Elberfeld=Barmen Montag, den 2. Januar 1905 Nr. 1. 22. Jahrg Erscheint jeden Nachmittag außer Sonntags Abonnementspreis 60 Pfg pro Monat in Elberfeld=Barmen auswärts 70 Pfg. Bei der Post unter Nr. 2799 2 Mark pro Quartal. Einzel=Exemplar 10 Pig. Telegramm=Adresse: Freis Presse Elberfeld. Anzeigen: Die 6 gespaltene Petitzeile 13 Pig. Nuzetaen im Neklameteil die gespaltene Petitzeile 50 Pfa Grösiere Annoncen=Anfträgeerbitten wir einen Tag vor Erscheinen der betr. Ausgabe kleinere bis 10 Uhr Vorm. Fernsprecher 1111° Organ des werktätigen Volkes von Rheinland und Westfalen. =Exped. u. Redaktion: Elberfeld. Friedrichitr. 37.— Filial=Erped.: Barmen. Oberdörnerite. 101.— Remicheid. Kiechhofte. 1u.- Hagen. Frankfurterstr. 57.— Zierlohn. Mühlengangl3 hierzu eine Beilage. Vom Hofe Wilhelms II. Es gibt Schriftsteller, die gern mit Sensationen hausieren gehen, weil sie Geld einbringen, und es gibt Verleger, d Sensationsbücher willkommene Beute sind, aus dem gleichen Grunde. Um ein solches Buch handelt es sich bei der in London vor kurzem erschienen Veröffentlichung The Private Lives of William II. and His Consort(Das Privatleben Wilhelm II. und seiner Gemahlin) nicht. Das Buch ist die Ausarbeitung eines Tagebuchs, das von einer Grafin(vielleicht eine süd deutsche) geführt wurde, die vom Juni 1888 bis zum Frühjahre 1898 Hofdame der Kaiserin war In England ist das Buch wenig beachtet worden; sein Käuferkreis setzt sich aus Ausländern ansammen, die pikante und sensationelle Enthüllungen erwarten. In der Tat ist die Verfasserin eine gute Beobachterin, die eine überraschende Kenntnis der Personen und der verschiedenen Affären verrät; aber für Sozialdemokraten, die Gelegenheiten genug hatten, aus verschiedenen kaiserlichen Reden und Handlungen ein Bild der Persönlichkeit des deutschen Kaisers zu konstruieren, sagt es wenig besonderes und neues. Ueber das Buch urteilt ein Londoner Korrespondent des Vorwärts: Die einzelnen und ausführlichen Angaben, die das Buch bringt,— soweit es sich um politische Aeußerungen handelt— machen es dem deutschen Reichstage und der ernsten deutschen Presse besonders zur Pflicht, die verfassungsmäßigen Rechte der Nation energisch zu wahren und mit aller Kraft darauf zu dringen, daß der Majestätsbeleidigungs=Paragraph beseitigt wird Die zehn Jahre, die die Grafin in engem Verkehr mit dem Kaiserpaar zubrachte, sahen vor allem die Entwicklung des starken monarchischen Bewußisein beim Kaiser; dann die wachsende Unterwürfigkeit des Hofadels unter den kaiserlichen Willen; die immer weiter werdende Kluft zwischen dem monarchischen Bewußtsein und dem Publikum; die Kotze=Affäre, in der, wie die Gräfin versicherte, nicht Kotze, sondern eine dem Kaiserpaar sehr nahestehende Persönlichkeit den anonymen und pornographischen Briefwechsel unter den Hofle ten einleitete; ferner die Berliner ungerrevolte; die Welfenfonds- und Jnvalidenfonds=Affäre; schließlich die zwei Kan lerwechsel. Es ist selbstverständlich unmöglich, die internen Vorgange, Geschichten und Anekdoten, über die die Gräfin, teils als angebliche Augenzeugin und angebliche Zuhörerin, teils aus zuverlässigen Quellen berichtet, auch nur schüchtern anzudeuten. Das Buch gibt über alle diese Tinge Namen, Ort und Datum an. Es ist eine chronique seandaleuse, wie sie aus den Hosgeschichten des 17. und 18. Jahrhunderts bekannt ist. Uns interessieren diese Dinge sehr wenig. Dort, wo die Gräfin über politische Vorgänge berichtet, zeigt sie, daß ne von diesen Dingen nur oberflachliche Kennimne hat. Sie berührt nur Symptome und Nebenerscheinungen, die für diejenigen, die die Politik ernst verfolgen, nur einen gewissen Wert haben. So wurde, nach Ansicht der Gräfin, Caprivi aus rein privaten Motiven lucanisiert. Die 56 pohenlohes, wie man sie im„Almanach de Gotha“ aufgezohlt findet, sollen, unterstützt von den 160 Großmüttern, Müttern, Tanten, Gattinnen und Töchtern, den Kaiser bestürmt haben, dem neuen Reichskanzler sein Gehalt auf die Höhe des von ihm als Statthalter bezogenen heraufzusetzen. So die Gräfin. Wir wissen aber aus der zeitgenössischen Geschichte, daß der Mann ohne Ar und Halm von den Junkern gestürzt worden ist. Des Kaisers Vorliebe für den Sultan, schreibt die Gräfin auf Grund von wörtlich mitgeteilten Unterredungen zwischen den Mitgliedern des königlichen Hauses dem Umstande zu. daß der Kaiser das absolute Königtum Abdul Hamids bewundere. Die Grafin erzählt:„.... Was kann denn Ihr Bruder an dem Sultan bewundern?" fragte die Prinzessin Sophie von Lippe ihre Schwester bei einer Familienzusammenkunft in Friedrichshof im Juni 1894. Viktoria stellte dieselbe Frage an ihren Mann Adolf, dem der Kaiser alles sage. Worauf Adolf antwortete:„Wilhelm liebt diesen Grandseigneur als die Vertorperung des Abfotntismns Im Sommer 1896 sandte der Kaiser eine Photographie seiner Familie an den Sultan. Die Kaiserin hatte sich geweigert, ihr Bild und das ihrer Kinder an Abdul Hamid, wegen der armenischen Metzeleien, zu schicken, worauf der Kaiser sagte: „Diese Armenier waren Rebellen..“ Auch hier berichtete die Gräfin nur über eine Nebenercheinung. Der Hauptgrund der deutsch-türkischen Freundchaft ist die Bagdadbahn, oder allgemein gesprochen die deutsche Ausdehnung nach Kleinasien. Immerhin das Buch dürfte— trotz seiner Mängel— für die neudeutsche Hofgeschichte ebenso wichtig werden, wie die Memoiren der Markgräfin von Bayrenth für die Geschichte des preußischen Hofes im 18. Jahrhundert." Die königs=, reichs- und kaisertreue deutsche Presse speit Gift und Galle und nennt das Buch ein Pamphlet, in dem „mit einem wahrhaft teuflischen Eiser alles zusammengetragen" worden sei, was nur etwa geeignet sein konnte,„den Kaiser und seine nächsten Verwandten zu diskreditieren." Ein Artikel des Leipziger Tageblatts schließt mit den Worten: „Es möge genügen, daß man es mit einem Buche von gemeingefährlicher Tendenz zu tun hat. Diese Tendenz wirkt um so verheerender, als gar nicht zu leugnen ist, daß die Versasserin die Hossphäre, die höchsten Herrschaften und die sie umgebenden Persönlichkeiten auf das allergenaueste kennt und daß kleine Fehler in der sachlichen und formellen Tarstellung lediglich zu dem Zweck gemacht worden sind, um hinsichtlich ihrer Persönlichkeit irre zu führen, über die wir uns natürlich jede Vermutung ver sagen missen. Man sollte meinen, es lage ganzeminent im Interesse der kaiserlichen Familie, den Antor zu entdecken und womöglich der verdienten Strafe zuzuführen, jedenfalls aber durch öffentliche Kennzeichnung seiner Personlichkeit die Verleumdung vor aller Welt zu entkräften." Man wittert also böse Geschichten. Uns interessieren solche Sensationsgeschichten nur, soweit sie kulturbistoruches Material enthalten. Der Personenklatsch über Fürstlichkeiten und andere Persönlichkeiten ist uns herzlich gleichgultig. der preußische Parteitag. hp. Berlin, 31. Dezember. In der Sonnabendsitzung wird die Diskussion über den preußischen Landtag fortgesetzt. Gen. Bernstein begründet folgenden Zusatzantrag „Insbesondere fordert der Parteitag die soziaidemekratische Parteipresse in Preußen auf, jedesmal, wenn im preußischen Landtag Anträge zur Verhandlung gestellt werden, die irgend welche Abänderung des bestehenden Landtagwahlsystems fordern oder in sich schließen, an hervorragender Stelle wiederholt Protestartikel zu veröffentlichen, die in schärfster Weise den reaktionären Widersinn und die empörenden Ungerechtigkeiten des Dreiklassenwahlsystems bloslegen und die arbeitenden Volksklassen zu erneutem energischen Protest gegen dieses Machwerk einer brutalen Reaktion und zum unablässigen Kampf für das allgemeine, gleiche und direkte und geheime Wahlrecht aufrufen. Desgleichen fordert der Parteitag die Genossen in Preußen auf, bei solchen Anlässen in allen Großstädten und Industriezen tren Massendemonstrationen größten Stils gegen die Klassenwahl und für das demokratische Wahlrecht zu veranstalten“ Bernstein beschwert sich darüber, daß der Referent und wie der Referent seinen Zusatzantrag bekämpft hat, noch ehe er als Antragsteller denselben begründen konnte. Ledebour habe ihm untergeschoben und vorgeworfen, er treibe radikale Spielerei. Diesen Vorwurf des Komödienspiels weise er entschieden zurück. Zur Sache übergehend, führt er aus, daß man in Zukunft um stärkere Demonstrationen nicht herumkomme, und das seien Straßendemonstrationen. Durch mehr oder weniger gelungene Witze über die Hohenzollern stürze man kein Wahlrecht, durch Versammlungsproteste ebenfalls nicht. Massenaktionen lassen sich nicht kommandieren, sie müssen vorbereitet, die Massen müssen dazu erzogen werden. Die Deutschen seien zu„polizeifromm". Dem berechtigten Mahnworte„laßt Ench nicht provozieren", müsse man auch das andere gegenüberstellen„laßt Euch nicht verblüffen". Redner behandelt die Gefahren, die dem Reichstagswahlrecht drohen; diesen zu begegnen, genüge es nicht, mit bloßen Versammlungsprotesten zu antworten. Zum Schluß verweist er aufs Ausland, wo durch machtvolle Demonstrationen groß Siege errungen worden seien.(Beifall von einem Teil der Delegierten und un Publikum.) Rieger=Köln weist an der Hand der Wahlstatistik nach, daß der Zentrumsturm in der Tat riesig zu werden beginnt. Es sei notwendig, das Volk aus der Lethargie zu erwecken und da biete der Antrag Bernstein doch einige positive Vorschläge, die er für berechtigt hält. May- Krefeld meint, daß nach den Erfahrungen der letzten Wahlen sich viele Kreise nicht meyr an den Landtagswahlen be teiligen werden. Was habe also zu geschehen, um ein anderes Wahlrecht zu erreichen? Wenn man auf der einen Seite für Straßendemonstrationen eintritt, dann kommen wieder die Gewerk schaften, welche sich gegen die Maisciet aussprechen Zuveil=Tellow weist den Vorwurf des Herrn Delbrück zu rück, daß sich die Sozialdemokraten bei den Landtagswahlen nicht anständig betragen hätten. Wenn die Reaktion in Preußen so weiter gehe, dann müsse man wohl für den ersten Teil des Antrags Vernstein eintreten, gegen die Straßendemon'trationen müsse er sich wenden. Diese könne man nicht organisieren, wie man Revolutionen nicht organisieren könne, denn diese würden dann nieder geknüppelt. Mit dem Ausland lasse sich Teuischland nicht vergleichen. Tie Kundgebungen in den romantischen Ländern seien vielfach Strohfeuer.(Beifall.) Genossin Baader begründet folgende Resolution: Die Sozialdemokratinnen Preußens erheben Protest gegen die Art, in welcher der Minister von pammerstein die Forderungen der Frauen bezüg ich des politischen Vereinigungsund freien Versammlungsrechtes im preußischen Landtage be handelte. Die von Herrn von Hammerstein geäußerte Meinung, daß sich in den letzten fünfzig Jahren die wirtschaftliche Stellung der Frauen nicht geändert habe, zeigt, wie wenig preußische Minister von der wirtschaftlichen Entwickelung des eigenen Landes unterrichtet sind, daß ihnen unbekannt blieb, wie die Zahl der in Industrie und Landwirtschaft tätigen Arbeiterinnen von Jahr zu Jahr anwächst, welche der politischen Rechte genau so dringend bedürfen wie die männlichen Staatsbürger. Auf Grund solcher im preußischen Abgeordnetenhaus wiederholt unwidersprochen kundgegebenen Anschauungen ist es eine hervorragende Pflicht der Vertreter der Sozialdemokratie, mit ganz besonderem Nachdruck immer wieder die Forderung des allgemeinen Woblrechis für die Fr.au.en auch uxd.s vrennuche Parlament zu betonen Adler=Kiel hatte gehofft, daß auch dieser Punkt mit einer imposanten Kundgebung nach Außen abschließen werde, durch den Antrag Bernstein sei diese Hoffnung vereitelt. Er sage:„auf den Kalmus piep'n wir nich!“ Die von Bernstein empfohlenen „flammenden Artikel“ an„hervorragender Stelle" würden stumpf werden, wenn sie sich alle Tage wiederholen Wenn wir bloße Drohungen aussprechen, dann kommen wir in das liberale Fahrwasser, nehmen wir die Sache ernst, dann führt das uns zur Revolution, die wir aber so lange nicht machen können, so lange wir hierzu nicht die Macht haben. Unsere Aufgabe müsse sein, die Masse reif zu machen, dann könne die Revolution ohne Blutvergießen durchgeführt werden. Ob der vreußische Landiag einer Revolution wert ist, sei ihm sehr zweifelhaft.(Teilweiser Widerspruch.) Löwe-Breslau spricht seine Verwunderung darüber aus, daß der Antrag Vernstein gerade von den Nadikalen bekämpft wird. Es sei notwendig, dem Proletariat neue Waffen an die Hand zu geben. Er verweist auf die Straßendemonstrationen der Wiener Genossen. Ohne die Annahme Bernsteins Antrag sei die Sache nur eine halbe Stein(Hanau) ist ür Annahme des ersten Absatzes der Resolution Bernstein. Bernstein begründet nochmals seine Auffassung. Eskäme ja auf Form und Umstände an: so könne man ja z. B. Massen spaziergänge arrangieren. Im Auslande habe man doch schon große Erfolge mit Straßendemonstrationen erzielt. Vorcherdt(Königsberg): Mit einer Häufung von Kraftphrasen mache man keine Revolution; anerkannt sei damit aber worden, daß Kraftworte manchmal sehr gut seien. Um Uebrigen geschehe alles das jetzt schon, was Bernstein in seinem Antrag M.69 fordere. es seten schlechthin Selbstverständlichkeiten. Er sei durchaus micht gegen Straßendemonstrationen, wenn diese einmal nötig sein, es sei aber ein schwerer Fehler, sie vorher anzukündigen. "ieornecht bedauert die bestigen Angriffe des Referenten jegen Vernstein; sie seien unberechigt und auch etwas unchriftlich Weuerten). Die Madikaten sollten sich doch freuen über einen sinder, der Buße tut.(Peiterkeit). Die Resolution des Refereuten dokumentiere die ganze Hilflosigkeit unsrer bisherigen altik. gewiß werde es schwer sein, die Anwendung anderer Mittel herbeizuführen, wenn nicht Dinge von ganz eminenter uhtigkeit in Frage stehen. Unsere Taktik sei etwas verrostet, sie sei uns in Fleisch und Blut übergegangen. Die Aufklärungsarbeit müsse auch in Zukunft der Grundstock bleiben, aber blicken wir nach dem Auslande, so zeige sich doch, daß auch andere Mittel in Wirksamkeit zu treten haben:„Es muß eine größere revolutionäre Bewegung Platz greifen.(Beisall.) Possmann(Bielefeld) stellt sich im Wesentlichen auf den Standpunkt Liebknechts. Ein Schlußantrag wird nun, nachdem zwei verherrschende abgelehnt worden, angenommen. m Schlußwort führt Ledebour aus: Er habe als Referent das Recht und die Pflicht gekabt, auf den Antrag Vernstein einzugehen, nachdem dieser Gemeingut des Kongresses geworden. Der„Vorwärts", das Zentralorgan, unterstütze da systematisch den Revissoissnus Bernsteins. So habe er kürzlich die Aeußerung des„Schwäb. Merkur“, ausgerechnet eines nationalliberafen Blattes, wiedergegeben, wonach Bernstein bei seiner Agitationsreise in Baden den Parteivorstandsstandpunkt in korrektester Weise vertreten habe. Das sei geschmacklos.(Zuruf Witteich Forst: Es hier vorzubringen, ist eben so geschmackos). Der Antrag Bernsteiss bedente in seinem ersten Teil lediglich eine Verkümmerung, eine Abschwächung seiner Resolution, beziehentlich er enthalte Selbstverständliches Der zweite Teil habe nur dann einen Sinn, wenn er eine direkte Aufforderung zur Straßendemonstration bedeuten sollte Bei dem Kampf um den Zoll sei er(Ledebour) für eine scharfe Protestbewegung eingetreten, innerhalb der Fraktion seien aber gerade Bernstein und seine Freunde nicht dafür zu haben gewesen(Hört! hört!) Jetzt komme man mit radikalen Redensarten. Redner ersucht um Annahme seiner, um Ablehnung der Resolution Bernstein. Singer hält sich als Vorsitzender der Reichstagsfraktion für verpflichtet, eine Erklärung abzugeben: die Art, die Ledebour über die Versammlungen innerhalb der Fraktion berichtet habe, lasse die Möglichkeit einer falschen Deutung zu, nämlich die, als ob ein Teil der Fraktionsgenossen bei der Bekämpfung des Zollwuchers ihre Pflicht nicht getan habe. Bei der von Ledebour angezogenen Verhandlungen habe es sich lediglich um die Frage gehandelt, welcher Moment der geeigneiste für die Protestversammlungen sei. Ledebour bestätigt dies, erklärt aber, daß keiner der Revisionisten für seinen damaligen Antrag gestimmt habe. Bei der nunmehr erfolgenden Abstimmung wird der erste Teil des Antrages Bernstein angenommen, der zweite Absatz wird gegen etwa 30 Stimmen abgelehnt; hierauf wird die so ergänzte Resolution mit großer Mehrheit angenommen. Zur Annahme gelangt auch der Antrag Baader. Es kommen nun die sonstigen Anträge zur Verhandlung. Angenommen wird ein Antrag von Weiß (Köln), der sich gegen den Erlaß des Ministers Budde wendet und für freies, ungeschmälertes Koalitionsrecht der Angestellten in den Staatsbetrieben eintritt. Einstimmig angenommen wird ferner eine Resolution Zubeil, die einen schaufen Tadel gegen die preußische Regierung ausspricht, die durch den Erlaß der Ausführungsbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz die Majorität der Bevölkerung zu Gunsten der Agrarier geschädigt habe. Paenisch(Dortmund) begründet folgende Resolution: „Der Parteitag lenkt die Aufmerksamkeit des deutschen Proletariats mit allem Nachdruck auf die Vorgänge in den Bergarbeiterbezirken des Ruhrreviers. Er protestiert aufs schärfste gegen die brutalen und arbeiterfeindlichen Maßregeln, unter denen die Bergarbeiterschaft zu leiden hat Der Parteitag ersucht die Regierung, für schleunigste Abhilfe der Beschwerden der Bergleute zu sorgen. Kommt es zum Streik, so fällt die Schuld ausschließlich auf die Behörden und das Unternehmertum zurück. Der Parteitag erklärt den Vergarbeitern seine vollste Sympatie und fordert die Gesamtarbeiterschaft auf, die Bergleute in einem eventuellen Kampfe mit allen Kräften moralisch und materiell zu unterstützen“. Haenisch betont, daß sich im Ruhrrevier folgenschwere Ereignisse vorbereiten. Es sei mit der Möglichkeit zu rechnen, daß in der nächsten Zeit Hunderttausende von Vergarbeitern in den Streik der Ruhrbergwerke eintreten. Das sei dann nicht blos Sache der Ruhrbergleute, sondern der gesamten Partei.(Lebhaftes Bravo.)— Die Resolution findet einstimmige Annahme.— Einige Anträge, welche verlangen, daß der Parteivorstand die auf den Parteitag gehaltenen Reserate, sowie die dabei berührten Gesetze in Brohireulorn heranenen unge wird dem Parteivor and überwiesen. Folgende, von Rieger(Köln) begründete Resolution:„Der preußische Parteitag möge es der Presse und den Organisationen der Partei zur Pflicht machen, unausgesetzt darauf hinzuwirken, daß die nichtpreußischen Arbeiter sich in den preunischen Staatsverband aufnehmen lassen“ findet einstimmige Annahme. Die Einberufung eines zweiten Preußischen Parteitags wird durch verschiedene Anträge gefordert. Bei der Diskussion hierüber, an der sich Zubeil, Habicht, Adler und Pfannkuch beteiligen, wird auch die Schaffung einer preußischen Landeszentrale behandelt Adler warnt davor, die Sache zu überstürzen. Die Organisation müsse von unten beginnen mit der Schaffung von Provinzialorganisationen; diese müßten die Grundlage bilden für die zukünftigen Landesorganisationen. Hierauf gelangt folgender Antrag zur Arnahme: „Der nächste preußische Parteitag findet spätestens im Jahre 1906 statt. Mit der Einberufung des Parteitags und Erledigung der Vorarbeiten wird die Vertretung der Parteiorganisation von Groß=Berlin beauftragt. Die VorbereitungsKommission erhält zugleich den Auftrag, dem nächsten Parteilag Vorschläge zu unterbreiten über die Art und Weise, in welcher eine einheitliche, ganz Preußen umfassende Parteiorganisation und Agitation einzurichten ist." Damit sind die Arbeiten des Parteitages erledigt. Genosse Singer ergreift das Wort, um einen Rückblick auf die geleisteten Arbeiten zu werfen, und ermahnt die Genossen, in der Presse, in den Versammlungen im Sinne der gefaßten Beschlüsse unausgesetzt tätig zu sein: „Vorwärts gegen Niedertracht und Unterdrückung in jeder Form! „Vorwärts für Recht und Freiheit!“ Die Delegierten stimmen begeistert ein in den Ruf:„Hoch die Sozialdemokrane““ und singen zum Schluß stehend einen Vers der Marseillaise Politische Uebersicht. Leutwein über Südwestafrika hb. Hamburg, 31. Tez. Der gestern morgen hier eingetroffene Er=Gouverneur von Deutsch=Südwestafrika, Oberst Leutwein, erklarte in cinem Iuterview, man habe ihw Milde vorgeworfen und er kenne dies auch garnicht so folsch finden. Die Politik sei ein Rechnen mit Möglichkeiten und er habe die Politik des Möglichen getrieben. Wenn er 10000 Mann zur Verfügung gehabt hätte, so hatte er an anders auftreten können als mit einer Suppe von 400 Mann. Er sei fest überzeugt gewesen, daß es ans milde Weise gelingen würde, mit den Eingeborenen in Frieden zu leben. Oberst Leutwein gibt an, daß es in ganz Afrika dermaßen gährt, daß ein zeutraler Aufnand befürchtet wird und alle Deutschen zusammenhalten müssen. Auf die Frage, wie der Aufstand denn eigentlich entstanden sei, erklärte Leutwein:„Die Eingeborenen lieben uns eben nicht. Ich habe nie geglaubt, daß Hendrik Witboi von uns abfallen könnte. Noch vor einem Jahre traf ich ihn uno er stellte mir 100 Mann zur Verfügung als Pulfe gegen die Herero.—enn er damals hatte abfallen wollen, so haue er uns einfach zerdrücken können. Deshalb glaube ich nicht, daß der Aufstand von ihm lange vorher geplant war. Ueber die Affäre des Leutnants Jevst kann ich nur sagen, daß der Leutnant in Warmbad einen Fehler gemacht hat.— Ueber die Aeußerungen des Majors von Francois will ich mich absolut nicht auslassen, denn ich will keine Polemik herbeiführen." Wie wenig Leutwein die Situation richtig zu erfassen vermag, geht daraus hervor, daß er meint, der alte Witboi müsse verrückt geworden sein, anders könne er uch dessen Abfall nicht erklären. Wir meinen umgekehrt, Hendrik Witboi müßte verrückt gewesen sein, wenn er nicht den günstigsten Augenblick benutzt hätte, ich wieder von dem preußischen Tyrannentum zu befreien um wenigstens den Rest seiner Selbständigkeit mit den Waffen in der Hand zu retten. Die weißen Eindringlinge waren drauf und dran, die Hottentotten zum Lohn für ihre Neutralität im Hererokrieg zu entwaffnen. Man braucht doch nicht Leutwein heißen und jahrelang mit den Schwarzen verkehrt zu haben, um ohne Mühe einzusehen, daß die Hottentotten der gänzlichen Versklavung den Kampf vorzogen. Die Entrechtung blieb ihnen ja immer noch. Im Kriege um die Freiheit und die Heimat winkte aber möglicherweise der Sieg. So griffen sie zu den Wassen. Das ist so klar und einfach, daß man persönlich interessiert sein muß, um sich dieser Einsicht zu verschließen. Es beweist erner, wie weit man mit der„Milde" kommt, von der schonungslosen Härte, die jetzt empsohlen wird, gar nicht zu reden. Eindringlinge bleiben Eindringlinge; Usurpatoren Usurpatoren. Es kann keine Milde so mild sein, daß dieser Eindruck verwischt, daß die Rachegedanken der Schwarzen sich in Freundschaftsgefühle verwandeln. Vollends kann man bei dem Unterdrückungskampf der Deutschen nicht von einem reinigenden Gewitter reden, wie es Leutwein tut. Da die Schwarzen von den Weißen aus Selbsterhaltungsgründen nicht ausgerottet werden dürfen, wird jeder beendete Krieg den Krieg gebären. Es gibt da keine endgültige Ruhe, keinen dauernden Frieden; es kann keinen geben. Darum sind die ungeheuren Opfer an Gut und Blut für nichts gebracht; nur die Aktionäre der Dampferlinie heimsen ein. Ueber das, was weiter werden soll, meint Leutwein: Wenn wir jeden Aufständigen totschießen wollen, dauert es sehr lange, wenn wir aber dem genug Bestraften die Hand reichen und unsre schärfften Maßregeln auf einige der Mörder reicher Farmer und ihrer Helfer beschränken, können wir vielleicht in kurzer Zeit ein kräftigeres Aufblühen der Kolonten feststellen, als vor dem Aufstand. Eine Zukunft ist der Kolonie gar nicht abzusprechen, wenn auch die bisher aufgebrachten Geldopfer noch unverhältnismäßig erscheinen. Der große Krieg ist heute zu Ende; wie lange der kleine Strauchkrieg sich fortsetzt, ist gar nicht abzusehen und kommt sehr auf unser Verhalten an. Der Hottentottenkrig fängt ja erst an, und gerade dieser Gegner ist schwer zu fassen. Man stellt ihn täglich und hat täglich einen neuen Gegner. Endlich spricht Leutwein sich für die Schaffung einer Kolonialarmee aus; sie sei unentbehrlich, da der Hottentotte ein geborener Soldat sei. Dies Gutachten werden die Kolonialfexen weidlich ausschlachten, aber es schützt doch Leutwein nicht vor den ärgsten Vorwürfen derselben. So ist die „Rhein. Westf. Zeitung" erbost darüber, daß man in Hamburg Leutwein feierlich empfangen habe. Dieser kehre nicht al Sieger, sondern als Angeklagter zurück. Er stehe zur Zeit noch unter der furchtbaren Beschuldigung, „durch seine Leichtgläubigkeit und falsche Eingeborenenpolitik einen Aufstand mitverschuldet zu haben, der uns hunderte Menschenleben und viele Millionen an Gütern gekostet hat." Getreu seinem Scharfmacherberuf verlangt das Blatt dann auch, daß die Regierung sofort eine strenge Untersuchung gegen Leutwein einleite und ihn seiner Schuld gemäß bestrafe. Eine echt russische Praxis. Die russischen Inden und das jüdische Kapital. Der Kapitalismus kennt keine andre Rücksicht als die auf den Profit. Bekanntlich leben in Rußland die Juden unter der schlimmsten Unterdrückung dahin; die Metzeleien von Kischineff und anderenfOrten find noch in frischer Erinnerung, erst unter dem Einfluß der Niederlagen in Ostasien hat das Zarentum den Iuden einige Erleichterungen zugestanden, die aber noch lange nicht den Anforderungen an gleiche Behandlung entsprechen, die der Jude wie jeder andre Mensch vom Staate zu verlangen hat. Nun besitzt gerade die Judenschaft des Auslandes ein Mittel, sich ihrer unglücklichen Stammesgenossen in Rußland anzunehmen. Das Zarentum kann ohne Geld weder Krieg führen noch regieren. Um sich Geld zu beschaffen, muß es borgen, d. h. Anleihen aufnehmen. Diese kann es nur im Auslande unterbringen, was ohne die Hilfe der Börse nicht möglich wäre. An den großen Börsen herrscht vornehmlich das jüdische Kapital. Was läge näher, als daß sich die Börse weigerte, russische Anleihen anzunehmen? Das Gegenteil ist aber der Fall. Soeben wird aus Berlin gemeldet: Die neue russische Anleihe im Betrage von 500 Millionen Mark gleich 231 50000 Rubeln ist unter Führung des Bankhauses Mendelssohn u. Ko. nunmehr zu einem definitiven Abschluß gelangt. Hier unterstützt also ein Bankhaus jüdischer Abkunft und mit ihm wahrscheinlich auch andere gleicher Art dasselbe Zarentum, das die Juden auf die entwärdigendste Weise drangsaliert. Genau so verfährt aber im gegebenen Falle das sogenannte christliche Kapital. Deutsche Bankhäuser waren es, die 1870 lieber französische Anleihe übernahmen, als deutsche; erst nach den Siegen wurden sie„patriotisch". Dieselbe Erscheinung bietet der Kapitalismus aller anderen Länder, und nicht nur auf dem Gebiete der Anleihen, sondern auch der Waffenlieferungen 2c. 2c. Die Moral des Kapitalismus erschöpft sich in dem einen vort Profit. Darum kann eine Gesellschaftsordnung wie die bürgerliche, deren einzige Grundlage die Profitsucht, die elbstsucht in ihrer nacktesten Form ist, keinen Bestand haben. ie muß dem Untergange verfallen. Der indische National=Kongreß begann am 26. Dezember in Bombay. Gegen 10000 Delegierte sind aus allen Teilen des Riesenreiches herbeigeströmt, um ber das Wohl und Wehe ihres Vaterlandes zu beraten. Heury Cotton, zum Präsidenten des Kongresses gewählt, spricht in einer zündenden Rede von den Rechten und Freiheiten, die dem indischen Volke durch die Proklamation des Jahres 1858 verheißen, aber noch bis heutigen Tages nicht eingeräumt worden sind. Die englische Politik wird einer vernichtenden Kritik unterzogen, es wird der Plan einer indischen Selbstregierung entworfen und die Schaffung der„Vereinigten Staaten von Indien" gefordert, in deren Verwaltungskörper das englische Element nach und nach durch Eingeborene ersetzt werden sollen. Hentschland. Berlin. 2. Januar. Nach Lage der Verhältnisse. Wir berichteten kürzlich, daß die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft an den Reichskanzler eine Vitte richteten, in Erwagung zu ziehen, ob es nicht möglich sei, den Interessenten eine Sicherheit zu geben, daß sie bei ihren geschäftlichen Transaktionen nach wie vor mit dem 1. Januar 1906 als dem frühesten Termine für das Inkrafttreten der neuen Handelsverträge rechnen könnten. Hierauf ist vom Reichskanzler unter dem 20. Dezember den Aeltesten der Kaufmannschaft folgende Antwort erteilt worden: Nach Lage der Verhältnisse können vo läufig keine genaueren Mitteilungen büer den Zeitpunkt gemacht werden, zu welchem die neuen Handelsverträge in Kraft treten sollen. Ich darf indes bemerken, daß zwischen der Bekanntgabe der Vertrage und ihrer Inkraftsetzung jedenfalls eine hinreichende Frist gelassen werden wird, um den Interessenten zu ermöglichen, sich in ihren geschäftlichen Unternehmungen auf die neuen Verhältnisse einzurichten.— Graf Bülow weiß offenbar selbst noch nichts. Die„Deutsche Tageszeitung“ sagte noch am Freitag, Graf Bülow müsse unter allen Umständen bis zum 31. Dezember alle Handelsverträge kündigen. Wie mit Sicherheit verlautet, ist aber der Handelsvertrag mit Oesterreich=Ungarn nicht gekündigt worden. Darob wird sich nun im agrarischen Lager ein großmächtiges Lamento erheben. Die neue Flottenvorlage. Die„Ostpreußische Zeitung" erfährt aus wohlunterrichteten Warinekreisen, daß die Fottenergänzungsnovelle bereits für diesen Winter in Aussicht genommen und zurückgestellt worden sei, aber bestimmt in der nächsten Reichstagssession zur Vorlage gelangen werde; es könne als höchst wahrscheinlich betrachtet werden, daß nicht direkt ein neues Doppelgeschwader gefordert werde, sondern daß man eine andere Form finden würde, um Neubauten durchzusetzen. Die Flottenscharfmacher kompromittieren hier das Reichsmarineamt in schwerster Weise, indem sie ihm den Versuch unterstellen, den Reichstag täuschen, ihn durch List veranlassen zu wollen, Geld für Neubauten zu bewilligen. Das Berliner BündlerOrgan bemert: Wenn die„Reichsregierung uud die Marineverwaltung ihre Posiition nicht von vornherein empfindlich gefährden wollen, so müssen sie mit der notwendigen Offenheit vorgehen und dürfen nicht etwa den Versuch machen, der in der Mitteilung der„Ostpr. Ztg.“ angedeutet zu sein scheint. Aehnliche Versuche sind ja früher gemacht worden, haben sich aber a's sehr bedenklich erwiesen Hier werden also die maßgebenden Faktoren direkt beschuldigt, den Versuch, dem Reichstag ein& für ein U vorzumachen, schon öfters unternommen zu haben Diese Anschuldigung, erhoben von agtarisch=konservativer Seite, wollen wir uns merken. Taß übrigens die Flottenvorlage für die jetzige Reichstagssession überhaupt nicht in Aussicht genommen ist, zumal der Reichstag die Heeresvor'age zu erledigen hat, steht längst fest. Auch darüber ist schon lange kein Zweifel mehr, daß dem Reichstage in nächster Session ein Gesetz über die Verstärkung der Marine zugehen wird * Gerlach muß geyen. Der Verlag der„Berliner Ztg." kündigt an, daß mit dem Jahresschluß Herr v. Gerlach die Chefredaktion der„Berliner Zeitung" niederlege. Gerade ein Jahr lang ist v. Gerlach Chefredakteur des Blattes gewesen. Dafür bezog cr 10000 M. und die sollen angeblich, da das Blatt mit Defizit arbeitet, gespart werden. * Ein hochinteressanter Majestätsbeleidigungsprozeß steht nächstens bevor. Wie die„Münchener Post" meldet, hat die sächsische Staatsanwalt gegen den Simplicissimus" das Strafverfahren wegen Beleidigung des Königs von Sachsen, begangen durch das Titelbild der„FamilienNummer“ vom 6. Dezember, beantragt. Das Bild stellte die frühere Kronprinzessin dar, wie sie auf der Schwelle des Schlosses um Einlaß bittet. Wie man daraus eine Majestätsbeleidigung herleiten kann, ist uns rätselhaft. Inzwischen hat sich der dort nur erdichtete Vorgang, wenn auch etwas in etwas veränderter Form., in Wirklichkeit zugetragen: die ExKronprinzessin hat Einlaß in das Schloß gesucht, in dem sich ihre Kinder befinden. Auf den Ausgang des Prozesses darf man gespannt sein. Italien. Aus dem Batikan dringen Gerüchte über einen bevorstehenden Skandal an die Oeffentlichkeit. Es soll sich um eine sehr hochstehende Persönlichkeit des päpstlichen Hofes handeln, die einen Teil der Einkünfte des heiligen Vaters in die eigene Tasche zu praklizieren verstanden haben soll. Schacher mit Adelsbriefen, mit Orden usw. scheint in der sauberen Affäre gleichfalls eine große Rolle zu spielen, und— was das Schönste ist— man munkelt sogar, daß einige päpstliche Nuntien, die an fremden Höfen akkreditiert sind, es nicht verschmäht hätten, dem Ordenund Ehren=Schacher ihre Beihilfe zu leihen.—— Portngal. Die Cortes find aufgelöst worden da das fortschrittliche neue Kabinet Luciano y Castro's mit der alten Kammer nicht regieren zu können erklärte! Die Neuwahlen werden im Februar stattfinden; die neue Kammer soll am 3. Mai 1905 zusammentreten. Portugal scheint viel Zeit zu haben. Eine bemerkenswerte Kundgebung für die Abschaffung der Todesstrafe in denjenigen Schweizer Kantonen, in welchen sie noch besteht, findet man nun auch in einem katholischen Blatt, den soeben gegründeten„Neuen Zürcher Nachrichten". Da schreibt Georg Baumberger: „Nicht daß wir ihren heutigen Anhängern ob ihres Standpunktes einen leisesten Vorhalt machen möchten. Aber dazu könnten wir nie mehr die Hand bieten, diese Angelegenheit zu einem Parteipostulate zu machen, es nicht fassen, wenn in der Gegenwart noch eine Partei sich mit ihr identifizieren wollte Vielmehr sollte jede Partei sich hüten, als solche gegen eine Wiederabschaffung der Todesstrafe Stellung zu nehmen. Sie mag keinen Zwang für jene letztere ausüben, aber ihr eher die Wege ebnen als verschließen. Uebrigens erfahren wir von Jahr zu Jahr mehr, daß in den meisten Kantonen, in denen die Todesstrase wieder eingeführt wurde, sie eine lediglich papierene Existenz fristete und fristen wird erfahren aber auch daß in den paar Kantonen, in denen dieselbe praktiziert wurde, sie sich vom Standvunkte der Abschreckungstheorie als durchaus wertlos erwies." Frankreich. * Paris, 1. Januar. In der bonapartistischen Partei herrscht große Tätigkeit. Die Bonapartisten erklären, daß sie durch die Angeberei=Angelegenheit in der Armee viele Anhänger gewonnen haben. Auch die Nationalisten benutzen die Lage. Trotzdem sind in der letzten Zeit zahlreiche Mitglieder aus der nationalistischen Partei infolge der SyvetonAngelegenheit ausgetreten. Balkanstaaten. * Belgrad, 1. Januar. Ein anonymes Komitee beruft für heute eine Versammlung behufs Berurteilung der oppositionellen Presse ein.„Narodni List" behauptet, der anonyme Einberufer sei die Polizei selbst. Diese Meinung wird auch im Publikum vielfach geteilt mit der Begründung, die Polizei wolle sich so die Grundlage für eine weitere Verfolgung der oppositionellen Presse schaffen. Man befürchtet ernste Ausschreitungen und blutige Zusammenstöße, da einige oppositionelle Redaktionen entschlossen sind, jeden Angriff mit Waffen abzuwehren. Rußland. Von der Reformkomödie. Wie aus Petersburg gemeldet wird, soll die Absicht bestehen, den Senat zu einer vom Justizministerium unabhängigen Einrichtung zu machen. Auch soll die Zuständigkeit der Geschworenengerichte erweitert und diese Gerichte sollen womöglich in ganz Rußland eingeführt werden. Weiter sei die Revision des Gesetzes über die Landeshauptleute und Stadtrichter und die Aufhebung der bäuerlichen Gemeindegerichte geplant. Soll, soll und immer wieder soll, das ist alles was die „Reformbewegung“ von oben bisher gebracht hat. Auf irgend eine Tat im Sinne des kaiserlichen Erlasses wartet man bis heute noch vergeblich. Die Reformbewegung von unten. Der Stadtrat von Nischni Nowgorod, bekanntlich die bedeutendste Handelsstadt Rußlands, hat beschlossen, um die Zusammenberufung eines Kongresses der Stadthäupter und Stadtvertreter ganz Rußlands nachzusuchen, dem unter anderm die Fragen über die Notwendigkeit einer Veränderung der Bedingungen des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens und die Teilnahme gewählter Vertreter an einer Konferenz zur Beratung der durch den Erlaß des Kaisers vom 20. Dezember versprochenen Reformen zu unterbreiten wären. Diese Resolution soll dem Minister des Innern und dem Staatssekretär Witte unterbreitet werden. Die neue Regierungsform in Finland. Aus Helsingfors wird gemeldet: Die Beratung des Ausschußberichtes betreffend die Petition um Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung ist numehr beendet worden. Der Bürgerstand hat sich mit 42 gegen 16 Stimmen für deu Bericht ausgesprochen, der Bauernbund mut 42 gegen 17 Stimmen Rückverweisung an den Ausschuß beschlossen und der Geistlichenstand den Beschluß gefaßt, sich reserviert zu verhalten. Die beiden letzten Stände haben sich dafür ausgesprochen, daß die Frage einer neuen Regierungsreform Finlands von der Petition getrennt und besonders behandelt werden müsse. Moskau, 31. Dez. Das Stadthaupt hat auf die Tagesordnung der Sitzung des Stadtrats die Beratung seiner Erklärung gesetzt, daß es notwendig sei, um die Beibehaltung der Wählbarkeit der Friedensrichter nachzusuchen. Auch die Finländer melden sich. Helsingfors, 1. Jan. Die vier Stände des Landtages haben einen von dem Ausschuß gestellten Kompromißantrag auf Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung angenommen, der besagt, daß die Stände unter Betonung der Notwendigkeit, daß die Ausschreibung für die Wehrpflichtigen sofort eingestellt und die Verordnung vom 2. April 1903 mit den später noch erlassenen Bestimmungen aufgehoben werden, dem Kaiser das Gesuch zu unterbreiten, Maßregeln zu treffen, die notwendig sind zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes. England. Arbeitslosigkeit und Hunger. ac Traurige Nachrichten aus Irland verstärken den Eindruck der Mitteilungen über Arbeitslosigkeit und Hunger in England, die wir in den letzten Wochen zu hören bekamen. Infolge der übermäßigen Regenfälle des vergangenen Sommers ist die Kartoffeleinte ganz Weitirlands gleich Null. Herrscht aus diesem Grunde in den betreffenden Teilen schon jetzt Hungersnot, so ist natürlich für den Ausgang des Winters Februar—März noch viel entsetzlicheres Elend zu befürchten. Es wurden bereits mehrere Versammlungen abgehalten, in deuen besonders der Parlamentarier Joyn Redmond sich über die Ursachen der entsetzlichen Zustände äußerte. Seit 1845 tritt die Hungersnot in Irland periodisch auf. Die Schuld liegt daran, daß ganze Teile Westirlands, die sich trefflich kuktivieren ließen, brach liegen bleiben.— Redmond hat angesichts dieser Zustände einen genauen Plan der Mittel und Wege ausgearbeitet, den er für geeignet hält, diesen unwürdigen Zuständen ein Ende zu bereiten. Der russisch-japanische Krieg. Die Belagerungsarmee der Japaner vor Port Arthur hat wiederum große Erfolge zu melden. Nach einem amtlichen Bericht aus Tokio haben die Japaner am 31. Dezbr. die Brustwehr des Forts Lungdshuschan in die Luft gesprengt und dann das ganze Fort im Sturm genommen. Ein Teil der Russen floh nach den füdlich vom Fort gelegenen Höhen, der Rest wurde unter den durch die Explosion aufgeworfenen Erdmassen verschüttet. Die Japaner räumten die Erdmassen sofort weg und retteten dabei 162 Russen, darunter 2 Offizieren, das Leben. Selbstverständlich wurden die ausgegrabenen Russen zu Gefangenen gemacht. Außer diesen Geretteten sollen noch 150 Mann unter den Trümmern begraben worden sein. Die Beute der Javaner, die aus Feldgeschützen, Maschinengewehren und Munition besteht, ist noch nicht genau fesigestellt. Am gleichen Tage zerstörte die japanische Abteilung, die gegen das Ostfort von Palungschan tätig ist, durch Erplosion einen Teil der alten Umwaldung. Am Tage darauf, also gestern, erfolgte dann der Sturm, wobei außer dem Fort von Palungschan auch das Fort H., sowie die Höhen im Süden von Honsanyantao von den Japanern genommen wurden. Mit den Fortschritten der Belagerungsarmee geht Hand in Hand eine Verscharfung der Blockade durch die Flotte, indem diese die Blockadelinie immer enger um die Festung zieht. Admiral Togo hat eine diesbezügliche Proklamation bereits erlassen. Durch diese Maßregel wird das Einschmuggeln von Lebensmitteln und Kriegsbedarfsartikeln in die Festung immer schwieriger und deshalb die Bedrängnis der Belagerten erheblich gesteigert. Vom Kriegsschauplatz in der Mandschurei liegen nur ganz unbedeutende Nachrichten vor. Die Russen fahren fort, ihre„Sreger genau zu registrieren. So hat es der russische Generalstab in Petersburg für notwendig gefunden, bekannt zu geben, daß am 30. Dezember russische Freiwillige eine japanische Feldwache überfallen haben, wobei mehrere Japaner getötet wurden und einer in Gefangenschaft geraten sei. Die Russen haben in diesem Feldzuge gelernt, mit kleinen„Siegen" sich zufrieden zu geben und sich dessen zu freuen. Elberfeld— Barmen. Elberfeld. 2. Januar 1905. Ich— Oberbürgermeister Fuuck! Die letzte Stadtverordneten=Sitzung erlangte dadurch eine besondere Bedeutung, als das selbstherrliche Vorgehen des Oberbürgermeisters bei der Erledigung von Gemeindeangelegenheiten einer Erörterung unterzogen wurde. Den Anstoß dazu hat die Art und Weise gegeben, in der Oberbürgermeister Funck den Antrag des sozialdemokratischen Volksvereins auf Errichtung eines Kommunal-Friedhofes erledigte. Der Antrag war bekanntlich an die Stadtverordneten=Versammlung, der dazu allein zuständigen Stelle gerichtet gewesen. Der Oberbürgermeister hat ihn aber gar nicht der Stadtverordneten=Versammlung vorgelegt, sondern durch die„zuständigen Komissionen", wie er in seinem Schreiben an den Vorsitzenden des sozialdemokr. Vollsvereins bemerkte, beraten und ablehnen lassen; welche Kommissionen das waren war in dem Schreiben nicht angegeben. Genug, Herr Funck hat es daraufhin abgelehnt, den Antrag der Stadtverordneten=Versammlung zu unterbreiten. Wir hatten dann sofort an dieser Stelle das unzulässige Verfahren des Oberbürgermeisters gekennzeichnet und bedauert, daß die Stadtverordneten=Versammlung sich solche Eigenmächtigkeiten seitens des Herrn Funck gefallen lasse. Nun hat sich unter den 36 Stadtverordneten doch einer gefunden, der den Mut hatte, diese Angelegenheit einmal an dem richtigen Ort, in der Stadtverordneten=Versammlung, zur Sprache zu bringen. Herr Stadtverordneter Ziegler hatte in der letzten Stadtverordneten=Sitzung folgende Interpellation eingereicht: „Ob nicht in dem Umstand, daß wiederholt Verhandlungsgegenstände ohne Besprechung der zuständigen Kommission an das Stodtverordneten=Kollegium gelangt sind(Theaterfrage, Viehhof usw), und dem Stadtverordnetenkollegium Beschlüsse nicht rechtzeitig vorgelegt worden sind(Verpachtung des Ratskellers, Kommunalfriedhof usw) eine Beeinträchtigung der Kompetenz der Kommission bezw. des Stadtverordnetenkollegiums zu erblicken ist." Zur Begründung seiner Interpellation verwies Herr Zieglei auf verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit. Demnach hat der Oberbürgermeister nicht allein in Sachen des soziald. Volksvereins eigenmächtig gehandelt. Herr Ziegler war der Meinung, daß die Kommissionen dem Stadtverordneten=Kollegium gegenüber verantwortlich seien, und wenn dieselben eine Entscheidung treffen, diese der StadtverordnetenVersammlung unterbreitet werden müßte, Erfühle sich durch das Gebahren der Verwaltung in der Ausübung seiner Obliegenheiten als Stadtverordneter beschränkt und erwarte eine Aenderung der Gepflogenheiten des Oberbürgermeisters. In seiner Beantwortung der Interpellation schickte der Oberbürgermeister voraus, er sei in der angenehmen Lage, alle Punkte, die Herr Ziegler bemängelt hat, zur Zufriedenheit der Versammlung aufzuklären. Er besprach die Theaterangelegenheit, und die Verpachtung des Ratskellers. Nähere Aufklärung über die Viehhofangelegenheit versprach er in nichtöffentlicher Sitzung zu geben. Bezüglich des Antrags des sozialdemokratischen Volksvereins erklärte der Oberbürgermeister, daß er sich nicht für verpflichtet halte, Anträge, die von beliebiger Seite von außen her an ihn gelangen, auf die Tagesordnung zu setzen. (Der Antrag war nicht an den Oberbürgermeister, sondern an die Stadtverordnetenversammlung gerichtet. D. R.) Die Festsetzung der Tagesordnung der Stadtverordnetensitzung sei seine Sache. Wünschten die Stadtverordneten den einen oder andern Antrag auf die Tagesordnung, dann müßten sie das erklären. Wenn Herr Ziegler den Antrag des sozialdem. — Volksvereins zu dem seinigen mache, dann werde er ihn auf die Tagesordnung setzen. Er müsse aber für sich das Recht in Anspruch nehmen, Anträge, die er für unbegründet halte, zurückzuweisen. In der Diskussion unternahm es Herr Friderichs, dem Oberbürgermeister beizuspringen und Herrn Ziegler eine ungehörige Belehrung zu Teil werden zu lassen. Dieser nationalliberale„Führer“ war mit dem Vorgehen des Oberbürgermeisters Funck durchaus einverstanden. Herr Ziegler möge mit seinen Anregungen vorsichtiger sein und nicht mit so vielen Interpellationen kommen, die der Sache nichts nützen. Herr Ungemach wagte ganz bescheiden, Bedenken zu äußern, ob dem Oberbürgermeister tatsächlich das Recht zustehe, solche Schreiben dem Stadtverordnetenkollegium vorzuenthalten. Zutreffend hob er hervor, daß, wenn solche Anträge wie der des sozialdem. Volksvereins nicht zur Kenntnis der Stadtverordneten gelangen, sie auch dazu keine Wünsche zur Tagesordnung äußern könnten. Das schien auch Herrn Funck einzuleuchten, denn er erklärte nunmehr, wenn es gewünscht werde, die ihm zugehenden Schreiben an die Stadtverordnetenversammlung dieser zur Kenntnis zu bringen, in derselben Form, wie es mit den Beschlüssen der Baukommission geschieht. Selbst Herr Fröhling wandte sich gegen den Oberbürgermeister und erklärte das Vorgehen des Herrn für durchaus berechtigt. Am energischsten aber wahrte Freiherr von der Hendtdie Rechte der Stadtverordnetenversammlung. Er wandte sich zunächst gegen die Ausführungen des Herrn Friderichs, die Interpellationen des Herrn Ziegler würden dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen. Es sind, so führte Freiherr v. d. Heydt weiter aus, mannigfache, wichtige Anträge an die Stadtverordneten gekommen, die der Oberbürgermeister nach Anhörung von Kommissionen abgelehnt hat. Die Kompetensen der Kommissionen zu bestimmen, ist auschließlich das Recht des Stadtverordnetenkollegiums. Daß Anträge an das Stadtverordnetenkollegium leoiglich von der Ver waltung abgelehnt werden, halte ich prinzipiell für vollkommen verkehrt. Eine Bemerkung noch: Der Oberbürgermeister hat gesagt, er würde immer Wünschen der Stadtverordneten, Sachen auf die Tagesordnung zu setzen, entsprechen. Das ist einfach unser Recht. Unsere Anträge haben dasselbe Recht wie die der Verwaltung. In ziemlich erregter Weise vertrat der Oberbürgermeister nochmals seinen Standpunkt. Herr Zieglei rechtfertigte sein Vorgehen, das nur bezweckt habe, die Rechte der Stadtverordneten zu wahren. Wenn der Oberbürgermeister die Mitglieder der Schlacht= und Viehhofkommission bei Beratung des neuen Bauprojekts nicht hinzugezoge habe, um die Angelegenheit möglichst diskret zu behandeln, so sei ihm dies doch nicht gelungen, denn gleich zu Anfang der Beratung seien die Pläue des neuen Schlacht- und Viehhofes abhanden gekommen und hätten anderswo zirkuliert. Auf die ungeheuerliche Behauptung von dem Verschwinden der Pläne blieb der Oberbürgermeister die Antwort schuldig. Das Nähere dazu wird noch zu sagen sein. Ein positives Ergebnis hat die Interpellation des Herrn Ziegler nicht gehabt, denn die Erklärungen des Oberbürgermeisters waren so verklauseliert, daß man nicht darauf rechnen kann, daß er in Zukunft eine andere Praris bei Erledigung der ihm unbequemen Anträge von„beliebiger Seitevon außen her" einschlagen wird. Aber immerhin ist einmal vor aller Oeffentlichkeit die Verwaltungspraxis des Herrn Funk beleuchtet worden, aber noch mehr das Verhalten der Stadtverordneten=Versammlung. Sie allein trifft die Schuld, wenn Herr Funk in so selbstherrlicher Weise über die Köpfe der Stadtverordneten hinweg tut, was ihm beliebt. Die Ausführungen des Freiherrn von der Heydt haben ganz richtig die Stellung gekennzeichnet, die die Stadtverordneten=Versammlung der Verwaltung resp. dem Oberbürgermeister gegenber zukommt. Aber so lange diesen Worten nicht die energische Tat folgt, wird es beim Alten bleiben und Herr Funk sich nicht als ausführendes Organ der Stadtverordordneten=Versammlung, sondern als deren Diktator betrachten. Der sozialdemokratische Volksverein wird in der morgen abend im Volkshaus stattfindenden Versammlung den Bericht des Delegierten vom preußischen Parteitag entgegen nehmen. In anbetracht der Wichligkeit der am Samstag beendeten Verhandlungen des Parteitages wäre es sehr erwünscht, wenn die Parteigenossen sich recht zahlreich in dieser Versammlung, der ersten im neuen Jahre, einfinden würden. * Voller Winter ist mit dem neuen Jahr eingezogen. Dicke Eisblumen glitzern auf den Fenstern. Auf den Dächern lagert der Schnee und die Menschen reiben sich zitternd die Hände:„Ist das kalt geworden"". Die Schlittschuhe werden aus ihren Verstecken hervorgeholt und schon wartet die Jugend ungeduldig darauf, daß das Eis trägt. Da ist es angesichts der sich von Jahr zu Jahr wiederholenden Unglücksfälle Pflicht der Erwachsenen, vor leichtsinnigem Betreten des Eises, das noch nicht als tragfähig festgestellt wurde, eindringlich zu warnen.— Die winterlichen Reize der Natm offenbaren sich in ihrer ganzen Herrlichkeit— schade, daß Hand in Hand mit Ihnen Sorge und Elend und Not gehen. * Mit einem furchtbaren Sturmwetter ist das alte Jahr dahingegangen. Der Wind fegte am Samstag mit eisiger Kälte durch die Straßen und trieb mit Hüten und umgeklappten Schirmen ein tolles Spiel. Dachziegel wurden vielfach losgerissen und sogar Bämme sind entwurzelt worden. Aus allen Teilen des Reiches treffen ähnliche und schlimmere Mitteilungen über Unwetter ein. In Berlin und Umgegend hat das Wetter furchtbar gehaust. In Nieder=Schöneweide hat es sogar einen Eisenbahn=Unfall verursacht, dem, wie zu befürchten ist, ein Menschenleben zum Opfer fallen wird. Der Sturm trieb auf dem Rangierbahnhofe in NiederSchöneweide vier Kesselwagen gegen einen anfahrenden Güterzug. Der Lokomotivführer, der bei der Finsternis die anrollenden Wagen nicht sehen konnte, bremste zwar, konnte aber einen Zusammenstoß nicht verhindern. Die Lokomotive, ein Güterwagen und zwei Kesselwagen wurden demoliert. Der Lokomotivführer rettete sich im letzten Augenblick durch Abspringen, dagegen erlitt der Heizer, der zwischen die Lokomotive und einen Kesselwagen geriet, lebensgefährliche Verletzungen, indem ihm ein Schenkel vollständig zerquetscht wurde. Der Verunglückte, der Heizer Ernst Mühle, wurde noch lebend nach dem Krankenhause gebracht.— Auf der Nord= und Östsee wüteten Stürme und Sturmfluten. Die Fischerdörfer haben großen Schaden erlitten; das Wasser stieg so plötzlich, daß niemand Zeit hatte, die Boote in Sicherheit zu bringen.— Am Kieler Hafen sind zahlreiche Fahrzeuge von den Fluten zerschellt. In Labö sind 6Zischer boote gesunken. Die Besatzungen sind gerettet.— In Lübeck stehen alle niedrig gelegenen Straßen unter Wasser; mehrfach sind Menschenleben in Gefahr.— Die ganze Hafeninsel von Stralsund ist überschwemmt, und in den Straßen steht das Wasser fußhoch; der an Waren, Getreide und Gebäuden angerichtete Schaden ist sehr groß.— In Wieck bei Eldena stürzte infolge Hochwassers das Armenhaus ein, wobei drei Frauen und vier Kinder ums Leben kamen.— Aus Süddeutschland wird starkes Schneetreiben gemeldet. Aus Schweden und Oesterreich laufen ähnliche Nachrichten ein. Ueber England ist ein heftiger Sturm gegangen, der schweren Schaden an den Telegraphen= und Telephondrähten angerichtet hat. Viele Orte längs der Küste sind stark mitgenommen worden. Die letzten Nachrichten sagen: Infolge des Sturmes sind sämtliche Telephonleitungen nach Nord= und Süddeutschland gestört. Unterhalb Wesel wurde ein sechsjähriges Kind von einem Dampfer herunter in den Strom geweht und kam nicht mehr zum Vorschein. In Köln stürzten mehrere Neubauten teilweise ein. In Mülheim wurde ein Arbeiter vom Sturm erfaßt und unter ein Fuhrwerk geworfen, wobei er derartige Verletzungen erlitt, daß er alsbald starb. In Toitzsch wurde in der vergangenen Nacht ein Arbeiter von einem Torflügel, den der Sturm ausgehoben hatte, erschlagen. Auf dem Braunkohlenwerk Waschwitz setzte der Sturm einen Eisenbahnwagen in Bewegung, der, auf die Linie getrieben, ein Bahnwärterhaus zertrümmerte; der Bahnwärter konnte sich retten. Im Rostocker Hafen wurden durch die Sturmflut mehrere Schiffe losgerissen. Die Petritor=Vorstadt ist vom Verkehr abgeschnitten. Die Altstadt steht zum Teil unter Wasser. Die Feuerwehr wurde requiriert. Ein Droschkenkutscher ertrank. Bei Warnemünde fanden zwei Dünendurchbrüche statt. * Das unentgeltliche Auskunftsburean für unbemittelte Rechtsuchende, das mit der städtischen Arbeitsvermittelung verbunden ist, wurde im Dezember v. Is. von 532 Personen(393 männlichen und 139 weiblichen) in Anspruch genommen. Die Zahl der Personen, die im Jahre 1904 die Auskunftsstelle in Anspruch nahmen, beträgt 4321. * Pfandversteigerung. Am 5., 12., 19. und 26. Januar, am 2., 9., 16. und 23. Februar und am 2., 9., 16., 23. und 30. März 1905, jedesmal vormittags 9 Uhr beginnend, werden im Geschäftslokale des städtischen Leihhauses die verfallenen und nicht eingelösten Pfänder, aus aoldenen und silbernen Uhren, Ketten, Ringen, pp., aus Gebild, Leinen, Bettzeug, Kleiderstoffen, Kleidungsstücken pp. bestehend, öffentlich meistbietend versteigert werden. * In Haft genommen sind in den beiden letzten Nächten insgesamt 40 Personen. Barmen, 2. Januar. 3 Tollwut Impfung bei Kindern. Gestern Abend sind zwei Kinder des Ackerers Hermann Schmitz, Bezirk Heckinghausen 63, in Begleitung ihres Vaters nach Berlin gefahren, um dort einer Impfung gegen Tollwuterkrankung unterzogen zu werden. Die Kinder, zwei Knaben im Alter von 7 und 6 Jahren, waren von einem Hunde ihres Vaters gebissen werden. Das Tier war dem Schlachthofe zur Untersuchung überwiesen worden und ist dort unter den Anzeichen der Tollwut verendet.— Der Fall ist dazu angetan, die Hundebesitzer zur strengeren Beobachtung der Vorschriften über die Hundesperre zu veranlassen. Leider sieht man noch viele Hunde frei herumlaufen, weswegen polizeilicherseits mit höberen Strafen vorgegangen wird. Auch der Plan einer höheren Hundesteuer taucht bei dieser Gelegenheit wieder auf. Freiwillige Urlaubsverlängerung nahmen sich die Musketiere D. und M. vom 53 Infanterieregiment in Kalk, die jetzt gesucht werden. 5 Ersticktes Kind. Die Burgstraße 3 wohnende Eheleute Schröder fanden, als sie in der Neujahrsnacht nach Hause kamen, ihr sechs Monate altes Kind erstickt vor. Die vier Kinder der Eheleute hatten sich zusammen ins Bett gelegt und ist wahrscheinlich das kleine Würinchen unter die größeren Kinder zu liegen gekommen und auf diese Weise erstickt. Gestohlen wurde am 28. Dezember abends an der Cleferbrücke einem siebenjährigen Knaben, eine gelblederne Reisetasche im Werte von 12 Mark. Der Dieb wird als ein junger, großer und schlanker Mann mit hellblondem Schnurbart beschrieben und war sein gekleidet. * Berlin, 31. Dez. Adolf Brand, der Herausgeber der Kunstzeitschrift„Der Eigene“ in Charlottenburg, und Karl Schneidt, der Chefredakteur der„Zeit am Montag“ zu Berlin, haben wegen Beleidigung des Reichs= und Landtagsabgeordneten Kaplan Dasbach endlich die Anklageschrift zugesteilt erhalten. Es wird den Angeklagten zur Last gelegt, Dasbach öffentlich für homosexuell erklärt und ihn besonders dadurch schwer beleidigt zu haben, daß sie ihn als an der Abschaffung des§ 175 persönlich interessiert hinstellten. Brand wird besonders noch die Tatsache zur Last gelegt, daß er Dasbach beschuldigt hat: 1.„unter dem Schein eines sakramentalen Bekenntnisses" männliche Prostituirte nach ihrem homoseruellen Verkehre ausgefragt zu haben— 2 im Falle Pohl einen Meineid geleistet zu haben— und 3. eigene Fraktionsgenossen ihres homosexuellen Umgangs wegen lüstern bespitzelt zu haben!— Die Angeklagten wollen einen umfassenden Wahrheitsbeweis für ihre Behauptungen antreten Depeschen und Neueste Der russisch-japanische Krieg. Port Arthue gefallen? Wie eine Lassan=Meldung aus Tokio berichtet, hat General Stössel kapitnliert. Diese Meldung scheint den Ereignissen etwas vorausgeeilt zu sein. hb. Tokio. 2. Januar. Nach amtlichen Meldungen hat General Stössel nach Erschöpfung aller Verteidigungsmittel einen Brief geschrieben, wonach die Festung unter ehrenvollen Bedingungen kapituliert. hb. Tokio, 29. Dez. Der japanischen Regierung war ein Gerücht zu Ohren gekommen, wonach die Behörden von Kiautschau russische Marineoffiziere mit Rücksicht auf deren Erkrankung gestattet habe, nach Shanghai weiterzureisen. Auf eine Anfrage, welche die japanische Regierung auf diese Meldung an die deutsche Verwaltung von Kiautschau gerichtet hatte, kam der Bescheid. daß diese Nachrichten in allen Teilen unzutreffend seien, kein russischer Offizier habe das Pachtgebiet verlassen. Els ein russitcher Marinearzt um die Erlaubnis bat, Tsingtan verlassen zu dürfen, sei jetzt ihm dieses verweigert worden. Die Antwort der deutschen Behörde wurde mit großer Befriedigung aufgenommen. hb. Kattowitz, 1. Jan. Ein russischer Revolutionär namens Neszko wollte über die österreichische Grenze bei Brody Massenbroschüren nach Rußland schmuggeln. Nachdem ihn andere Schmuggler verraten hatten, überfielen ihn Gendarmen. Neszko wehrte sich, erschoß einige Russen und entfloh darauf. hb. Wien, 1. Jan. Wie die„N. Fr. Pr." meldet, erfolgte die Ernennung des Freiherrn Gautsch zum Ministerpräsidenten erst gestern mittag in einer Audienz, zu der der Kaiser ihn berufen hatte, ohne daß Gautsch vorher von der Absicht des Monarchen unterrichtet war. Der Kaiser ließ zugleich durch den neuernannten Ministerpräsidenten die Minister des Kabinets Körber auffordern, auf ihren Posten zu verbleiben. hb. Amsterdam, 1. Jan. Dem„Handelsblatt" zufolge ist in Singapore die Pest ausgebrochen. Fünfzig Fälle wurden bereits festgestellt. hb. Lodz, 2. Jan. Zwischen Lodz und Koluschki wurde die Telegraphenlinie zerstört; auf der Warschau=Koluschkier Bahn wurde eine zweite Brücke in die Luft zu sprengen versucht. Bei einer erneuten Demonstration in Lodz wurden 4 Personen erschossen. hb. Moskau, 2. Jan. Hier herrscht seit einigen Tagen eine furchtbare Kälte. Die Temperatur sank bis auf 27 Grad Celsius unter Null. hb. Belgrad, 2. Jan. Gestern Nachmittag artete eine von einem unbekannten Ausschuß für die Verurteilung der Haltung der oppositionellen Presse einberufenen Volksversammlung in einem Tumult aus. Zwischen Pfeifen und Gegröhle nahm die Mehrheit der Teilnehmer gegen die Einberufer Stellung, die man verhauen wollte.(Frankf. 1 1 ( b 1 " d d u d 2 se re re vi fe K. bi . au an ste K tot Ko we I Lei Si stel „di ein Me Ge auc geg Eir den der Kise erst Zar aber lung Sia Mit anzi führ bora Aus mög das Anle Soel im Rub nunt und Zare dran nann die 1 erst kennzeichnen diejenigen Geschäfte, welche nur unser spezifisches Gewicht ca. 800 Gramm bei 15° Celsius. führen. Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft. Zur Jahreswende 1905 meinen Freunden und Bekannten ein urkräftiges Prosit Neujahr! Restaur.„Zur Ruhmeshalle“ Chr. Restaurat. Ewald Tegarten A Langerfeld—Baieröde sendet allen Freunden und Bekannten Idie herzlichsten Glückwünsche zum neuen Jahre! fi. Dierichs Bier. fI. Molzmanna Ktaren. WVVVVVIVVVTE Gebrauchte Weihnachtsbäume! werden zu 20 und 30 Pfg. je nach Größe angekauft Otto Wülfing, Metzger, Elberfeld, Kipdorf. Abnahme der Bäume am 3. Januar von 11 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags. Ortsbrankenkasse onsdorf Den Mitgliedern unserer Kasse zur Nachricht, daß oom 1. Januar 1905 ab, außer unserem bisherigen Kassenarzt Herrn Dr. Eyles, auch die hiesigen Aerzte, Sanitätsrat Dr. Berthold und Dr. Wülking zur Kassenpraxis zugelassen sind. Ebenso wird von genanntem Termin ab, die ärztliche Behandlung auch auf die Familienangehörigen, wie Kinder, Eltern, Groß= und Schwiegereltern, sofern diese im Haushalt des Mitgliedes ständig wohnen und ihr Unterhalt aus dem Arbeitsverdienst des Mitgliedes bestritten wird, ausgedehnt und zwar auf-13 Wochen im Galenderjahr. Die Beiträge werden ab 1. Januar 1905 wie folgt erhöht, Klasse 1 auf 15 Pfg., II auf 24 Pfg., III auf 33 Pfg., 1V auf 45 Pfg. und V auf 54 Pfg. NB. Den Nachtrag zum Statut, können die Mitglieder von nächster Woche ab, auf der Rendantur in Empfang nehmen. Ronsdorf, den 30. Dezember 1904. Der Vorstand. Remscheid. Neue Welt=Ralender Notiz=Kalender Abreiß=Ralender Kontor=Kalender = für das Jahr 1905= hält auf Lager und empfiehlt R. Grimpe o Sozialdemokratischer Volksverein, Elberfeld 9 Dienstag, den 3. Januar, abends 8½ Uhr, im„Volkshaus“: Mitglieder=Versammlung. TagesMrdunnge 1. Berichterstattung vom Preußischen Perteitag in Berlin. Referent: Genosse W. Gewehr. 2. Antrag auf Ausschluß eines Mitgliedes. 3. Allgemeines X Um zahlreiches und pünktliches Erscheinen ersucht Der Vorstand. NB. Die Bibliothek ist von 8 Uhr an geoffnet. OOOO Soziuldemok=utischer Verein, Barmen. Mittwoch den 4. Jan., abends 9 Uhr, im„Gewerkschaftshaus" Parlamentstr. 5: Versammlung. Tages-Ordnung: Zum Jahreswechsel sende meiner werten Kundschaft und allen Gönnern die besten Glückwünsche! Alfons Beran. Milspe, den 1 Jannar 1905. 3 Justitut für Lahnleidende 3 von G. Bukofzer, Elberfeld, Bachstr. 99/101. Günftige Bedingungen, wöchentlich 1 Ml., 2 ohne Preiserhöhung. 3 Zahnziehen schmeezlos. Wolfsholz-Brustbonbons ärztlich empf. vorz. bei Husten Heiserkeit u. Verschleimung empf. E. Wolsoholz, Elb, Casinostr. 31. Ortskrankenkasse d. Bauhandwerker. Wir teilen unsern Mitgliedern mit, daß wir gezwungen ssind, die freie Arztwahl einzuführen, und ersuchen, sich bis spätestens den 6. Januar 1905 einen der hiesigen Herren Aerzte Dr. Belemann. Boecker,Büren, Cohn, Gerhardi, Grubel, Geurtsen. Kauert, Klingenheben oder Meese zu wählen. Wer bis zu diesem Tage eine Umwahl niht vorgenommen hat, wird seinem früheren Arzte wieder zugeschrieben. Um Irrtümer zu vermeiden, ersuchen wir die Herren Arbeitgeber bis zum 6. Januar 1905 unter Angabe von Alter und gewähltem Arzt, ihre sämtlichen versicherungslichtigen Arbeiter neu anzumelden. Der Vorstand. J. A.: Alb Gräfe. Billigste Bezugsquellef echt goldene Trauringe 1. Bericht des Delegierten Genossen Gewehr vom preußischen Parteitag. 2. Allgemeines. Um zahlreiches Erscheinen ersucht Ber Vorstand. o00oooooocoonocnono in allen Größen u. Fasons, gesetzlich gestempelt, von 2 50 Mk. an stets auf Lager, empfiehlt Heinr. Bankowsky, Elberfeld, 12 Hofkamp 42. 6 Kalender 1905 Geb. 60 Pf. Porto 10 Pf. L Aus dem Inhalt des diesjührigen Aalenders heben wir hervor: Wie wird man einguter Redner? Unsere toten Reichstags abgeordneten(mit Portraits). Die Reichstagswahlen 1003 Kurge Blographien unsrer Neichstagsabgeordneten T strationen).— Sozialistische und Gewerlschaftspresse Deutschlande. Für alle, die an Redaktionen schreiben.— Adressen der deut schen Gewerbeinspektoren— der deutschen Gewerkschaften— der Milglieder der Generalkommilnon der Internationalen Sekretariate der Arbeitersekretariate.— Mitgliederzahlen u.sinanzielle Leistun gen der deutschen Gewerkschaften.— Deutsche Streiktatistik 1890—1903.— Mit in den einzelnen Gewerkschaften Weibliche Mitglieder.— Porto taxe, Münztabelle, Einnahme= und Ausgabetabellen rc. Außerdem enthält der Kalender ein vorzüglich hergestelltes Lichtdruckbild unserer Reichstags-Fraktion. Der Kalender ist ein beliebtes undunentbehrliches Nachschlagebuch für Gewerkschaften und Partei. Zu beziehen durch di Buchhandl. Freie Presse L Erber seld, Friedrichstr. 37. Johmaon' Rabrperled) Bögel, Vogelbauer u. Ständer Vogelfutter, Aquarien, Terrarien, Fische und Reptilien empfiehlt in großer Auswahl Zoologische Nandlung, Barmen, Neuerweg und Hagen i. W., Elnerfelderstraße. Uur Allark kost. eine Uhr zu reinigen der u. 3 50 unter Reinigen zweijähriger Garantie. Trauringe werden nach Maß billig angefertigt. Glas 20 Pfg, Zeiger 10 Pfg. Vertreter: Carl Vogelerjr. in Elbeteld. Altes Gold, Silber und Uhren werden zu den höchsten Preisen gekauft. Fr. Berthold. ubrmacher Zarmen, Elberfeld, gr. Flurstr. 45, nur Kölnerstr 29 Schankwirtschaft Achtung! Halte mich meinen Freunden und Genossen im Rasieren und Naarschneiden bestens empfohlen. Achtungsvoll Fritz Pentinghaus, Friseur Hagen Bachstr. 2. „Zur Jägerhöhe, Elberfeld, Neviandtstrasse 61. Allen Nachbarn, Freunden und Bekannten zur gefl. Mitteilung, daß ich obengenannteX Schankwirtschaft in Vertretung übernommen habe Verabreich. nur bester Speisen u. Getränke. 2 Billards 2. Gesellschaftszimmer mit Pianins. Um geneigten Zuspruch bittend zeichnet Hermann Purz Achtungsvoll In. Eleg Tascheu=Sofa u. Preis E., Hochstr. 101, Wilhelmstr.=Ecke, Gefunden. Geld u. Steuerzettel, abzuholen bei Ernst Hagen, Wirkerstr. 70. Verantwortlicher Redakeur: A. Markwitz Elberfeld.— Verlag: Verlagsanstalt Molkenbuhr& Co., Elberfeld.— Rotationsdruck: Buchdruckerei Grimpe, Elberfeld. Beilage zu Nr. 1 der Freien Presse, Montag, den 2. Januar 1905. Lokales. Elberfeld— Barmen. Elberfeld, 2. Januar 1905 *Zum Vezirksleiter des Buchbinder=Verbandes für Rheinland und Westfalen wurde Genosse Bernh. Grönhoff von hier gewählt. Die Bezirksleitung wird hier in Elberfeld ihren Sitz haben. *Elberfelder Stadttheater. Die heutige„Carmen"Vorstellung bringt neben Cäcilie Rüsche als„Micaela" und Wilhelm Otto als„José", noch eine Gastin als„Carmen“ nämlich Miß Harriet Behune vom Stadttheater in Breslau. — Ebenso tritt morgen als„Gretel" in„Hänsel und Gretel“ und als„Lola" in„Cavalleria rusticana" eine Gastin auf und zwar Frl. Charlotte Brunner vom Stadttheater in Freiburg.— Für Mittwoch den 4. Januar nachmittags ist die letzte Aufführung von„Prinzeß Dornröschen" angesetzt.— Die Uraufführung der Oper„Z'widerwurz'n" findet nunmehr am 4. Januar statt. Barmen, 2. Januar. Der Allgemeine Konzertverein=Volkschor=Barmen hat für das 95. 94. Stadthallen=Abonnements=Konzert am 7./8. Januar 1905 seiner Konzertgemeinde ein Orchesterprogramm überreicht, dessen hochmoderner Charakter das gespannteste Interesse erwecken wird. Dieses Konzertinstitut bringt mit seinem neuesten Programm wieder deutlich zum Ausdruck, daß seine Bestrebungen den modernen und modernsten Kunstschöpfungen ebenso gelten, wie der klassischen Schaffensperiode, und daß neben den längst zum Geweingut des Volkes gewordenen Meisterwerken der Tonkunst auch die viel umstrittenen Schöpfungen der modernen und zeitgenössischen Tonsetzer den breitesten Schichten der bürgerlichen Gesellschaft mit dem erforderlichen großen und glanzenden Aufführungsapparate zzur Kenntnis gebracht werden. Und der Erfolg hat dem Konzertverein=Volkschor Recht gegeben; denn die unmittelbare Wirkungsfähigkeit in den Offenbarungen eines wirklichen Genies, gleichviel ob moderner oder klassischer Provenienz, hat noch stets die Massen entzündet, deren Urteil noch nicht durch Sachkenntnis und deren naive Genußfreude noch nicht durch falschen Kultursirnis getrübt sind. Liszis Hungaria, Wolfs Penthesilea und Strauß SymphoniaDomestica sind solche Offenbarungen wahrer musikalischer Poesie, die ihren Weg zum Herzen der Hörer nicht verfehlen. Alle drei Werke erfordern einen außergewöhnlichen Apparat, welcher Forderung jedoch in vollem Maße Rechnung getragen worden ist. * Gelsenkirchen, 30. Dez. Der im hiesigen Amtsgericht untergebrachte Gefangene Julius Ernstrowski aus Darkehmen wurde im Hofe des Gefängnisses von einem Pferde geschlagen und ist im Krankenhaus infolge eines schweren Schädelbruchs seinen Verletzungen erlegen. * Bochum, 30. Dez. Die Strafkammer verurteilte heute den Tiefbauunternehmer Gabriel, sowie den EisenbahnAspiranten Heßler wegen Betruges bezw. Hehlerei, die beide in einer Submissionsangelegenheit begangen hatten, zu drei Monaten bezw. sechs Monaten Gefängnis. * Witten, 29. Dez. Selbstmordversuch bei einer Weihnachtsfeier. Der Handwerksbursche M. aus Ricklingen bei Ppannover, der sich während der Weihnachtsfeiertage in der hiesigen„Herberge zur Heimat" aufhielt, war von Soldaten der Heilsarmee zur Weihnachtsfeier eingeladen worden. Er hatte dieser Einladung auch mit fünf seiner Kollegen Folge geleistet. In einem Anfalle von Wut sprang er mitten in der Feier plötzlich auf, zog ein Messer hervor und stieß es sich mit dem Rufe:„Ich will nicht länger leben" in die linke Brust. Er stürzte wie leblos zusammen. An seinem Aufkommen wird gezweifelt. Man nimmt religiösen Wahnsinn als Grund der Tat an. * Meiderich, 31. Dez. Einbruch in die Kirche. Gestern früh kurz nach Mitternacht ist in der Untermeidericher Kirche eingebrochen worden. Vom Rektorat aus war bemerkt worden, daß ein Licht sich in der Kirche bewegte; das gab Veranlassung, die Polizei herbeizuholen, der es gelungen ist, den etwa 35 Jahre alten Einbrecher vor dem Hochaltare zu verhaften. Seine Personalien anzugeben, verweigerte der Verhaftete. Die Untersuchung ergab, daß am Tabernakel und Opferstock mit einem Brecheisen erfolglos gearbeitet worden war. * Köln, 30. Dez. Gestern Morgen wurde ein Ingem ur in seiner Wohnung tot aufgefunden. Wie die Untersuchung ergab, hatte er sich mit Cyankali vergiftet. Man glaubt, daß er in einem Anfall von Schwermut Hand an sich gelegt hat. Bonn, 30. Dez. Ein heftiger Sturm, der seit heute vormittag hier tobt, riß heute mittag die Giebelmauer eines Neubaues an der Wesselschen Wandplattenfabrik uim. Die Mauer durchschlug im Falle das Dach der benachbarten Fabrikschreinerei. Durch die niederschlagenden Steinmassen wurden drei Zimmerleute auf der Stelle getötet und zwei schwer verletzt. Zwei Arbeiter kamen mit leichteren Verletzungen davon. Bonn, 31. Dez. Ein schweres Unglück hat sich am Freitag mittag kurz nach 1 Uhr in der Wesselschen Wandplattenfabrik am Dransdorferwege zugetragen. Der um diese Stunde sehr heftig gewordene Sturm riß den östlichen Giebel eines Neubaues ein und warf ihn auf das Dach der daneben stehenden Schreinerei, in der eine Anzahl Zimmerleute ihr Mittagessen einnahmen. Drei Zimmerleute, und zwar Georg Fritzen aus Mondorf, Franz Mandt aus Rheydt und Andreas Feuser aus Bonn, blieben sofort tot. Die Zimmerleute Karl Winkler aus Poppelsdorf und Eppstein aus Beuel wurden schwer, der Schreiner Fritz Fries und der Fabrikarbeiter Josef Streng aus Endenich leicht verletzt. Auf die Kunde von dem Unglücksfall eilten sofort drei Aerzte aus der Universitätsklinik herbei, die die erste Hilfe leisteten und die Schwerverletzten auf Tragbahren zur Klinik bringen ließen. Von den Leichtverletzten konnte der eine sich nach Anlegung eines Verbandes allein zur Klinik begeben, der andere blieb in der Fabrik. Oberbürgermeister Spiritus, Beigeordneter und Baurat Schultze, der Erste Staatsanwalt Pult und Polizeiinspektor Witkugel erschienen ebenfalls kurz nach dem Unglück auf der Unfallstelle. Die Leichen wurden ins Leichenhaus gebracht und die Angehörigen der Verunglückten durch die Polizei in schonender Weise von dem Unglück in Kenntnis gesetzt. Parteinachrichten. Parteibureau. * Mit Beginn des Jahres 1905 wird das Parteibureau von der Kreuzbergstraße 30 nach der Lindenstraße 69 verlegt Alle für den Parteivorstand bestimmten Sendungen, Briefe, Drucksachen usw., sind vom 1. Januar 1905 ab an I. Auer, Berlin SW. 68, Lindenstraße 69, und alle für die Zentralkasse bestimmten Geldsendungen an Albin Gerisch, Berlin SW. 68, Lindenstraße 69, zu adressieren. Der Parteivorstand. *Am Vorabend des christlichen Weihnachtsfestes trugen die Genossen in Meiderich einen Toten hinaus, den Knappschaftsältesten und Parteivertrauensmann Diederich Korten, der sein Lebtag ein tapferer und braver Kämpfer war. Aber nicht friedlich zeigte sich die offizielle— Ordnung. Ueber zwei Dutzend Behelmte, dazu noch eine Schar„Geheime", begleiteten den Zug. Ohne Rücksicht auf die Leidtragenden wurde der Zug gestört, indem die Entfernung der Schleifen von den Kranzen gefordert und erzwungen wurde. Zu beschämenden Auftritten kam es am offenen Grabe. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verstorbenen begleitete ein Geistlicher den Trauerzug. Dieser verbot dem Arbeitergesangverein, ein Lied zu singen. Als man sich trotzdem dazu anschickte, sprangen die Beamten hinzu, es gab ein wildes Durcheinander, einem Sänger wurde das Notenheft entrissen, das nachher aus der Tasche eines„Geheimen" wieder aus Tageslicht kam. Schließlich gab der Geistliche die Erlaubnis, ein bestimmtes Lied zu singen. Trotzdem suchten die Beamten das wieder zu verhindern, sie konnten aber den Wall der Leidtragenden, der sich um die Sänger geschart hatte, nicht durchbrechen. Aber, nachher, als die Kränze niedergelegt wurden, gab es Ernte. Um die Leute zu notieren, sie zu verhindern, einige Abschiedsworte dem entschlafenen Genossen zuzurufen, sprangen die Beamte hin und her, sogar über das Grab hinweg: Hier wird nicht geredet, lärmte es zwischen die Weiheworte.— So hat man im Kampfe gegen einen Toten im Slaate der frommen Sitte wiedermal den Staat gerettet. * Die holländische Sozialdemokratische Lehrervereinigung hielt am 21. Dezember in Breda ihre 10. Generalversammlung ab. Wie der Sekretär J. C. Ecton im Jahresbericht mitteilte, hat die Vereinigung zurzeit 150 Mitglieder. Tie Zahl der Sozialdemokraten unter den holländischen Lehrern ist jedoch mehr als doppelt so groß. Es ist festgestellt worden, daß 160 bis 170 Lehrer wohl Mitglieder der sozialdemokratischen Partei, abe. nicht der Sozialdemokratischen Lehrervereinigung sind. Die Versammlung befaßte sich außerdem hauptsächlich mit taktischen Fragen, die Stellung der Vereinigung zu den Kammerwahlen und Gemeindewahlen betreffend. Hierzu wurden 2 Resolutionen angenommen, die beide von der Auffassung ausgehen, daß die Vereinigung sich, ebensowenig wie der Lehrerverband, mit der Aufstellung von besonderen Kandidaten für derartige Wahlen befassen soll, sondern das der Partei zu überlassen hat, daß aber die Mitglieder die sozialdemokratischen Kaudidaten unterstützen sollen. Dieser Beschluß ist darum besonders wichtig, weil im 5. Amsterdamer Wahlkreis bei den bevorstehenden Kammerwahlen wiederum der bisherige Vertreter, der freisinnig=demokratische Lehrer Ketelaar vom Lehrerverbande als Kandidat aufgestellt werden soll. Die sozialdemokratischen Verbandsmitglieder werden dagegen den von der Arbeiterpartei aufzustellenden Kandidaten unterstützen. Soziales. Königlich privilegierte Vorschule der Prostitution. In den Tagen der überschäumenden sittlichen Entrüstung aller gutgesinnten— Kostgänger der Prostitution interessiert ein Zitat aus einem Buche des bekannten Kukturhistorikers und schweizerischen Staatsarchivars Dr. Otto Henne am Rhyn. Dieser schreibt in dem Buche„Sünden der Sittenpolizei"(Leipzig, Max Spohr, 2. Aufl.): „Es besteht in Berlin, um den mehr und mehr ins Stocken geratenen Zuzug neuer Kräfte für das Corps de Ballet zu sichern, eine von der General-Intendanz der königlichen Schauspiele ressortierende und mit bedeutenden Mitteln ausgestattele sogenannte Balletschule. Alljährlich findet eine Musierung der Exspektanten statt, bei deren Schilderung man unwillkürlich an einen Remontemarkt... erinnert wird. Diejenigen Kinder nämlich, deren Angehörige entweder durch gewisse Schönheitsjäger (man nennt als besonders tälig und rontiniert in der Wahl qualifizierter Subjekte einen Offizier a. D.) oder durch„Erfolg“ von Aspirantinnen aus ihrem Ort auf die Vergünstigungen der Balletschule aufmerksam gemacht worden sind und ihrem hübschen Fleisch und Blut gern den mühelosen Eintritt in eine„höhere" soziale Stellung verschaffen möchten, werden im Beisein der an der Sache und für die Sache Interessierten(!) durch den Theaterarzt in betreff der Infallibilität der Zähne, der Fesselgelenke, der Knie, der Figur, sowie— falls genügende Auswahl vorhanden— auch selbst des Profils untersucht. Die geeignet Befundenen werden sodann zu bestimmten Familien in Kost gegeben und unter sich trotz„Schulzwang" und„Allgemeiner Ministerialbestimmungen" etwa 2 Stunden täglich aufs notdürftigste im Lesen, Schreiben, Rechnen und in französischer Kunstsprache(in Religion garnicht), in gymnastischen und Tanzübungen dagegen bis zum Ueberdruß unterrichtet. Auf die Frage:„Was wird aus diesen Mädchen?" antwortete dem Berichterstatter der Begleiter einer Schar dieser... Mädchen(von 9 bis 11 Jahren!!):„Dreiviertel derselben gehen unter!" Wahrscheinlich aber gehen alle unter.. Gewerkschaftliche Arbeiterbewegung. Inland. * Schneiderbewegung im Ruhrrevier. In Eickel fand eine Zusammenkunft von Delegierten der im Deutschen Schneiderverband organisierten Kollegen des Ruhrgebietes statt, die sich mit dem gegenwärtigen Stand der Lohnverhältnisse im Gewerbe und wit der Einführung einheitlicher Tarife befaßte. Die Berichte ergaben, daß die Lohnverhältnisse sehr schlechie seien und die bereits geschaffenen Tarife von einem großen Teile der Unternehmer nicht inne gehalten würden. Es wurde für das kommende Fruhjahr eine Lohnbewegung für das ganze Ruhrrevier beschlossen, ebenso die Herausgabe von Flugblättern und Arrangierung von Versammlungen zu diesem Zweck. Die Modelleure in Bochum, Dortmund und Essen Der Einäugige. Kriminalroman von Friedrich Thieme. 12) Fortsetzung Aber das Leben fragt nicht nach dem Tode, es macht unerbittlich seine Forderungen und Ansprüche geltend. Kaum war Hobalt gegen Abend in sein verlassenes Heim zurücke fehr 1o mord ihun der Mechtcheistand seiner Schmester Justizrat Doktor Feistkorn, gemeldet. „Verzeihen Sie, daß ich an einem solchen Tage in Geschäften zu Ihnen komme, Herr Hobalt," führte der Justizrat sich ein.„Ich glaubte jedoch, als Ihr langjähriger Sachwalter, Ihnen eine wichtige Eröffnung, die Ihnen zu unterbreiten mich meine Verpflichtung der Amtsverschwiegenheit bisher verhinderte, nunmehr, nachdem ich zu sprechen berechtigt bin, nicht länger vorenthalten zu dürfen." Hobalt warf dem Anwalt einen Blick unruhiger Ueberraschung zu. „Was für eine Eröffnung— bitte, nehmen Sie Platz, lieber Herr Justizrat— was für eine Eröffnung meinen Sie?" „Keine, die, wie ich Grund anzunehmen habe, etwas Unangenehmes für Sie im Gefolge hat. Es dürfte sich um eine bloße Formalität von seiten Ihres Fräuleins Schwester handeln, um eine Sicherheitsmaßregel, durch welche Sie Ihnen alle Weitläufigkeiten zu ersparen gedachte. Sie sind ja wohl der einzige Erbe der Verstorbenen?" Bei diesen Worten setzte sich der Justizrat. „Ihr einziger Erbe, gewiß," versetzte der Häuserkönig mit scharfer Betonung.„Wir besitzen nur noch ganz entfernte Verwandte, die in keiner Weise Anspruch auf Berücksichtigung erheben können. Das heißt," beeilte er sich hinzuzusetzen,„die Armen unter ihnen sollen nicht zu kurz kommen. Ich besitze ja selbst ein bedeutendes Bermögen und würde dasjenige meiner unglücklichen Schwester dreimal darum geben, könnte ich dadurch das furchtbare Ereignis ungeschehen machen— ich bedarf ihres Nachlasses nicht und werde denselben in einer Weise verwenden, der sich des edlen Charakters und der Gesinnung der Toten würdig erweist." „Wer Sie kennt, ist davon im Voraus überzeugt, Herr Hobalt," erwiderte der Justizrat teilnahmsvoll.„Uebrigens," setzte er geschäftsmäßiger hinzu,„bringt Ihnen meine Nachricht vermutlich nicht einmal etwas Neues. Ich schloß nur aus den Aeußerungen, mit denen Fräulein Hobalt seinerzeit die Vollziehung des Aktes begleitete, daß sie auch vor Ihnen denselben möglicherweise geheim gehalten habe und hielt es für die Pflicht der Freundfchaft, Sie vorzubereiten, um Ihnen wo möglich eine immerhin peinliche Ueberraschung zu ersparen." „Von welchem Alt sprechen Sie?" „Von der vor mehreren Monaten erfolgten Testamentsniederlegung Ihrer Fräulein Schwester," erklärte Doktor Feistkorn in seiner ruhig gemessenen Art. Der Häuserkönig fuhr von seinem Stuhle auf. „Meine Schwester hat ein Testament bei Ihnen niedergelegt?" „Wissen Sie nichts davon?" Hobalt unterdrückte gewaltsam seine Bestürzung.„Kein Wort,“ entgegnete er, sich bemühend, in sein Organ eine ruhige Würde zu legen.„Wir haben zwar nach dem Tode meiner Gattin wiederholt gegenseitig die Absicht geäußert, gelegentlich zu unserm beiderseitigen Nutzen zu testieren, daß es aber von seiten meiner Schwester wirklich geschehen, wußte ich nicht. Also vor einigen Monaten—“ „Jawohl." „Und sie hat mich darin zu ihrem Universalerben eingesetzt?" „Jedenfalls— sie hat mir das Testament versiegelt übergeben mit der Erklärung, sie habe darin ihren letzten Willen nebst allen darauf bezüglichen Dokumenten deponiert, die Entgegennahme erfolgte in Gegenwart der gesetzlich vorgeschriebenen Zeugen. Sogleich als ich die Mitteilung vom Ableben der Dame erhielt, habe ich das Testament der Vorschrift gemäß unverzüglich an das Nachlaßgericht abgeliefert. Die Eröffnung soll laut Bestimmung der Erblasserin zwei Tage nach ihrer Beerdigung erfolgen. Sie werden also wohl noch heute die gerichtliche Vorladung erhalten." Hobalt antwortete mechanisch„ja, ja," und trat an das Fenster, um sich, unbeobachtet von dem Besucher, den Schweiß von der Stirn zu trocknen. „Ich begreife nicht," rief er, sich dem Justizrat wieder zuwendend, unruhig,„was für einen Zweck in diesem Falle das Testament erfüllen soll!" Doktor Feistkorn zuckte die Achseln. „Wahrscheinlich handelt es sich um einige Legate zu gunsten von Verwandten oder milden Stiftungen." Hobalt nickte lebhaft.„Das ist wahr, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Meine Schwester war sehr wohltätigen Sinnes, sie wird ihre Lieblingsanstalten nicht vergessen haben. Auch gut so," fügte er rasch und wie aufatmend hinzu,„obgleich es nicht nötig gewesen wäre. Ich wäre auch so darauf bedacht gewesen, zu tun, was recht ist. Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilung, Herr Justizrat, ich erkenne das Zartgefühl an, das sich darin ausspricht. Sie fühlten mit dem Ihnen eigenen Scharfblick heraus, daß in der Tatsache an sich etwas liegt, was mich verletzen muß. Meine Schwester bezeigt mir nicht das Vertrauen, dessen würdig zu sein ich mir bewußt bin. Dieser Umstand ist es allein, der mich beunruhigt— an das Geld denke ich nicht." Die Herren nahmen freundlich von einander Abschied, und Hobalt stand noch lange mit gerunzelter Stirn, die Hände auf dem Rücken ineinandergeschlungen, an dem prachtvollen Porzellanofen seines Zimmers und starrte gedankenvoll vor sich hin... Der Termin der Testamentseröffnung war erschienen, Hobalt als der einzige gesetzliche Erbe vorgeladen, der Erschließung und Vorlesung beizuwohnen. Mit ernster Miene, in steifer stolzer Haltung, in seinem Reichtum entsprechend eleganter, wenn auch würdiger und seiner derzeitigen Situation angemessener Toiletle harrte er des Beginns der Verhandlung; höchstens in dem nervösen Spiel seiner mit goldenen Ringen bedeckten Finger jene Erregung verratend, der wohl auch der kühlste und uneigennützigste von uns in einem derartigen Falle nicht Herr zu werden vermöchte. Der die Verhandlung leitende Richter prüfte zunächst die Unverletztheit des Verschlusses, worauf er das ziemlich starke Kuvert erbrach und aus einer Reihe von Papieren und Dokumenten das eigentliche Testament hervorsuchte. 1 1 ( 1 6 1 d d 1 d T se r re vi fe K bi al ar ste K to Ko we Le Si stel d ein M. Ge auc geg Ein den der Kise erst Zar abe lung Sta Mit anzi führ borc Aus mög das Anle Soel im Rub nuni und Zare dran nann die 1 erst haben mit ihren Arbeitgebern einen Tarifvertrag abgeschlossen. Die Arbeitszeit beträgt 8 Stunden, an den Tagen vor den hohen Festen 6 Stunden. Ueberstunden dürfen nur gemacht werden, wenn am Orte Arbeitslose nicht vorhanden sind, sonst wird für Ueberstunden ein Zuschlag von 25 vom Hundert, und für Nacht= und Sonntagsarbeiten ein Zuschlag von 50 vom Hundert berechnet. Akkordarbeit muß möglichst vermieden werden, und es ist dabei der Mindestlohn zu garantieren. Der Minimallohn pro Tag beträgt für Modelleure 6 Mark, für Antrager 8 Mark, der mittlere Lohn beträgt 8 und 10 Mark. Höhere Lohnsätze bleiben freier Vereinbarung vorbehalten. Außerdem sind noch Bestimmungen getrofsen über Zulagen bei auswärtigen Arbeiten, Gerüstbauen, über Schutzvorrichtungen gegen Witterungseinflüsse und über die Anerkennung des Gehilfenarbeitsnachweises. Eine ständige Kommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern soll die aus dem Vertrage entstehenden Streitigkeiten schlichten. Zur Bergarbeiterbewegung im Ruhrrevier. Von dec vom Handelsminister ins Ruhrgebiet entsandten Spezialkommission, bestehend aus dem Oberberghauptmann v. Velsen, den Ministerialräten Meißner und Reuß, ist letzterer nach Berlin zurückgekehrt, um dem Minister einen kurzen Bericht zu erstatten. In der Frage der Zusammenlegung der Grubenfelder und Zechen nahm die Kommission diesbezügliche Vorschläge von den Vergrevierbeamten entgegen. Sollte es infolge der gegenwärtig zwischen mehreren Grubenverwaltungen und Belegschaften schwebenden Sreitfragen zu einem Ausstand kommen, so wird, wie die„Westf. Allg. Ztg." erfährt, die Spruchkammer des Berggewervegerichtes als Vermittlungsamt in Funktion treten. Das Ende des Kampfes in der Berliner Holzindustrie ist wieder um einen Schritt näher gerückt. Die sehr stark besuchte Vertrauensmänner=Versammlung des HolzarbeiterVerbandes, welche am Freitag abend in der Brauerei Friedrichshain tagte, nahm Stellung zu den Einigungsvorschlägen, welche zwischen den Vertretern der heiden Parteien vereinbart worden sind. Die Versammlung debattierte lange und eingehend über die Vorschläge. Nachdem Glocke dieselben erläutert und über die Verhandlungen Bericht erstattet hatte, sprachen mehrere Redner gegen die Vorschläge. Sie waren nicht grundsätzlich gegen den Abschluß eines Vertrages, hatten aber an den vorliegenden Vorschlägen manches auszusetzen. Mehrere Mitglieder der Ortsverwaltung sowie der Verbandsvorsitzende Kloß traten für die Annahme der Einigungsvorschläge ein. Die Diskussion zog sich bis nach Mitternacht hin. Schließlich erteilte die Versammlung durch einstimmig gefaßten Beschluß den Vertretern des Ver bandes Vollmacht, wegen Abschluß eines Vertrages mit den Unternehmern in Verhandlung zu treten. enthielten und die Tendenz dahin gehe, Polizeimänner und das Korps herabzuwürdigen. Dieser Zweck sei zum Teil auch erreicht und die Stellung des Polizeimannes gegenüber dem Publikum erschwert worden. Dr. Wassilieff wird gegen dieses Urteil jedenfalls appellieren. Das Urteil fordert naturlich die Kritik nach den verschiedensten Seiten heraus. Enthält das Zugeständnis, daß es unter einer Berufsklasse „noch viele ehrliche, noch nicht ganz verdorbe Menschen gibt", wirklich eine Ehrbeleidigung? Bejaht man diese Frage wie das Basler Strafgericht, so gelangt man einfach zu einer Rechtsunsicherheit, indem man in einem ganz gewöhnlichen Satze nur noch lobende Dinge über einen Beruf oder eine ganze Bevölkerungsklasse aussagen darf, will man nicht eine Klage von 30 Schneidern, 70 Schuhmachern oder 10000 Zugehörigen einer politischen Partei megen Ehrbeleidigung riskieren, in welchem Falle man vom Basler Strafgericht natürlich verurteilt würde. Trotzdem Dr. Wassilieff wegen Ehrbeleidigung durch die Presse vorbestraft ist, kommt man bei der Höhe der ihm zudiktierten Strafe nicht über das peinliche Gefühl hinweg, daß er im Gerichtssaale für seine freimütigen Aeußerungen über die Basler Polizei, die er im Großen Rate machte, büßen mußte. Das Basler Strafgericht hat in letzter Zeit gegen die Arbeiterschaft und ihre Vertreter so drakonische Urteile erlassen, daß es in den Nuf der Scharfmacherei geraten ist; es hat auch dafür gesorgt, daß man in Basel eine„Klassenjustiz" nicht nur mehr dem Namen nach kennt, sondern daß sie bei uns zur Tat geworden ist. Gerichtszeitung. Basel, 30. Dez. Hier ist der Arbeitersekretär Dr. Wassilieff vom Strafgericht wegen Beleidigung des Baseler Polizeilorps zu einer Woche Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil erregt nicht nur in den Kreisen der Arbeiterschaft Aufsehen, sondern verursacht auch bei vorurtelsfreien Angehörigen bürgerlicher Parteien einiges Unbehagen. Der Tatbestand ist folgender: Am(14. Oltober erschien im hiesigen „Vorwärts“ ein Artikel, der die Maurer und Handlanger zur Organisation aufsorderte. Dr. Wassilieff kritisierte darin die Abordnung von Polizeimännern zum Schutze von Arbeitswilligen und schrieb:„Wir sind überzeugt, daß unter den Polizisten viele noch ehrliche, noch nicht ganz verdorbene Menschen zu finden sind." Durch diesen Passus fühlten sich 127 Polizeimänner beleidigt: sie stellten Strafantrag, worauf Dr. Wassilieff am 15. und 16. November an die 127 Polizilien einen offenen Brief schrieb, in welchem einige im Polizeikorps vorgekommene pflichtwidrige Fälle aufgeführt werden und der Polizist, der sich zur Hemmung einer Streilbewegung verwenden lasse, wie der Streilbrecher selbst, als ein unehrlicher Mensch bezeichnet wird. Dann heißt es darin weiter:„Ich zweifle aber keinen Augenblick, daß unter den 127 Polizisten och recht viele Männer sind, die keine Freude daran haben, den ehrlichen Arbeitern ihren Kampf gegen die Ausbeutung zu erschweren." Dadurch fühlten sich wieder 101 Polizei bedienstete beleidigt und klagten, sodaß von 151 Polizeibediensteten 133 als Kläger auftraten. Dr. Wassilieff erklärte in seinem Verhör, daß ihm jede Beleidigung der Polizeimänner ferngelegen habe. Von den Klägern sind drei Polizisten als Vertreter bezeichnet worden. Sie sprachen sich dahin aus, daß die eingellagten Artikel eine schwere Ehrbeleidigung enthielten und ihre Tendenz in einer Heruntersetzung des ganzen Polizeikorps bestehe Diese Tendenz sei bereits in weitere Kreise gedrungen, wie auch aus einem in der„Frankfurter Zeitung"(vergl. 17. Dezbr. 2. Mgbl.) erschienenen Artikel über die im Vasler Großen Rat erfolgte Interpellation Dr. Wassilieffs über die angebliche Günstlingswirtschaft im Basler Polizeikorps zu ersehen sei. Das Gericht hielt den Angellagten gemäß dem Antrag des Staatsanwalts der Beschimpfung Bediensteter schuldig, da sowohl einzelne Ausdrücke als die Artikel im Zusammenhang Beschimpfungen Vermischtes. — Der Schweinepfasse von Saaz. Die„Nordwestböhmische Volkszeitung" schreibt: Pater Ednard Röttig, der an den Saazer Volks= und Bürgerschulen als Katechet den Religionsunterricht erteilte, bestellte die Kinder in seine Wohnung. Seit langer Zeit munkelte wan, daß er bei diesen Besuchen mit den Kindern Ungehörigkeiten verübe. Es war aber von den Kindern nie etwas zu erfahren, da diese wohl aus Schamgefühl nichts erzählten. Vor einigen Tagen hat er den kleinen Gustav R. eingeladen, ihn zu besuchen. Am 25. Dezember abends leistete der Knabe der neuerlichen Aufforderung Folge. Der Pfaffe kaufte ihm zuerst allerlei Naschwerk, dann überredete er ihn zu allerlei Dingen, die der Knabe nur widerwillig tat. Zu Hause angekomen, erzählte dieser voll Ekel, was der Pfaffe mit ihm getrieben. Der Vater des Knaben erstattete sofort die Anzeige bei der Gendarmerie, die die Vorerhebungen einleitete. Wie berichtet wird, soll der hochwürdige Herr auch bei der Beichte in Michelob allerlei Schweinereien getrieben haben. Pater Röttig wurde vom Schuldienst suspendiert und ist aus Saaz verschwunden. Man hat es nämlich unterlassen, den Pfaffen zu verhaften und hat ihm so die Flucht ermöglicht. Tages-Chrouik. * Kurze Nacheichten: In dem Korridor des Gymnasiums in Przemysl erschoß ein Schüler der vorletzten Klasse den Professor Libowicki, von dem er sich verfolgt wähnte, und verletzte durch einen zweiten Schuß sich selbst schwer.— In Wunsiedel wurden durch eine Feuersbrunst alle Häuser an der Egerer=Straße eingeäschert. Der Schaden beläuft sich auf mehrere 100000 Mark.— In dem Postbureau in Minsk erplodierte ein mit Pulver gefülltes Packet. Ein den Wachtdienst versehender Beamter wurde schwer verletzt. Braunschweig, 30. Dez. Aus Furcht vor der— Ehe in den Tod gegangen ist in verflossener Nacht der Kernmacher Paul Knittel hier. Durch Einatmen von Kohlenorydgas machte er in seiner Wohnung seinem Leben ein Ende. Knittel sollte am Neujahrstag heiraten. In einem hinterlassenen Brief gibt er als Motiv des Selbstmordes den bevorstehenden Abschied vom Junggesellenleben an. Fulda, 30. Dez. Die Haushälterin des durchgegangenen Pfarrer- Golbach aus Hauswurz ist wieder zurückgekehrt und in einem hiesigen Hotel abgestiegen. Wie man aus einer als zuverlässig geltenden Quelle erfährt, hat der flüchtige Hauswurzener Pfarrer 30000 Mark aus der Kirchenlasse und 340 Mart von Privatleuten mitgenommen und die Staatspapiere in Frankfurt wechseln lassen. hb. London, 30. Dez. Harrison ist gestern nach Chartun abgereist. Er wird eine neue Kongoexpedition unternehmen. Harrison beabsichtigt, die östlichen Distrikte, welche an den Nil stoßen, sowie den Lituridistrikt zu erforschen. Er hofft, in dieser Gegend einen sehr seltenen Okapi zu erbeuten. In Brüssel hat er die Erlaubnis erhalten, mehrere Pygmeen mitzunehmen. Biermann, Staat und Wirtschaft. Von rh.— Selma Lagerlöf, hristuslegenden. Von Franz Diederich.— Ergebnisse der Zählung der Geisteskranken im Kanton Bern vom 1. Mai 1902. Von ad. br.— Zwiedineck=Südenhorst, Beiträge zur Lehre von den Lohnformen. Von O. B Die„Neue Zeit“ erscheint wöchentlich einmal und ist durch alle Buchhandlungen, Postanstalten und Kolporteure zum Preise von M. 3.25 pro Quartal zu beziehen; jedoch kann dieselbe bei der Post nur pro Quartal abonniert werden. Das einzelne pest kostet 25 Pfennige. Zivilstand der Stadt Elberfeld. Aufgebote. 28. Dez. Emil Bau, Fabrikarb., Paradestr. u. Ida Wolter, Hochstr.— Wilh Reinhard, Buchhalter, Marienstr. u. Anna Velten, Barmerstr.— Karl Kopsch, Wwr., Kaufmann, Kipdorf u. Adele Wild, Wermelskirchen.— Friedr. Schmidt, Fabrikarbeiter, Marienstr. u. Berta Borgartz, Hochstr.— Friedr. Drögemeier, Betonarb, Gesundheitstr. u. Henr. Ritzkat, Nützenbergerstr. 29. Dez. Adolf Finkenberg. Wwr, Bildhauer, Klotzbahn u. Berta Howe, Bogenstr.— Johannes Menne, Maurer, Brakel u. Maria Theresia Hoffmeister, Brakel.— Ludwig Pfeiffer, Bureauassient, hier u. Marie Katharine Sophie Engelbrecht, SchloßWilhelmstal.— Otto Eichhorn, Schlosser, hier u. Josephine Katharine Melles, Vohwinkel. Geburtsanzeigen. 28. Dez. S. v. Installateur Spira, Bandstr. — T. v. Bereiter Winter, Königstr.— T. v. Schneider Holzhauer, Roßstr.— T. v. Xylograph Appold, Ronsdorferstr.— S. von Maurer Reuter, Opphoferstr.— S. v. Friseur Büsse, Ernststr.— T. v. Schreiner Hartwig, Fichtenstr.— S. v. Gerichts=Kassenkontrolleur Plehwe, Südstr.— T. v. Schaffner Ahlrichs, Pfeilstr. — S. v. Schlosser Ehrlenbruch, Juliusstr.— T. v. Kaufmann Bischoff, Vereinsstr.— T. v. Weber Wickel, im Weinberg.— T. v. Tagel. Strunk, Ernststr.— T. v. Schriftsetzer Humpert, Nordstr. — S. v Architekt Ruppel, Sadowastr.— S. v. Kaufm. Mertens, Arminiusstr. 29. Dez. T. v. Heizer Kotthaus, Deweerthstr.— S. v. Bahnarbeiter Lindenberg, Steinbeckerstr.— S. v. Schreiner Prick, Albrechtstr.— S. v. Packer Speth, Seilerstr.— S. v. Maurer Hundorf, Flensburgerstr.— S. v. Postassistent Lüders, Oberstr. — T. v. Buchdrucker Prinz, am Ererzierplatz.— S. v. Wirt Steilmann, in der Nüll.— T. v. Güterfaktor Unterieser, Tiergartenstr.— S. v. Handelsmann Mansbacher, Karlstr.— S. v Kommis Kämper, Holzerstr.— S. v. Handelsmann Dierichs, Südstr.— T. v. Fabrikarb. Lindermann, Östersbaum.— S. v. Kommis Scheben, Kleeblatt.— S. v. Fabrikarbeiter Schwelm, Franzenstr.— S. v. Fuhrmann Spoo, Bökel. Todesanzeigen. 28. Dez. Gustav Thiele, Packer, 63 I, Nordstr.— Wwe. v. Schlosser Ferd. Windgassen, 73 J., neue Fuhrstr.— Karl Schmidt, Schreiber, 58 I, Mathildenstr.— Klara Dettmar, 3 M., Döppersberg.— Grete Stoller, 1 J. 7 M., Bahnhofstr. 29. Dez. Karl Feiber, 6 W., Nützenbergerstr.— Joseph Völker, 7 W., Arrenbergerstr. Literarisches. Von der Neuen Zeit(Stuttgart, Dietz' Verlag) ist soeben das 14. Hest des 23. Jahrgangs erschienen. Aus dem Inhalt des Heftes heben wir hervor: Gedenke zu kämpfen!— Republik und Sozialdemokratie in Frankreich. 7. Die bürgerlichen Republikaner an der Arbeit. Von K. Kautsky.(Fortsetzung.)— Kommunale Unternehmungen und Prosite. Von Th. Rothstein.— Die Kunstphrase und die Arbeiterseste. Von Otto Krille.— Literarische Rundschau: Dr. W. Ed. der Stadt Barmen. Aufgebote Maschinentechniker Richard Willy Mais u. Emilie Berta Schneider, beide Sedansti.— Kaufmann Gustav Adolf Demmer, Düsseldorf u. Hel. Christiane Sophie Priepke, Seifenstr. — Tachdecker Karl Heinrich Becker u. Ferdinandine Heinemann, beide Renshausen.— Schriftsetzer Hermann Gisselbach, Mülheim a. Rh. u. Katharina Maria Anna Koß, Rübenstr. Geburtsanzeigen. T. v. Anstreicher Südfeld, Hermannstr.— S. v. Färber Kipp, Wirkerstr.— S. v. Schmied Klaus, Rödigerstr. — S. v. Zeichner Backhausen, Carnaverstr.— S. v. Schaffner Honzen, Heckinghauserstr.— S v. Fabrikarbeiter Wallrabenstein, Rudolfstr.— S v. Fabrikarb. Oberberg, Buchenstr.— T. v. Fabrikarbeiter Halbei, Leinenstr.— T. v. Tagel. Stefes, Neuerweg.— S. v. Steindrucker Elitzsch, Zeughausstr.— S. v. Fabrikarb. Küster, Leimbacherstr.— S. v. Fabrikarb. Rübenstrunk, Heckinghauserstr. — S. v. Fabrikarb. Deucker, Winterstr.— S. v. Banwirker von Eynern, Hermannstr.— S. v. Büffetier Schmetz, Dickmannstr.— S. v. Bandwirker Röser, Lichtenplatzerstr.— T v. Fabrikarbeiter Tückmantel, Leimbacherstr.— S. v. Bandwirker Busch, Rödigerstr. — S. v. Fabrikarb. Menken gen. Nölke, Schafbrückenstr.— T. v. Heizer Sandweg, Herzogstr.— S. v. Maurer Wasem, Westkotterstr. S. v. Fabrikarb. Gathmann, Burgstr.— T. v. Weber Lamsfuß, Dickmannstr.— S. v. Fabrikarb. Clös, Bendahlerstr.— T. von Lüstrierer Viehbahn, Schwarzbachstr. Todesanzeigen Wwe. v. Lackierer Franz Käseberg, 72 J., Kleinewerth.— Ehefr. Schneider Konr. Hedderich, 51 J., Molikestr. Ehefr. Schreiner Reinhard Franzen, 47 J., Südstr.— Friedrich Karl Heinemann, 7 J 6 M, Rudolfstr.— Edwin Stemann, 3 J. 3 M., Adlerstr.— Klara Margarete Junker, 4 J., Neuestr.— Wwve. v. Schreiner Jakob Nikolay, 78 J, Hochstr.— Ehefr. Färber Emil Helsberg, 47 J., Linienstr.— Kunstschlosser Ernst Emil Ley, 18 J. 9 M., Jungstr.— Kaufm. Mar Lempertz, 30 J, Berlinerstr. — Fabrikarbeiterin Emma Leusmann, 20 J., Marklandstr. Die Gewerkschaften Elberfelds werden ersucht, die Adressen der neugewählten Vorstandsmitglieder, sowie die Versammlungsabende für das neue Jahr unverzüglich an unseren Vorsitzenden den Genossen Joh. Ehrlitzer, Hombüchelerstraße 58, einzusenden, damit eine Regelung der Vereinstafel vorgenommen werden kann. Der Ausschuß der Gewerkschafts=Kommission. Sebelunt bearcifend was seine Schweiter mit der Menge der ihrem letzten Willen beigefügten Schriftstücke beabsichtigen könne, spannte unwillkürlich die Augenbrauen hoch und heftete seine Augen erwartungsvoll auf den Beamten. „Sie sind Herr Hobalt— Alban Hobalt?" „Jawohl, Herr Rat." „Dem Gerichte der Persönlichkeit nach bekannt— Sie sind der einzige nachweisbare gesetzliche Erbe Ihrer Schwester, der Josepyine Minna Hobalt?" „Meines Wissens ja." „Sie haben sich überzeugt, daß der Verschluß des Dokumenis unverletzt war?" „Ja." „So vernehmen Sie dessen Inhalt." Der Richter erhob die Schrift und begann mit lauter Stimme und unter scharser Akzentnierung der besonders bemerkenswerten Stellen das Folgende zu lesen: „Mein letzter Wille. Ich, Josephine Minna Hobalt, geboren den 15. Dezember 1854 in Karlsruhe, wohnhaft zu Dresden=Strehlen,—straße Nr... dispositions= und geschäftsfähig im Sinne des Gesetzes, bestimme hierdurch zum Universalerben meines gesamten, auf rund 200000 Mark sich belaufenden Vermögens meinen ehelich geborenen Sohn Rudolf Karl Weringer, genannt Sellemann, 24 Jahre alt, wohnhaft zu Zittau,—straße Nr. Der Vorleser hielt inne und warf einen erstaunten Blick auf den Zuhörer. Letzterer, bei der Erwähnung des zum Erben eingesetzten Sohnes wie vom Blitz getroffen zurücktaumelnd, erfaßte mit der rechten Hand die Lehne des neben ihm stehenden Stuhles, um sich aufrecht zu erhalten. Sein Antlitz überzog auf Augenblicke eine Kalkfarbe— seine Lippen zuckten wie im Krampfe. „Ihre Schwester war also verheiratet, Herr Hobalt?" fragte der Richter verwundert.„Ich denke, sie lebte in ehe Ilem Slände. „Das glaubte ich auch— mir ist weder etwas von ihrer Heirat noch von einem Sohn bekannt," stammelte der Häuserkönig verwirrt, indem er alle seine Kräfte sammelte, um dem schweren und unerwarteten Schlag, der ihn getroffen, Widerstand zu leisten.„Und ich— ich kann auch nicht daran glauben," sprach er mit fast lallender Stimme weiter.„Die — Täuschung wäre— zu unerhört. Das Testament kann nicht echt sein." „Kommen Sie her und prüfen Sie, ob das die Handschrift Ihrer Schwester ist." Hobalt wankte zum grünen Tische des Richters, seine Augen schweiften gierig über die eng beschriebenen Seiten. „Es ist allerdings ihre Handschrift." „Nun wohl— an der Echtheit den Testaments kann ja auch gar kein Zweifel bestehen, Herr Justizrat Feistkorn hat es von ihr selbst in Gegenwart der gesetzmäßigen Zeugen in Empfang genommen. An der Dispositionsfähigkeit der Erblasserin nach der beglaubigten Versicherung desselben Herrn und der Zeugen ebenfalls nicht. Allerdings enthält das Dokument eine Ueberraschung, auf die niemand gefaßt war, indessen zweifle ich nicht, daß der weitere Inhalt der Schrift, die noch sehr lang ist, die volle Aufklärung über alles enthält, und uns auch zugleich darüber Aufschluß gibt, was es mit diesem plötzlich auftauchenden Sohn für eine Bewandtnis hat und inwieweit seine Legitimität nachgewiesen ist." „Hören Sie weiter." Der Richter fuhr in seinem Vortrage fort: „Alle auf die Geburt meines Sohnes und meine Heirat Bezug habenden Dokumente sind von mir, um jeder Anfechtung meines letzten Willens im Voraus die Möglichkeit des Erfolges zu benehmen, dem Testament beigefügt worden." „Das scheint allerdings der Fall zu sein und werden wir diese Papiere nachher zu prüfen haben," unterbrach sich der HIIEEa einem halb besoraten Blicke auf Hobalt, der wie gebrochen auf den Stuhl gesunken war, weiterlas: „Ich sehe voraus, daß meine Verfügung Aufsehen hervorrufen wird. Man hält mich allgemein für unvermählt, mein eigner Bruder weiß nichts von meiner Ehe. Und doch hat sie bestanden, und zu Recht. Ich bin Witwe seit einundzwanzig Jahren. Gern hätte ich mein Geheimnis mit ins Grab genommeu, aber die heiligen Pflichten der Mutter nötigen mir nach dem Tode ein Geständnis ab, das ich, nachdem ich es so lange in mir zurückgehalten, im Leben abzulegen weder Kraft noch Mut mehr gefunden hätte. Indem ich die ganze Geschichte meiner Heirat hier erzähle, will ich zugleich versuchen, die Motive meines nachherigen Verhaltens darzutun. Ich war zwanzig Jahre alt, als ich zuerst den seinerzeit nicht unberühmten Schauspieler Rudolf Weringer in München, dem damaligen Wohnsitz meiner Eltern, kennen lernte. Ich erblickte in ihm das Ideal eines Mannes, er war berauschend schön, seine Stimme klang wie dämonische Musik, seine Augen besaßen eine fascinierende Kraft. Er bezauberte alle Frauen und Mädchen, und wenn sich zu dieser unbeabsichtigten Wirkung gar der Wille gesellte, der bewußte Wunsch zu bezaubern, so war der auserkorene Gegenstand hoffnungslos verloren. Ich war ein reiches und gleichzeitig, wie die Menschen wenigstens behaupten, schönes Mädchen, mich wollte er bezaubern, er hypnotisierte mich gewissermaßen durch einen einzigen mit dem Ausdruck seiner Liebe und seines Willens ausgerüsteten Blick. Ich Arme gehörte ihm ja schon, ehe ich noch Hoffnung hegen durfte, ihn mein zu nennen, war schon entschlossen, mich von ihm erobern zu lassen, bevor er noch die Absicht hierzu an den Tag gelegt.(Fortsetzung folgt.)