmerz; nicht weil er heftig war, sondern weil er sie nicht an seinem Leid teilnehmen ließ. Traurig saß sie in sich zusammengesunken und weinte, denn heute traf es sie bitterer denn je, daß sie von ferne stehen mußte und nicht an seiner Seite bleiben durfte, um mit ihm zu leiden. Droben saß Forster wie erstarrt. Seine Arme hingen schlaff hernieder. Er fühlte plötzlich, daß er doch noch Hoffnung gehabt hatte— bis jetzt. Wie abwesend sah er Jonassen eintreten, sah, wie dieser seinen Hut auf einen Stuhl warf, sah in seinem Gesicht Erstaunen, Erleichterung— etwas, das er nicht begriff. „Na, du bist aber früh bei, oder spät auf!... Na, aber jetzt will ich dir was erzählen! Das Fieber ist fort! Er schläft ganz ruhig, ohne Schmerzen!" Jonassen lachte laut und unbändig, lehnte sich bequem in einen Stuhl zurück und schlug ein Bein über das andere. Forster machte eine unwillkürliche Bewegung vorwärts. Fieber fort... Log er? Warum that er das? Jonassen lachte wieder.„Na, da stehst du und guckst! Ich auch! Ja aber vollständig fort das Fieber, wir können ein ander Glück wünschen!“ Jonassen sagte dies— konnte er so etwas sagen, wenn es nicht wahr war? Wenn es nun wahr war... o Gott, er konnte es kaum ausdenken, dann, ja dann war Verschner gerettet! Dann hatte er doch Recht gehabt! Doch! Seine Diagnose war richtig, dann war das andere, das Schreckliche der letzten Tage fort... Dale, Roger, Marie, das war nun weg? Wenn er sich nur eben setzen könnte... nichts merken lassen... Fieber fort, Verschner besser. Wo stand denn nur der Stuhl, wo war der nur.... O jetzt ging es vorüber, dies flaue, ohnmächtige Gefühl... Verschuer wurde besser, besser! Er sagte es hart und schroff, zu sich selbst; er wußte nicht einmal, daß er es laut sagte. Jonassen sah ihn an, und plötzlich fiel ihm auf, wie dieser Mann sich verändert hatte in den letzten Tagen: schlaff und gebengt seine Gestalt. Zu gleicher Zeit begriff er aber auch, daß Forster trotz seinem edlen Festhalten an seiner Ueberzeugung, durch Zweifel und Unglauben an sich selbst und seinem schwere Qualen gelitten hatte. Er lächelte selbstbewußt. Verschner war sein Patient, es war nur gut, daß er sich immer auf Forsters Seite gehalten hatte. Dann erzählte er:„Ich war, wie du weißt, gestern Abend noch dort. Nun, ich sagte nur: lassen Sie mich rufen, etwas vorfällt. Heute früh, halb vier Uhr, kam man mich holen; er sei so still, ich möchte doch einmal nachsehen. Ich gleich hin; ich denke, er ist tot oder nicht weit davon. Und wahrhaftig: er ist ganz ruhig, fieberfrei. Ich stand wie versteinert. Ja, na, es war ja immer zu erwarten, daß eine Aenderung eintreten würde, aber so plötzlich! Na, ich gehe, es ist ein Hundewetter draußen, und ich spür's recht in meinen Gliedern, diese Feuchtigkeit.“ Forster konnte kaum seine Gedanken sammeln, aber dann fühlte er Mitleid mit dem kleinen Manne.„Bleib doch, bis das Wetter besser wird.“ „Nein, nein, ich gehe. Begleite mich nicht hinaus, bis später, bonjour!“ Forster begleitete ihn dennoch bis zur Thüre, es schien Jonassen, als wenn er sich mühsam aufrecht hielte. „Adieu! Auf Wiedersehen.“ „Auf Wiedersehen nachher!“ Dann stand er im Dunkeln in seinem Zimmer, wo er das Licht ausgemacht hatte. Wohlthätig legte sich die dunkle Stille um ihn her. f.#. Mat Ach, daß es vorbei war, vorbei, das Schreckliche, die Angst der letzten Tage! Erlöst! Ach, und Cor und sein Kind, und seine Arbeit, seine Arbeit, die er so liebte!... O Gott, erlöst! Welche Wonne, welches Glück! Und plötzlich umflutete ihn Licht, Licht, Licht überall. Sein jubelndes Glück brach aus ihm heraus, er schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte au... Dann ging er zu seinem treuen Weibe, zu seiner Cor. a Aus dem Siebengebirge, 16.Sept.1903. Der Basaltsteinbruch am Petersberg(Firma Meyers Nachfolger), welcher aus den Mitteln der Lotterie zur Erhaltung der Schönheiten des Siebengebirges vom Verschönerungsverein erworben wurde, ist nunmehr brachgelegt. Gestern beförderte die Heisterbacher Thalbahn das letzte Steinmaterial. Das Arbeiterpersonal hatte sich durch freiwilligen Abgang nach uno nach verringert. Der gebliebene Rest wird noch eine Zeit lang mir dem Abbruch der Hallen und der Seilbahn beschäftigt. Das Abbruchmaterial darf im Bereich des Siebengebirges keine weitere Verwendung finden. Später sollen die Schutthalden und Ladestelle aufgeforstet bzw. durch Anlagen verschönert werden. i Weisweiler(Kreis Düren), 15.Sept.1903. Zu dem Manöverunglück, welches sich am Montag=Nachmittag zwischen hier und Dürwiß ereignete, sei noch folgendes berichtet. Das 29. hatte mit dem 69. Infauterieregiment zwischen Weisweiler und Dürwiß ein Gefecht gehabt. Die Offiziere waren zur Entgegennahme der Kritik versammelt, während die Mannschaften in der Nähe die Gewehre zusammengesetzt hatten. Plötzlich fuhr ein Blitzstrahl in eine Gruppe der dritten Compagnie des 29. Jufauterieregiments und warf etwa 20 Soldaten zu Boden. Alle schienen wie tot, jedoch schon bald erholten sich die meisten wieder. Nur ein Mann war sofort tot, der Reservist Schumann aus Engers. Der Blitz hatte die Helmspitze angeschmolzen, war der hinteren Schiene des Helmes bis zur Halfte gefolgt und dann in den Nacken des Mannes gefahren. Außer dem Getöleten lagen noch acht Soldaten betäubt an der Erde. Die Verletzten wurden, nachdem ihnen Notverbände angelegt waren, in iyre Mäntel eingehüllt und auf mehreren Leiterwagen nach dem St. Antonins=Krankenhaus in Eschweiler gebracht. Bei der Ankunft daselbst war sofort ärztliche Hülfe zur Stelle. Nur zwei Soldaten, welche leichte Verletzungen erlittu hatten, konnten alsbald wieder aus dem Krankeuhause entlassen werden. Von den anderen sechs ist einer noch schwer verletzt; es ist der Musketier Georg Hermann aus Weisen in Bayern. Bis heute Morgen war er noch immer besinnungslos. Die übrigen fünf haben mehr oder weniger erhebliche Brandwunden davongetragen. Die Aerzte hoffen jedoch, alle am Leben zu erhalten. 8 Saargemünd, 15.Sept.1903. Am 26. August 1903 wurde zu Saaralben in Lothringen der Techniker Karl Woitas aus Metz, welcher auf seiner Wanderung von Hamburg aus eine Reihe von Prellereien begangen hat, verhaftet. Derselbe suchte unter dem Namen Baron v. Hornstein, von Weis hauptsächlich frühere Mitglieder katholischer Studentenvereinigen auf und erschwindelte sich Unterstützungen unter dem Vorgeben, er habe seine Geldbörse und sein Billet verloren. Bei einer solchen Gelegenheit hat er in Gentringen bei Diedenhofen auch einen erheblichen Diebstahl begangen. G Düsseldorf, 15.Sept.1903. Gestern Abend zu später Stunde explodierte auf dem Schützenplatze in Derendorf das dort gelegentlich des Schützenfestes aufbewahrte Pulver, welches zum Abschießen von Böllern diente. Zwei Arbeiter wurden schwer verletzt. — Gestern Abend 12 Uhr gingen die Pferde des Vierspänners, welcher das Schützenkönigspaar aufgefahren hatte, durch und rannten mit dem Wagen in den Rhein. Ein Reiter wurde abgeworfen und schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht. 1 10 U Seite 2. Kölner Loral-Anzeiger Nr. 257— Sonntac. 20. Fepreinber 1903. 9 Elverfeld, 16.Sept.1903. Angesichts der Katastrophe auf der Pariser Untergrundbahn ist die Behörde der Frage nähergetreten, welche Maßregeln zu treffen sind, um im Falle eines Brandes der Wagen der Schwebebahn den Insassen ein Entkommen zu ermöglichen. Zur Erörterung dieser Frage trat gestern Nachmittag eine Konferenz zusammen, an der folgende Herren teilnahmen: Regierungspräsident Schreiber(Düsseldorf), Regierungs= und Baurat Dorp von der kgl. Regierung zu Düsseldorf, zwei Vertreter der kgl. Eisenbahndirektion Elberfeld, Vertreter der Direktion der Schwebebahn, des Herrn Landrates, der Oberbürgermeister von Elberfeld und Barmen. Den Beratungen ging eine Fahrt auf der Schwebebahn voraus. Auf dieser gelangten die Mitglieder der Konferenz zu der Ueberzeugung, daß eine Brandgefahr auf der Schwebebahn überhaupt ausgeschlossen sei und daß im übrigen alle erdenklichen Sicherheitsmaßregeln zum Schutze der Fahrgäste getroffen seien. * Dortmund, 14.Sept.1903. Als gestern Abend um 10½ Uhr der Maurer Franz Friebel im nahen Derne aus einer General= versammlung des katholischen Gesellenvereins kam und mit mehreren Freunden auf dem Heimweg begriffen war, wurde er von anderen Burschen angerempelt. Der Angegriffene verbat sich das, ging aber ruhig weiter. Plötzlich fiel ein Schuß, ein zweiter, und Friebel sank mit einem Aufschrei zu Boden. Im Krankenhause stellte der Arzt fest, daß die Kugel in den Rücken gedrungen ist und den ganzen Unterleib durchbohrt hat. Der Zustand des Verletzten ist sehr bedenklich. a Lüdenscheid, 15.Sept.1903. Aus Furcht vor Strafe erhängte sich hier ein erst 15 Jahre alter Knabe, welcher auf einer hiesigen Fabrik beschäftigt war und wegen Diebstahls entlassen worden war. u Bochum, 16.Sept.1903. Am Samstag wurde der Redacteur der Bergarbeiterzeitung, Leimpeters, in Haft genommen, weil er sich weigerte, den Ueberbringer des Berichtes über die Bergarbeiterbewegung im Ruhrkohlenrevier, den Polizeikommissar Krohn an die Regierung gerichtet, zu nennen. Zwanzig Mark Geldstrafe und sechs Wochen Haft wurden ihm diktiert. Das Verfahren hat indes ein klägliches Ende genommen. Leimpeters, welcher nichtzum Verräter werden wollte, ist heute Mittag aus der Haft entlassen worden. Die angedrohte und wirklich erlassene Haftstrafe von sechs Wochen hat man schon nach viertägiger Dauer aufgehoben, weil man einsah, daß man aus Leimpeters doch nicht den Namen der Vertrauensperson herausbekommen konnte. Man hat sogar das Verfahren gegen ihn eingestellt. Rechtsanwalt Heydemann richtete heute ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft, in welchem er darthat, daß das Zeugniszwangsverfahren gegen Leimpeters dem Gesetz widerspreche, weil dem ein Strafverfahren vorauszugehen habe, was hier nicht der Fall sei. Bekanntlich war der Hergang der, daß Leimpeters am Samstag von dem Gerichtsassessor Wolff geladen wurde, welcher ihm eröffnete, der Regierungspräsident von Arnsberg wolle unter allen Umständen den Namen des Ueberbringers des amtlichen Berichtes des Polizeikommissars Krohn wissen. Leimpeters erwiderte, daß der Bericht ohne Briefumschlag in Herne von einem Bergmann gefunden und der Bergarbeiterzeitung übermittelt worden sei, welche ihn werzen der durchaus falschen Beurteilung der Bergarbeiterbewegung ird Ruhrkohlenrevier zum Abdruck gebracht habe. Leimpeters weigert sich, den Namen des Ueberbringers zu neunen. Es wurden ihm dann fünf Minuten Bedenkzeit gelassen. Als er nach Ablauf der selben bei seiner Weigerung verblieb, diktierte man ihm zwanzig Mark Geldstrafe und sechs Wochen Haft, außerdem drohte man ihm seichs Monate Haft an— und entläßt ihn nach viertägiger Haft. Hr..zl. Bezirkskommissar Krohn behauptet, den Bericht persönlich in den Briefkasten in Herne geworfen zu haben. * Duderstiadt, 16.Sept.1903. Eine schreckliche Mordthat ist, gestern Nacht im Hause des Ackermanns Stolze in dem nahen Breitenberg verübt worden. Schon im vorigen Frühjahr wurde Stolze nachts im Bette überfall en und so übel zugerichtet, daß er lange Zeit im Hospital bleiben mußte. Gestern Morgen war das Stolzesche Haus von innen verbarrikadiert, uird da man eine verbrecherische That vermutete, weil Stolze sich nicht sechen ließ, wurden Gendarmen aus Duderstadt herbeigerufen. Diese verschaffteu sich gewaltsam Einlaß und fanden den Stolze im Bette liegen mit furchtbaren Wunden am Kopfe. Durch Hiebe mit einer Axt ist dem Stolze der Schädel zertrümmert und der linke Oberkiefer gespacten. Auf die Frage, ob sein Sohn Hermann dagewesen sei, gab Stolze eine bejahende Antwort, dann verlor er das Bewußtsein und ist inzwischen gestorben. Der Verdacht, den Vater erschlagen zu haben, richtet sich gegen den 24jährigen Sohn Hermann, welcher in Hamme bei Bochum in Arbeit steht. Nachbarn hörten in der Mordnacht den Angstruf aus dem Stolzeschen Hause:„Hermann, mach' dich nicht unglücklich!“ Im Frühjahr brannte die Stolzesche Scheuine samt Inhalt nieder. Man vermutet bestimmt, daß alle drei Verbrechen einen Urheber haben. Auf telegraphische Anweisung durch die Göttinger Staatsanwaltschaft ist der 24jährige Hermann Stolze in Hamme verhaftet worden. X Aus Kurhessen, 14.Sent.1903. Die in dem Städtchen Hombera a. d. Efge und Umgegend ausgebrochene Trichinosis ist erfreulicherweise im Zurückge###en begriffen. Sämtliche Erkrankte befinden sich auf dem Wege der Besserung, leiden aber sehr an Entkräftung. Um zu ermitteln, ob und wen ein Verschulden trifft, finden noch täglich gerichtliche Vernehmungen statt. r Lanau, 17.Sept.1903. Verhaftet wurde gestern Abend ein in einem Goldwarengeschäft hierselbst thätiger Goldarbeiter. Derselbe stand im Verdachte, daß er sich wertvolle Goldabfälle aneigne, und als er gestern das Geschäft verließ, wurden auch thatsächlich 60 Gramm Goldabfälle in seinen Kleidern gefunden. Er gestand ein, im Verlaufe der letzten zwei Jahre wöchentlich Goldabfälle im Werte von 15—20 M. an sich genommen und an einem hiesigen Goldschmied verkauft zu haben. Der Wert der gestohlenen Goldabfälle stellt sich auf=—3000 M. Der Goldschmied leugnet die Hehlerei, wurde aber gleichfalls in Haft genommen. I. Was draußen Nach der Ansdehnung, welche die Debatten des socialdemokratischen Parteitages über einen einzigen Punkt, nämlich die Mitarbeit von Genossen an nichtsocialistischen Blättern nahmen, konnte man meinen, der Parteitag sei einzig wegen dieser Angelegenheit zusammengetreten; und da ferner die Abrechnung, die fürchterliche Musterung, die Bebel mit und unter den Evolutionisten oder Revisionisten halten wollte, um sein eigenes Dogma als das allein richtige und gültige vom Parteitage sanktionieren zu lassen, sich im Rahmen dieser Debatte vollzog, konnte man glauben, der Parteitag habe nur Bebels wegen stattgefunden. Drei ganze Tage dauerte dieses oberflächliche Wellengekräusel, wvie der Genosse Braun den mit bisweilen heiserem Fanatismus und Ausdrücken der abgründlichsten Pfuiverachtung geführten Meinungsaustausch zwischen Bebel und seinen Gegnern mit komischem Optimismus nannte; aber wenn Bebel immer wieder feststellt, daß keine Partei es vermöge, so offen vor aller Welt ihre Differenzen auszutragen, so kann doch niemand sich über die Wirkung hinwegtäuschen, die Angriffe in der Form, wie sie die leidenschaftliche Natur Bebels gewählt hat, bei den Beschimpften zurücklassen müssen. Göhre hat denn auch Bebel mit der tiefsten Erntrüstung und mit dem überzeugtesten Pfui für diese Angriffe quittiert; andere haben sich wenigstens bis auf weiteres noch zurückgehalten. Bebel erfüllt die große Masse der socialdemokratischen Partei mit Mißtrauen gegen die„Akademiker," die gleich eine führende Rolle spielen wollten und denen vom Standpunkte des Parteidogmas nicht zu trauen sei. Ueberhaupt sei den Führern nicht zu trauen, ja Führer giebt es eigentlich nicht, denn die Masse der Partei hat zu befehlen und die Führer haben nur zu gehorchen. Eine seinen Gegnern nicht unwillkommene Blöße gab sich Bebel, indem er durch Dick und Dünn einen Mann verteidigte, an dem er nun einmal in aller Form einen Narren gefressen hat, nämlich den früheren Socialistentöter und jetzigen Socialisten Mehring. Von dessen Stilgewandtheit ist Bebel vollständig geblendet; obschon die belastendsten Beweise für die Streiche dieses Genossen vorgebracht wurden, half sich Bebel leichten Herzens mit der Definition„psychologisches Rätsel“ darüber hinweg, während er sich in Wut hineinredete gegenüber anderen Genossen, die offen an nichtsocialistischen Zeitschriften mitarbeiteten. Eine gegen diese Mitarbeit gerichtete Resolution wurde schließlich mit erdrückender Mehrheit angenommen; zur Minderheit gehörten u. a. Vollmar, Braun, Heine, Göhre. So waren fast drei Tage mit diesem Streite hingegangen, die Hälfte der ganzen Kongreßzeit, und erst am Donnerstag konnte man„arbeiten", wonach während des dreitägigen Streites so oft verlangt worden war. Am Schlusse des dritten Tages kam noch der Streit Bebels mit dem Vorwärts, der thatsächlich schon hinter den Coulissen erledigt war, zum Ausgleich, indem Bebel das Blatt wieder seiner Zufriedenheit versicherte. Rosa Luxemburg und Ledebour stritten sich wegen der polnischen Socialdemokraten herum, welche nach ersterer einseitig nationale Ziele verfolgen und keine Unterstützung verdienen. Am Donnerstag kam dann die Abrechnung Bebels mit dem Führer der süddeutschen Genossen, v. Vollmar. Dabei wurde Bebel ganz elegisch:„Sprechen wir doch nicht von Einigkeit in der Partei! Niemals sind wir so uneinig gewesen, wie jetzt. Es giebt kein Vertuschen mehr!“ Und das im Augenblicke des Siegesjubels über die drei Millionen Wahlstimmen bei den jüngsten Reichstagswahlen!„München ist das Capue für die Socialdemokratie,“ so lautete einer der von Bebel dem Genossen v. Vollmar gemachten Vorwürfe.„Wir sind seit einer Reihe von Jahren in schwerem Konflikt“— aber Bebel faßt trotz verdeckter Spitzen v. Vollmar möglichst mit Sammethandschuhen an und braucht sogar den bekannten Vergleich zwischen Goethe und Schiller: Seid froh, daß ihr uns beide habt. Aber indem Bebel äußerst scharf gegen den Revisionismus vorgeht, will er, allen verständlich, doch v. Vollmar treffen. Klarheit soll geschaffen werden, verlangt Bebel; dem Revisionismus, der in der Fraktion eine besondere Stärkung erfahren hat, soll der Hals umgedreht werden; es soll nicht mehr heißen: wir haben eine Rechte und eine Linke und dazwischen ist der Sumpf. Kaiser Wilhelm ist auf dem Umwege über Ungarn zum Besuche bei Kaiser Franz Joseph nach Wien gereist. In dieselben Tage fiel eine energische Kundgebung des letzteren, welche sich gegen die Bestrebungen der ungarischen Chauvinisten richtet, der bisherigen Gemeinsamkeit des österreich=ungarischen Heeres ein Ende zu machen und ein ungarisches Nationalheer mit ungarischer Sprache ins Leben zu rufen. Kaiser Franz Joseph besteht mit Entschiedenheit auf der Erhaltung der vorhandenen und bewährten Heereseinrichtung; gemeinsam und einheitlich soll das Heer bleiben, und mit Bezug hierauf will der Kaiser sich keines der Rechte begeben, die ihm die Verfassung an die Hand giebt. Die Schwierigkeiten, auf welche die Rekrutierung durch die Obstruktion der ungarischen Unabhängigkeitspartei gestoßen ist, haben die Heeresverwaltung zu dem Entschlusse geführt, die gegenwärtig dienende Truppe länger als sonst üblich bei der Fahne zu halten. Das Recht hierzu ist vorhanden, aber die Maßnahme widerstrebt dem Brauche früherer Entlassung und hat deshalb bei den verschiedensten Parteien Anstoß erregt. Das laute Verlangen nach Einberufung des österreichischen Reichsrats zur Erörterung dieser Frage war eine Zeit lana vom Ministerpräsidenten abgewiesen worden, wird aber doch am 23. September erfüllt. Unter dem Aufgebot von zahlreichen Truppen und Gendarmen hat am Sonntag der Ministerpräsident Frankreichs, Combes, nebst einigen Kollegen seinen Einzug in Tréguier, eine Stadt der Bretagne, gehalten. Hier wurde ein Denkmal für den Christusleugner Renan enthüllt, welches von einer Gruppe von Kirchenfeinden zur Herausforderung der katholischen Bretagne auf dem Platze vor der Domkirche in Tréguier errichtet worden war. Diese Herausforderung einer treugläubigen Bevölkerung ließ ernste Gegenkundgebungen voraussehen, und aus diesem Grunde sicherte sich Combes ein solch umfangreiches bewaffnetes Geleit. Daß das Ministerium aus der Enthüllung durch seine Beteiligung eine Staatsaktion machte, gehört zu seinem System der Kirchenfeindschaft. Die herrschende Partei will die Republik als solche zum Inbegriff des Unglaubens machen, und ausdrücklich bekannte Combes sich dazu, daß er an der Kundgebung teilnehme in der Absicht, die brekonische Bevölkerung von der geistigen Knechtschaft zu befreien, das heißt von den Glaubenssätzen der Kirche. Ein anderer Festredner stellte die„göttliche Minerva“— diese ist auf Renans Denkmal vorgestellt, wie sie diesem den Lorbeer reicht— als die Patronin dieser Befreiung hin. Kein Wunder, wenn eine solche Herausforderung der katholischen Christen bei diesen Gegenkundgebungen hervorrief; vor allem wurden Combes und Genossen, wo sie sich zeigten und als sie sprachen, ausgepfiffen. Die Menge wurde von den Truppenmassen und Gendarmen zurückgedrängt, mit denen Combes nebst Begleitern umgeben waren„nach Art der Missethäter, welche die Polizei vor der Empörung der Menge schützen will". So der Univers. Ueber die Absichten Combes kann man sich nicht täuschen, auch wenn er erklärt, die Religion als solche nicht beeinträchtigen zu wollen; das ist so eine Wendung, für die er auch bei seinem Anhang keinen Glauben findet, nachdem er so oft gegen den„Aberglauben", d. h. gegen die Glaubenssätze der Kirche vorgegangen ist. Die Regierung hat das Standbild Renans„als das Symbol ihres eigenen Wesens und des Kampfes für ihre eigenen Grundsätze"— nämlich die glaubensfeindlichen— in Tréguier errrichtet, bescheinigt Combes ein deutsches liberales Blatt. Combes weiß selber nicht, wie sehr er schon in der Gewalt der atheistischen Socialisten sich befindet; mit Hand und Fuß wehrt er sich dagegen, daß er deren „Gefangener“ sei. Wer aber nur ein wenig die Geschichte seines Kabinetts verfolgt hat, der konnte Schritt für Schritt feststellen, wie er immer den Ausgleich suchte und fand zwischen sich und den Fanatikern von der Lanterne und ähnlichem Gelichter auf dem Boden der Kirchenfeindschaft. Der Religion will Combes ein Recht auf Freiheit einräumen, aber nicht in der Oeffentlichkeit, sie soll sich auf den Bereich des Gewissens beschränken. Der Klerus ist dabei nicht nötig, denn Combes sieht die Renanfeier als ein Zeichen dafür an, daß das Volk das Joch der Priester abschütteln wird. Also fort mit den Geistlichen, wie es die Lauterne schon lange gefordert hat. Englands Kolonialminister Chamberlain hat nicht nur das Land, auch das englische Kabinett in Gärung gebracht mit seinen neuen, zollpolitischen Vorschlägen schutzzöllnerischer Art, die ihm freilich nur Mittel, nicht Zweck sind. Sein Zweck das Mutterland davor zu bewahren, daß es eines schönen Tages allein da stehe, verlassen von seinen großen, hoffnungsvollen Kolonieen, die es vorziehen könnten, nach dem Vorbilde der Vereinigten Staaten von Nordamerika ein unabhängiges Dasein zu führen. Bei Australien liegt diese Gefahr vor, dank seiner Entfernung und seinem Wesen als ein abgerundeter einheitlicher geographischer Körper, bei Kanada dank der Nachbarschaft der Vereinigten Staaten. Chamberlain will das Gegenteil von dem ins Leben rufen, was das vereinsamte England sein würde, eine einheitliche, durch gemeinsame wirtschaftliche Vorteile zusammengehaltene Riesenweltmacht, die nur zu diktieren, niemals aber sich zu fügen braucht. Dieser Kitt der wirtschaftlichen Vorteile kann nur auf schutzzöllnerischem Wege, also nur durch eine Revolution in den freihäudlerischen Gemütern der Engländer hergestellt werden. Aus den Kreisen des Liberalismus, aus der Arbeiterwelt und auch von einem Teile der Konservativen wurde schon wiederholt entschieden Einspruch gegen den Versuch erhoben, einen solchen Umschwung herbeizuführen, der vor allem die Lebensmittelpreise erhöhen werde; an das Versprechen Chamber= lains, daß die Schutzzollpolitik die Löhne erhöhen werde, glaubt der Arbeiter nicht. Dieses wie auch der Chamberlains Idee ungünstige Ausfall von Parlamentswahlen hat den Kolonial= minister aber nicht abgehalten, seine Idee weiter zu verfolgen. Er sucht nach wie vor die Masse bei ihrem Chauvinismus zu fassen und malt ihr ausländische Feinde vor; daß das nicht ganz auf dem Wege der Wahrheit und Redlichkeit sich machen läßt, glaubt Chamberlain mit seinem hochpatriotischen Zwecke mehr als ausreichend entschuldigt. Im Kabinett schien er die Mehrheit auch dafür gewonnen zu haben, daß das Volk, koste es was es wolle und geschehe es immer wie es wolle, für die Schutzzollpolitik eingenommen werden müsse. Der Premierminister Balfour hat sich sogar bereit finden lassen, zu diesem Zwecke eine Flugschrift zu verfassen, in der er den Engländern zu beweisen sucht, daß der Freihandel in der Theorie schön sei, daß England aber doch auch ein Mittel haben müsse, am Auslande zollpolitische Vergeltung zu üben, d. h. sich zu rächen, wenn das Ausland die englische Ausfuhr erschwere. Auch das Handelsministerium ist gleichzeitig mit einer großen Denkschrift auf dem Plau erschienen, deren Zahlengruppierung auf den gleichen Gedanken gestimmt ist. Es schien, wie gesagt, daß Chamberlain das Kabinett auf seine Seite habe, und die Chamberlainsche Presse machte den ausgesprochenen Freihändlern schon die Thüre zum Austritt aus dem Kabinett auf. Die Ereignisse zeigen aber, daß Balfour wohl in der Theorie einen Umschwung der Zollpolitik will, nicht aber das Kabinett durch Eintreten für den großbritischen Zollverein und die Vorbedingung desselben, die Lebensmittelbesteuerung, gefährden will. Trotz der offenkundigen Hinneigung des Premierministers Balfour zu einer Aenderung der englischen Zollpolitik will er der Entscheidung darüber durch Neuwahlen sich und sein Kabinett noch nicht aussetzen. Daher mußte der Kolonialminister Chamberlain, dem die Dinge nicht schnell genug vorwärts gehen, aus dem Kabinett ausscheiden, obschon seine Anhänger triumphierend verkündet hatten, jetzt hätten die Gegner der Politik Chamberlains im Kabinett keinen Halt mehr. Mit Chamberlain schied, offenbar der Parität halber, und damit es nicht nach einem Siege der liberalen Partei aussehe, auch sein schärfster Gegner, Schatzsekretär Ritchie, aus dem Kabinett, und der Staatssekretär für Indien schloß sich diesem an. Wegen Verfolgungen durch die Kurden haben seiner Zeit zahlreiche Armenier das türkische Kleinasien verlassen und sich unter den Schutz Rußlands geflüchtet. In einer gewissen Beziehung sind zwar keiner unwesentlichen, nämlich auf kirchlichem Gebiete, und sie dadurch aber aus dem Regen in die Traufe geraten. Verfassungsmäßig sind die einzelnen Religionsgesellschaften als solche in der Türkei selbständig und unabhängig. Die einzelnen kirchlichen Oberhäupter gelten der Pforte gleichzeitig auch als politische Oberhäupter der betreffenden Konfessionsgesellschaften, die der Mehrzahl nach auch ein einheitliches nationales Gepräge haben wie die Armenier(schismatische und katholische) und die Griechen. Die betreffende Kirche kann ihre Angelegenheiten frei verwalten. Dergleichen findet aber im großen Reiche der Gewissenstyrannei, in Rußland, keine Stätte. Die große russische orthodoxe Kirche mit dem Zaren an der Spitze ist in der Hauptsache ein politisches Werkzeug, die neben ihr bestehenden Religionsgemeinschaften werden entweder unterdrückt oder geknebelt. Den unter den„Schutz" Rußlands geflüchteten Armeniern ist jetzt ihr Kirchenvermögen koufisziert, oder, wie es mit dem amtlichen Ausdruck heißt, von der russischen Regierung in Verwaltung genommen worden. Die Armenier in Tiflis, Baku und anderwärts ließen sich nicht gutwillig vergewaltigen und setzten der behördlichen Gewalt Widerstand entgegen, um ihre Kirchen und deren Eigentum zu verteidigen. Darauf Massakrierung einer Anzahl von Armeniern durch das russische Militär. Die russische Armenierfrage ist jetzt brennender als die türkische, wovon aber wohl die Leser französischer Zeitungen wenig erfahren werden. Denn der Russe muß geschont werden. Der Nachdruck, mit dem die Türkei dem Aufruhr in Mazedonien entgegentritt, ist einerseits ebenso erfolgreich, wie den in Bulgarien gehegten Hoffnungen abträglich. Bei der Auswahl der Truppen, mit denen das Werk der Erstickung des Aufstandes unternommen wurde, ist die Türkei allerdings nicht immer glücklich gewesen; vor allem haben die Albaner ihrem Rachegefühl öfter allzu freien Lauf gelassen, was aber immerhin durch die anarchistisch=verbrecherische Art, mit der die bulgarischen Aufständischen bei ihren Anschlägen vorgegangen sind, eine Erklärung Toral-Anzeiger Nr. 257 7 Sonntag, 20. Beptember 1903. Seite 3. findet; entschuldigt sind damit die Ausschreitungen dieser Albaner freilich nicht. Jetzt hat die Türkei diese Truppen durch andere ersetzt, und das Werk der Säuberung der vom suchten Vilajets nimmt seinen Fortgang; auch griechische Freiwillige haben sich zur Teilnahme an diesem Werke gen. t, ein ungewöhnlicher Vorgang, der beweist, wie viel den Griechen daran liegt, ihren Stammesgenossen durch die Wahrung des status quo, also der türkischen Herrschaft in Mazedonien, ein Dasein zu erhalten, das ihnen wohl erträglich dünkt im Ver gleich zu demjenigen, das ihrer wartet, wenn die Würsche der bulgarischen Revolutionäre und der hinter ihnen stehenden halb und ganz offiziellen Bulgaren erfüllt sind. Die letzteren haben wieder einen neuen Beitrag zur Aufklärung über diese iy Wünsche geliefert. Vor zwei Wochen richtete— wie jetzt bekannt wird— der bulgarische Premierminister Petrow eine neue Vorstellung an die Mächte, welche wohl die Antwort auf die Ankündigung einer neuen Vorstellung Oesterreichs und Rußlands Sofia sein und diese Vorstellung unwirksam machen sollte. Petrow stellt das der Türkei von den bulgarischen Dhuamitverbrechern in Mazedonien aufgedrungene Verfahren als ein solches hin, welches auf die Ausrottung der bulgarischen Bevölkerung in den türkischen Vilajets berechnet sei. Bei dem Kleinkrieg, den die Aufrührer hauptsächlich mittels Dynamits führen, bei der von ihnen eingeschlagenen Methode, sich möglichst in jedem christlichen Dorfe festzusetzen und die dortige Bevölkerung zum Anschluß an den Aufstand zu bringen— ob dieser Anschluß freiwillig ist oder nicht, kann das türkische Militär natürlich unmoglich, prufen, denn, ob freiwillig oder unfreiwillig mitthuend, alle Aufrührer schießen auf die Türken und suchen sie in die Luft zu sprengen — unter besagten Umständen kann die Türkei des Aufruhrs nicht anders Herr werden, als daß sie ungewöhnlich große Truppenmassen aufbietet, die das ganze Land genau abzusuchen haben, ein so engmaschiges Netz über dasselbe ziehen müssen, daß keine der vielen kleinen Banden, die sich immer wieder zusammenschließen, durchschlüpfen kann. Wenn den mit Dynamit hautierenden Banden nicht als Kriegern, sondern als Verbrechern begeguet und keine Schonung geübt wird, so kann das Mißbilligung nur dort finden, wo man allzu sehr gegen die Türkei voreingenommen ist und jede beliebige Revolution billigt oder wo man, wie in Sofia, ein Interesse daran hat, das Vorgehen der Türkei in ein falsches Licht zu setzen. Petrow denunziert den Mächten nicht nur die„Grausamkeiten“ der Türken, er setzt auch die diesen augedrungenen umfassenden militärischen Maßnahmen, die übrigens Bulgarien selbst durch etwas guten Willen bei Ueberwachung seiner Grenze hätte hintanhatten können, in falsches Licht; man stellt sich bedroht, um sich damit einen Vorwand zu schaffen, loszuschlagen und das Odium des Blutvergießens der Gegenseite zuzuschieben. Die bulgarische Regierung und mit ihr der Fürst, der endlich nach seiner Hauptstadt zurückgekehrt ist, fühlen den Boden mehr und mehr unter sich wanken, da ein Teil des bulgarischen Volkes, wenn auch möglicherweise der kleinere, jedenfalls aber der willenskräftigste, schon längst auf kriegerische Unterstützung des bulgarischen Aufruhrs in Mazedonien hintreibt; die Regierung erkennt, daß sie, will sie sich halten, den Drängern nicht durch Hinwirkung auf die Erhaltung des Friedens eine gefährliche Agitationswaffe gegen sich in die Hand geben darf. Also sucht sie Vorwände zum Losschlagen nach dem Muster so mancher Regierung früherer Zeiten, die durch Ablenkung der Erregung im Innern nach außen va banque spielte. Anterhur Eine gemütliche Geschichte von Papst Pins X.— ob auch eine wahre, ist eine Frage für sich— erzählt die Wiener sehr freundlich und auf die fressenden Tauben deutend, sagte er z mir:„Run, werden Tauben gefüttert, Tauben ggrütterz er..203. brav!e„Jawohl, Majestät,a erwiderte ich in einem Anfluge von Galgenhumor, sdie Tauben haben es besser wie wir. Uns arme Studenten füttert kein Menschle Sind auch keine Tauben, keine Tauben le erwiderte er umgehend, dabei mit dem Zeigefinger drohend, und fort war er, verschwunden im Nebel! Meine Leidensgefährten lachten mir natürlich obendrein noch gründlich aus, und da standen wir, so klug und so hungerig wie vorher. Seit dieser Zeit pumpe ich aber keine Könige mehr an, wenigstens nicht auf offener Der gewissenhafte Sergeant. In einem der vielen Schar mützel des südafrikanischen Krieges war ein Soldat verschwunden und auf Grund der Aussagen seiner Kameradeu als gefallen angenommen. So stand es auch in den Verlustlisten, und der Korporalschaftsführer trug hinter den Namen des Betreffenden in sein Buch: „101“. Aber da erschien der Totgeglaubte, freilich schwer krank, wieder auf der Bildfläche. Der Sergeant strich, wie die Tägl. Rundsch. erzählt, das„tot“ aus und schrieb dafür„irrtümlich tot:. Ein paar Wochen später starb der Mann dann aber im Lazarett. Der Re gimentskommandeur teilte das dem Sergeanten selber mit. Dieser nahm sein Buch, strich das„irrtümlich tot wieder aus und schrieb hin:„Infolge Regimentsbefehls wieder tot.“ Buntes Allerlei. ** Zwickau, 16.Sept.1903. Das Ehepaar Freuzel aus Meran hatte sich heute vor der Strafkammer wegen Betrügereien, begangen durch spiritistischen Unfug nach Art der Anna Rothe zu verantworten. Frau Freuzel wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, ihr Ehemann freigesprochen.. schen Gahimr.. 60 München, 16.Sept.1903. Aus dem bayerischen Gebirge wird starker Schneefall gemeldet. Die Tegernseer Berge bedeckt dichter Schnee bis zum Fuße herab. In Oberstdorf(Allgäu) liegt der Schnee bis in die Straßen. In Südtirol herrscht infolge Schneefalles un gewöhnliche Kälte. ** Ktuuenrurt, 16.Sept.1903. Die gegenwärtige Hochwasserkatastrophe nahm einen bisher in Kärnthen unerreichten Umfang an. Fast alle Thäler sind überschwemmt, die Brücken der Reichsstraßen zerstört und zahlreiche Ortschaften üherschugg, die Ernte vernichtet, die Felder auf Jahre hinaus verwustet. Auch in den Wäldern wurde großer Schaden angerichtet. Im Lieserthale wurden zwei Leichen gefunden; auf der Lieser treibt ein hölzernes Bauernhaus mit seinen Bewohnern. Militär, Beamte und Ingenieure is aiarseille, 14.Sept.1903. Der Trausportdaupfer Bretggue hat am Samstag bei Bahia Schiffbruch gelitten. Der Transport führer, Kapitän del Serre, erschoß sich. Marseille, 16.Sept.1903. Der Zustand der im Krankenhause befindlichen bessert sich fortdauernd. Es ist kein neuer Krankheitsfall vorgekommen. Die bakteriologische Untersuchung ergab bei den verdächtigen Kranken kein Anzeichen von Pest. Alle Gefahr ist als beseitigt anzusehen, da kein Pestfall in der Bevölkerung sich gezeigt hat. Dr. Chautemesse reist heute Abend nach Paris ab. ** Madrid, 17.Sept.1903. Wegen bedeutender Betrügereien, die kürzlich bei der Madrider Polizei vorgekommen sind, wurde der Polizeichef seines Amtes enthoben und durch einen Beamten des Sicherheitsdienstes ersetzt. Sämtliche Polizeiagenten Osterr. Versich.=Zig.(Nr. 34 Jahren hatte er sein Leben vom 12. September). Schon vor vielen Jahren haute er sein Teben bei der Assicurazioni Generali versichert, und als Patriarch von Venedig die Versicherungssumme erhöht. Aus welchem Grunde aber bedurfte der Patriarch von Veneo#g iner Lebensversicherung? Ginseppe Sarto war zwar ein Kind des Volkes und hatte unverheiratete Schwestern, die in sehr bescheidenen Veriltnissen lebten, aber als Kirchenfürst verfügte er doch über ein Einkommen, welches ihn in die Lage versetzte, etwas fur seine Familie zu thun. Zweifellos; aber dies Einkommen war nur ein lebenslängliches und hörte mit seinem Tode auf. Und dann hatte er stets eine offene Hand für die Armen und Leidenden, und da war manchmal Ebbe in der bischöflichen Kasse. Einmal sprach aber ein Assekuranzagent vor— wie diese Leute schon sind, lassen sie nicht einmal Patriarchen in Ruhe— und wurde leutselig angehört. Er hielt eine kurze, aber inhaltsschwere Rede und bewies Si. Eminenz haarklein, daß sie, bei ihrer ausgesprochenen Neigung, aller Welt Wohlthaten zu erweisen, nie dazu kommen werde, einen Sparpfennig für die eigene bedürftige Familie zu hinterlassen, außer wenn sie ihr Leben versichere. Der Patriarch überlegte sich die Sache und fand als kluger Mann, daß der Vorschlag gut sei. So kam denn die Lebensversicherung zustande. Aber ein Sparmeister war er deshalb noch nicht geworden. Im Gegenteil.„Da kam ich denn manchmal in Verlegenheit,“ äußerte er sich kürzlich einem früheren Freunde gegenüber, der nach Rom kam, um ihn zu beglückwünschen.„Meine Armen nahmen kein Ende und die Kasse war leer. Was sollte ich machen? Die Not war groß. Da mußte ich denn mehr als einmal— die Gesellschaft weiß davon zu erzählen— meine Police bei der Assicurazioni Generali vervfanden, um zu etwas Geld zu kommen. Und lächelnd fügte er hinzu:„Jetzt werde ich es ja nicht mehr nötig König angepumpt. In der deutschen Badezeitung Union erzählt F. Graf in launiger Weise über ein Zusammentreffen mit König Ludwig I. von Bayern, der bekanntlich im grauen Anzug und grauen Cylinder durch die Münchener Straßen zu schlen dern liebte.„Es war im strengen Winter 1860 auf 1861, einige Tage vor Weihnachten, da bummelten im Hofgarten, verfroren, hungerig, durstig, ohne einen Kreuzer Geld und infolgedessen recht melancholisch gestimmt, drei Studenten planlos auf und ab. Ein undurchdringlicher Nebel machte die Lage, es war in den frühen Vormittagsstunden, nur noch unleidlicher. Der eine dieser Pechvögel war ich, die beiden anderen haben es mittlerweile zu Professoren gebracht.„Du,a sagte der eine zu mir, auf einen dunkelen Punkt im Nebel deutend, oda unten kommt der Alte! Wenn wir den aupumpen könnten, dann wäre uns geholfenle Mittlerweile war der dunkele Punkt näher gekommen, es war in der That der König. Ich holte gedankenlos aus der Tasche meines Ueberziehers die Reste des gestrigen Abendbrotes heraus und fütterte mit den Brotkrumen, denn weiter war es nichts, die zahmen Tauben der benachbarten Theatiner= kirche. Als der König näher gekommen, dicht an uns vorüberschritt, grüßten wir ihn mit einem lauten:„Guten Morgen, Majestät!s Deraleichen hatte er, das wurten wir, gern. Er dankte denn auch wurden ebenfalls abgesetzt. Die Ursachen dieser Entschließung werden u Thristians“ 15.Sep. 1903. Die Gesantzahlder bei den Brandunglück in der Kongensstraße Umgekommenen wurde Moskau, 18.Sept.1903. In der Gemeinde Tulpan, Gouvernement Perm, wurden, der Post zufolge, acht Personen, darunter vier Kinder, ermordet. Zur Verbergung des Verbrechens wurde das Haus in Brand gesetzt. Ein verdächtiges Individuum wurde verhaftet (#Ka. 1I.Sept.1903. In dem hiesigen Eisenbahnhotel stieg dieser Tage ein angebliches Ehepaar Namens Cissim ab. Aus gewissen Vorkommnissen schöpfte die Polizei Verdacht, daß es sich um Mädchenhändler handele. Dieser Verdacht wurde noch bestärkt, als eine berüchtigte, längst gesuchte Mädchenhändlerin Namens Freudenberg wiederholt im Hotel erschien. Als die drei sich an Bord eines Dampfers begeben hatten, schritt man zu ihrer Verhaftung, denn auf dem Schiffe befanden sich schon sechs junge Mädchen, die das Ehepaar und die mit ihm operierende Freudenberg für angeblich sehr verlockende Stellungen im Auslande engagiert hatten. Die sechs jungen Mädchen wurden durch die Polizei in ihre Heimat —. iaig, 14.Sept. 1903. Vor vier Tagen überfiel zwischen Schagrian und Belasuwar eine starke Räuberbande drei Grenzreiter, von denen einer getötet und die beiden anderen verwund wurden. An demselben Tage traf eine andere Gegend mit Viehräubern zusammen, denen sie das geraubte Viel wieder entriß. Von den Räubern wurden zwei getötet. Außerdem wurden ihnen zwei Pferde und einige Gewehre und Patronen weggenommen. Die Grenzwache hatte keine Verluste. *s Cadiz, 15.Sept.1903. Die Besatzung eines aus FernandoPo kommenden Dampfers berichtet: Die Eingeborenen töteten einen deutschen Kaufmann und fraßen ihn auf. Die spanische Besatzung von Bata züchtigte die Eingeborenen, tötete 7 und verwundete 25; ferner wurden fünf Dörfer niedergebrannt. Die Spanier hatten bei dem Zusammenstoß mehrere Verwundete. ** New=York, 18.Sept.1903. Der Sturm am Mittwoch vernichtete fünf Schiffe einer New=Yorker Fischerflottille. Wie der Berliner Lokalanzeiger meldet, ertranken 30 Mann der Besatzung. ** Rio de Jaueiro, 16.Sept.1903. Die Pest, die in den letzten Jahren erwiesenermaßen hier niemals gänzlich erloschen ist, trit' neuerdings in etwas verstärktem Maße auf. Einige ver einzelte Todesfälle sind vorgekommen. Gegen 60 Personen werden im Krankenhaus behandelt. Strenge Maßregeln gegen eine Weiter verbreitung der Pest sind getroffen. ** mefing, 16.Sept.1903. Aus Niutschwang wird gemeldet, daß die Pestepidemie dort eine ernstere Gestalt angenommen hat; während des vergangenen Monats seien ihr mehrerehundert Menschen zum Opfer gefallen. Der amtliche Bericht giebt etwas geringere Zahlen an.— Die starken Regenfälle der letzten Zeit zerstörten meilenlange Strecken des die Mandschurei durchziehenden Teiles der Sibirischen Bahn, wodurch der Verkehr einen tarken Aufschub erleidet. Die auf dem Wege von Europa nach China befindlichen Reisenden schlugen den Umweg über Wladiwostok ** Ein verunglückter Hochzeitszug. Nach einer Meldung aus Zombor sind sechs Personen eines Hochzeitszuges bei Zsablya ertrunken. Der Wirtschaftsbesitzer Milivoj Dosic begab sich mit seiner ihm eben angetrauten Frau zu Wagen nach Zsablya. De. Jug mußte die Theiß passieren, und die Wagen wurden auf eine Fähre verladen. In der Mitte des Fluses begann die„A,.16 he Ein Gespann Pferde wurde scheu, sprang zur Seite und riß den Wagen ins Wasser. Durch das Geschrei der mit den Wellen Kämpfen den wurden auch die anderen Pferde scheu und sprangen ins Wasser. Es gelang nur, zwei junge Nichten des Bräutigams zu retten, während er selbst und fünf Gäste in den Wellen verschwunden waren, ehe man ihnen Hülfe bringen konnte. Der Eisenbahnminister in der 4. Klasse. Daß ein Minister „vierter Güte" fährt, passiert gewiß nicht jeden Tag. Excellenz Budde wurde, wie der Kasseler Korrespondent des Frankf. schreibt, am 11. d. auf dem Bahnhofe Kassel von den versammelten Mitgliedern der dortigen Eisenbahndirektion erwartet. Hr. Budde kam von Wilhelmshöhe, wo er gegenwärtig wohnt, und als der Zug einlief, glaubten die Herren der Direktion, die durch einige unerwartete Besuche schon allen wohlbekannte Gestalt des Ministers aus der ersten Wagenklasse steigen zu sehen. Aber kein diensteifriger Schaffner öffnete das Koupee und es gab sehr erstannte Gesichter, als Se. Excellenz freundlich grüßend aus einem Wagen 4. Klasse stieg. Der Minister hatte auscheinend die Fahrt unlernommen, um sich in die Verhaltnisse auch dieser social so bedeutungsvollen Wagenklasse persönlich einen Einblick zu verschaffen. (0) Kysshäuserbund der deutschen Landes=Kriegervervände. Am 12., 13. und 14. September tagte auf dem Kyffhäuser die vierte Vertreterversammlung des Kyffhäuserbundes, der Centrale, in welcher seit drei Jahren die sämtlichen Kriegervereine und=Verbände des Deutschen Reiches vereinigt sind. In Vertretung der am Erscheinen verhinderten Vorsitzenden General z. D. v. Spitz und stellvertretenden Vorsitzenden Generallentnant v. Waagen leitete das Vorstandsmitglied Professor Dr. Westphal aus Berlin die Verhandlungen. Aus dem Geschäftsbericht sei hervorgehoben, daß die Schulden für das Kaiser Wilhelmdenkmal auf dem Kyffhäuser nunmehr vollständig abgetragen sind. Nachdem in den vier Jahren 1899—1903 rund 283000 M. abgezahlt worden waren, ist in diesem Jahre der Schuldenrest im Betrage von rund 43000 M gezahlt worden. Es ist bereits mit der Abzahlung der auf der Wirtschaft beim Denkmal noch ruhenden Schulden begonnen worden, die auch nach wenigen Jahren getilgt sein werden. Der Ertrag der Turmbesteigungsgelder und der Verkaufsartikel ist von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Die Turmbesteigungsgelder haben im Jahre 1902 nur 8476 M. und die Gelder für Verkaufsartikel 8545 M. betragen. Der Gesamtbetrag der auf der Wirtschaft ruhenden Schulden ergiebt die Summe von 127864 M. Dem Antrage des Landes=Krieger= verbandes Reuß ä. L. auf Aufnahme in den Kyffhäuserbund wurde ** Sturmnachrichten. In Dublin befürchtet man, daß der Dampfer Irene mit einer Mannschaft von 13 Köpfen dem Sturme zum Opser fiel. Der Dampfer fuhr am Donnerstag mit Kohlen beladen von Newport nach Dublin ab. Der Boulogner Fischereidampfer Don de Dieu hat durch Scheitern elf Mann verloren. Stücke des Schiffes und das Rettungsboot wurden bei Calais an Land gespült. Ein Fischereidampfer von Treport ging mit der ganzen Mannschaft unter. Das Lotsenfahrzeug Neptun brachte einen großen Kessel nach Calais, den es im Kanal schwimmend gefunden hatte. Der Dampfer Trailleur machte einen ähnlichen Fund. Man nimmt an, daß die Kessel aus dem Hafen von Dover stammen, der unter dem Sturme ganz besondere Verwüstungen erlitten hat. Zwei junge Londoner, die in einem kleinen Segelboot durch den Sturm aus dem Hafen von Bembridge in die offene See getrieben wurden und für verloren galten, sind durch einen französischen Dampfer im Kanal aufgegriffen worden.— Der Dampser Polynesien hat infolge des Sturmes im Vorhafen von Marseille Schiffbruch erlitten; ein Schleppdamper ist zur Hülfeleistung abgegangen.. e ecum 60 Die Manöver in Ost= und Westpreußen haben schwere Unfälle im Gefolge gehabt. Zuerst mußte das 2. Bataillon des 128. Iufanterieregimentes, das bei Thorn manöverierte, in seine Garnison Danzig zurückkehren, da unter den Truppen die Ruhr ausgebrochen war. Dann hat die abnorme Hitze zahlreiche Unglücksfälle im Gefolge gehabt. Von dem bei Guttstadt manöverierenden Grenadierregiment(2. Ostpr.) Nr. 3 starb ein Soldat am Hitzschlage, mehrere Soldaten erkrankten leicht. Die Zeitungsmeldungen, welche von 3 Toten und 32 Erkrankten zu berichten wußten, waren glücklicherweise übertrieben. Die erkrankten Soldaten wurden nach Königsberg zurückbefördert. Die Truppen hatten 50 Kilomete. zehn Stunden zurückgelegt. Desgleichen erlag ein Mann von dem bei Bischofsburg manöverierenden Infanterieregiment(7. Ostpr.) Nr. 44 dem Hitzschlage. Im Manöverfelde bei Mensguth starben am Hitzschlage ein Jäger und ein Ulan, während ein Jager und drei Ulanen schwer erkrankten. Endlich gehört in diese Rubrik noch ein Unfall, der die 6. Batterie des in Insterburg garnisonierenden, bei rtelsburg im Felde liegenden 37. Feldartillerieregimentes betraf. Mehrere Artilleristen ritten nachs dem in der Nähe liegenden Szczionneker See. Hierbei stürzten einige mit den Pferden von dem steilen Abhang in den See, die Pferde überschlugen sich, ein Reiter erlitt hierbei den Tod. Alle diese Unfälle mit Ausnahme des letzten des Aberglaubens hat ein Pariser Theaterdirektor erklommen, von dem Ernest Blum in seinem Journal'un Bandevilliste ein drolliges Histörchen erzählt. Daß die Leute vom Theater höchst abergläubisch sind, ist bekannt; und Ernest Blum erklärt es aus der Unsicherheit der Wirkung auf das Publikum, bei dem man nie seiner Sache sicher sein kann. Ein Impresario ein Stück nur am Freitag, ein zweiter am Donnerstag, ein dritter am Montag heraus. Ich habe einen Direktor gekannt, der ein Viertel jahr lang das frühere Theatre Beaumarchais leitete— ein Vierteljahr Direktor des Beaumarchais gewesen zu sein, ist schon ehrenwert — und der durch seinen Aberglauben sogar die Köchinnen des Stadtviertels in Erstannen setzte. Er hatte die Nummer 13 von allen Plätzen im Saal entfernen lassen; sie waren 12b oder 120 geworden Jede Woche gab er eine Premiere, aber nur am Freitag. An diesem Abend sah man ihn nicht ohne Ueberraschung barfuß zwischen den Coulissen umherwandern!„Wenn ich keinen Schnupfen kriege, wird das Stück einschlagen; kriege ich einen Schnupfen, fällt es durch! Und gewöhnlich— bekam er einen Schuupfen! Nach drei Monaten mußte er sich zurückziehen; aber er hatte einen so starken chronischen Schnupfen davon behalten, daß er noch nieste, als ich ihn nach zehn Jahren auf dem Boulevard wiedertraf. ** Der Tragöde vor der Polizei. Aus St. Petersburg wird geschrieben: Der ehemalige Hofschauspieler—w. ein herkulisch gebauter älterer Herr, wurde vor einigen Tagen auf der Baltischen Bahn von einem Bettler um ein Almosen angegangen. Der Mime donnerte den Bettler im hohen Tragödienstil der alten Schule an: „Wie darfst du Almosen erflehen, das Menschengeschlecht erniedrigend! und machte dabei eine so„theatralische Bewegung“, daß der Bettler wie ein Gummiball von ihm abgeschleudert wurde und sich stöhnend den Kopf hielt. Der allzu„schwungvolle“ Keandarsteller wurde von Gendarmen abgeführt. Auf der Polizeiwache setzte er die Gendarmen durch„rollende" Tiraden, die er im fulminanten Theaterton brachte, in Staunen und Verlegenheit, die noch wuchs, als er plötzlich— ohne allen Uebergang— seiner klangvollen Stimme di saufteste„Erste Liebhaber"=Modulation zu geben wußte. Als die Polizeidiener kamen, um den Tragiker abzuführen, warf er ihnen einen solchen Karl Moor plus Othelloblick zu, daß selbst die so unsonders imponiert J. 90r wundernd das Mitglied der Hermandad. Mimen ab. Seite 4. Kölnes Local Anzeiger Nr. 257 4 Sonntag. 20. September 1903. 0 Ein pikanter Böhtlingkprozeß steht wieder in Aussicht. In seiner Schrift Protestantische Jesuitenhetze in Deutschland(die das zehnte Tausend bereits überschritten hat) erwähnt Prälat Prof. Dr. Heiner im Vorwort unter den Jesuitengegnern auch den Prof. Arthur Böhtlingk mit der entschuldigenden Bemerkung, daß dieser„au krankhaften Wahnvorstellungen leide, wie die von ihm produzierten Schriften und Reden nur zu klar beweisen". Wegen dieser Behauptung hat Hr. Böhtlingk durch seinen Kartellträger Anwalt Händel dem Hrn. Prof. Heiner die strenge Forderung auf drei Schritt Barriere vor dem Schöffengericht in Karlsruhe überbringen lassen. Wie Böhtlingk die Ordeusleute sund den katholischen Klerus in aller Oeffentlichkeit behandelt, ist zur Genüge bekannt. Um von 100 Belegstellen nur zwei zu citieren: Er sagte in öffentlicher Versammlung in Karlsruhe(laut Bericht der Bad. Landesztg.):„Die Liguorimoral erlaubt jede Schurkerei und jedes Verbrechen, und in dieser Moral werden unsere katholischen Geistlichen erzogen.“ In seiner Schrift Abwehr und Anklage schreibt er(S.):„Wenn ein Priester dazu verurteilt ist, täglich fünf und mehr Stunden Brevier zu lesen, so muß durch eine derartig systematische Geistesertötung die Funktion auch des bestorganisierten Gehirns minderwertig werden. Das meine würde, fürchte ich, schon nach wenigen Wochen erliegen.“ Das sind nur zwei Stichproben, bei weitem nicht die kräftigsten. Und der Mann nimmt es als Ehrenbeleidigung auf, wenn ihm mit oder ohne Umschreibung erklärt wird, daß man seine ganze Kampfesweise nicht ernst nehmen kann! 7 R Die Verbrennung von Werg als Sinnbild der Vergänglichkeit des Irdischen fand in früheren Zeiten nicht nur bei der Papstkrönung statt, sondern an jedem Karsamstag auch im Kölner Dom. Die Ceremonie hat sich hier noch bis in die zwanziger Jahre des 15. Jahrhunderts erhalten. Der verewigte Pfarrer Stein von St. Ursula brachte in den Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein(1882, S. 203.) aus dem 1525 bei Bungart und Kethwich in Köln gedruckten Ordinarius missarum secundum majorem ecclesiam Coloniensem(Dom) die Erklärung des alten Brauches, die Pfarrer Dr. Berrisch im folgenden Hefte der Annalen aus den kölnischen Meßbüchern von 1525 vervollständigte. Unsere heutige, dem römischen Ritus entsprechende Praxis, wonach erst beim Gloria die Glocken„wiederkommen", bestand damals in Köln noch nicht, sondern es wurde gleich nach der Segnung des Taufwassers, vor dem Hochamt feierlich zusammengeläutet. Im Chore wurde dann vor dem Hochamt eine in ihrer Gesangweise von den heutigen Litaneimelodieen durchaus abweichende Litanei gesungen; dann zündete im Dom ein Diakon ein vor dem Chor, allem Volke sichtbar, herabhängendes Wergbüschel mit einer Kerze an. Beim Anzünden sang er: Attendite!, worauf der Chor respondierte: Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis! Dann begann das Hochamt. Die Bedeutung der Ceremonie geben die genannten Bücher deutlich an: in mysterium vitae transitoriae— als Sinnbild der Vergänglichkeit des Erdenlebens.„Das anwesende Volk wird demnach in doppelter Weise auf die Hinfälligkeit und Flüchtigkeit des Erdenlebens aufmerksam gemacht: einmal crto incinendo, dann aber insbesondere— und gerade dazu fordert der Diakon mit seinem Attendite zum Achtgeben auf— durch das Anzünden und das rasche Aufflackern und Verbrennen des Wergbüschels.“(Berrisch.) In späteren Zeiten ging allmählich das Verständnis des rituellen Brauches verloren; man verlegte das Anzünden des Wergs in das Gloria des Hochamtes selbst hinein und schob in das Werg kleine Pulverraketen, so daß das Abbrennen mit dem Krachen und Sprühen einer kleinen Pulverexplosion sich verband, um den Moment der wiederkehrenden Orgelklänge und des wiederkehrenden Glockengeläutes besser zu markieren. Das war die berühmte„Perücke im Kölner Dom“, deren Anzünden mittels der Osterkerze durch den Subdiakon alljährlich die Kölner Jugend in herzklopfende Spannung versetzte, und deren Deutung den Forschern viele Rätsel aufgab. So auch noch dem Pfarrer Stein, der darüber eine öffentliche Aufrage erließ; unmittelbar darauf fand er selbst in dem Ordinarius missarum die obige ganz zweifellose geschichtliche Lösung. Als unter den Erzbischöfen Salentin und Ferdinand der kkölnische Ritus mit dem römischen in Einklang gebracht und mit dem Glockengeläute auch das Verbrennen des Wergs in das Hochamt zu Beginn des Gloria verlegt wurde, paßte die frühere Symbolik nicht mehr; der symbolische Gesang des Agnus Dei mußte wegfallen, und man gab dem Ritus jetzt eine symbolische Beziehung auf die Auferstehung; das veranlaßte dann die Beifügung des Kraches einer kleinen Pulverexplosion, bis das Ganze nach 1820 abgeschafft wurde. I Chinesische Reklame. Von R. Pieper, Missionar in Schautung. Der Durchschnittschinese betreibt die Reklame noch in ihrer ursprünglichen Form: er bedient sich der Stimme. Tag für Tag. jahraus jahrein zieht er mit seinem„Warenlager“ über die Straße und schreit von morgens früh bis abends spät, um das anwohnende und vorübergehende Publikum zu veranlassen, bei ihm zu kaufen. Oft hat er sich schon müde geschrieen, ehe jemand ihm etwas zu verdienen geben wollte. Da klingt es denn bisweilen aus dem Tone seiner Stimme heraus, daß er heute keinen guten Tag gehabt. Hat er aber gute Geschäfte gemacht, war heute für ihn ein Glückstag, dann singt er ganz melodisch und wonnig; es hört sich an fast wie das Gezwitscher einer Frühlingsamsel. Zumal sind es die Kinder, oft Kuirpse von —10 Jahren, die mit ihren metallhellen Stimmen Kleinigkeiten aupreisen, womit die Eltern sie auf die Straße geschickt haben. Da kauft schon mancher etwas um des Kleinen willen, der so rührend singt. Aber es fehlt auch nicht an heiseren Kräh-, Krächzund Kuarrstimmen, die allen Klang verloren haben, und auch ihren Inhabern wird etwas abgekauft— weil man des Geschreies überdrüssig ist. Der chinesische Straßenverkäufer betreibt seine Reklame nicht nur mit der Stimme, sondern in der Regel handhabt er auch ein Instrument. Bald ist es eine alte Trommel, bald ein zerbrochener Topf, bald eine ausrangierte Pfeife oder ein zerknicktes Blashorn, nicht selten begnügt er sich mit einem Stück Eisen oder Blech, an das er mit einem Nagel schlägt: Geräusch zu machen ist die Hauptsache, und er wünscht, daß es ein originelles sei. Jedermann soll sofort heraushören, der Verkäufer so und so ist da. Litfaßsäulen zum Ankleben von Anschlägen giebt es in China nicht. Indes werden in den Städten mit Vorliebe die Thore der Umfassungsmauern benutzt, um dort meterlange Bekanntmachungen anzuheften. Darauf ist zu lesen, wo ein neues Geschäft geöffnet und daß man dort unerhört billig und vorteilhaft kaufen kann. An die Stadtthore läßt der Mandarin auch seine Bekanntmachungen kleben, sowie die Verordnungen seiner Vorgesetzten oder des Kaisers, falls sie das Volk betreffen. Reichen die Stadtthore nicht aus, dann bieten die Außenwände großer Häuser eine beliebte Anklebefläche oder die Mauern von Pagoden. Argesehenere Geschäfte lassen auch rote Zettel drucken, auf denen Vorzüglichkeit der verkauften Waren gepriesen wird; die Zettel werden auch in die Kisten oder Schachteln zu den Waren gelegt. Anderen Gegenständen ist der Firmenname aufgepinselt oder eingebrannt, wie z. B. den Schreibpinseln, Tuschen, Fächern, Porzellanwaren u. dgl. Eine eigene Art von Reklame betreiben die chinesischen Bonzen, wenn sie eine neue Pagode bauen wollen und das Geld dazu nicht fließen will. Ein namhafter Asket läßt sich einen mit Nägeln vollgespickten Kasten zimmern, worin er nur mit knapper Not sitzen kann. Will er aufstehen oder sonst sich bewegen, so kommt er mit den spitzen Nägeln in Berührung; zwei Riesennägel aber stehen seinen Augen gegenüber und warten auf den Augenblick, wenn der arme Bonze von Müdigkeit zu nicken beginnt. Ist an den Nägeln Blut zu sehen, so gelten sie als Wundernägel und sollen eine Heilkraft besitzen gegen tausenderlei Gebrechen. Deshalb dauert es denn auch gar nicht lange, bis alle verkauft sind. Sobald der letzte verschwunden, ist der Asket erlöst; er hat gute Geschäfte gemacht, und die Pagode kann erbaut werden. Auf solche Pagoden besitzen die Bonzen ein Eigentumsrecht, während die andern, welche durch Beiträge von Heiden erbaut wurden, den betreffenden Dörfern gehören, welche zum Bau beigetragen haben. Besagtes Kastensitzen heißt truo kuen mu=chua, d. h. im Sarge sitzen und um Almosen bitten. Für den einen oder andern Bettler wird der Kasten in der That ein Sarg, weil er vor seiner Erlösung darin stirbt. Dafür gilt er dann aber auch als Heiliger und wird als solcher verehrt. Falls es der fromme Bettler aber nicht in seinem Sarge aushalten sollte, kann er mit Erlaubnis seines Vorgesetzten daraus sich befreien lassen; er hat dann aber sofort Abschied zu nehmen von der Brüderschaft der Mönche, muß das Haar sich wachsen lassen und in die Welt zurückkehren. Auch verkaufen die Bonzen Reklamezettel mit Gebetserhörungen. Da steht z. B. auf einem:„Ich N. N. bin eine gläubige Seele (sin eyü), und da habe ich der geliebten Göttin im Tempel N. N. seßhaft, 300 Bekanntmachungszettel versprochen, auf denen ich die mir angediehene Hülfe kundthue. Ich lasse dieselben an allen Straßenecken aufkleben, und jeder, der in Not ist, eile zur mächtigen Göttin.“ Solche Zettel haben meistens eine auffällige Form oder Farbe oder werden in auffälliger Weise, schief oder übers Kreuz aufgeklebt, um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden zu fesseln. Wer das Anheften aber besorgt, macht es sich in der Regel bequem; er zieht es vor, an einer Ecke mehrere Dutzend Zettel zusammen zu leimen; die Hauptsache ist ja, daß das Gelübde erfüllt wird, d.., daß alle 300 Zettel verklebt sind. Schrecken erregende Reklame betreiben die chinesischen Mandarine. Die Eingänge zu ihren Tribunaten sind meistens mit allerhand Mord= und Quälinstrumenten verziert, und auf der Haupteingangspforte erblickt man zwei mächtige Gestalten mit Glotzaugen und gewaltigen Schwertern in der Hand. Der ganze Apparat soll den Unterthanen die nötige Achtung einflößen gegen ihre Obrigkeit und sie daran erinnern, daß der Herr über Leben und Tod hier seine Behausung hat. Haben die Mandarine einen armen Sünder um Kopfeslänge kürzer gemacht, muß der Kopf als Warnungszeichen am Orte der That oder vor dem Stadtthore au einen Baum gehängt werden, damit er stumm die unerbittliche Gerechtigkeit verkünde, die ihn— vielleicht den Unschul digen— getroffen hat. Als ich vor einigen Tagen in die Bezirksstadt Kuentschöng ritt, sah ich vor dem östlichen Stadtthore an einer Reihe Winden 30 Köpfe baumeln: ein schauerlicher Anblick. Es waren die Häupter einer Räuberschar, die es im vorigen Herbste gewagt hatte, am hellen Tage in die Stadt zu dringen und einen reichen Mann auszuplündern. Auch hatten die Räuber dabei die Waffen eines Militärmandarins erobert, der sich bei Zeiten aus dem Staube gemacht hatte. Wenn die gewöhnliche Reklame erfolglos bleibt, weiß der findige Chinese andere Mittel auszuspintisieren, um seine Ware an den Mann zu bringen. Hier ein Beispiel. Schreinermeister Lopa war tüchtig in seinem Geschäfte und verstand sich darauf, seine Kunden zu befriedigen. Vor allem war er aber ein Meister darin, selbige über die Ohren zu hauen, und dabei machte er die ehrsamste Miene von der Welt. Leider brach eine Hungersnot aus; die Bauern hatten wenig geerntet und deshalb auch wenig Geld. Anstatt sich Möbel machen zu lassen, verkauften sie noch die unnötigen, und Meister Lopa stand deshalb mit seinen Gesellen arbeitslos und brotlos da und mußte auf Rat sinnen. Seinen noch vorrätigen Holzbestand gebrauchte er, um Spinnräder daraus zu machen, und als er damit fertig war, fand er zu seiner Freude, daß es mehr geworden waren, als er anfangs zu bekommen gehofft hatte. Zweihundert Räder standen in seiner Werkstatt fix und fertig aufgestapelt, aber jetzt hieß es, dieselben an den Mann zu bringen. Doch auch dazu fand Meister Lopa ein Mittel. Er schickte seine Gesellen und Söhne, von denen jeder ein Spinnrad trug, mit den nötigen Unterweisungen in die Stadt. Die Gesellen kehrten vorläufig in eine Herberge ein, einer der Söhne aber ging zu einem großen Allerleigeschäft und hielt Nachfrage nach Spinnrädern.„Können damit leider nicht dienen,“ war die Antwort des Kaufmannes. Nun mußten auch die andern Söhne in gemessenen Zwischenräumen bei dem Geschäfte Anfrage um Spinnräder halten. Eigentümlich, so hatte schon der Ladenbesitzer gedacht, daß die Leute jetzt alle Spinnräder kaufen wollen. Das müssen wohl die schlechten Zeiten thun; die Weiber wollen sich mit Spinnen etwas verdienen. Gerade, als er so dachte, sah er jemanden über die Straße gehen, auf dem Rücken zwei Spinnräder tragend. Schnell rief er ihn herein und erkundigte sich, ob er die Räder verkaufen wolle. „Freilich,“ antwortete jener,„zahlt mir einen Tiao dafür, so überlasse ich euch beide.“„Ein Tiao ist zu viel, ich gebe euch 800 Käsch, das ist mehr wie genug.“„Nun gut, gebt mir das Geld, dann bekommt ihr die Ware.“ Es dauerte gar nicht lange, da kam wieder jemand zum Laden hinein, um ein Spinnrad zu kaufen.„Da kann ich dienen,“ antwortete der Besitzer.„Habe hier zwei Räder, sucht euch eines aus; jedes kostet ein Tiao.“ „Einen Tiao kann ich dafür nicht zahlen; ich gebe 800 Käsch, mehr aber keine Sapeke." Der Kauf war abgeschlossen und jener ging mit seinem Rade davon. Bald darauf kam wieder jemand, ein Spinnrad zu kaufen. Dieser aber mußte einen Tiao zahlen, denn es war das letzte. Ein herrliches Geschäft, dachte der Kaufmann; habe ich da heute an zwei Spinnrädern, die gewöhnlich nur das Stück 200 Käsch kosten, einen Tiao verdient. Ich muß mich mit einem Schreiner in Verbindung setzen und mir eine größere Anzahl Spinnräder bestellen; damit ist ja ein vortrefflicher Gewinn zu erzielen. Die Bestellung wurde bald abgeschlossen auf 200 Stück uno zwar bei unserm Meister Lopa. Er bekam für jedes Rad 400 Käsch ausbezahlt und hatte mehr als das Doppelte der Herstellungskosten daran verdient. Der kluge Kaufmann aber war auf den Leim gegangen. Nach Jahr und Tag waren noch die Spinnräder in seinem Hofe aufgestapelt, denn es fand sich kein Abnehmer. Und als er schließlich damit auf den Jahrmarkt zog, mußte er sie noch zur Hälfte verschenken. Rälselecke. (Nachdruck und Nachbildung aller Teile untersagt.) Zum Nachdenken. Man spricht selten von der Tugend, die man hat, aber desto öfter von der, die uns fehlt. Nimmer kannst du Garben binden Ohne daß dir Korn entfällt, Denn es sollen's Arme finden Und sich freuen dieser Welt. Skataufgabe. (a bed die vier Farben; A Aß: K König: D Dame; B Bube; V A II die drei Spieler). Es genügt nicht, eine schöne Karte zu erhalten, sondern man muß sie auch auszunutzen verstehen und wer gut rechnen kann, führt die Braut heim. M, der Mittelhandspieler, hat folgende verführerische Karte erhalten: a, b. c. dB, aA, 9; bA. D; cA. D. (Die vier Buben, Kreuz=Aß,=Neun, Pique=Aß,=Dame, Herz=Aß,=Dame.) Die beiden anderen passen. Auf obige Karte sind fünf Spiele möglich: Großspiel. Handspiel in a, b oder c und Wendespiel. Welche Spiele sind unverlierbar, wenn die für den Spieler ungünstigste Kartenverteilung vorausgesetzt wird? Sinnrätsel. Jener wird, aus dem ich stamme, Gut verwaltet und regiert. Dieser si d gar liebe Menschen, Bin dort kürzlich eingeführt. Schließlich der dort auf der Tafel Ist vollendet an Gestalt. Wird berechnet, wird geschlagen Und mit Sorgfalt auch gemalt. Magisches Dreieck. A A A EI I T L M N N R In die Felder des Dreiecks sind die Buchstaben derart einzutragen, daß jede der drei Außenreihen einen weiblichen Vornamen ergiebt, während die drei Mittelreihen bedeuten: 1. Brasilianisches Tier, 2. altnordische Göttin 3. Land in Asien. Tauschrätsel. Rost, Pfeile, Harm. Mars, Banken, Reise, Weste, Wiese, Halm, Schaukel, Loge, Weise, Hans. Von jedem Wort ist durch Umtausch eines Buchstabens an beliebiger Stelle ein anderes bekanntes Hauptwort zu bilden und zwar derart, daß die neu eingefügten Buchstaben im Zusammenhang eine löbliche Charakter= eigenschaft nennen. Füllrätsel. —.— altrömische Göttin —.— technisches Hülfsmittel —.— berühmter Badeort —.— Teil des Baumes —.— altgriechische Gottheit —.— Stadt an der Donau —.— Wild —.— Bauwerk. Statt der Striche und Punkte sind Buchstaben zu setzen, so daß Wörter von der beigefügten Bedeutung entstehen. Die auf die Punkte fallenden Mittelbuchstaben bezeichnen eine allen Katholiken unvergeßliche Persönlichkeit. Bilderrätsel. (Die Auflösung folgt nächsten Sonntag. Auflösungen der vorigen Sonntags-Beilage. Schachaufgabe. (Dreizüger: W. Kal, Das. Se4. f4. Be2. e3.— Schw. Kfl. Bas, 12, h3, h7. 1. Dg8—g7, hé; 2. Kaz.— 1. Kel; 2. De3+ Rösselsprung. Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug, Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen, So glaubst du dich schon Uebermensch genug, Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen! Wieviel bist du von anderen unterschieden? Erkenne dich, leb mit der Welt in Frieden. Silbenrätsel. Pionier, Ariosto, Uranus, Lucca, Igel, Neckerei, Eberesche. Pauline— Rosalie. Schieberätsel. Kaffer U nust Fre 1 e r Men s c h Moden a K anone 0 s te rn Gleichklang. Das Steuer, die Steuer. Bilderrätsel. Telegraphenamt. Verantwortlicher Redacteur: B. Reuter in Köln. Verlag und-Druck von J. L.