Nr. 151. 30. Jahrgang. Montag den 2. Juli 1677 Verantwortlicher Redakteur: Julius Krumm in Remscheid. Diese Zeitung erscheint täglich, mit Ausnahme der Sonn= und Feiertage. Abonnementspreis pro Quartal 2 Mark. Früher: „Remscheider Volksblatt“. Zeitung. Druck und Verlag von Hermann Krumm in Remscheid. Anzeige=Gebühr für die Garmond=Zeile oder deren Raum 15 Pf Reklamen per Zeile 25 Pfennig Zum Abonnement auf das mit dem 1. Juli 1877 begonnene neue Quartal der „Remscheider Zeitung laden wir hierdurch ergebenst ein. Abonnementspreis 2 Mark. Bestellungen werden in der Expedition, von den Boten und den kaiserlichen Post=Anstalten angenommen. Remscheid, im Juli 1877. Die Expedition. DN. Remscheid, 2. Juli 1877. Wochenschau. Beim Kaiser, der in der abgelaufenen Woche die Kur in Ems mit erfreulichem Erfolge fortgesetzt hat, hat sich am Mittwoch der französische Botschafter Vicomte von Gentaut=Biron eingestellt. Ob der französische Diplomat, welcher bekanntlich dem Kabinet Broglie von Herzen ergeben ist, mit einer„besonderen Mission" betraut ist, kann man nur muthmaßen. Begreiflicher Weise schenkt die deutsche Reichsregierung den Vorgän gen in Frankreich eine ganz spezielle Aufmerksamkeit. So sagt denn auch die ministerielle„Provinzialkorrespondenz“ über die nach Auflösung der Deputirtenkammer geschaffene Lage:„Die weitere Entscheidung ist nun in die Hand des französischen Volkes gelegt, eine Entscheidung, wie sie von gleich großer und weittragender Bedeutung seit den Wahlen zur National versammlung in Bordeaur nicht stattgefunden hat.“ Das Auflösungsdekret wurde der Kammer am 25. ds. durch ihren Präsidenten Grévy mitgetheilt. Wie man sagt, hatte keiner der Minister den Muth, sich einem möglichen Sturm auszusetzen! Gleichzeitig hat sich der Senat bis zum Wiederzusammentritt der Deputirtenkammer vertagt. Die Wahlen sind nach der Verfassung innerhalb drei Monaten auszuschreiben, aber die Festsetzung der Wahltermine ist völlig der Willkür der Regierung überlassen. Wenn es der Regierung beliebt, die Wahlen auf einen Tag des nächsten Jahres festzusetzen, so hätte sie dem Buchstaben der Verfassung Genüge gethan. Allerdings wird sie dies nicht thun, da sie sich das Budget für das nächste Jahr bewilligen lassen muß. In der Nachmittagssitzung des englischen Unterhauses wußte Mr. Walley den Schatzkanzler nichts Besseres zu fragen, als, ob er vorbereitet sei, die in der Depesche vom 6. Mai erwähnten„europäischen Nationen“ zu nennen, welche mit der darin angedeuteten Politik, nämlich, daß Rußland seine Operationen auf gewisse Theile des ottomanischen Reiches beschränken solle, übereinstimmten oder dieselbe unterstützen dürften. Sir Stafford Northcote erwiderte, nachdem er die angeregte Stelle der Depesche citirt, er würde sich nicht für berechtigt halten, die Zeit des Hauses durch die Aufzählung sämmtlicher europäischer Nationen, die kommerzielle oder finanzielle Interessen in Egypten hätten, in Anspruch zu nehmen. Es würde vielleicht weit kürzer sein, diejenigen zu erwähnen, die keine Interessen in Egypten hätten, aber unglücklicherweise wäre er nicht im Stande gewesen, irgend welche zu finden.(Heiterkeit.) Auch das österreichische Abgeordnetenhaus hat Geschmack gefunden an diplomatischen Debatten. Die Interpellation des Abg. Hofer und Genossen ist gestern von dem Ministerpräsidenten Fürsten von Auersperg beantwortet worden. Die Gerüchte über ein von Deutschland angetragenes Schutz= und Trutzbündniß erklärte er für unbegründet und gab über die Neutralität der Gesammtmonarchie die beruhigendsten Versicherungen ab. Die allgemeine Aufmerksamkeit wird zur Zeit besonders auf das seit zwei Tagen andauernde Bombardement von Rustschuk gelenkt, welches russischer Seits mit solcher Heftigkeit und Planmäßigkeit durchgeführt daß man dasselbe für die Einleitung zu dem Uebergangsversuch eines für diesen Platz bestimmten Cer nirungskorps halten kann. Mit dem das Augenmerk des türkischen Feldherrn nach dieser Seite hin fesselnden Artilleriekampf gleichzeitig wird auch von Uebergangsanstalten berichtet.— Ueber die Lage in Montenegro wiro der„Times" telegraphirt:„Trotz der Vollständigkeit des Erfolges von Suleiman Pascha sieht für den Augenblick Alles günstig aus, und ungeachtet der überlegenen türkischen Streitmacht und der von derselben gewonnenen Vortheile glaube ich, daß noch ein erfolgreicher Widerstand geleistet werden und die Krisis vorübergehen wird. Die türkischen Verluste werden auf 10,000 Minn geschätzt, während die Montenegriner 1000 Mann an Todten und Verwundeten ein büßten. Suleiman Pascha's Armee hat in der Ebene westlich von Spuz ein Lager bezogen; die Armee Mehemed Ali's zieht sich auf Sienitza zurück, und die Invasion von Scutari aus hängt in der Schwebe, da die Rekruten angriffsscheu sind. Die Kunde von dem Uebergange der Russen über die Donau hat den Muth der Montenegriner wieder belebt und ändert die ganze Situation hier. Der Enthusiasmus ist groß und das Land wird sich all den Opfern unterwerfen, welche die Lage der Dinge ihm auferlegen mag.“ Anderen Meldungen zufolge soll Fürst Nikita nach Cattaro geflohen und ein russischer General zum Gouverneur von Montenegro ernannt worden sein.„Die türkischen Zeitungen ertheilen der Regierung den Rath, keine Intervention seitens England's und Oesterreich's zu Gunsten Montenegro's zu dulden, sondern das Fürstenthum mit den„anderen Provinzen“ der Türkei zu assimiliren und einen Gouverneur für dasselbe zu ernennen.“— Die Nachrichten über den Eintritt Serbiens in die Aktion verdienen vorläufig noch keinen Glauben. Es sind bis jetzt keine Thatsachen bekannt geworden, welche die kriegerischen Absichten Serbier's außer Zweifel stellten. Auch die von der griechischen Kammer votirten Gesetze über die Heeresverstärkung und die Organisation der Nationalgarde dienen, nach der„Agence Havas“, nur zu defensiven Zwecken. Sowohl das Ministerium als auch die Kammer befolgten eine nationale und patriotische Politik. Sie strebten nach der allgemeinen Sympathie aller Mächte, und wollten aus diesem Grunde die schwebenden Fragen nicht noch mehr verwickeln. Dafür aber gedenke man bei der diplomatischen Regulirung die geheiligten Rechte des ganzen hellenischen Volkes geltend zu machen. Man kann wohl annehmen, daß England dafür gesorgt hat, der griechischen rung einen Dämpfer aufzusetzen. Politische Uebersicht. Berlin, 27. Juni. Eisenbahn Frachttarife ist heiten des Bundesrathes men. Es sind selbst die weiter gefördert worden. gelegenheit erst in der Bis jetzt ist man über Die Frage der Reform der durch die jetzt vertagten Arnicht zur Erledigung gekomeingeleiteten Vorarbeiten nicht Man wird also an diese Annächsten Session herantreten. einen Meinungsaustausch beGerettet. Novelle von Carl Zastrow. (Fortsetzung.) „Mein armes, armes Kind!“ wehklagte die Mutter, „wie gern gäbe ich Dir meinen Segen; möchte diese Person schon sein, was und wie sie wollte, wenn ich nur die eine Ueberzeugung hätte, daß sie Dich in gleichem Maße liebte, wie Du sie.“ „Sie liebt mich, theure Mutter! Frage mich nicht weiter. Ich weiß es, daß sie mich liebt.“ „Leugne nicht, mein Kind, wäre es der Fall, Du sähest aus glücklicheren Augen. Wenn sie Dein Lebensglück zerstört haben wird, wenn Du mit gebroche nem Herzen am Sarge Deiner ersten, reinen und schmählich getäuschten Liebe einst stehen wirst, dann wird neben dem Gram über den Verlust Deiner Jugend auch vielleicht die Reue über Dein verfehltes Lebensziel Dein Inneres mit Qualen der Hölle erfüllen. Beveits zeigen schlichte Bürgersleute mit Fingern auf Dich, als den„am Narrenseil geführten Liebhaber“ einer Komödiantin, wenn Du, der Sohn achtbarer, hochangesehener Eltern, Dich auf der Straße sehen läßt. Herr Johnson, Dein Prinzipal, zuckt die Schultern und spricht von Auflösung Deines Verhältnisses zu seinem Geschäft, da Du Dir Unachtsamkeitsfehler zu Schulden kommen ließest und er für Dein ferneres Verhalten nicht gut sagen könne. Achl es ist sehr traurig, mein Kind!“ Wenn auch Oskar die Wahrheit dieser oder ähnlicher Vorstellungen der liebenden Mutter herausfühlte, so war er doch viel zu sehr von seiner Leidenschaft in Anspruch genommen, um einen nachhaltigen Eindruck solcher wohlgemeinten Worte davon zu tragen. Clotilde errieth übrigens bald die ihr entgegenarbeitenden Ein wirkungen seitens der Verwandten und Freunde ihres blindliebenden Verehrers und dies bewog sie, den so eifrig vorbereiteten, längst beabsichtigten Coup so schnell als möglich auszuführen, um so mehr, da auch die Einnahmen für die Vorstellungen sich verringerten und sie mit jedem Tage mehr zu einer prosanen Erscheinung herabsank. Es war ein klarer, heiterer Dezembertag. Die Nachmittagssonne warf im langsamen Verscheiden einen blassen, röthlichen Schimmer auf die dunkelblauen Wände des Stübchens, während ein anderer, ungleich hellerer Schein auf dem braungestrichenen Estrich zitterte, von dem Holzfeuer herrührend, das in dem glänzenden weißen Kachelosen lustig flickerte. Clotilde saß, da an dem heutigen Abeno die Vorstellung ausfiel, in nach lässiger Haltung auf dem Sopha, während der vor einigen Minuten eingetretene Oskar einen Stuhl der Geliebten gegenüber herbeigezogen und sich darauf niedergelassen hatte. Die Schauspielerin, welche eine einfache, aber höchst kleidsame Toilette gemacht hatte, sah heute reizender und verlockender als je aus und der in ihrem Anschauen versunkene Jüngling wagte liches Sinnen“ mit keiner Silbe zu stören, sondern wartete geduldig, bis sie das herrschende Schweigen durch ein freundliches aufmunterndes Wort unterbrechen „Nun, Oskar?" begann sie endlich, langsam die dunklen seidenen Wimpern zu ihm aufschlagend,„wir werden uns also bald trennen müssen?" „Trennen?“ wiederholte er tonlos, als habe er das Wort nicht verstanden,„wir uns trennen, Slonlde: Sie nickte ernst mit dem Kopfe.„Unsere Glanzzeit ist vorüber, Oskar. Die Zuschauerräume unseres Theaters sind kaum noch zum vierten Theil gefüllt. Der Direktor spricht von Abreisen. Wir müssen ihm folgen, Oskar. Wir sind ja einmal solche unglückliche Zugvögel.“ „und Sie— Clotilde? werden Sie denn auch mitreisen?“ fragte er gepreßt. Muß ich denn nicht?“ fragte sie leise,„bleibt mir etwas anderes übrig? Bin ich nicht eine Schauspielerin, die ihrer Kunst leben, bald hier, bald dort sein muß, wohin der Zufall oder die Laune des TheaterDirektors sie dirigirt?“ „Ich habe immer im Stillen gehofft. Sie würden bei uns bleiben, Clotilde. Ich hatte noch größere Hoffnungen an diesen Gedanken gekaüpft. O, Sie werden es ja wissen, theure Clotilde!“ „Oskar!“ sagte sie, sich vertraulich an ion schmiegeno,„ich möchte mich nicht gern von Dir trennen. „Du weißt ja, daß ich Dich liebe. kann ich Deine Gattin nicht werden. Die verachtete Theaterprinzessin würde stets ein Stein des Anstoßes in Deiner großartigen Familie sein. Zudem liebe ich auch die Kunst viel zu sehr, um ihr gänzlich Valet zu sagen. Deshalb, Oskar! mache ich Dir den Vorscht#h. Du verläßt diesen klelnstsdtischen Erdenwinkel, der 9" nichts zu bieten hat, dessen kleinliche beschränkte Vergnunisse den Flug Deines Genie's heminen, und in dem Du mit Deinen reichen Anlagen verkümmern müßtest, wie die Maiblume am Rande einer Cisterne. Nicht wahr, Du kommst mit mir, Oskar?“ Er schaute sie mit glühenden Blicken an. Nie war sie ihm zärtlicher und hingebender erschienen. Sie duldete es, daß er ihren Arm um ihre Taille legten, daß seine Lippen die ihren suchten. Sie legte ihr Köpfchen an seine Brust und schaute durch den schimmernden der Grunzag.,—.8 Eisekbahngesetzes zwischen azelnen J#ungen nicht hinausgekommen. Wie hört,=Ue, es in der Absicht, den Bundesrath im u mit diesen Dingen zu befassen; in hiesigen Abetenkreisen behauptet man, daß andernfalls der hstag selbst erneute Schritte thun würde, um diese wichtigen Fragen in Fluß zu bringen.(E. Z.) — Die heutige„Nordd. Allg. Ztg.“ tritt in ihrem Leitartikel sehr bestimmt für die Resolutionen des am 16. Juni in Frankfurt versammelt gewesenen Congresses deutscher Industrieller ein, indem sie betont, daß einer Bewegung, wie sie jetzt innerhalb der deutschen Industrie sich zu erkennen gebe, geradezu eine naturgesetzliche Bedeutung beizumessen sei, deren Nichtbeachtung zu verhängnißvollen Folgen für das ganze staatliche Leben führen könne. — Alle Berichte aus Rußland stimmen darin überein, daß die deutsche Einfuhr dahin von Jahr zu Jahr in stetigem Wachsen ist. Der Werth der deutschen Einfuhr hat den des Imports aus England schon seit geraumer Zeit überstiegen. Im Jahre 1871 bezifferte sich der Werth des Imports aus Deutschland auf nur 162 Millionen Rubel, im Jahre 1874 bereits auf 316 Mill. R. Moskau bildet für den deutsch=russischen Handel den Centralplatz; der Moskauer Kaufmann ist der eigentliche Importeur. Ems. Ueber den eigentlichen Zweck der Anwesenheit des französischen Botschafters, v. Gontaut Biron, in Ems, der gestern vom Kaiser zur Tafel gezogen wurde, sind die verschiedenartigsten Vermuthungen im Umlauf. Am wahrscheinlichsten ist noch immer, daß er der Ueberbringer eines Schreibens des Marschallpräsidenten gewesen ist, von welchem man wohl darf, daß es beruhigende Zusicherungen über die Absichten der französischen Regierung enthalten habe. Sicheres hat jedoch darüber bis jetzt nicht verlautet. Die Anwesenheit des Botschafters in Ems dürfte übrigens schwerlich von langer Dauer sein, sondern seine Rückkehr nach Berlin unmittelbar bevorstehen. Kissingen, 30. Juni. Fürst Bismarck ist heute Mittag mit dem Meininger Zuge abgereist. Obwohl die Abreise Wenigen bekannt war, hatten sich viele Menschen zur Verabschiedung am Bahnhofe eingefunden. Beim Austritte aus dem Königssalon erschollen lebhafte Hochruse, ebenso bei der Abfahrt des Zuges. Das Aussehen des Fürsten war vortrefflich. Straßbura. Wie der„Kobl. Ztg.“ von hier geschrieben wird, beabsichtigt der Herr Oberpräsident Möller eine illustrirte Schilderung der jüngsten Kaiserreise zu veranstalten und dieselbe in denjenigen Schulen, welche an der Begrüßung Sr. Majestät des Kaisers Theil genommen haben, als Andenken vertheilen zu lassen. Um die Stärke der Auflage zu ermessen, sind schon umfassende Ermittelungen im Gange, wie viele Schulkinder bei Begrüßung des Kaisers anwesend waren, beziehungsweise, da diese Zahl wohl zu ausfallen dürfte, auf wie viel Familien sich dieselben vertheilen. Wien. Glaubwürdige Privatnachrichten von hier lassen bestimmt annehmen, daß, selbst in der Voraussetzung früherer Besprechungen zwischen Oesterreich und Rußland wegen eventueller Maßregeln Oesterreichs im Verlaufe des Krieges, kein Arrangement bezüglich der Ergebnisse des Krieges zwischen den beiden Mächten stattgefunden hat, Oesterreich vielmehr so gut wie England bezüglich jener Ergebnisse sich freie Hand bewahrt hat. Daher das schon jetzt bemerkbare Drängen der panslavistischen Partei zu einem Separatfrieden mit der Türkei, sobald entscheidende Schläge auf dem Kriegsschauplatze gefallen sein werden, bevor Europa sich einmischen könne.(K. Z.) Italien. Der Papst fühlt sich geschwächt. Um der Anhäufung von Rückständen vorzubeugen, übertrug er den Entscheid verschiedener ihm vorbehaltener Angelegenheiten den Cardinälen. Der Papst leidet, außerdem daß ihm die Füße den Dienst versagten, seit mehreren Tagen an gefährlichen Schwindelanfällen. Rußland ist sehr bemüht, den Papst zur Annahme der behufs Regelung der Lage der katholischen Kirche in Polen vorgeschlagenen Transactionen zu vermögen. Zufolge wiederholten Drängens wurden die Cardinalcongregationen angewiesen, ein schleuniges Gutachten abzugeben, indem eine günstige Gelegenheit vorhanden sei. DN. Das„Bureau Hirsch“ bringt folgende Depesche: Paris, 29. Juni. In Folge der von einem hiesigen Journal gebrachten Nachricht, Thiers werde zur Kräftigung seiner Gesursheit eine Reise nach der Schweiz Thautropsen einer Thräne lächelnd zu ihm empor: „Nicht wahr, mein Oskar? uns trennt nichts als der Tod?“ „Nichts als der Tod!“ wiederholte er.„Ich folge Dir, Clotilde, wohin Du willst. Ich habe mich längst mit diesem Gedanken vertraut gemacht, und weiß, daß es nicht anders sein kann.“ (Fortsetzung folgt.) unternehmen, ewpfing derselbe den Besuch des deutschen Botschafters, Fürsten Hohenlohe. Wie verlautet, erhielt der Fürst auf seine bezügliche Anfrage von Thiers die Antwort:„Unter den gegebenen Verhältnissen ist mein Platz nur in Paris.“ — Herr Thiers läßt sich in einigen fünfzig Departements als Candidat für die künftigen Wahlen aufstellen. Bei den Wahlen vom Februar 1876 candidirte Thiers nirgends anders als in Paris, um den Marschall zu schonen; da indeß der Letztere jetzt ein Plebiscit haben will, so soll er es haben. Auch Gambetta wird in zahlreichen Bezirken, die jetzt antirepublikanisch vertreten sind, den Republikanern gestatten, mit seinem populären Namen Propaganda zu machen. London, 30. Juni. Morning Post und Daily Telegroph mahnen England angesichts der vom Czaren erlassenen Proklamation an die Bulgaren, welche die unverholene Loslösung der Bulgarei von der Türkei ankündige, sich für die Wahrung der eigenen Interessen vorzubereiten. Die übrigen Blätter besprechen die Proklamation mit äußerster Zurückhaltung. Die Ansicht, daß Rußland die Erschließung der Dardanellen als einen seiner Siegespreise fordern werde, wird hier täglich allgemeiner, gleichzeitig aber auch die Ansicht, daß England, weil es ohne Bundesgenossen sei, dagegen nicht kriegerisch ankämpfen, sondern einen Ersatz vermittels Aegyptens suchen werde. Letztere Politik wird von sämmtlichen liberalen Fraktionen empfohlen. Die Mitglieder der Regierung sprechen über diesen Punkt äußerst vorsichtig und meist ausweichend.(K.Z.) Konstantinopel. Das enfant terrible der Regierung bilden augenblicklich die Seybegs, die asiatischen Freiwilligen. Am 21. v. M. sind wieder 3000 dieser Geister hier angekommen. Das sind Teufelskeile! Tausende von Anekdoten über ihr Thun und Treiben sind in aller Muude, leider nicht alle scherzhafter Natur, da die„von Europas übertünchter Höflichkeit" unbeleckten Söhne der Levante hinsichtlich der Begriffe Leben, Eigenthum, Frauenehre u. s. w. vielfach sehr eigenthümliche Ansichten haben. Indessen muß man ihnen die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß sie keine religiösen Vorurtheile haben: Giaur und Muselmann sind in gleicher Weise ihren Brandschatzungen ausgesetzt. Um die vielfachen Klagen des Publikums zu vermeiden, sind die Asiaten jetzt stundenweit von der Stadt auf den Höhen am Bosporus unter Zelte gelegt worden; nichts desto weniger treiben sie ihr wüstes Wesen in den nahe gelegenen kleinen Ortschaften weiter fort. sische Dampfmühle und das Frachtendepot in Giurge wo sind von den Türken in Brand geschossen. — Zur Stunde beschäftigt die Pforte nur eine Sorge angelegentlichst, und dies ist die Eventualität einer Benutzung Serbiens seitens der russischen Donauarmee zu ihren Operationen. Tritt diese Eventualität ein, so hätte allerdings die Türkei nichts anderes zu thun, als die Waffen zu strecken und sich den Mächten auf Discretion zu ergeben, da in einem solchen Falle jeder Widerstand vergeblich wäre, die Russen in ihrem Marsch auf Konstantinopel auszuhalten. Indessen will man auf der Pforte wissen, daß der Durchmarsch der Russen durch Serbien bei Oesterreich=Ungarn so ernste Schwierigkeiten finden würde, daß man sich hier dieser Eventualität wegen eigentlich der Sorge entschlagen könnte. Vom Kriegsschauplatze. — Auf sämmtlichen drei Gebieten des Kriegsschauplatzes herrscht Bewegung. Der Donauübergang bei Sistowa hat die Russen bis in das Herz von Bulgarien gebracht, und Kaiser Alerander hat bereits eine Proklamation an die Bewohner dieser Provinz erlassen, deren Text nicht verfehlen wird, auch außerhalb der bulgarischen Dörfer sehr lebhafte Aufmerksamkeit zu erregen. Das Schriftstück ist in dem Ton eines absoluten Herrschers gehalten, bietet sonst politisch aber nichts, was, abgesehen von türkischen Kreisen, besonderen Anstoß erregen könnte. Die„Lostrennung“ der Bulgarei vom Joche der Muselmänner ist nichts Neues in dem russi. schen Programm, und wenn es auch der„Mission des Befreiers“ hie und da nicht an Spott fehlen ist doch nicht abzusehen, daß ernste Gesichtspunkte bedenklicherer Art durch dies Manifest entstehen können. Ueber das Rettungsweik selbst mag man sich immerhin seinen eigenen Gedanken überlassen.(Tr.) — Von der Donau verlautet heute wenig Neues, es scheint, als ob die Türken in der Dobrudscha am sogenannten Trajanswalle den ersten ernstlichen Widerstand zu leisten gedenken. Auf dem montenegrinischen Kriegsschauplatz herrscht Ruhe. In Armenien hat am 25. Juni ein Gefecht bei Zewin stattgefunden, in dem beide Theile wieder einmal gesiegt haben wollen. Das nach Suchum=Kaleh gesandte türkische Korps wird von den russischen Truppen auf der Landseite cernirt und hat gar keine Erfolge zu verzeichnen, ebenso bleibt der Aufstand in Abchasien auf seinen Heerd beschränkt. — In Montenegro haben die Dinge eine entscheidende Wendung genommen. Suleiman Pascha und Ali Saib haben sich trotz der taktischen Siege, die sie über die„Falken der Berge“ errungen haben, doch außer Stande gesehen, irgend einen strategischen Vortheil zu erringen, und das Ende der mit beispielloser Energie geführten Kämpfe ist, daß die Armee Suleimar's in Albanien Stellung nimmt und Montenegro von den Türken geräumt wird. Die Verluste beiderseits scheinen enorm gewesen zu sein.(Tr.) — Telegramm der„Neuen freien Presse“ aus Rustschuk: Die Russen eröffneten am 27. d. ein starkes Bombardement auf Rustschuk. Viele Häuser sind niedergebrannt. Das englische Coasulat ist zerstört. Die Türken haber viele Todte und Verwundete. Die Festungswerke von Rustschuk haben wenig gelitten.— Die rusTages=Neuigkeiten. Lennev. 29. Juni. Nach hierher gelangten Nachrichten ist anzunehmen, daß für den hiesigen Kreis nur 2 Amtsgerichte, nämlich zu Remscheid und Lennep, errichtet werden sollen. Ueber die Abgrenzung der Bezirke ist noch nichts bestimmt und namentlich fraglich, ob die sütlichen Gemeinden, Dabringhausen, Thünn und Wermelekirchen mit Remscheid oder Lennep vereinigt werden.(E. Z.) Barmen, 30. Juni. Die letzte Nummer der „Dortmunder Zeitung" berichtet über einen hier gekommenen Fall, der sehr interessant, für die Betheiligten aber ziemlich unangenehm war. Sie schreibt: „Es ist wohl schon östers vorgekommen, daß ein Arrestant dem ihn arretirenden Beamten entsprungen ist, daß aber umgekehrt der Beamte dem Arrestanten entlief, welcher Fall am Sonntag einem unserer(Dortmunder) Mitbürger in Barmen begegnete, dürste wohl als etwas noch nie Dagewesenes zu verzeichnen sein. Genannter Herr spazirte gemüthlich am Sonntag Abend mit einem Freunde durch die Straßen Barmens, als den Beiden plötzlich ein Schutzmann mit gezogenem Säbel und dem Rufe:„Halt, Sie sind Arrestanten“ entgegentrat. Die zwei Herren machten den Mann darauf aufmerksam, daß er kein Recht habe, ruhig des Weges gehende Leute zu arretiren, der Wächter der Nacht kümmerte sich nicht um den Protest, sondern ließ seine Pfeise ertönen, worauf alsbald noch zwei Schutzleute zur Hülfeleistung herbeieilten. Ein des Weges kommender Herr wurde ebenfalls von dem eisteren Schutzmann verfolgt, der Verfolgte gab jedoch Fersengeld und konnte nicht eingeholt werden. Der Beamte nahm nun seine zwei Gefangenen in Empfang, mißhandelte beide mit der flachen Klinge und wollte sie nun in das Gefängniß abliefern. Ohne irgendwie Widerstand zu leisten, gingen die Leute mit, in der Erwartung, daß ihnen für das erlittene Unrecht Genugthuung werden würde. Bei dem Gefängniß in Oberbarmen angekommen, bemerkten sie, daß alle Thüren verschlossen, und deutete ihnen der Wächter des Gesetzes an, er müsse sie nach Unterbarmen in das Gesängniß bringen. Auf dem Wege dahin mochte dem Manne doch wohl die Sache bedenklich vorkommen, denn er sagte zu seinen Begleitern, sie möchten nur gehen, sie wären entlassen. Nun aber drehte sich die Sache. Die beiden Herren verlangten ganz entschieden in das Gefängniß gebracht zu werden, um am andern Morgen vor den Polizeirichter zu kommen. Der Schutzmann ging noch einige Schritte mit, dann aber eilte er hinweg, so seine Füße zu trogen vermochten und war dann den Blicken seiner Begleiter entschwunden. Die Sache ist natürlich sofort am Montag Morgen bei der Polizeibehörde in Barmen zur Anzeige gebracht, und wird dieselbe den Schuldigen schon ausfindig machen.“ So schreibt die Dortmunder Zeitung, der wir die Verantwortung dafür überlassen müssen. * Solingen. Vor einigen Tagen endlich ist der seit ca. 5 Jahren andauernde Strike der hiesigen Messerschleifer auf gütlichem Wege beigelegt worden. Ueber 14,000 Thlr. sollen in dieser Zeit an Unterstützungen für arbeitslose Vereinsmitglieder ausgezahlt worden sein. Mülbeim a. Rh., 29. Juni. Gestern trafen die vom Herrn Minister ernannten Commissare, Assessor Sternberg aus Berlin und Professor Gerstäcker aus Greifswald hier ein, um an Ort und Stelle tungen anzustellen. Mit den bisher getroffenen Maßregeln erklärten sich die Commissare vollständig einverstanden. Auch heute besuchten die Commissare, denen sich Herr Professor Stell als Vertreter des Reichsgesundheitsamtes anschloß, das Feld wieder, und auf Anordnung wurden neue Umgrabungen vorgenoumen. Wie von vornherein vermuthet werden konnte, Puppen in großer Anzahl. Eine vom Herrn Professor Gerstäcker und Herrn Reallehrer Hiecke vorgenommene Rundfahrt auf den benachbarten Gütern ergab erfreulicher Weise, daß bis jetzt keine Puppen 2c. sich dort gefunden haben. Morgen wird der inficirte Acker mit Kalikauge getränkt.(E. Z.) Köln. Aus Berlin geht der K. Z. folgendes Telegramm zu:„Wie der Reichsanzeiger meldet, ist durch die vom landwirthschaftlichen Minister angeordnete Untersuchung das bei Mülheim am Rhein beobachtete Insect mit Sicherheit als Coloradokäfer bestimmt worden. [Daran konnte allerdings von Anfang an kein Zweifel sein.] Auf den inficirten verdächtigen Flächen werden unter Leitung der entsandten Ministerial=Commission umfassendste Vertilgungsmaßregeln ausgeführt. Ueber die Art der Einschleppung hat bis jetzt nichts Zuverlässiges ermittelt werden können.“ Deutz, 27. Juni. Bei dem Brande der hiesigen Kürassierkaserne wurden alle Pferde sofort ins Freie gebracht, und einzelne davon gingen bekanntlich, scheu geworden, durch. So bemerkte, wie man der„Bonner Reichsztg.“ mittheilt, der Postillon des am folgenden Morgen in der Frühe von Beneberg kommenden Postwagens mehrere versprengte Pferde im jungen Hafer weiden. Er gab sofort das Signal zum Sammeln, und siehe da, die Gäule folgten sofort dem Signal, trabten hinter dem Wagen her bis zur Stadt, wo sie ihr altes Quartier wieder aussuchten. Richterich bei Aachen, 24. Juni. Einem Pri vatbriefe entnimmt die„W. Volksztg.“ Folgendes über das Erdbeben am Sonntag:„Gegen 8¾ Uhr saß ich, mit meinem Töchterchen auf dem Scheß, im Zimmer, als auf einmal Alles zu zittern und zu schwanken begann. Es dauerte dies ungefähr drei bis vier Se kunden. Von dem Stuhl, worauf ich saß, wäre ich bald gefallen. Die Mauern neigten sich nach der irneren Seite und ließ sich ein donnerähnliches Getöse vernehmen. Ich lief auf die Straße und standen sämmtliche Nachbarn vor den Thüren, einige roch halbnackt, wie sie eben an der Toilette beschäftigt waren, einer sogar mit halbrasirtem Bart. Die Schule und ein anderes Haus haben starke Risse erhalten. Ja Kohlscheid stürzten Ziegelsteine von den Kaminen und in vielen Häusern Schränke und Stühle ins Zimmer. In Bardenberg soll sogar ein Kranker aus dem Bett gefollen sein und ein Bein gebrochen haben. Koblenz, 29. Juni. Gestern Nachmittag, kurz vor 3 Uhr, kam ein gioßes nach Holland bestimmtes Fleß rheinabwärts gefahren, welches oberhalb der im Bau begriffenen Brücke der Staatsbahn von einem dazu bestimmten Dampsschiff bugsirt werden sellte, wie dies durch Verordnung vorgeschrieben ist. Der früher als Bugsirschiff benutzte Dampfer befindet sich in Reparatur und das an dessen Stelle getretene Schiff erwies sich als zu klein, um dem beabsichtigten Zwecke zu entsprechen. Das Floß trieb in Folge dessen gegen den in Bau begriffenen Strompfeiler und theilte sich in zwei Theile. Dem Bugsirschiff blieb nichts anderes übrig, um nicht selbst in Gefahr zu gerathen, als das Schlepptau zu kappen und das Floß, dessen beide Theile sich sofort quer legten, seinem Schicksal zu überlassen. Die Theile des Floßes trieben nun, rasch fortgeschnellt von der Gewalt des Stromes, ourch die Brücke der Rheinischen Eisenbahn und gegen die Schiffbrücke, auf welcher sich gerade viel Menschen und bespanntes Fuhrwerk befanden, bäumten sich gegen dieselbe auf und zerrissen die An kerketten der Pontons, sodaß die Schiffbrücke, in verschiedene Theile getrennt, fort trieb. Von zwei Badehäusern, welche an der Brücke befestigt waren, trieb das eine mit fort und liegt jetzt oberhalb Vallendar, sehr beschädigt, unter Wasser. Wehrere Damen, welche in den Zellen des Badehauses gerade badeten, hatten noch eben Zeit, sich zu retten, das andere Badehaus kam unbeschädigt davon. Ein auf der Brücke haltender beladener Bierwagen, trieb ebenfalls auf einem Joche mit theinabwärts, ohne jedoch beschädigt zu werden; die drei vor den Wagen gespannten Pfeide konnten von dem Kutscher, der das Floß steuerlos antreiben sah, noch rechtzeitig ausgeschirrt und an das Land ge bracht werden. Mehrere auf dem Floße beschäftigte Leute fielen in den Rhein, wurden aber noch gerettet. — Dies ist in kurzer Zeit der zweite derartige Fall, und die Schuld daran ist jedesmal nur der nicht aus reichenden Kraft des Bugsirbootes beizumessen. Es dürfte deshalb wohl nachgerade an der Zeit sein, zu diesem Dienste wieder ein ausreichenderes Boot einzustellen.— Die Brücke wurdel in vergangener Nacht durch ein Kommando der hier garnisenirenden Pioniere wieder hergestellt und die Passage über dieselbe freigegeben.(E. Z.) Meppen, 26. Juni. Soeben ist eine Depesche des Herrn Krupp in Essen an dessen Vertreter, Herrn Glasmacher, eingetroffen: Krupp hat hier den Schießstand angerommen; er zahlt jährlich 35,000 Mark Pacht. Eine sehr große Summe für die hiesige Gegend. Meppen prangt infolge dessen in Flaggenschmuck. Ein Dorfschulmeister aus alter Zeit. Es ist ein klarer Wintermorgen und die Uhr etwa halb acht. Noch ist's leer im Schulzimmer, aber draußen klappern bereits lustig die Holzpantoffeln der heranstürmenden Schülerschaar. An zwei Wänden des Schulzimmers entlang stehen zwei lange Tische, die an beiden Seiten mit Bänken versehen sind, fünf bis sechs kleinere Bänke füllen den übrigen Raum des Zimmers. In der Ofenecke steht ein hölzerner Lehnstuhl mit bretternem Sitz. In einer andern Ecke steht ein hölzerner Tisch, es ist der Thron des Dorfschulmeisters. Mit gekreuzten Beinen und in blau=flanellener Unterjacke sitzt er darauf und näht so eifrig an einem Kleidungsstücke, daß die Troddel der weißen Zipfelmütze bei jedem Stiche bald nach rechts und bald nach links tanzt Plötzlich wird die Thür aufgerissen.„Morrn, Schulmeister!“ „Morrn, Schulmeister!"„Morrn, Schulmeister!“ schallt es auf einanderfolgend von dort her.„Morrn, Hinrich! Morrn, Lisch! Morrn, Fiek!“ lautete die Erwiderung vom Schneiderthrone herab. Mit Getrampel und Pantoffelgeklapper stürmt die wissensbedürftige Jugend durch die Thür. Bald sitzen die Angekommenen wie die Heringe zusammengepökelt auf ihren Plätzen. Nun brummt's durch den engen Raum, als ziehe ein schwärmendes Bienenvolk durch die Stube. Eines verhört leise dem andern den Katechismus, um später beim„Aufsagen“ vor dem strengen Urtheile des Meisters sicher zu sein.— Der alte Herr hat aus der neben ihm stehenden Dose bereits einige Prisen genommen und dabei finstere Blicke über die Brille hinweg nach den größeren Knaben gleiten lassen. Nun blickt ein runzliches Frauengesicht durch die Thür.„Lisch bottern! Trina und Stina, dei Däl(Diele) affegen! Korlin, laut dei Häuner rut!" Die Gerufenen drängen sich von ihren Plätzen und ein halbes Dutzend ungerufener Mägdlein klappern vergnügt hinterdrein Eine neue ise gleitet unter die Nase und ein drohender Blick über die Brille, aber letzterer nicht bloß nach den Knaben, sondern von diesen in die Ecke zwischen Tische und Wand, dort stehen mehrere nicht zu verachtende Haselstöcke von verschiedener Länge und Dicke. Der Blick ist nicht mißverstanden. Ein Knabe erhebt sich.„Korl kumm! Krischan, kumm! Lurwig, kumm!“ ruft halblaut einer dem andern zu. Langsam erhebt sich einer nach dem andern, und bald sind die größeren Knaben zur Thür hinaus. Das ist das Signal für die Kleinen, die mit unterdrücktem Hurrah hinterdrein stürmen. Nun kommt auf dem Schulhofe Leben in die Bude. Die beiden größten Knaben stehen am Sägebock und bearbeiten ein Scheit Holz nach dem andern, ein halbes Dutzend anderer Jungen ist eifrig mit Spalten beschäftigt, noch andere tragen das kleingemachte Holz an seinen Platz und wieder andere schichten es auf. Dabei geht es natürlich nicht ohne Krawall ab. Jetzt ist die Uhr halb neun. Es klopft an das Feuster. Beile und Säge werden fortgeworfen. Hastig drängt und schiebt sich das kleine Volk durch die Thür und ins Schulzimmer. Der Meister hat seinen Platz verlassen. Er steht hoch aufgerichtet und festen Blickes, das Gesangbuch in der Linken und den bösen Haselstock in der Rechten, vor den Schulbänken. Kopf an Kopf gedrängt sitzt die kleine Meute da. Des Meisters Auge macht noch einmal die Runde.„Wo is Korl Stolt, Fritz Knippe?“ —„Mesten ut!"(tragen Dung weg) schallt es brüllend im Chorus zurück.—„Un Fiek Bastian, Lowisch Drefahl un Minna Hakerten?"—„Waschen af!“— schallt es im gleichen Chorus.—„Na, denn singen wi Nummer so un so.“ Rasch ist das bezeichnete Lied aufgeschlagen und der erste Vers von den vier nachfolgenden nimmt seinen Anfang. Ist das aber auch ein Gesang. Lurwig Holtfaut, der Schule bester Sänger, hat den Kopf in den Nacken gelegt„und läßt sein Stimmlein laut erschallen", daß er von der Arbeit schier kirschbraun im Gesicht wird; und in gleicher Weise arbeitet sich die ganze Gesellschaft ab. Ob der Meister seine Gründe dazu hatte, weiß der Erzähler nicht, wohl aber von einem seiner Kollegen, welcher seine Praxis dahin erläuterte:„Je köller dat is, desto länger lat ick singen; denn warden dei Gören heit un dei Stuw warm, un ick spor dat Inhöten.“ Nach dem Gesange nahm das Gebet seinen Anfang.— Bis zur Beendigung desselben wurden etwa 20 Minuten in Anspruch genommen Die Zeit der Andacht benutzte unser Schulmeister klüglich dazu, um in aller Eile von draußen das Feuer im Ofen anzurühren. Beim letzten Amen war er stets immer wieder pünktlich zur Stelle, der Unterricht konnte seinen Anfang nehmen, aber so weit war es noch nicht.„Johann Sorgenfrie, Willem Grüttmaker, Gust Frickmann, Fritz Möller— kamt mal en beten Prut!"— An den verstörten Gesichtern der Angerufenen war klar zu sehen, daß sie ein Verhör erwarteten, dessen Ergebniß die Delinquenten schon im Voraus auf ihren verschiedenen Rücken zu empfinden schienen. Wat hadd't Ji gistern Abend achter dei Katengorens vör?“— Allgemeines Stillschweigen.„Na, denn möt ick Jug woll Sprack maken!" Ratsch, ratsch, hatte Wilhelm Grützmacher ein halbes Dutzend Hiebe auf der Rückseite seiner leiblichen Existenz. —„Schaulmeister! Schaulmeister! klang es wimmernd.„Ja, hett sick wat tau Schaulmeistern. Wat Ji makt hewwen, will ick weiten?"—„Wi hewuren en beten Kulsäg(ein Spiel mit Bällen) spelt“, lautet kleinlaut das Geständniß.„Na, denn will ick ok mit Jug en beten Kulsäg spelen. Na, Johann Sorgenfrie, denn man räwer äwer de Bänk.“ Das Gesicht des armen Jungen sah nichts weniger als sorgenfrei aus. Es half aber nichts, er mußte sich bequemen, und seine übrigen Kameraden dazu. Warum hatten sie aber auch Kulsäg gespielt, sie mußten wissen, daß Spielen in den Augen ihres alten Dorfschulmeisters ein schweres Verbrechen war. Heulend und schluchzend gingen die Bestraften an ihre Plätze.„Korlin Modaus und Marik Zasmann, worüm hewwt Ji eben lacht?“ Korlin Madaus sagte weinerlich:„äwer Willem Grütmaker sin breid Mul, als hei eben Schacht kreg.“—„Un Du, Marik Zasmann?"—„Gust Frickmann rorte und spelte dortan mit den Fingern Klasnett(Klarinette) an sin Näs'“—„Na, denn Ji beiden Dirns man rut! up Lachen folgt Weinen un Gust Frickmann, kum tau Gesellschaft man mit.“—„De Dirns leigen", jammerte Gust Frickmann.—„Is nich wohr!“— brüllte die ganze Schule.—„Gust, kumm'ruter, wo Klesnett spelt wardt, wardt ok danzt.“— Und der Gust hat ehrlich getanzt und nachher sein Naseninstrument nicht wieder wie eine Klarinette behandelt.— Unterdeß war die Uhr nach neun geworden; der einfache Mann setzt sich wieder auf seinen Schneidertisch. Inzwischen müssen die „Großen“ in der Bibel lesen, während die Kleinen still zu sitzen und„sich zu lernen“ haben. Selbst die Fibelschützen, die kaum einige Buchstaben kennen, müssen„sich lernen". Mit eintönigem Singsang geht das Lesen in der Oberabtheilung vor sich. Rike Lindenberg liest vom himmlischen Jerusalem. „Ich will meinen Grund mit Spazieren(statt mit Saphiren) legen. Der alte Herr merkt den Unsinn nicht, aber nun stockt die Leserin. Sie steht vor einem allzu schweren Worte.„Hupp äwer!“ schallts vom Schneidertische her. Sie„hüppt äwer“ und liest eifrig weiter. Aber sie stockt wieder. „Hüpp äwer!" und wieder wird das schwierige Wort übersprungen.„Hich!“ kreischt gellend die Stimme eines Mädchens.„Fik, wat fehlt Di?“ fragt der Schulmeister, ohne von seiner Nadel aufzublicken.„Wulfen Heinrich hett mi knepen!“ (gekniffen).— Der Magister nimmt die Zipfelmütze ab und wirft sie dem Verklagten zu. Dieser ergreift sie zögernd und trägt sie dem gestrengen Herrn Schulmeister wieder langsam hin. Mit geschicktem Griff hat ihn der alte Herr beim Kragen und schwipp, schwapp! sitzen ihm ein paar kräftige Strippse zwischen den Schulterblättern. So vergeht die Stunde, die Großen„lesen“, die Kleinen „lernen sich"— und Alle träumen. Aber nun bricht die Frühstückszeit herein und die bringt frisches Leben in die Glieder. Mit Getrampel und Geplapper stürmt alles zur Thür hinaus. Draußen beginnen Säge und Beil wieder ihre Arbeit, bis das bekannte Klopfen an den Fensterscheiben wieder zum neuen Beginn des Schulunterrichts mahnt. Die letzte Stunde verrinnt in ähnlicher Weise, wie die voraufgegangenen, nur daß diesmal die Großen „sich lernen“ und die Kleinen„buchstabiren". Am schlimmsten sind die kleinen Fibelschützen daran. Drittehalb Stunden haben sie gesessen und geträumt, geträumt mit offenen Augen; denn sie durften ja nicht einmal einschlafen. Fünf Minuten vor Schluß des Unterrichts treten sie Einer nach dem Andern an den Schneidertisch heran. Sie müssen ihr ABC lesen, wobei es nicht ohne Klappse und Strippse abgeht, nämlich wenn sie zu Hause sich nicht gelernt haben. Endlich, endlich ist die Schule aus. Es wird nun auch wieder gesungen und gebetet, und dann stürmt die ganze kleine Rotte wie eine Herde junger Füllen in die Freiheit hinein.— Ach, wenn nur die Nachmittagsschule nicht wär! Sie beginnt in ähnlicher Weise, wie die Vormittagsschule. Glücklich sind diejenigen, welche zum Sandholen Erlaubniß bekommen. Bis gegen drei Uhr dauert das lustige Treiben und Jagen zwischen den Sandgruben fort, und nur mit schwerem Herzen entschließen sich die Begünstigten zur Rückkehr in die dumpfige Schule. Die zwei Nachmittagsstunden werden hauptsächlich zum Verhören des Katechismus benutzt. Nur wenige machen von der Erlaubniß Gebrauch, gegen Erlegung eines Schillings wöchentlich die große Kunst, das Schreiben, zu erlernen.“ So war es stellenweis vor Zeiren; heut ist Gottlob! anders; ob aber überall auch besser?!— (Westpr. Ztg.) 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Bekanntmachung Sitzung der Bezirks-Versammlungen am Mittwoch den 4. Juli c., in den verschiedenen Lokalen. Remscheid, 29 Juni 1871. Städtische Armen Verwaltung: von Bohlen. verkaufen Dieselbe liegen in der schönsten, gend der Stadt auf der Hauptstraß. sind auf das eleganteste mit allen Bequemlichkeiten ein e richtet mit schönem Hof und Garten reizendem Sommerhaus und Suhnervolière, Stal lung und Remise nebst Kut scherwohnung 2c. Offerten unter E E 3093. an die Annoncen=Exped v. W. Thienes in Elberfeld. Ein zuverlässiger und geübter Sägemeister, der Circularsägen härten und richten kann, wird für aus warts gesucht. Franko Offerten sind bei der Expedition dies. Bltts. unter N Nr. 245 abzugeben. Ein oidinilscher Lehrling und Wißbrodbäcke Ed. Eckstein, Biraderkamp. Bekanntmachung. Die nachste Sitzung der Armenhaus=Commission findet nicht am Montag den 2., sondern am Donnerstag den 5 Juli c., Nachmittags 5 Uhr, zu Lobach statt. Remscheid, 29. Juni 1871. 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Augsburg k. S. 2 M. Geld-Course. 20-Francs-Stücke 16 Mark 20 Pf Sovereigns 20„ 30 5 Francs-Stücke 4" 00